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Konfirmation - unser Theater

Friedenskirche am 8. Mai 1986

Die Konfirmanden sitzen auf ihren Stühlen, in der ersten Reihe sitzen unauffällig die Leute von unserer Theatergruppe dazwischen. Der Konfirmationsgottesdienst kann beginnen.
Pastor: Im Namen des Vaters
Plötzlich steht Heike auf und geht raus.
Pastor: Halt, wo willst du denn hin jetzt???
Die Konfirmanden sind erschrocken, halten sie fest und reden durcheinander.
Heike: Ich habs mir überlegt, ich will mich doch nicht konfirmieren lassen.
Pastor: Wie bitte??
Heike: Ich will mich nicht konfirmieren lassen.
Brie: Ey, warum das denn? Setz dich hin!
Heike: Ich glaube nicht an Gott, ich halte von der Kirche nichts. Und mein Gewissen läßt das nicht zu, einfach nur so zu tun, als ob mir Glaube und Kirche wirklich was bedeuten würden. Gott gibt es nicht, darum ist Konfirmation Quatsch.
Maureen: Also, ich glaube an Gott, für mich ist das kein Quatsch.
Heike: Warum bist du denn überhaupt hier?
Matthias: Hey, Kerl, denk doch mal an die dicke Knete, die es gleich gibt, die kannst du dir doch nicht entgehen lassen!
Maureen: Ich möchte zum Beispiel später mal in Weiß heiraten, hör mal, das ist doch super!
Sven: Was soll denn meine Tante denken, die kam extra aus London hier zur Konfirmation gedüst.
Brie: Und was sollen alle die Leute denken, die hier sitzen, ist dir das nicht langsam peinlich, Heike?
Heike: Was geht es mich an, wie die Leute denken, das ist doch letzten Endes meine Entscheidung, ob ich hier lüge oder ehrlich bleibe. Außerdem müssen die Leute ja nicht meine Kirchensteuern zahlen, das ist mein Geld, was da rausgeht.
Brie: Heike, willst du denn hinterher auch nicht kirchlich beerdigt werden. Guck mal, das ist doch viel schöner als mit so einem einfachen Redner.
Heike: Wenn ich unterm Torf liege, merke ich sowieso nichts mehr. Das kann es mir auch egal sein, ob da oben ein Pastor steht und ne Rede schwingt.
Ralfl Ich denke, das wär hier ne Konfirmation. Könnt ihr nicht mal mit diesem Gequatsche aufhörn, dazu bin ich nicht extra in die Kirche n, um mir sowas mitanzusehen.
(guckt Heike nach, wie sie zur Tür rausgeht, mit Erschrecken auf dem Gesicht. Nachdem sie raus ist, ist einen Augenblick Ratlosigkeit auf seinem Gesicht, dann kommt der "Vorhang", er beginnt, tief Luft zu holen und einmal heftig auszuatmen. Dann freundliches Ansprechen der Gemeinde:) - -    In der Tat soll es nicht so ein Theater sein, wozu wir hier zusammengekommen sind. Es sind im übrigen auch keine waschechten Konfirmanden, sondern es ist unsere weschechte Theatergruppe, eine von 12 Jugendgruppen unserer Gemeinde, die eben hier gespielt hat. Auch wenn es unsere Festlichkeit irritiert, liebe Gemeinde - hat sie nicht eigeßtlich die Konsequenz gezeigt, die viele nur im Munde führen? War sie nicht ehrlicher und mutiger als die anderen Charaktere? Und kann sie, die aus der Kirche weggeht, nicht genausogut Gottes Willen tun, unwissentlich, unbewußt, instinktiv richtig? Aber wenn das so ist, wenn man ohne Kirche auch Christ oder ein guter Mensch sein kann, warum machen wir dann Konfirmation? Konfirmation, die Zulassung der Jungen Leute zum Abendmahl, zum inneren Kern der kirchlichen Rituale. Wenn von dem Moment, wo sie alle zum Abendmahl dürfen, nie mehr einer wiederkommt, ich übertreibe nur ein wenig. Konfirmation als Zulassung zum intimen Leben der Kirche ist absurd geworden - bloßes Theater.
Ich möchte versuchen, mit Ihnen zusammen heute morgen einen neuen Sinn von Konfirmation zu bestimmen. Konfirmation kann auch ein wirkliches "Herauskonfirmieren aus der Kirche" sein. Und zwar ein fruchtbares. So wie Jesus die Jünger in die Dörfer und Städte weggeschickt hat, die gute Nachricht von Gottes Barmherzigkeit zu bezeugen mit Wort und Tat, so könnten wir Konfirmation heute verstehen als Berufung unserer Konfirmanden zum Kämpfen in der Welt. Kämpfen für Gerechtigkeit, Frieden und saubere Luft, für ein Leben, in dem alle glücklich werden, und nicht nur so einige wenige. Liebe Gemeinde! So und nicht anders möchte ich mit Ihnen heute diesen Gottesdienst feiern.

