Bodelschwinghhaus
am 11.5.1986
Lieder:
346,1-3;
133,1-5;
305,1-4;
514,1-4;
Psalm 104
11Und es
geschah des HERRN Wort
zu mir und sprach: Jeremia, was siehst du? Ich sprach: Ich sehe einen
erwachenden Zweig. 12Und der HERR sprach zu mir: Du hast recht gesehen;
denn
ich will wachen über mein Wort, daß ich's tue. 13Und
es geschah des HERRN Wort
zum andern Mal zu mir und sprach: Was siehst du? Ich sprach: Ich sehe
einen heißsiedenden Topf von
Mitternacht her.
14Und der HERR sprach zu mir: Von Mitternacht wird das Unglück
ausbrechen über
alle, die im Lande wohnen. 15Denn siehe, ich will rufen alle
Fürsten in den
Königreichen gegen Mitternacht, spricht der HERR,
daß sie kommen sollen und
ihre Stühle setzen vor die Tore zu Jerusalem und rings um die
Mauern her und
vor alle Städte Juda's. 16Und ich will das Recht lassen
über sie gehen um all
ihrer Bosheit willen, daß sie mich verlassen und
räuchern andern Göttern und
beten an ihrer Hände Werk. 17So begürte nun deine
Lenden und mache dich auf und
predige ihnen alles, was ich dich heiße. Erschrick nicht vor
ihnen, auf daß ich
dich nicht erschrecke vor ihnen; 18denn ich will dich heute zur festen
Stadt,
zur eisernen Säule, zur ehernen Mauer machen im ganzen Lande,
wider die Könige
Juda's, wider ihre Fürsten, wider ihre Priester, wider das
Volk im Lande,
19daß, wenn sie gleich wider dich streiten, sie dennoch nicht
sollen wider dich
siegen; denn ich bin bei dir, spricht der HERR, daß ich dich
errette.
Liebe
Gemeinde!
In
Österreich werden schwangere Frauen und Kinder gebeten, in den
Häusern zu
bleiben und Fenster und Türen zu schließen, weil es
radioaktiv regnete. In
Polen darf nur noch Milch von Kühen angeboten werden, die
altes Heu futtern.
Kinder stehen dort nach Jod Schlange. Babys sollen bei geschlossenem
Fenster
schlafen und mit Trockenmilch ernährt werden. Bei Muttermilch
sei nur mit einer
nicht „erheblichen" Verseuchung zu rechnen, also ist sie
verseucht, nur
nicht erheblich.
In
Süddeutschland soll ebenso Milch von weidenden Kühen
nicht verkauft werden.
Kinder, die draußen gespielt haben, sollen sofort
abgewaschen,
Kinderspielplätze gemieden werden. In Dänemark wurden
Fischfänge von
Fischkuttern sofort endgelagert.
Unsere
Bundesregierung aber sagt: Gefahren für die Gesundheit seien
ausgeschlossen.
Wozu dann solche Maßnahmen? Entweder ist die Lage ernst und
die Maßnahmen haben
einen Sinn. Oder die Lage ist ungefährlich, dann bietet man
den Menschen
offenbar in allen europäischen Ländern ein
zeitgemäßes Unterhaltungsprogramm
an.
Die DDR
erklärte, jetzt müsse Schluß sein mit der
Verteufelung der friedlichen Nutzung
der Kernenergie in der Sowjetunion, als gäbe es
außer Verteufelungen nichts zu
berichten. In Moskau wurden die Kinder in der Schule belehrt, Obst und
Gemüse
sorgfältig zu schälen und abzuwaschen. Sie sollten
dies bitte auch zu Hause
ihren Eltern erzählen, denn man hätte in
größerem Umfang Rattengift entdeckt.
Wir
erleben zur Zeit zwei große Volksverdummungen. Eine im Osten,
die andere im
Westen. Das hat gute Gründe. Die Staaten haben sich in eine
Konkurrenzschlacht
um Wachstumsraten, um Produktivitätssteigerungen begeben, in
der die 374
Atomkraftwerke in 26 Staaten ihren festen Platz haben und in der jede
naturwissenschaftliche Erkenntnis in der Produktion angewendet wird,
egal,
welche katastrophalen Folgen ihre Anwendung für das Leben auf
diesem Planeten
hat.
Ich
komme zur Verdummungskampagne unserer Staatsideologien, die "Minister
für
Forschung und Technologie" oder andere Titel tragen, aber in Punkto
wissenschaftlicher Genauigkeit mit der Bild-Zeitung konkurrieren
können. Unsere
Zimmermanns und Riesenhubers wiederum behaupten, hier wäre ein
Unfall gänzlich
ausgeschlossen, weil die Gefahr immer aus dem Osten kommt. Auch unsere
sozialdemokratischen Freunde im hessischen Wirtschaftsministerium
meldeten sich
zu Wort. Es lohne sich nicht, über Sicherheitsvorkehrungen
nachzudenken, weil
Störfälle in westlichen Atomkraftwerken extrem
unwahrscheinlich seien. Dies
gelte auch für die mit Graphit arbeitenden
Hochtemperatur-Reaktoren. Wörtlich:
„Sie sind so ausgelegt, daß sie eine physikalische,
naturgegebene Sicherheit
bieten."
