Liebe Konfirmanden, liebe Eltern und
Verwandten, liebe Freunde!
Ihr seid das Salz der Erde, sagt Jesus. Zu den Jüngern. Zu
seinen Jüngern. Nicht zu den Jüngern der
Kirche. Nicht zu Lütges Jüngern. Lütge will
gar keine Jünger haben. Es würde ihn zu
sehr stressen. Ihr seid das Salz der Erde, das sage ich euch heute
auch, liebe Konfirmanden. Seid ihr das wirklich? Oder seid
ihr der Honig, den man gerne lutscht, vernascht?
Eßt mal einen Löffel Salz. Schmeckt nicht gut, nicht
wahr? Man kann Essen auch versalzen. Daß die Erde
von diversen Kunstdüngern regelrecht versalzen ist,
macht sie auch kaputt, laugt die Böden aus. Salz der
Erde - eine etwas zwiespältige Sache. Man
muß vorsichtig umgehen mit Salz. Geheimnis einer guten
Küche ist die richtige Dosierung der Zutaten. Die
richtige Priese herausfinden. Aber das ist nicht die Aufgabe
vom Salz selbst. Das soll die Hausfrau oder der Hausmann machen. Das
Salz fragt nicht nach der Dosis. Es ist Salz und
würzt und schmeckt scharf und hat desinfizierende
Wirkung und bringt Pepp ins fade Essen. Komisch, daß man
sagt, Salz, welches seine Würzkraft verloren hat,
sei dumm geworden. Es stimmt jedenfalls erst recht, wenn es
auf das berühmte Jesuswort an die Jünger angewendet
wird. Wenn Christen aufhören, Salz der Erde zu sein,
werden sie dumm. Und Jesus hat berechtigte Sorge: Womit soll
man die Erde denn dann salzen? Und womit soll man die Christen wieder
salzig und scharf machen? Hätte Jesus
gesagt: Ihr seid der Honig der Welt, dann könnte ich euch
heute sagen: Liebe Konfirmanden, seid bitte recht freundlich
und süß, nur Mut. Immer Lächeln
und Grinsen, immer gute Mine zum bösen Spiel, wenn
es ein böses Spiel ist. Jesus hat aber nicht gesagt: Ihr seid
Honig. Er hat gesagt: Ihtr seid Salz. Ob er damit recht hat?
Ob die Kirche wirklich Salz ist? Salz der Erde sein - das bedeutet:
Sich in die Angelegenheiten der Welt einmischen, sie
durchziehen, Einfluß gewinnen. Die Kraft des Salzes ist seine
Schärfe. Das heißt: Mit scharfen Worten
oder auch mit scharfen Taten Einfluß nehmen auf die Belange
dieser Welt. Wenn da noch einer sagt: Christen
dürfen nicht politisch sein als Christen, dann soll
er mir mal erklären, was Jesus wohl gemeint hat mit Erde und
Welt. Ihr seid das Licht der Welt, sagt er. Und Stadt auf dem
Berg, die überallhin sichtbar ist - im Griechischen
Urtext steht hier Polis=Stadt. Von diesem Wort ist das Wort
Politik abgeleitet. Christen sind nach der Wortwahl Jesu also
politisch, ob sie es wollen oder nicht. Sie können
höchstens keine Christen sein wollen oder dumm sein oder
finster. Aber wenn sie Christen sind, dann sind sie
automatisch politisch. Sie können dann nicht mehr
sagen: Gott ist Liebe - und lassen Menschen in Einsamkeit verkommen.