Im Namen des Vaters...

Sündenbekenntnis
Herr, ich will dir meine Sünde bekennen: ich bin traurig, daß meine Konfirmanden, mit denen ich zwei Jahre meines Lebens verbracht habe, nun aus meinem Gesichtskreis verschwinden werden. Zu manchen habe ich nie ein warmes, liebes Gefühl finden können. Schade. Aber viele habe ich liebgewonnen und freue mich jedes Mal, sie zu sehen. Und auch sie werden kaum wiederkommen nach der Konfirmation. Das macht mich etwas traurig. Ich reagiere eitel und denke, sie mögen mich nicht. Und darum reagiere ich böse und verärgert, rege mich darüber auf und sage: sie sind inkonsequent, weil sie hier und heute in der Konfirmation versprechen, zum Gottesdienst und zum Abendmahl zu kommen in Zukunft - und ich ahne, daß sie sehr schnell wegbleiben werden und mir aus dem Blickfeld geraten. Dabei-
Ja, dabei weiß ich doch selbst und sage es oft genug: Christsein heißt nicht, mit der Kirche Kontakt zu halten. Nicht Rituale, sondern das alltägliche Leben ist entscheidend, ob man den Willen Gottes tut. Und ich muss es mir noch härter sagen in meiner Pfeifferschen Sehnsucht nach einer vollen Kirche: nicht in der Friedenskirche mitarbeiten und leben bedeutet Christsein, sondern es gibt unendlich viele andere Möglichkeiten, den Willen Gottes zu tun, etwas für Frieden und Gerechtigkeit in unserer Welt zu tun. Wenn Sie das tun, ohne daß ich es jemals erfahre - es wäre das höchste Glück meines Berufs. Herr, erbarme dich über meine Eitelkeit. Herr erbarme Dich über unsere Konfirmanden. Mach sie zum Salz der Erde. Amen.

