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Kurz Predigt über Lukas 2,1-7

Friedenskirche Heiligabend 24.12. 1984

Volkszählung in der römischen Kolonie Palästina. Eine hochschwangere Frau muss mit ihrem Mann in dessen - und nicht in ihre - Geburtsstadt reisen. Harte Tage. Die Herberge ist überfüllt. Maria und Josef sind gezwungen, mit einer Notunterkunft vorlieb zu nehmen. Jesus wird im Stall geboren. Schon seine Geburt lässt ihn leiden unter den Zwängen des Ausbeuterstaates Rom mit seinen Mafiamethoden. Jesus wird bei einer Volkszählung geboren, die allen schier unerträgliche Steuerlasten auferlegte. Von Anfang an ist er Opfer der Herrschenden. Von Anfang an gehört er zu den Machtlosen, denen, die bluten müssen. Jesus lässt sich nicht herab zu den Armen. Jesus ist einer von ihnen. Die Solidarität Jesu mit den Elenden ist keine edelmütige Großherzigkeit. Er hat das Elend von klein auf erlebt. Die Heimat Gottes ist das Elend. Gott wohnt in den Slums. Gott wohnt in Flüchtlingslagern. Gott hat darauf verzichtet, mächtig zu sein. Er ist arm geworden, um ganz für die Armen da sein zu können.
Denn sie hatten sonst keinen Platz. Für Gott ist kein Platz auf der Welt. Von Anfang an lebt Gott auf der Welt herumgeschubst und abgeschoben. Man kann ihn nicht brauchen. Seine Lehre ist schädlich fürs Geschäft. Man braucht ihn nur, wenn man ihn gebrauchen kann: wenn er den Geschäften nützt. Wenn er bestätigt, was wir gerne hören wollen. Wenn er uns tröstet, wo wir traurig sind. Da ist Gott gut. Aber sonst ist kein Platz. Sonst stört Gott nur. Gott stört uns, wenn er uns in den Hungerkindern Äthiopiens oder Südafrikas begegnet. Wir beschaffen ihm eine Notunterkunft. Wir spenden. So, hier hast du deinen Schnuller, aber jetzt sei ruhig! Wir wollen nicht, das Gott nervt, dass Gott an unser Leben Ansprüche stellt. Was können wir denn schon tun gegen Hunger, Krieg, Ausbeutung. Jesus hat das auch nicht geschafft.
Wir haben hart gearbeitet für das, was wir haben. Wir müssen kämpfen und sorgen, damit wir den Lebensstandard halten können, an denen wir uns gewöhnt haben. Wir haben unsere eigenen Sorgen. Wir haben genug Probleme. Wir können ja doch nichts machen. So sagen wir. Und schieben Jesus ab. Unser Leben ist voll. Gott hat da keinen Platz mehr. "Denn sie hatten keinen Raum in der Herberge."
Kein Platz. Kein Ort. Griechisch ou) to/poj. Utopie. Die Weihnachtsgeschichte erzählt vom utopischen Wort. Gott ist eine Utopie. Gott hat noch keinen Platz auf der Welt, wir haben ihn in unseren religiösen Vorstellungen in den Himmel verbannt. "Ehre sei Gott in der Höhe." Da können wir ihn gefahrlos ehren und preisen. Als Idee, als Gespenst, als Marionette, von der wir nicht so ganz genau wissen: gibt es ihn nun oder nicht? "Und Friede auf Erden den Menschen, die guten Willens sind." Wenn wir Gott ehren, dann, indem auf Erden Friede gemacht wird. Das ist die Logik dieses utopischen Satzes von der Ehre Gottes und dem Frieden unter den Menschen. Beides gehört zusammen. Die Weihnachtsgeschichte ist die Vision Gottes, der aus dem Himmel, in den wir ihn abschieben, auf die Erde kommt und in Jesus Christus Zeichen des richtigen Lebens gibt. Die Weihnachtsgeschichte ist der Auftakt der Berichte von Gottes Ortlosigkeit. Auch damals war für so einen Kerl wie Jesus kein Platz. Diese Geschichte endet mit dem Kreuz. Diesen Augenblick haben die Christen fixiert. Der Gott am Kreuz, das ist das Zeichen für diese Welt geworden: eine Welt, in der die Liebe - obwohl überall gesucht - keinen Platz hat, in der zwar ständig vom Frieden geredet wird, doch nur, um Argumente für Aufrüstung zu zieren; in der Gerechtigkeit bestenfalls Platz hatte auf Kanzeln oder in Wörtern wie "Wehrgerechtigkeit". Wörter, die Frauen ins Militär zwingen sollen. Gott hat keinen Platz. Außer eben das Kreuz zum Hängen und Sterben. Außer eben den Stall, die Slums, die unterdrückten Bevölkerungsgruppen. Da ist der Anfang der Ehre Gottes.
Von dieser Ehre Gottes singen die Sänger des Weihnachtsoratoriums. Die Zärtlichkeit, der Glanz dieser Musik ist nicht entstanden aus der Pracht von Fürstenhöfen, sondern aus noch sehr bescheidenen Verhältnissen. Es ist Musik, die in reichgezierten Kirchen gespielt wurde und wird. Aber es ist Musik gegen den Wohlstand. "Er ist auf Erden kommen arm, dass er unser sich erbarm, uns in den Himmel mache reich und seinen Leben ändern gleich."
Dieser Vers wird kommentiert von Bach: "Des höchsten Sohn kommt in die Welt, weil ihm ihr Heil sowohl gefällt. So will er selbst als Mensch geboren werden." Oder die Bass Arie: "Großer Herr, aus starker König, liebster Heiland, oh wie wenig, achtest du der Erden Pracht. Der die ganze Welt erhält, muss in harter Krippen schlafen!" Indem die Gemeinde Bachs, verkörpert durch die Choräle, teilnimmt an Gottes Not, macht sie sich sensibel für die Not der Menschen in dieser Welt. Der Blick wird vom Himmel zur Erde Gewand. Trotzdem Freude. Die Weihnachtsbotschaft von Gottes Solidarität mit den Armen ist Anfang einer langen Geschichte, in deren Mitte wir leben und deren Ende sein wird, Frieden auf Erden. Das ist Utopie, Zukunftsvision. Weil wir auf dieser Zukunft hoffen, den Himmel auf Erden, wo endlich jeder satt wird und kein Krieg mehr ist, singen wir schon jetzt: Ehre sei Gott in der Höhe. Amen.