Die
Konfirmanden sitzen auf ihren Stühlen, in der ersten Reihe
sitzen unauffällig die Leute von unserer Theatergruppe
dazwischen. Der Konfirmationsgottesdienst kann beginnen.
Pastor: Im Namen des Vaters
Plötzlich steht Heike auf und geht raus.
Pastor: Halt, wo willst du denn hin jetzt???
Die Konfirmanden sind erschrocken, halten sie fest und reden
durcheinander.
Heike: Ich habs mir überlegt, ich will mich doch nicht
konfirmieren lassen.
Pastor: Wie bitte??
Heike: Ich will mich nicht konfirmieren lassen.
Brie: Ey, warum das denn? Setz dich hin!
Heike: Ich glaube nicht an Gott, ich halte von der Kirche nichts. Und
mein Gewissen läßt das nicht zu, einfach nur so zu
tun, als ob mir Glaube und Kirche wirklich was bedeuten
würden. Gott gibt es nicht, darum ist Konfirmation Quatsch.
Maureen: Also, ich glaube an Gott, für mich ist das kein
Quatsch.
Heike: Warum bist du denn überhaupt hier?
Matthias: Hey, Kerl, denk doch mal an die dicke Knete, die es gleich
gibt, die kannst du dir doch nicht entgehen lassen!
Maureen: Ich möchte zum Beispiel später mal in
Weiß heiraten, hör mal, das ist doch super!
Sven: Was soll denn meine Tante denken, die kam extra aus London hier
zur Konfirmation gedüst.
Brie: Und was sollen alle die Leute denken, die hier sitzen, ist dir
das nicht langsam peinlich, Heike?
Heike: Was geht es mich an, wie die Leute denken, das ist doch letzten
Endes meine Entscheidung, ob ich hier lüge oder ehrlich
bleibe. Außerdem müssen die Leute ja nicht meine
Kirchensteuern zahlen, das ist mein Geld, was da rausgeht.
Brie: Heike, willst du denn hinterher auch nicht kirchlich beerdigt
werden. Guck mal, das ist doch viel schöner als mit so einem
einfachen Redner.
Heike: Wenn ich unterm Torf liege, merke ich sowieso nichts mehr. Das
kann es mir auch egal sein, ob da oben ein Pastor steht und ne Rede
schwingt.
Ralfl Ich denke, das wär hier ne Konfirmation. Könnt
ihr nicht mal mit diesem Gequatsche aufhörn, dazu bin ich
nicht extra in die Kirche n, um mir sowas mitanzusehen.
(guckt Heike nach, wie sie zur Tür rausgeht, mit Erschrecken
auf dem Gesicht. Nachdem sie raus ist, ist einen Augenblick
Ratlosigkeit auf seinem Gesicht, dann kommt der "Vorhang", er beginnt,
tief Luft zu holen und einmal heftig auszuatmen. Dann freundliches
Ansprechen der Gemeinde:) - - In der Tat
soll es nicht so ein Theater sein, wozu wir hier zusammengekommen sind.
Es sind im übrigen auch keine waschechten Konfirmanden,
sondern es ist unsere weschechte Theatergruppe, eine von 12
Jugendgruppen unserer Gemeinde, die eben hier gespielt hat. Auch wenn
es unsere Festlichkeit irritiert, liebe Gemeinde - hat sie nicht
eigeßtlich die Konsequenz gezeigt, die viele nur im Munde
führen? War sie nicht ehrlicher und mutiger als die anderen
Charaktere? Und kann sie, die aus der Kirche weggeht, nicht genausogut
Gottes Willen tun, unwissentlich, unbewußt, instinktiv
richtig? Aber wenn das so ist, wenn man ohne Kirche auch Christ oder
ein guter Mensch sein kann, warum machen wir dann Konfirmation?
Konfirmation, die Zulassung der Jungen Leute zum Abendmahl, zum inneren
Kern der kirchlichen Rituale. Wenn von dem Moment, wo sie alle zum
Abendmahl dürfen, nie mehr einer wiederkommt, ich
übertreibe nur ein wenig. Konfirmation als Zulassung zum
intimen Leben der Kirche ist absurd geworden - bloßes Theater.
Ich möchte versuchen, mit Ihnen zusammen heute morgen einen
neuen Sinn von Konfirmation zu bestimmen. Konfirmation kann auch ein
wirkliches "Herauskonfirmieren aus der Kirche" sein. Und zwar ein
fruchtbares. So wie Jesus die Jünger in die Dörfer
und Städte weggeschickt hat, die gute Nachricht von Gottes
Barmherzigkeit zu bezeugen mit Wort und Tat, so könnten wir
Konfirmation heute verstehen als Berufung unserer Konfirmanden zum
Kämpfen in der Welt. Kämpfen für
Gerechtigkeit, Frieden und saubere Luft, für ein Leben, in dem
alle glücklich werden, und nicht nur so einige wenige. Liebe
Gemeinde! So und nicht anders möchte ich mit Ihnen heute
diesen Gottesdienst feiern.
