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Predigt über Jes. 58,6-9    

Friedenskirche: 20. Juli 86

Richtig Fasten!              

Liebe Schwestern und Brüder!
Damals in Israel zur Zeit des Propheten Jesaja, dem Dritten, nach dem Exil in  Babylon, scheint es in Jerusalem schon wieder Arme und Reiche gegeben zu haben.  Kaum war der Krieg und die Kriegsgefangenschaft zu Ende, kaum waren die  Gefangenen heimgekehrt, schon gab es noch während des Wiederaufbaus die alten  traurigen Gegensätze von Reichen und Armen. Einige werden genug Geld aus Babylon  mitgebracht haben, um schnell wieder ein Haus sich erbaut zu haben. Und andere  hatten gar nichts, kein Haus, kein Essen. Man baute den alten Tempel in Jerusalem  wieder auf. Man wollte zu Jahwe beten. Danken für die Rettung aus der  Gefangenschaft. Danken für die neue Freiheit. Man wollte Gott zeigen, wieviel man für  ihn zu tun bereit war. Man verzichtete für Gott auf Essen. Man wollte Gott näher  kommen durch Fasten. Ein Tag in der Woche wurde nicht gegessen. Wir sind keine  Prasser, keine Fresser, wollte man damit sagen. Wir verzichten um Gottes willen auf  Genuß. Das ist der typische Fromme, der sich selbst nichts gönnt. Er kann nicht einfach sein  Geld verprassen. Er ist sparsam, bescheiden, pingelig. Er mißgönnt sich alles. Er straft  sich für seine Schlechtigkeit mit Hungern. Er liebt sich nicht sehr. Die typischen Exemplare dieser frommen Sorte Christen sind die puritanischen  Handelsleute, oft Calvinisten, die durch außerordentliche Härte gegen sich selbst ein  Geschäft aufgebaut haben, welches zu erstaunlicher Blüte gelangt ist. Der berühmteste  dieser Asketen ist der Entenhausener Onkel Dagobert Duck. Er hat Mühe, die  randvollen Silos seiner Goldschätze zu überblicken, aber gönnt sich nicht einen Taler  zuviel. Und jeder Taler, den er sich gönnen würde, wäre einer zuviel. Dafür aber gibt er  Unsummen aus, um die riesigen Schätze noch besser sichern zu können. Onkel  Dagobert ist aber nicht nur hart gegen sich selbst. Er ist ein echter Leuteschinder, wenn  er seinen Neffen Donald Duck und die süßen Drei, Trick, Tick und Track, zu  entenunwürdigen Arbeiten heranzieht. Onkel Dagobert ist ein Entenschinder. Weil er  gegen sich selbst hart ist, ist er auch gegen andere hart. Weil er sich selbst nichts gönnt,  gönnt er natürlich auch keinem anderen etwas. Außer seinem Geldspeicher, außer  seiner Sicherheit. Liebe Schwestern und Brüder! Es ist kein Zufall, daß Walt Disney gerade in Amerika, dem puritanischen Land, diese  Vision des ewigen Geizkragens erfunden hat. Guckt euch die Staatsausgaben von  Ronald Reagan an, dann wißt ihr, von wem der Westernheld gelernt hat: Onkel Ronald  ist gelehriger Schüler von Onkel Dagobert. Milliarden für Rüstung, Millionen für  Terroristen in Nicaragua, aber keinen Pfennig für erhöhte Sozialleistungen. Diese Art  Frömmigkeit ist der Erfolg des christlichen Versuchs, Gott näher zu kommen durch  selbsteigne Pein, durch Fasten und Beten, durch Härte gegen die eigenen Bedürfnisse.  Durch Härte schlechthin. Diese Art Frömmigkeit gehört aber nach Entenhausen. Sie  gehört sich nicht in Waschinghton und auch nicht in Bergkamen. Für Christen ist die  Härte gegen das eigene Ich als Selbstbestrafung für Sünden einfach das Falscheste, was  wir tun können. Echt! Liebe Schwestern und Brüder! So hart, wie ich gegen mich bin, so hart bin ich dann auch gegen andere. Indem ich  mich für meine Sünde bestrafe durch Selbsthärte, bestrafe ich andere mit. Ich möchte  dies einmal an einer sehr problematischen Entwicklung festmachen. Pastor Kayser ist  ein Arbeitstier. Er läßt kaum erkennen, wo er sich mal etwas Gutes tut. Eine Zeitlang  hieß es, ich wäre faul. Seit ich Buch führe über meine 70 - 80 Arbeitsstunden pro Woche,  sagt wenigstens keiner mehr, ich wäre faul. Aber