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Predigt über 1.Petrus 1,3-9      

Friedenskirche: 7. April 1986

Leben aus Hoffnung, oder: Glauben statt Schauen  

Liebe Schwestern und Brüder!
Jesus war gekreuzigt. Die Jünger sind entmutigt geflohen. Da bekommt Petrus eine  Vision. Jesus erscheint ihm vor seinem inneren Auge und beauftragt ihn,  weiterzumachen und für die verzweifelten Jünger und Anhänger Jesu zu sorgen.  Verbreitet, was ich euch gelehrt habe, tut, was ich euch vorgelebt habe. Ich bin bei euch,  wenn ihr in meine Fußstapfen tretet. Ihr seid meine Zeugen, ihr könnt den Leuten  weitersagen, daß ich nicht kleinzukriegen bin durch die Henker der Römer. Es geht  weiter.  Das war das Wunder von Ostern. Und alle waren in großer Aufregung und Freude  und sind wieder durch die Lande gezogen, haben sich um die Kranken gekümmert und  um die Armen, haben festgehalten an der Feindesliebe und Nächstenliebe, haben so  gelebt, als wäre Jesus noch dabei. Sie haben zu Jesus gesprochen, als lebten sie immer  noch mit ihm zusammen. Ein Toter wird lebendig, beginnt stärker als zu seinen  Lebzeiten, in den Köpfen und Herzen seiner Freunde herumzugeistern, sie zu  begeistern. So entsteht die junge Gemeinde und verehrt Jesus mehr noch als vorher. Sie  nennen ihn nun nicht mehr Rabbi, Meister - sie nennen ihn nun ihren Herrn. Mehr noch:  Sohn Gottes nennen sie ihn, Retter, Befreier, Messias. So beginnt das geistliche Leben  Jesu.  Die Gemeinde betreibt Mission. Sie verbreitet Worte und Taten Jesu, ihres Herrn.  Sie sagt, Jesus lebt unter uns weiter, er ist auferstanden aus seinem Grab. Er führt uns,  gibt uns ein, was wir tun sollen. In vielen Städten und Dörfern entstehen Gruppen von  Christen, die an Jesus glauben, an Gewaltlosigkeit, Barmherzigkeit, Sanftmut,  Friedfertigkeit. Sie sagen: Jesus hat uns gezeigt, wie Gott wirklich ist. Kein  Obermanager im Himmel, sondern ein Mensch auf Erden, der so für die Liebe zu den  Untersten lebt, daß er sich bei den Obersten sein Leben verwirkt hat. So können sie  sagen, daß Gott ganz und gar Liebe ist und in Jesus erschienen. Aber genau wie Jesus haben sie wenig von der Liebe gespürt. Sie haben versucht,  diese Liebe zu leben und erlebbar zu machen. Nun brauchen zwar alle Menschen Liebe,  aber Liebe hat auch Konsequenzen, die für gewisse Leute sehr ärgerlich ist. Liebe kann  Menschen wütend machen. Und eifersüchtig. Da sich die Liebe Gottes besonders an die  Armen und Hilflosen richtet, werden die anderen, die Reichen und Mächtigen  eifersüchtig. Und da sie Macht und Einfluß haben, lassen sie die Christen diese Macht  spüren. Sie schimpfen auf die Christen und sagen, es ist einseitig, sich besonders um  Arme zu kümmern. Gott muß genauso für die Reichen dasein. Es ist für die Mächtigen  eine Provokation, wenn Christen behaupten, Sanftmut und Vergebung von Schulden sei  Gottes Wille. Denn das stellt die Prinzipien der Staatsgewalt infrage. Es stellt das Militär  infrage, weil Militär nicht mit Sanftmut arbeitet, sondern mit Töten. Es stellt das Gericht  infrage, weil Gericht nicht mit Vergebung von Schuld arbeitet, sondern mit Strafen. Es  stellt die Macht der Oberen selbst infrage, weil Christen sagen, daß allein Gott, allein  Jesus der Herr ist und kein anderer. Die Christen sind parteilich geworden für die  Unterdrückten. Die Mächtigen sind eifersüchtig, weil sie sehen, daß den Christen die  nötige Ehrerbietung fehlt und weil sie hören, daß der Gott Jesus die Armen lieber hat  als die Reichen. Sie sind verletzt über die einseitige Liebe Gottes. Und als sich dieser  Zug der Sanftheit und Vorliebe für Arme so stark steigert, daß Christen im Namen ihres  Gottes den Dienst im Militär verweigern und den Kaiser in Rom nicht verehren - der  ließ sich damals als Gott verehren und ließ im ganzen Land Standbilder seiner Figur in  die Tempel stellen, vor denen man niederknien mußte - als der Kaiser sah, wie  ungehorsam ihm gegenüber die Christen wurden, da wurde er eifersüchtig auf Jesus und  ließ die Christen wegen Wehrkraftzersetzung und Hochverrats gerichtlich verfolgen.  