Im Namen des Vaters...
Sündenbekenntnis
Herr, ich will dir meine Sünde bekennen: ich bin traurig,
daß meine Konfirmanden, mit denen ich zwei Jahre meines
Lebens verbracht habe, nun aus meinem Gesichtskreis verschwinden
werden. Zu manchen habe ich nie ein warmes, liebes Gefühl
finden können. Schade. Aber viele habe ich liebgewonnen und
freue mich jedes Mal, sie zu sehen. Und auch sie werden kaum
wiederkommen nach der Konfirmation. Das macht mich etwas traurig. Ich
reagiere eitel und denke, sie mögen mich nicht. Und darum
reagiere ich böse und verärgert, rege mich
darüber auf und sage: sie sind inkonsequent, weil sie hier und
heute in der Konfirmation versprechen, zum Gottesdienst und zum
Abendmahl zu kommen in Zukunft - und ich ahne, daß sie sehr
schnell wegbleiben werden und mir aus dem Blickfeld geraten. Dabei-
Ja, dabei weiß ich doch selbst und sage es oft genug:
Christsein heißt nicht, mit der Kirche Kontakt zu halten.
Nicht Rituale, sondern das alltägliche Leben ist entscheidend,
ob man den Willen Gottes tut. Und ich muss es mir noch härter
sagen in meiner Pfeifferschen Sehnsucht nach einer vollen Kirche: nicht
in der Friedenskirche mitarbeiten und leben bedeutet Christsein,
sondern es gibt unendlich viele andere Möglichkeiten, den
Willen Gottes zu tun, etwas für Frieden und Gerechtigkeit in
unserer Welt zu tun. Wenn Sie das tun, ohne daß ich es jemals
erfahre - es wäre das höchste Glück meines
Berufs. Herr, erbarme dich über meine Eitelkeit. Herr erbarme
Dich über unsere Konfirmanden. Mach sie zum Salz der Erde.
Amen.
Predigt
über Gal 4,1-7
Friedenskirche am 8. Mai 1986
Die Freiheit der Christen in
der Welt
Liebe Konfirmanden, liebe Eltern und Verwandte, liebe Freunde!
Konfirmation ist ein Initiationsritus. In allen Kulturen gibt es so
etwas. Wenn die Sprößlinge ihre
Sexualität entdecken und Mannbar und Fraubar werden, also
kurzum heiratsfähig, dann werden die jungen Leute
vom Status des Kindes in den Status des Erwachsenen erhoben.
Sogar die Jugendweihe in den Ostblockstaaten verfolgt
letztlich dieses Ziel. Machen wir uns nichts vor,
Konfirmation ist eine von hundert Varianten des
Initiationsritus fürs Erwachsenwerden. Irgendwas muß
man ja machen, um mal zu bemerken, daß aus Kindern
mündige Menschen werden. Um das zu zeigen, gibt es
noch einige kleine Hilfsmittel, die die kirchliche Zeremonie
begleiten. Z.B. die Dauerwelle. Die herrlichen langen Haare
weichen einer Frisur, die an Lockenwickler und den
obligatorischen Staubsauger am Montag morgen erinnern, aber ich warne
euch: Staubsaugen und Lockenwickeln machen noch lange keinen
Erwachsenen aus, ebensowenig wie Rauchen und Alkoholismus.
