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Predigt über Markus 8, 1-10. 14-21

Büscherstiftung 13.7. 85; Friedenskirche 14.7.85; Auferstehungskirche 21.7. 85

Leder: 214, 1, 3, 5; 216, 1, 2, 97 232, 1, 2, 6; 234, ein; Zahn 46; 1. Korinther 11 7ff;

Das Wunder der Sättigung

Liebe Gemeinde, liebe Freunde!

Satt werden in der Wüste. Da, wo nichts wächst oder nur wenig. Satt werden in der Wüste ist in der Tat ein Wunder! Diese Leute, die mit Jesus zogen, ihre Häuser verließen, in der Hoffnung auf bessere Zeiten und Taten, sie erinnern an die Flüchtlingslager, die mit unseren Abfällen, unsere Überproduktion, die wir andernfalls teuer vernichten müssen, gespeist werden. Wundersam sind in den Speisungsgeschichten der Evangelien zumindest die Zahlen: 4000 bis 5000 oder auch 6000 Menschen sollen satt geworden sein? Unglaublich! In der damaligen Zeit heißt: "es waren ungefähr 4000 Menschen": es waren sehr sehr viele! Es waren mehr als zehn. Denn die hätte man noch an der ersten Rechenmaschine abzählen können: den Fingern. Zählen über zehn war für die einfachen Menschen damals Glückssache. Wir erleben in den Geschichten der Bibel oft, daß die nachweislich frühesten Texte in späteren Versionen aufpoliert wurden, gesteigert wurden, und so geht es ja auch mit Gerüchten allgemein. Aus einer Mücke wird ein Elefant, und gerade wenn man fasziniert ist über diese wundersame Speisung so vieler Zuhörer, neigt der schwärmende Erzähler der Urgemeinde in der Begeisterung über diese Begebenheit unweigerlich zu einer kleinen Übertreibung. Sie soll einfach betonen, wie großartig dieses gemeinsame Essen der Jesus-Hörer war.

Wunder ist, daß von dermaßen wenig derartig viele satt werden können. Und zwar, wenn man es gemeinsam ist. Das ist Kirche! So wird das Reich Gottes als Gastmahl der Sünder und Krüppel, als Gottes Fest mit den kleinen Leuten, von Jesus geschildert in seinen Gleichnissen. So ißt Jesus mit den „schlechten“ Menschen, um die Nähe Gottes, der Liebe ist, zu zeigen. So feiern wir Abendmahl als Übung, Einübung ins Teilen.

Auf unserer Korsika-Freizeit hatten wir das Programm, ohne Fleisch zu essen. Wir haben uns selbst verpflegt. Jedes Zelt war im Turnus dran als Koch-Team mit Auswahl des Rezeptes, Einkaufen der Zutaten, Kochen, Ausgabe des Essens an die Gruppe. Ein anderes Zelt sorgte dann nach dem Essen für das Abwaschen und so weiter. Es hat wunderbar geklappt und wir sind eine tolle Gemeinschaft geworden. Für viele war es etwas völlig neues, ganz ohne Fleisch zu leben. Und dann noch keine Mama, die einem das fertige Essen vor die Nase setzt. Das war auch Verzicht auf Bequemlichkeit, aber ein erster Schritt in eine gewisse Selbstständigkeit. Natürlich gab es bei einigen besonders verwöhnten jungen Herrschaften anfänglich etwas Gemecker und Maulen. Aber letzten Endes waren sie auch stolz darauf, alles aus eigener Kraft zu schaffen. Das gemeinsam Kochen und Essen hat uns zusammengeschweißt. Diese Gemeinschaft hatte eine unglaubliche psychische Kraft entfaltet.

Mein Vorschlag: Auch wir hier in der Friedenskirche sollten öfter fleischlose Feste organisieren. Wir könnten Kochstudios veranstalten, auf denen Rezepte vorgestellt und gekocht werden in denen kein Fleisch vorkommt und die trotzdem ausgezeichnet schmecken. Wär gar nicht drauf verzichten kann, könnte wenigstens seinen Braten auf Sonntag beschränken. Nur noch sonntags Fleisch essen wird dann ein ganz besonderes Fest. Wir werden demnächst mal einen indischen Nachmittag machen, wo eine fleischlose Mahlzeit für alle von einer mit indischer Küche vertrauten Berlinerin gekocht wird, es gibt Chapatti und Frikadellen aus Kichererbsen und ähnliches. Man wird so die Illusion haben, Hackbällchen zu futtern, aber da ist kein Tier für gestorben, und der Witz ist ja, daß von dem, was ein Fleischfresser an Rohstoffen verbraucht, gut und gerne sieben Menschen fleischloses Gerichte machen könnten und genauso lecker satt werden wie der Fleischliebhaber.

Das ist quasi unser Versuch, die Speisung der 5000 umzusetzen. Ohne Fleisch werden viel mehr Menschen auf der Welt satt werden können. Mit etwas Umstellung in unserer Küche und unserem Genußverhalten können wir ganz praktisch mitmachen bei dem Wunder Jesu, der alle sattmachen will. Amen.