Liebe Gemeinde!
Nehmen wir mal an, Jesus hat wirklich gerade die Frage, ob er der
kommende Messias ist, mit dem Zitat des Propheten Jesaja beantwortet,
genauer mit dem Zitat aus einer prophetischen Liturgie, die erst nach
dem Exil entstanden ist und die die Rückkehr von Babylon
Gefangenschaft nach Jerusalem als große Befreiungstat preisen
will. dann sagt Jesus: ich bringe das Freiheit. Hier ist das erinnert
an das babylonische Exil, an die Träume von Freiheit, die
einen sozusagen "überschäumenden Rest" von Erwartung
haben, den wohl kein Messias, kein noch so geschickter politischer
Führer hinbekommt: Blinde sehen, Lahme gehen, Taube
hören, Stumme reden. Es bleibt da etwas Wunderbares, was nicht
vom erwarteten Messias erwartet wurde. Politische Freiheit von den
Römern, das zu erkämpfen, darauf wartete das Volk
Israel zur Zeit Jesu. "Bist du der da kommen soll?" Bist du der
Messias? Bist du der, der sich von Gott berufen fühlt, uns im
Befreiungskrieg gegen die Römer vorranzustehen? Willst du uns
führen zum Befreiungskampf gegen die römische Legion?
Jesus sagte nicht nein. Er sagt nicht ja. Er sagt eine Hoffnung auf
Befreiung aus Gefangenschaft, zu der als
überschäumendes äußeres Zeichen
die Wunder gehören, die er, Jesus wohl getan hat. Jesus hofft
auf die Befreiung. Er sieht sie kommen. Aber er ist nicht der Befreier.
Er tritt für die zivile, soziale Seite, nicht für die
auch nötige militärische Seite der Revolution Gottes
ein. Er will Zeichen setzen für die anbrechende Freiheit.
Zeichen, die bekannt sind aus alten Überlieferungen. Zeichen,
die mit der Heimkehr von Gefangenen verbunden waren. Die Zeit der
Resignation ist vorbei, die Zeit der hängenden Köpfe,
verzweifelten Gesichter. Es gibt eine Wende, die etwas anderes ist als
der Rechtsruck in unserem Land.
Mitten in der sichtbaren Unterdrückung an Galiläa
tritt ein Mann auf und sagt: die Zeit der Freiheit ist angebrochen: In
meinen Wundertaten, in diesen Spuren von Heilwerden und
Erlösung von Leiden, da kommt die Hilfe Gottes uns nahe.
Gewiss, es ist nicht alles, gesund zu werden, wenn man auch noch frei
von politischer Unterdrückung werden kann. Aber der Anfang ist
gemacht. Zarte Spuren der Güte Gottes in Jesus wirken. Das
soll uns Mut machen, an das Weitergehen dieser Befreiungsgeschichte zu
glauben.
Freiheit Israels von römische Diktatur haben wir
längst. Aber wer würde dies heute noch als Inbegriff
der Freiheit Gottes ansehen? Die Ziele der Hoffnung wandeln sich,
Freiheit ist unersättlich. Ihr Maß ist:
daß alle satt werden.
"Den Armen wird die frohe Botschaft verkündet ." Das ist
sozusagen der Trumpf. In Jesaja 35 kommt von Armen noch nichts vor. Sie
kommen noch nicht vor im Katalog der Hoffnungen auf Gottes
Erlösungstaten. Jesus bringt sie mit hinein. Er erweitert den
Erwartungshorizont. Er will mehr als die Propheten nach dem Exil. Jesus
erweitert den Wunschzettel der Menschen auf Gottes Hilfe: die Armen
sollen satt werden. Obwohl jetzt technisch möglich, ist dieser
Wunsch Jesu immer noch nicht erfüllt. Wir müssen es
tun. Amen.