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Predigt über Matthäus 11,26

Friedenskirche 16.12. 1984 (3. Advent); Bodelschwingh 23.12.  1984 (4. Advent)
Lieder: 6,1 - 3; 9,1 - 4; 14, 1, 2, 4, 5; 14,3; Jesaja 35

Jesus macht frei

Liebe Gemeinde!
Nehmen wir mal an, Jesus hat wirklich gerade die Frage, ob er der kommende Messias ist, mit dem Zitat des Propheten Jesaja beantwortet, genauer mit dem Zitat aus einer prophetischen Liturgie, die erst nach dem Exil entstanden ist und die die Rückkehr von Babylon Gefangenschaft nach Jerusalem als große Befreiungstat preisen will. dann sagt Jesus: ich bringe das Freiheit. Hier ist das erinnert an das babylonische Exil, an die Träume von Freiheit, die einen sozusagen "überschäumenden Rest" von Erwartung haben, den wohl kein Messias, kein noch so geschickter politischer Führer hinbekommt: Blinde sehen, Lahme gehen, Taube hören, Stumme reden. Es bleibt da etwas Wunderbares, was nicht vom erwarteten Messias erwartet wurde. Politische Freiheit von den Römern, das zu erkämpfen, darauf wartete das Volk Israel zur Zeit Jesu. "Bist du der da kommen soll?" Bist du der Messias? Bist du der, der sich von Gott berufen fühlt, uns im Befreiungskrieg gegen die Römer vorranzustehen? Willst du uns führen zum Befreiungskampf gegen die römische Legion?
Jesus sagte nicht nein. Er sagt nicht ja. Er sagt eine Hoffnung auf Befreiung aus Gefangenschaft, zu der als überschäumendes äußeres Zeichen die Wunder gehören, die er, Jesus wohl getan hat. Jesus hofft auf die Befreiung. Er sieht sie kommen. Aber er ist nicht der Befreier. Er tritt für die zivile, soziale Seite, nicht für die auch nötige militärische Seite der Revolution Gottes ein. Er will Zeichen setzen für die anbrechende Freiheit. Zeichen, die bekannt sind aus alten Überlieferungen. Zeichen, die mit der Heimkehr von Gefangenen verbunden waren. Die Zeit der Resignation ist vorbei, die Zeit der hängenden Köpfe, verzweifelten Gesichter. Es gibt eine Wende, die etwas anderes ist als der Rechtsruck in unserem Land.
Mitten in der sichtbaren Unterdrückung an Galiläa tritt ein Mann auf und sagt: die Zeit der Freiheit ist angebrochen: In meinen Wundertaten, in diesen Spuren von Heilwerden und Erlösung von Leiden, da kommt die Hilfe Gottes uns nahe. Gewiss, es ist nicht alles, gesund zu werden, wenn man auch noch frei von politischer Unterdrückung werden kann. Aber der Anfang ist gemacht. Zarte Spuren der Güte Gottes in Jesus wirken. Das soll uns Mut machen, an das Weitergehen dieser Befreiungsgeschichte zu glauben.
Freiheit Israels von römische Diktatur haben wir längst. Aber wer würde dies heute noch als Inbegriff der Freiheit Gottes ansehen? Die Ziele der Hoffnung wandeln sich, Freiheit ist unersättlich. Ihr Maß ist: daß alle satt werden.
"Den Armen wird die frohe Botschaft verkündet ." Das ist sozusagen der Trumpf. In Jesaja 35 kommt von Armen noch nichts vor. Sie kommen noch nicht vor im Katalog der Hoffnungen auf Gottes Erlösungstaten. Jesus bringt sie mit hinein. Er erweitert den Erwartungshorizont. Er will mehr als die Propheten nach dem Exil. Jesus erweitert den Wunschzettel der Menschen auf Gottes Hilfe: die Armen sollen satt werden. Obwohl jetzt technisch möglich, ist dieser Wunsch Jesu immer noch nicht erfüllt. Wir müssen es tun. Amen.