Predigt über Gal 4,1-7    

Friedenskirche am 8. Mai 1986

Die Freiheit der Christen in der Welt


Liebe Konfirmanden, liebe Eltern und Verwandte, liebe Freunde!
Konfirmation ist ein Initiationsritus. In allen Kulturen gibt es so etwas. Wenn die  Sprößlinge ihre Sexualität entdecken und Mannbar und Fraubar werden, also kurzum  heiratsfähig, dann werden die jungen Leute vom Status des Kindes in den Status des  Erwachsenen erhoben. Sogar die Jugendweihe in den Ostblockstaaten verfolgt letztlich  dieses Ziel. Machen wir uns nichts vor, Konfirmation ist eine von hundert Varianten des  Initiationsritus fürs Erwachsenwerden. Irgendwas muß man ja machen, um mal zu  bemerken, daß aus Kindern mündige Menschen werden. Um das zu zeigen, gibt es noch  einige kleine Hilfsmittel, die die kirchliche Zeremonie begleiten. Z.B. die Dauerwelle.  Die herrlichen langen Haare weichen einer Frisur, die an Lockenwickler und den  obligatorischen Staubsauger am Montag morgen erinnern, aber ich warne euch:  Staubsaugen und Lockenwickeln machen noch lange keinen Erwachsenen aus,  ebensowenig wie Rauchen und Alkoholismus. Ebensowenig wie Konfirmation.  Erwachsen wird ein Mensch nicht mit äußeren Zeichen, sondern in einem langen  inneren Reifeprozeß. Vielen gelingt es nie, erwachsen zu werden. Liebe Konfirmanden, erwachsen wirken und erwachsen sein ist zweierlei. Tröstet  euch, wenn ihr noch wie Kinder behandelt werdet. Die meisten Erwachsenen, die ich  kenne, sind entweder kindisch oder kindlich. Ihre Verhaltensweisen unterscheiden sich  im Prinzip kaum, in der Form aber unheimlich von dem Verhalten der Kinder. Die  Form, das Design, das Styling ist anders, die Inhalte sind gleich. Ich nehme mich nicht  aus. Darum: Versucht doch gar nicht erst, erwachsen zu werden, dann werdet ihr es am  ehesten, denn dann werdet ihr kindlich bleiben und nicht kindisch. Jesus sagte einmal:  Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in dass Reich Gottes kommen.  Paulus sagt im Galaterbrief auch nicht, die Sklaven werden zu Freien Erwachsenen,  sondern die Kleinkinder werden zu juristisch autorisierten Kindern, zu Erben des Vaters  im Himmel. Christen sind nicht erwachsen, sondern Kinder ihres Vaters im Himmel, der  ihnen gibt, was sie brauchen. Werdet Kinder, dann reift ihr auch!!! Jeder Psychologe kann Lieder singen von den Zwängen, unter denen Erwachsene  leiden, von denen sie beherrscht werden. Erwachsene sind oft Sklaven ihrer Normen,  viel schlimmer als Kinder es je sein könnten. Das tut man nicht. Das gehört sich nicht.  Überall Verbote, Mauern, in denen die Seele erstickt. Kinder dagegen entdecken die  Welt, mit einer unbändigen Neugier, mit einer Direktheit und Aufrichtigkeit, die  fasziniert, würde sie uns Erwachsene nicht immer wieder daran erinnern, daß wir nicht  mehr so unmittelbar fühlen, reden und denken können. Kinder stehen zu ihren  Gefühlen, Kinder weinen, Kinder lachen. Und ihr Lachen klingt noch nicht gepreßt und  erpreßt. Sondern witzig. Sie lachen an den komischsten Stellen. Sie lachen auch mal in  der Kirche. Aber leider nicht lange. Dabei gab es früher zu Ostern das sogenannte Osterlachen im Mittelalter. Man  verlachte den Tod. Man feierte Karneval in der Kirche, es ging drunter und drüber.  Heute ist Kirche ordentlich, sauber und langweilig. Man hat nicht mehr viel zu lachen.  Aber der Glaube befreit die Christen. Wenn Gott wirklich ein Abba, ein Papa für uns  ist, dann darf es in der Kirche auch zugehen wie in einer türkischen Familie. Ich habe im  Unterricht versucht, euch beizubringen, daß Glaube nicht bedeutet, fertige Sätze  auswendig herzusagen, sondern Nachdenken über alte Bibeltexte, verstehen lernen und  kritische Fragen stellen. Glauben heißt auch Zweifel haben. Glauben heißt, eigene  Wege zu suchen, auch gegen Widerstände von außen. Die berühmtesten Christen haben  auf die Meinung anderer wenig Wert gelegt. Hier stehe ich, ich kann nicht anders, das ist  die Haltung des Glaubens. Und so sollte Kirche auch sein. Kirche sollte kein  Anstandsbeibringbetrieb sein, sondern die Gemeinschaft der Freien. Darum ist der  Zwang, der hinter dem Konfirmandenunterricht fast überall noch steckt, eigentlich  glaubenswidrig!! Die Kirche ist eine Freiheitsschule. Trotz aller Meckereien meinerseits - ihr habt im  Vorstellungsgottesdienst gezeigt, daß ihr selbstständig einen ganzen Gottesdienst  gestalten könnt. Ihr habt gezeigt, daß ihr mündig werdet, mit dem Mund eure Frau oder  euren Mann steht. Kirche ist dazu da, Menschen von ihren Zwängen zu befreien. Und das ist mein Traum von einer Kirche, die ihre Bestimmung erfüllt: Eine  Freiheitsschmiede, in der zwei Jahre lang durch die Arbeit an der Bibel Menschen  nachdenken über sich selbst, über die Welt, in die sie hineingeboren wurden, über die  Chancen und Grenzen, die ihr Leben hat. Und nach diesen zwei Jahren bleiben nicht  alle bei der Stange wie im Schützenverein, sondern werden weggeschickt, um das, was  sie gelernt haben, in ihrem Leben auszuprobieren: Hinhören, Nachdenken, Sagen, was  ich denke und fühle. Ich möchte euch wegschicken heute und sagen: Geht hinein in euer Leben. Entdeckt  euch, euren Körper, eure Fähigkeiten, entdeckt die Welt mit ihren Glücksmomenten  und ihrem Leiden. Und geht euren Weg. Nicht meinen, nicht irgendeinen fertigen. Alle  bisherigen Wege haben uns neben technischen Fortschritten immer fast ebensoviele  menschliche Rückschritte gebracht. Also, geht euren Weg. Und denkt dabei an den Weg  Jesu. Vergeßt die Liebe nicht, vergeßt die Hungernden nicht, seid wachsam und auf der  Hut. Und so geht hinaus in die Welt und in euer Leben und kämpft mit uns alten Opas  und Omas um eine Zukunft, in der Gottes Wille in Erfüllung geht: Daß alle leben  können und glücklich werden. Amen.