Ebensowenig wie Konfirmation. Erwachsen wird ein Mensch nicht
mit äußeren Zeichen, sondern in einem
langen inneren Reifeprozeß. Vielen gelingt es nie,
erwachsen zu werden. Liebe Konfirmanden, erwachsen wirken und erwachsen
sein ist zweierlei. Tröstet euch, wenn ihr noch wie
Kinder behandelt werdet. Die meisten Erwachsenen, die ich
kenne, sind entweder kindisch oder kindlich. Ihre Verhaltensweisen
unterscheiden sich im Prinzip kaum, in der Form aber
unheimlich von dem Verhalten der Kinder. Die Form, das
Design, das Styling ist anders, die Inhalte sind gleich. Ich nehme mich
nicht aus. Darum: Versucht doch gar nicht erst, erwachsen zu
werden, dann werdet ihr es am ehesten, denn dann werdet ihr
kindlich bleiben und nicht kindisch. Jesus sagte einmal: Wenn
ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in dass Reich Gottes
kommen. Paulus sagt im Galaterbrief auch nicht, die Sklaven
werden zu Freien Erwachsenen, sondern die Kleinkinder werden
zu juristisch autorisierten Kindern, zu Erben des Vaters im
Himmel. Christen sind nicht erwachsen, sondern Kinder ihres Vaters im
Himmel, der ihnen gibt, was sie brauchen. Werdet Kinder, dann
reift ihr auch!!! Jeder Psychologe kann Lieder singen von den
Zwängen, unter denen Erwachsene leiden, von denen
sie beherrscht werden. Erwachsene sind oft Sklaven ihrer
Normen, viel schlimmer als Kinder es je sein
könnten. Das tut man nicht. Das gehört sich
nicht. Überall Verbote, Mauern, in denen die Seele
erstickt. Kinder dagegen entdecken die Welt, mit einer
unbändigen Neugier, mit einer Direktheit und Aufrichtigkeit,
die fasziniert, würde sie uns Erwachsene nicht immer
wieder daran erinnern, daß wir nicht mehr so
unmittelbar fühlen, reden und denken können. Kinder
stehen zu ihren Gefühlen, Kinder weinen, Kinder
lachen. Und ihr Lachen klingt noch nicht gepreßt
und erpreßt. Sondern witzig. Sie lachen an den
komischsten Stellen. Sie lachen auch mal in der Kirche. Aber
leider nicht lange. Dabei gab es früher zu Ostern das
sogenannte Osterlachen im Mittelalter. Man verlachte den Tod.
Man feierte Karneval in der Kirche, es ging drunter und
drüber. Heute ist Kirche ordentlich, sauber und
langweilig. Man hat nicht mehr viel zu lachen. Aber der
Glaube befreit die Christen. Wenn Gott wirklich ein Abba, ein Papa
für uns ist, dann darf es in der Kirche auch zugehen
wie in einer türkischen Familie. Ich habe im
Unterricht versucht, euch beizubringen, daß Glaube nicht
bedeutet, fertige Sätze auswendig herzusagen,
sondern Nachdenken über alte Bibeltexte, verstehen lernen
und kritische Fragen stellen. Glauben heißt auch
Zweifel haben. Glauben heißt, eigene Wege zu
suchen, auch gegen Widerstände von außen. Die
berühmtesten Christen haben auf die Meinung anderer
wenig Wert gelegt. Hier stehe ich, ich kann nicht anders, das
ist die Haltung des Glaubens. Und so sollte Kirche auch sein.
Kirche sollte kein Anstandsbeibringbetrieb sein, sondern die
Gemeinschaft der Freien. Darum ist der Zwang, der hinter dem
Konfirmandenunterricht fast überall noch steckt,
eigentlich glaubenswidrig!! Die Kirche ist eine
Freiheitsschule. Trotz aller Meckereien meinerseits - ihr habt
im Vorstellungsgottesdienst gezeigt, daß ihr
selbstständig einen ganzen Gottesdienst gestalten
könnt. Ihr habt gezeigt, daß ihr mündig
werdet, mit dem Mund eure Frau oder euren Mann steht. Kirche
ist dazu da, Menschen von ihren Zwängen zu befreien. Und das
ist mein Traum von einer Kirche, die ihre Bestimmung erfüllt:
Eine Freiheitsschmiede, in der zwei Jahre lang durch die
Arbeit an der Bibel Menschen nachdenken über sich
selbst, über die Welt, in die sie hineingeboren wurden,
über die Chancen und Grenzen, die ihr Leben hat. Und
nach diesen zwei Jahren bleiben nicht alle bei der Stange wie
im Schützenverein, sondern werden weggeschickt, um das,
was sie gelernt haben, in ihrem Leben auszuprobieren:
Hinhören, Nachdenken, Sagen, was ich denke und
fühle. Ich möchte euch wegschicken heute und sagen:
Geht hinein in euer Leben. Entdeckt euch, euren
Körper, eure Fähigkeiten, entdeckt die Welt mit ihren
Glücksmomenten und ihrem Leiden. Und geht euren Weg.
Nicht meinen, nicht irgendeinen fertigen. Alle bisherigen
Wege haben uns neben technischen Fortschritten immer fast
ebensoviele menschliche Rückschritte gebracht. Also,
geht euren Weg. Und denkt dabei an den Weg Jesu.
Vergeßt die Liebe nicht, vergeßt die Hungernden
nicht, seid wachsam und auf der Hut. Und so geht hinaus in
die Welt und in euer Leben und kämpft mit uns alten
Opas und Omas um eine Zukunft, in der Gottes Wille in
Erfüllung geht: Daß alle leben
können und glücklich werden. Amen.