Ronald
Reagan ergänzte den Reigen auf der Insel Bali mit der
Bemerkung, ein solcher
Unfall könnte in den USA einfach nicht passieren. Bei Reagan
würde ich nicht
ausschließen, daß er tatsächlich nicht
mehr im Gedächtnis hat, daß in
Harrisbourg 300.000 Menschen auf der Flucht waren vor der
völlig sicheren
Technik des Westens.
Bei dem
Versuch, den Hochtemperaturreaktor zu retten, wird die
Graphitmoderation kurz
und bündig als „naturgegeben" sicher versprochen und
ganz vergessen, daß
in Tschernobyl gerade ein graphitmoderierter Reaktor in die Luft ging.
Die
ständige Behauptung, ein solcher Unfallhergang wie dort sei
hier undenkbar, ist
richtig. Bei unseren Reaktoren könnten aber die Druckkessel
explodieren, was
wiederum bei dem Typ Tschernobyl nicht vorkommen könnte. Wir
können es drehen
und wenden, ob ein Unfallhergang so ablaufen könnte oder
anders ablaufen
könnte, die Folgen wären die gleichen. 'Wir
hätten ähnlich viele Tote,
Krebserkrankungen und Erbschäden.
Die
vielen Entwarnungen, weil die Wolke woanders hinzieht, können
nur eines heißen:
Jeder Landstrich in Europa bekommt seine Dosis ab. Irgendwann war die
Wolke
überall und abgeregnete Partikel warten im Boden oder im
Wasser auf ihre
Anreicherung. Europa wird nach dieser einen Katastrophe nicht mehr so
sein wie
bisher. Einige Krebsarten werden überhaupt erst in 15 bis 30
Jahren erkennbar
sein und Erbschäden noch viel später. Das ist die
nackte Wahrheit, gegen die
keine Ideologie der Welt ankommt.
Wir
erleben zur Zeit, daß alle Meßwerte
ungefährlich sein sollen. In der
Süddeutschen Zeitung wurde berichtet, daß in Bayern
an ein und demselben Tag
folgendes gemessen wurde: Das pharmakologische Institut maß
die 30fache
Belastung in Bodennähe, das Institut für
Entwicklungsbiologie die 50fache, die
Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung nach einem
Regenguß in München
bis zu der 100fachen Belastung, die bayerische Staatsregierung hatte am
selben
Tag die 5 bis 6fache Belastung messen lassen.
Das
läßt
nur eine Schlußfolgerung zu: wir wissen nicht genau, wie hoch
die
Strahlenbelastung wirklich ist, wir wissen aber genau, daß
wir vom Staat belogen
werden.
Die vom
Staat und von den Atombetreibern bezahlten Wissenschaftler
erzählten uns, ein
Unfall sei statistisch nur alle 10.000 bis 50.000 Jahre
möglich. Innerhalb von
nur 10 Jahren erlebten wir aber: Zunächst Harrisbourg, dann
massive Austritte
in Windscale und die Abriegelung eines Sandstrandes, verseuchtes
Kühlwasser in
Gundremmingen, Risse im Kühlkreislauf in Frankreich, den
Untergang eines mit
radioaktiven Stoffen vollgeladenen Schiffes. Und jetzt die Katastrophe
in der
Sowjetunion.
Zehn Jahre
sind nichts in der Geschichte. D.h. für alle nachvollziehbar
hat allein die
Anti-Atom-Bewegung einigermaßen seriös informiert.
Die staatsoffiziellen
Wissenschaftler und die Geschäftemacher haben die Menschen
belogen, haben sich
als Scharlatane im Spiel mit Menschenleben erwiesen.
Es gibt
nachweislich keine friedliche Nutzung des Atoms. Alle 374
Atomkraftwerke auf
dieser Erde sind Kriegserklärungen an uns. Wir müssen
Wirtschaft und
Staatsführungen bekämpfen, die diese
Gefährdung der Menschheit fortsetzen
wollen. Ich sage bewußt „bekämpfen", weil
harte strahlende Stoffe unsere
Körper ruinieren und dagegen nicht mit Meditation anzukommen
ist.
Selbstverständlich
verlangen wir jederzeitige und vollständige
Aufklärung über alle Vorgänge und
Meßwerte von Staatsführungen in Ost und West.
Gleichzeitig wissen wir aber, daß
wir im Ernstfall keine Aufklärung zu erwarten haben und
müssen daraus folgern,
selber aufzuklären.
Wir
müssen allen Menschen sagen, daß es keinen Zweck
hat, die Regale mit
Jod-Tabletten in den Apotheken leerzufegen, sich Trockenmilch zu kaufen
und zu
Hause zu warten, was passiert. Jod-Tabletten haben ungefähr
die Wirkung, die
eine Aktentasche über'm Schädel im Atomkrieg hat.
Entweder es erfaßt uns oder
es erfaßt uns nicht. Wir müssen raus und den
Widerstand bilden.