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Predigt über Lukas 17,11-19

Friedenskirche 8. 9. 1985
Lieder: A 19,1 - 3;   B34;    B61;    Kanon: Jubilate Deo; Psalm 88; Römer 8, 18 - 25; Tauflesung Römer 8, 14 - 17

Jesus heilt 10 Aussätzige

Gottes Heil für alle

Liebe Gemeinde!
Lepra ist heute heilbar. Damals gab es nur eine Möglichkeit, die Bevölkerung gegen die große Ansteckungsgefahr zu schützen. Man ordnete eine Quarantäne für die Erkrankten an. Wenn Sie gesund geworden sind, mußten sie sich den Priestern im Tempel zur Kontrolle vorstellen und durften dann wieder unter den normalen Leuten leben. Diese Quarantäne war eine Verbannung, fast eine Art Isolationsfolter. Die an Lepra Erkrankten zogen sich in die Berge zurück wo sie gemeinsam hausten. Ihr Leben war die Hölle.
Im Alten Testament gibt es so etwas wie die vorgeschobene Todesgrenze. Auch schon Schwerstkranke wurden als Tote erlebt, noch bevor sie dann tatsächlich gestorben waren. Man kann von einer Art sozialem Tod sprechen. Krankheit galt damals als Folge von Sünde. Wer krank war mußte etwas Schlimmes getan haben. Deshalb sah man die Kranken generell als sündhafte Menschen an. Sie waren durch ihre Krankheit in den Augen der Leute unten durch.
Jesus auf dem Weg zum Kreuz, von Galiläa und Samarien nach Jerusalem, überschreitet ständig Grenzen. Die Samaritaner waren für die Juden "unrein". Ein Aussätziger war das noch viel mehr. Aussätzige waren doppelt unrein! Wenn Jesus also Aussätzige heilt, dann verstößt er gegen die Ausschlußregeln des jüdischen Klerus.
Die geheilten Aussätzigen sind Jesus unglaublich dankbar. Ihre Isolation hat endlich ein Ende und sie dürfen wieder zu ihren Familien zurückkehren. Das Pikante an dieser Situation ist, daß gerade die vom jüdischen Denken her „unreinsten“, die Gott am fernsten sind, Gott danken. Die Gott nahe sind, haben es nicht nötig. Jesus erntet wenig Dank, Gott auch.
Die Pointe ist folgende: Indem Jesus Geschichten erzählt und erlebt, in denen gerade das Unerwartete passiert, die Guten böse sind und die Bösen gut, sprengt er die Grenzen auf, die wir ziehen zwischen beiden. Er universalisiert die Güte Gottes und die authentische Gemeinde. Nicht nur die frommen Juden gehören zum Volk Gottes, sondern auch die Samaritaner, Syrophönizier und andere. Oft sieht Jesus bei diesen Menschen eine viel größere praktische Frömmigkeit als bei den Juden selbst. Und für ihn ist nicht die Volkszugehörigkeit das entscheidende Kriterium für das Verhältnis zu Gott, sondern der Glaube und die Liebe, die ein Mensch hat.
Das Kreuz ist Zeichen einer Welt, in der Gutes nicht mit Gutem vergolten wird, wohl aber Böses mit Bösem und oft auch noch Gutes mit Bösen. Undank ist der Welt Lohn, die nicht genügend Überschuß an Liebe hat, um dankbar sein zu können.
Dank als Tugend der Christen erfordert weder Hilflosigkeit noch Untertänigkeit, sondern sehr viel Selbstbewußtsein. Nur starke Menschen können danken. Danken ist auch kein formeller Akt, wo man zu jemandem „Danke“ sagt, sondern auch wesentlich ein Lebenshaltung. Nämlich zu sehen und zu wissen, daß wir fast alles, was wir sind, nicht unserer eigenen Kraft verdanken, sondern von Geburt an angewiesen auf fremde Hilfe und gespeist von dem, was eine Jahrhunderte lange Tradition von Arbeitern aller Art an Kulturgütern und Lebensmitteln aller Art geschaffen hat. Wer darüber glücklich sein kann, daß so vieles in seinem Leben ein großes Geschenk ist, der kann von Herzen danken für all den Reichtum unseres Lebens, mit dem wir verwöhnt sind. Amen.