Sie können nicht mehr sagen: Christus ist das Brot,
das wir im Abendmahl zu uns nehmen - und lassen Menschen
verhungern. Sie können dann nicht mehr sagen: Christus ist
unser Friede - und schweigen zur Atomrüstung. Sie
können nicht sagen: Gott will, daß allen
Menschen geholfen werde - und sagen: Arbeitslose wollen ja gar nicht
ran. Und schließlich können sie nicht mehr
sagen: Gott hat uns die Verantwortung zur Bewahrung seiner
Schöpfung übertragen, also baut mal schön
weiter Atomkraftwerke. Christen sind wie Christus: Politisch einseitige
Leute. Sie haben ein Herz für die jeweils
benachteiligten Menschen, auch Tiere. Sie haben kein Herz für
Tierquäler und Menschenfresser. Sie hassen
Diktatoren, Killerkommandos und allzu würdige
Herren, die die Killer bezahlen von ihren Gewinnen. So
geschehen nicht im Krimi, sondern tagtäglich in
vielen Ländern der verarmten Südhalbkugel. Ich will
gern gestehen: Die Kirche als Verein ist da nicht gerade das
Paradebeispiel. Zu oft hat die Kirche an der falschen Stelle
geplappert oder geschwiegen. Hexenverbrennung, Ketzerfolter,
Heidenkriege im Mittelalter, Neutralität oder gar
Ablehnung gegenüber den berechtigten Forderungen der Arbeiter
vor 100 Jahren. Aber ich bitte euch: Seid nachsichtig mit
dieser alten Mutter Kirche. Sie ist etwas klapprig und
langsam geworden. Sie ist nicht identisch mit dem, was ich Christen
genannt habe. Sie ist eine alte Organisation, die
älteste, die ich kenne. Und seid gewiß: Jesus hat
sich nicht vorstellen können, daß eine
Mammutorganisation, über die ganze Erde verteilt,
unter Berufung auf ihn als den Herrn, einmal
dermaßen langweilig, fade und dumm sein
könnte, wie das, was ihr mit Recht an der Kirche ablehnt. Und
auch die Jünger waren ja keine Engel oder Helden. Genausowenig
wie ihr oder ich. Trotzdem: Ihr seid das Salz der Erde. Ihr
seid das Licht der Welt. Euer Licht soll leuchten vor den
Leuten, damit sie sehen, wie Gott ist. Christen sind
insofern Ebenbilder Gottes, als durch ihre Liebe die Liebe
Gottes sichtbar wird. Gott dienen fängt nach dem
Gottesdienst erst an. Die Kraft der Christen zeigt sich nicht in den
heilen Mauern der Kirche - die ist nur zur Erholung und zur
geistlichen Vergnügung der Christen da - Gottes
Kraft zeigt sich draußen, in der Welt, in der Politik,
meinetwegen auch in der Familie. Da sind wir gefragt, von
Jesus wohlgemerkt, nicht von Politikern, denn die lieben
schweigende Bürger. Christen - wir - sollen scharf sein, auf
der Hut, wachsam, ihr Licht leuchten lassen. Christen sind
Ferment in der Gesellschaft. Ihr sagt: Haha, die Kirche hinkt doch
meilenweit hinter allem hinterher. Ich sage: Soso, aber ihr
seid natürlich voll engagiert, auf dem neusten Stand, einfach
"in". Ihr seid natürlich nicht dumm, ihr seid
schlau. Ihr geht natürlich nicht in die Kirche, ihr
guckt euer Eis am Stil als Video zu hause. Ihr seid nicht so
verstaubt wie dieser alte Verein Kirche. Nicht wahr? Und ihr
setzt euch natürlich auch ein für die Menschenrechte
und Äthiopien und Behinderte und Penner und Jute
statt Plastik und 35Stunden-Woche. Und deshalb habt ihr es
auch nicht mehr nötig, in diese alte langweilige Kirche zu
gehen. Und heute, am Fest der Konfirmation, der Befestigung im Glauben
und in der Kirche, dem Fest, das für sein Gegenteil
gehalten wird: Nicht Anfang, sondern krönender
Abschluß der Kirchenbesuche - heute nehmen wir also Abschied.
Ihr von der langweiligen Kirche und ich von der
natürlich überhaupt nicht langweiligen
Konfirmandentruppe. Ich sage euch jetzt noch: Kommt doch wieder, wir
haben zwölf Jugendgruppen, in einer werdet ihr
bestimmt Spaß haben, ich sage: die Friedenskirche
ist eher ein großes Vergnügungszentrum für
Christen und gar nicht langweilig - aber ihr sagt
gelangweilt: Ja, ja, ist ja schon gut, wir kommen trotzdem nicht mehr,
zwei Jahre müssen reichen. Na gut, dann bleibt ruhig
weg. Aber ich sage euch eins: Ihr seid das Salz der Erde und
das Licht der Welt. Wenn ihr von jetzt an nie wieder kommt,
vergeßt das nicht. Vergeßt nicht, wie
mutig Jesus war. Wie er gestritten hat mit den Anstandsaposteln seiner
Zeit. Vergeßt nicht, daß die Menschen von
Gottes Liebe nicht sehen, es sei denn durch eure
Hände. Wer soll denn gegen Arbeitslosigkeit arbeiten, wenn
nicht ihr? Wer soll denn für eine gerechte
Verteilung der Güter kämpfen, wenn nicht ihr? Wer
soll denn gegen die unfriedlichen Atomkraftwerke und - Bomben
angehen, wenn nicht ihr? Die Kirche ist dazu doch zu
langweilig. Die Politiker haben uns die Suppe ja erst
eingebrockt, auslöffeln mußt ihr sie eh -
also, dann seid doch das Salz und macht euch die Erde
bewohnbar, macht Bergkamen zu einer gemütlichen kleinen Stadt,
baut den Erdball so um, daß einmal alle Menschen
glücklich sein können, ohne Hunger, ohne Kriege,
Ohne Verbrechen. Und wenn ihr das macht, dann braucht ihr von
mir aus nie wieder zur Kirche zu gehen, zu unserem
Vergügungshaus hier, denn dann habt ihr
wirklich begriffen, was Christsein heißt, dann habt
ihr Gott begriffen, dann braucht ihr die Kirche nicht mehr.
Amen.