Liebe Schwestern und Brüder!
Damals in Israel zur Zeit des Propheten Jesaja, dem Dritten, nach dem
Exil in Babylon, scheint es in Jerusalem schon wieder Arme
und Reiche gegeben zu haben. Kaum war der Krieg und die
Kriegsgefangenschaft zu Ende, kaum waren die Gefangenen
heimgekehrt, schon gab es noch während des Wiederaufbaus die
alten traurigen Gegensätze von Reichen und Armen.
Einige werden genug Geld aus Babylon mitgebracht haben, um
schnell wieder ein Haus sich erbaut zu haben. Und andere
hatten gar nichts, kein Haus, kein Essen. Man baute den alten Tempel in
Jerusalem wieder auf. Man wollte zu Jahwe beten. Danken
für die Rettung aus der Gefangenschaft. Danken
für die neue Freiheit. Man wollte Gott zeigen, wieviel man
für ihn zu tun bereit war. Man verzichtete
für Gott auf Essen. Man wollte Gott näher
kommen durch Fasten. Ein Tag in der Woche wurde nicht gegessen. Wir
sind keine Prasser, keine Fresser, wollte man damit sagen.
Wir verzichten um Gottes willen auf Genuß. Das ist
der typische Fromme, der sich selbst nichts gönnt. Er kann
nicht einfach sein Geld verprassen. Er ist sparsam,
bescheiden, pingelig. Er mißgönnt sich alles. Er
straft sich für seine Schlechtigkeit mit Hungern. Er
liebt sich nicht sehr. Die typischen Exemplare dieser frommen Sorte
Christen sind die puritanischen Handelsleute, oft
Calvinisten, die durch außerordentliche Härte gegen
sich selbst ein Geschäft aufgebaut haben, welches zu
erstaunlicher Blüte gelangt ist. Der
berühmteste dieser Asketen ist der Entenhausener
Onkel Dagobert Duck. Er hat Mühe, die randvollen
Silos seiner Goldschätze zu überblicken, aber
gönnt sich nicht einen Taler zuviel. Und jeder
Taler, den er sich gönnen würde, wäre einer
zuviel. Dafür aber gibt er Unsummen aus, um die
riesigen Schätze noch besser sichern zu können.
Onkel Dagobert ist aber nicht nur hart gegen sich selbst. Er
ist ein echter Leuteschinder, wenn er seinen Neffen Donald
Duck und die süßen Drei, Trick, Tick und Track,
zu entenunwürdigen Arbeiten heranzieht. Onkel
Dagobert ist ein Entenschinder. Weil er gegen sich selbst
hart ist, ist er auch gegen andere hart. Weil er sich selbst nichts
gönnt, gönnt er natürlich auch
keinem anderen etwas. Außer seinem Geldspeicher,
außer seiner Sicherheit. Liebe Schwestern und
Brüder! Es ist kein Zufall, daß Walt Disney gerade
in Amerika, dem puritanischen Land, diese Vision des ewigen
Geizkragens erfunden hat. Guckt euch die Staatsausgaben von
Ronald Reagan an, dann wißt ihr, von wem der Westernheld
gelernt hat: Onkel Ronald ist gelehriger Schüler von
Onkel Dagobert. Milliarden für Rüstung, Millionen
für Terroristen in Nicaragua, aber keinen Pfennig
für erhöhte Sozialleistungen. Diese Art
Frömmigkeit ist der Erfolg des christlichen Versuchs, Gott
näher zu kommen durch selbsteigne Pein, durch Fasten
und Beten, durch Härte gegen die eigenen
Bedürfnisse. Durch Härte schlechthin. Diese
Art Frömmigkeit gehört aber nach Entenhausen.
Sie gehört sich nicht in Waschinghton und auch nicht
in Bergkamen. Für Christen ist die Härte
gegen das eigene Ich als Selbstbestrafung für Sünden
einfach das Falscheste, was wir tun können. Echt!
Liebe Schwestern und Brüder! So hart, wie ich gegen mich bin,
so hart bin ich dann auch gegen andere. Indem ich mich
für meine Sünde bestrafe durch Selbsthärte,
bestrafe ich andere mit. Ich möchte dies einmal an
einer sehr problematischen Entwicklung festmachen. Pastor Kayser
ist ein Arbeitstier. Er läßt kaum
erkennen, wo er sich mal etwas Gutes tut. Eine Zeitlang
hieß es, ich wäre faul. Seit ich Buch führe
über meine 70 - 80 Arbeitsstunden pro Woche, sagt
wenigstens keiner mehr, ich wäre faul. Aber dieses dumme
Gerede hat eines geschafft: Ich habe die Arbeitsdisziplin
derartig verinnerlicht, daß ich leicht von anderen
verlange, ebensoviel zu tun wie ich und Leute, die nicht ihre 12
Stunden täglich im Streß zubringen, gar
nicht wirklich ernst nehme. Ich beneide diese Menschen, die soviel
Zeit haben. Und insgeheim beginne ich, sie für faul
zu halten. Ich fange auch schon langsam an, an Leuten
herumzumeckern, die nicht ständig ihr letztes geben. Und die
Härte, die mein Beruf mir abverlangt, verlange ich
auch von anderen. Nur wer gar keine Zeit mehr hat
für solche Banalitäten wie Rasenmähen, der
ist für mich vom Verdacht der Faulheit ausgenommen.
