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Diskussionsvotum zum Thema Hunger

Gottesdienst am 13. 10. 1985 in der Auferstehungskirche Weddinghofen

Liebe Gemeinde!

Noch nie zuvor hat es soviel Nahrungsmittel auf der Welt gegeben wie mit unseren heutigen Erntetechniken. Es wäre auch nicht sehr teuer, Bodenreformen in den armen Ländern durchzuführen. Jede Familie bekäme soviel Acker zugewiesen, Samen, Gerätschaften und Bewässerung, daß sie sich selbst versorgen könnte. Aber das geht nicht. Weil dazu der Großgrundbesitzer seine Baumwollplantage oder seine Orangenfarm hergeben müßte, die er mühsam zusammengekauft hat aus dem Konkurs Pleite gegangener Kleinbauern. Oder die er durch seine Revolvermänner mit Vertreibung gewisser ärmlicher Nachbarn vergrößert hat. Und diese Revolvermänner, die Todesschwadrone in El Salvador und vielen anderen Ländern, kümmern sich auch um alle Gewerkschafter in den armen Ländern, die nach Neuverteilung des Landes rufen. Aber wer ißt die Banane, die Orange, wer trägt das Baumwollhemd, was auf diesen blutigen Plantagen herangezogen wurde? Wir. Das ist es. Unsere Mitschuld. Wir essen Orangen von Feldern, auf denen besser Bohnen wachsen sollten, um die Campesinos, die Erntearbeiter satt zu machen, die nach der Orangenernte für 10 Monate keine Arbeit und kein Geld bekommen werden und die ihr Glück in der Mülltonne von Reichen finden müssen. In fast allen unterentwickelten Ländern wächst der Hunger und das Elend immer noch, weil der Boden für Exportgüter in großen Monokulturen ausgelaugt wird, statt      mit kleinbäuerlichem Mischanbau. Plantagenwirtschaft nutzt den Boden         weniger aus als kleine Schrebergartenäcker. Ceylon etwa hat die Hälfte aller Nutzböden für Tee aufbereitet. Mit dem Erlös für den Tee kauft Ceylon dann Nahrungsmittel ein, die es viel billiger genausogut selbst hätte anbauen können statt dem Tee. Und der Teestrauch laugt den Boden regelrecht aus, zieht alle Nährstoffe des Bodens heraus, sodaß nach einigen Jahren die Teesträucher eingehen, weil sie keine Nährstoffe mehr finden. Und dann muß man neues Land für den Teeanbau erschließen und auf den bisherigen Teefeldern wächst nichts mehr über Jahre hinweg. Das ist Raubbau und man fragt sich, warum die nicht gleich statt Tee Soja und Getreide anbauen. Antwort: Weil wir ja den Tee       haben wollen. Das selbe mit Kaffee, Zitrusfrüchten und so weiter. Unser verwöhnter Gaumen erzeugt die Nachfrage auf dem Weltmarkt, die reiche Plantagenbesitzer dazu anstachelt, immer mehr Böden aufzukaufen oder durch Terror sich anzueignen für den Anbau von unseren Delikatessen aus fernen Ländern. Unser Kaffeedurst bringt           die      Nachbarn      brasilianischer Tschibo-Plantangen um ihr Bohnenfeldchen. Unsere Fleischeslust bringt die argentinischen Landarbeiter um Böden, die statt für Rinderherden genausogut zur Selbstversorgung der Armen optimal nutzbar wären. In den armen Ländern wird diese Möglichkeit durch die Gewehre der Großgrundbesitzer oder des Militärs, die aus unseren Waffenfabriken vom Erlös der Rinderhälften und Bananen angeschafft wurden Bei uns wird die Sättigung der Armen durch Selbstversorgung verhindert durch unseren Appetit aufs Exotische. Wer ißt denn heute noch einen miesen deutschen Apfel. Es muß die Banane sein. An jeder Banane hungert in Guatemala ein Kind.

Liebe Gemeinde! Es ist nicht so, daß wir unsere Ernteüberschüsse großmütig der 3. Welt vermachen müßten, um sie nicht zu vernichten. Die 3. Welt könnte leicht zehnmal satt werden, wenn dort nicht nur für unsere Luxusmägen angebaut würde. Mag sein, daß es besser ist, die Tomaten irgendwie nach Afrika zu schicken, ehe sie bei uns von Planierraupen eingestampft werden, um unsere Preise stabil zu halten. Aber nicht diese Almosen aus unserem Abfall sind die Rettung der Armen, sondern die Umstellung unseres Speiseplans. Essen Sie mehr Gemüse und Obst aus unserem Land. Auch bei uns wachsen Vitamine. Das ist es, was ich Ihnen heute als Tip zur Besserung der Welt mitgeben möchte: War es vor einem Jahr die Kampagne gegen die Fleischeslust, die viele belächeln und einige sehr ernst genommen haben, so möchte ich heute da hinzufügen: Eßt nicht nur weniger Fleisch, sondern mehr europäisches Obst und Gemüse. Habt keine Angst, daß der Kaffeepflücker arbeitslos wird, wenn ihr euren Eduscho gegen Vollmilch tauscht. Er hat sowieso nur für zwei Monate Arbeit und verdient so wenig, daß die Hälfte seiner Kinder schon gestorben ist und die restlichen kurz davor sind. Das bißchen Hungerlohn für die harte Plantagenarbeit rettet kein einziges Menschenleben. Unser Beitrag zu einer Welt ohne Hunger heute lautet: Essen, was hier wächst. Dann wird man eines Tages den Druck auf dem Weltmarkt geschaffen haben, daß die Plantagen pleite gehen und endlich die Kleinbauern das Land erben. Dann werden wird mit diesen Kleinbauern singen: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Amen.