dieses dumme Gerede hat eines  geschafft: Ich habe die Arbeitsdisziplin derartig verinnerlicht, daß ich leicht von anderen  verlange, ebensoviel zu tun wie ich und Leute, die nicht ihre 12 Stunden täglich im Streß  zubringen, gar nicht wirklich ernst nehme. Ich beneide diese Menschen, die soviel Zeit  haben. Und insgeheim beginne ich, sie für faul zu halten. Ich fange auch schon langsam  an, an Leuten herumzumeckern, die nicht ständig ihr letztes geben. Und die Härte, die  mein Beruf mir abverlangt, verlange ich auch von anderen. Nur wer gar keine Zeit mehr  hat für solche Banalitäten wie Rasenmähen, der ist für mich vom Verdacht der Faulheit  ausgenommen. Staubwischen und Fensterputzen sind erholsame  Freizeitbeschäftigungen. Für mich. Und deshalb schon fast auch für alle anderen.  Verstehen Sie, was ich an meinem schlechten Beispiel klar machen will? Hinter dieser  Selbsthärte entsteht unheimlich schnell eine wirklich brutale Art, von anderen dasselbe  zu verlangen, worunter ich eigentlich leide. Eigentlich wäre ich viel lieber faul, hätte  mehr Zeit für mich, für Musik, für Angela. Aber weil es bei mir nicht klappt, soll es auch  bei anderen nicht klappen. So denke ich, so denke nicht nur ich, sondern viele, wohl alle  Menschen. Es ist auch schon klar, was da Abhilfe schafft. Eben nicht soviel von sich abverlangen.  Sich selbst mehr gönnen. Und damit auch anderen mehr gönnen können. Gönnen  können! Genau das ist das Geheimnis dessen, was im Predigttext als rechtes Fasten  beschrieben wird. (Zitieren!) Nur wer anderen etwas gönnt, lernt, sich selbst auch freundlich zu behandeln. Nur  wer sich selbst etwas gönnt, kann anderen auch etwas gönnen. Beide Sätze treffen zu.  Und deshalb ist es so schwer, aus der Onkel-Dagobert-Christlichkeit herauszukommen.  Wir werden Gottes Güte sicherlich nicht gerecht, indem wir unentwegt in unserer  Kirchengemeinde etwas verlangen. Von uns selbst oder von anderen, von  Gemeindegliedern, vom Pastor. Die Bergkamener verstehen sich gut aufs Fordern.  Weniger gut aufs Gönnen. Insofern werde ich langsam Bergkamener. Und das ist  schlimm! Statt Fordern Gönnen können! Das ist die Parole. Das ist das Wesen der Güte Gottes.  Gott fordert nicht. Gott schenkt uns etwas. Jesus hat uns das Gönnen vorgelebt. Jesus  war ein Gönner. Er hat sogar den fiesesten Geschöpfen noch das Beste gegönnt. So ist  Gott. Ich möchte, daß wir das Gönnen lernen. Gönnt euch Ruhe. Gönnt euch Vergnügen,  Lachen, Spaß. Gönnt euch gegenseitig Freude und Vergnügen. Hört auf, zu fordern.  Glaubt nicht, ihr könnt von anderen all das fordern, was ihr von euch selbst verlangt.  Ich will euch ein Beispiel sagen: Fordert nicht von mir, daß mein Vorgarten gepflegt  sein soll. Das könnt ihr bei eurem Vorgarten machen. Gönnt mir, daß ich meine Gräser  wachsen lasse, wie Gott sie geschaffen hat. Ich will noch ein Beispiel sagen: Fordert  nicht, die Kirche soll immer glänzen und dann seid ihr traurig, wenn ihr hinfallt. Eine  saubere Kirche ist eben nicht rutschfest. Stattdessen gönnt unserer Küsterin, die sich die  halbe Nacht wieder mit Kircheputzen um die Ohren geschlagen hat, mal etwas Ruhe  und Anerkennung. Letztes Beispiel ein Beispiel an mich: Lieber Michael, fordere doch  nicht von den Weddinghofern, die 18 Jahre von Pastor Meier betreut wurden, daß sie  plötzlich politisch voller Feuer engagiert zu jeder Friedensdemo mit zwanzig Bussen  unterwegs sind. Gönne ihnen das Recht, erst einmal mit ihren eigenen Sorgen und  Nöten ins Reine zu kommen.  Liebe Schwestern und Brüder! Macht ihr mit bei diesem Programm? Statt Fordern Gönnen lernen? Dann sehe ich  für diese Gemeinde Zukunft. Sie wird statt kleinkariert großzügig sein, statt gesetzlich  freizügig, statt verknöchert voller wertvollem Fleisch und Blut sein zur Ehre Gottes, der  Liebe ist. Amen.