Staubwischen und Fensterputzen sind erholsame
Freizeitbeschäftigungen. Für mich. Und deshalb schon
fast auch für alle anderen. Verstehen Sie, was ich
an meinem schlechten Beispiel klar machen will? Hinter dieser
Selbsthärte entsteht unheimlich schnell eine wirklich brutale
Art, von anderen dasselbe zu verlangen, worunter ich
eigentlich leide. Eigentlich wäre ich viel lieber faul,
hätte mehr Zeit für mich, für
Musik, für Angela. Aber weil es bei mir nicht klappt, soll es
auch bei anderen nicht klappen. So denke ich, so denke nicht
nur ich, sondern viele, wohl alle Menschen. Es ist auch schon
klar, was da Abhilfe schafft. Eben nicht soviel von sich
abverlangen. Sich selbst mehr gönnen. Und damit auch
anderen mehr gönnen können. Gönnen
können! Genau das ist das Geheimnis dessen, was im Predigttext
als rechtes Fasten beschrieben wird. (Zitieren!) Nur wer
anderen etwas gönnt, lernt, sich selbst auch freundlich zu
behandeln. Nur wer sich selbst etwas gönnt, kann
anderen auch etwas gönnen. Beide Sätze treffen
zu. Und deshalb ist es so schwer, aus der
Onkel-Dagobert-Christlichkeit herauszukommen. Wir werden
Gottes Güte sicherlich nicht gerecht, indem wir unentwegt in
unserer Kirchengemeinde etwas verlangen. Von uns selbst oder
von anderen, von Gemeindegliedern, vom Pastor. Die
Bergkamener verstehen sich gut aufs Fordern. Weniger gut aufs
Gönnen. Insofern werde ich langsam Bergkamener. Und das
ist schlimm! Statt Fordern Gönnen können!
Das ist die Parole. Das ist das Wesen der Güte
Gottes. Gott fordert nicht. Gott schenkt uns etwas. Jesus hat
uns das Gönnen vorgelebt. Jesus war ein
Gönner. Er hat sogar den fiesesten Geschöpfen noch
das Beste gegönnt. So ist Gott. Ich möchte,
daß wir das Gönnen lernen. Gönnt euch Ruhe.
Gönnt euch Vergnügen, Lachen,
Spaß. Gönnt euch gegenseitig Freude und
Vergnügen. Hört auf, zu fordern. Glaubt
nicht, ihr könnt von anderen all das fordern, was ihr von euch
selbst verlangt. Ich will euch ein Beispiel sagen: Fordert
nicht von mir, daß mein Vorgarten gepflegt sein
soll. Das könnt ihr bei eurem Vorgarten machen. Gönnt
mir, daß ich meine Gräser wachsen lasse,
wie Gott sie geschaffen hat. Ich will noch ein Beispiel sagen:
Fordert nicht, die Kirche soll immer glänzen und
dann seid ihr traurig, wenn ihr hinfallt. Eine saubere Kirche
ist eben nicht rutschfest. Stattdessen gönnt unserer
Küsterin, die sich die halbe Nacht wieder mit
Kircheputzen um die Ohren geschlagen hat, mal etwas Ruhe und
Anerkennung. Letztes Beispiel ein Beispiel an mich: Lieber Michael,
fordere doch nicht von den Weddinghofern, die 18 Jahre von
Pastor Meier betreut wurden, daß sie
plötzlich politisch voller Feuer engagiert zu jeder
Friedensdemo mit zwanzig Bussen unterwegs sind.
Gönne ihnen das Recht, erst einmal mit ihren eigenen Sorgen
und Nöten ins Reine zu kommen. Liebe
Schwestern und Brüder! Macht ihr mit bei diesem Programm?
Statt Fordern Gönnen lernen? Dann sehe ich
für diese Gemeinde Zukunft. Sie wird statt kleinkariert
großzügig sein, statt gesetzlich
freizügig, statt verknöchert voller wertvollem
Fleisch und Blut sein zur Ehre Gottes, der Liebe ist. Amen.