Die Konsequenz der Liebe Gottes im Leben der Christen war nicht mehr Anerkennung  von allen Seiten, sondern Verfolgung durch die Gerichte. Für den römischen Staat war  das Verhalten der Christen kriminell. Die Liebe Gottes im eigenen Leben gelebt und  ernstgenommen brachte die Christen vor Gericht. Viele wurden hingerichtet, als  Gladiatoren in die Arena geschleppt, als brennende Fackel im Lustgarten des Kaisers in  Rom mit Pech geteert und gefedert und bei lebendigem Leib angezündet und verbrannt.  Es ging den Christen genauso schlecht wie Jesus, ihrem Herrn. Und sie nahmen all das  auf sich, weil sie glaubten, daß das Leben Jesu nicht durch Folter und Tod  kleinzukriegen ist und daß auch sie selbst über den Tod hinaus lebendig bleiben, wenn  sie sich nicht kleinkriegen lassen und einen Kniefall vor dem Kaiserstandbild tun. Und  sie erlebten, daß die unbeugsamen Christen, die grausam zu Tode gequält wurden, für  alle anderen Christen zu einem großen Vorbild wurden. Sie waren die Heiligen, die  Mätyerer, zu denen alle mit Verehrung aufblickten. In dieser Verfolgung wurden aber viele auch mürbe und fragten: Was haben wir  eigentlich davon, daß wir uns aufopfern für Jesus? Was ist das für eine Liebe Gottes, die  uns das Leben kostet, wenn wir so leben, wie Jesus es uns gelehrt hat?  Und für alle, die verzweifeln an dem Unglück, was die Liebe Gottes, konsequent  gelebt, über ihr Leben bringt, sagt der Schreiber des 1.PT, der sich ausgibt als Apostel  Petrus: Jetzt erleben wir nicht, daß Gottes Liebe uns das Leben erleichtert. Jetzt leiden  wir nur. Aber später, wenn Gottes Liebe auf der ganzen Welt gesiegt hat und die  Mächtigen von ihren Tronen gestürzt hat, dann wird keiner mehr verfolgt, der Sanftmut  predigt und lebt, der sich gegen Waffen ausspricht, der Vergebung statt Strafe  propagiert. Dann, wenn die Herrschaft der Liebe in der Welt das einzige Gesetz ist, was  es dann noch gibt, dann werden wir es sehen und erleben, dann werden wir es genießen  und leibhaft erfahren, daß unsere Arbeit nicht vergebens war, daß die Liebe nicht nur  ein kraftloser Traum für Feiglinge war, sondern die stärkste Macht auf der Welt  überhaupt. Dann werden alle sagen: Die Christen haben recht gehabt, man kann so  leben und fällt damit nicht auf die Nase. Dann werden alle sagen: So ist Gott, und Gott  hat gewonnen. Dann werden die Christen statt Spinner Realpolitiker genannt. Dann  werden sie verehrt und geachtet und nicht mehr verfolgt. Dann folgen ihnen die Leute. Doch bis dahin gibt es noch viel Leid. Wie halten wir das durch? Immmer nur auf die  Nase fliegen mit Gewaltlosigkeit, während die Machthaber erfolgreich ihre Macht  genießen.  Und das, was uns die Kraft zum Durchhalten gibt, ist der Glaube. Ist die Hoffnung,  daß wir mit unserem sanften Programm stärker sind am Ende. Ist die Liebe, mit der wir  ertragen, daß man uns verspottet und belächelt und mit der wir sanft und behutsam und  geduldig kontern. Jetzt gibt es noch keinen Beweis für die Richtigkeit dieses Programms  Jesu. Wir können nur glauben, daß das klappt.  Dann aber werden es alle sehen und einsehen, daß die Liebe geschafft hat, was alle  Gewalt der Erde nicht erreichen konnte:Daß im Reich Gottes die Menschen, alle  Menschen, friedlich und glücklich miteinander leben zur Ehre Gottes. Amen.