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Predigt über Exodus 22, 21 - 27

Friedenskirche 17. 8. 1986

Lieder: A23; B74; B97

Ablauf:

Joh. Seb. Bach, Partita c-Moll 1. Satz

Begrüßung

A23

Psalm 36,6 - 13

Partita 2. Teil

Friedensgebet

Partita 3. Teil

Lukas 17, 11-19

Credo

B74

Aufnahme

Partita 4. Satz

Fürbitte + Vater Unser

Segen

B97

Asylanten Gastrecht

Ihr seid ja auch Fremdlinge gewesen...

1. Rein - unrein. Samariter waren damals ungeliebte Volksgenossen. Sie galten als unrein und es war eine Selbstbeschmutzung, wenn man mit ihnen körperlichen Kontakt hatte.

2. Jesus und Paulus sprengen die enge jüdische Kontaktbegrenzung und Selbstüberschätzung als das Volk Gottes auf: So viel Glaube haben sie in ganz Israel nicht gefunden wie bei Samaritern oder der Syrophönizierin. Die Überwindung des Nationalismus ist auch bei Paulus zu finden, der ja aus Tarsos in Kleinasien stammt und in der Diaspora unter einem Reigen nichtjüdischer Kulte und Nationalitäten aufgewachsen ist: weder Jude noch Grieche, sondern alle eins in Christus, sagt Paulus.

3. Denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägypten. Das ist die Logik des Gastrechtes. Die Logik des Gastrechtes ist, daß der Fremdling besonderen Schutz benötigt und im fremden Land alleine ohne Hilfe nicht zurecht käme. Was man sich selbst erhofft, wenn man irgendwo einmal als Ausländer Hilfe braucht, das sollte man auch denen zuteil werden lassen, die bei uns Gäste sind. Und dazu gehören auf jeden Fall, die, die aus ihrem Heimatland geflogen sind, weil sie dort verfolgt wurden, nicht einfach ihrem Schicksal zu überlassen. Dieses Asylrecht für politisch Verfolgte ist in unserem Grundgesetz verankert. Wie viele Deutsche mußten damals vor den SS-Kommandos der Nazis nach Amerika fliehen, um nicht in der Gaskammer zu landen. Wir – oder damals diese Flüchtlinge – waren auf amerikanische Hilfe angewiesen. Wenn jetzt Flüchtlige zu uns kommen, werden viele verachtet und diskriminiert.

4. Ceylontourismus und Tamilenhass. Wie wenig bei uns die Gastfreundschaft funktioniert, können wir sehr gut daran erkennen wie wir als Deutsche in Ceylon hofiert werden, aber die Tamilen, die zu uns geflohen sind, verachten und beschimpfen. Die Zeitungen berichten von einem Fall aus Goslar, wo wegen eines Butterbrotes 9 Tamilen ein Bußgeld bekommen hatten. Sie hatten ehrenamtlich beim Aufbau eines Pfadfinderheims vor den Toren Goslars mitgeholfen und wurden wie alle anderen Helfer auch mit Brötchen und Erbsensuppe und Limonade verpflegt. Das Arbeitsamt Goslar sah darin eine Sachleistung, einen Arbeitslohn, und wertete die ehrenamtliche Hilfe als „entlohnte Beschäftigungsverhältnis“. Da sie keine Arbeitserlaubnis hatten, bekamen sie zwei Bußgeldbescheide von je 80 DM pro Tamile, der erste war für das unerlaubte Verlassen des Stadtgebietes. So wird das freiwillige Ehrenamt der Flüchtlinge mit fadenscheinigen Argumenten bestraft.

5. Vom struggle of life in einem der reichsten Länder der Welt, oder: Wie die Auslandspresse die arme BRD darstellen soll: so, wie sie wirklich ist: ein unbarmherziges Land. Und das liegt auch an einer unbarmherzigen CDU-Politik. Es ist kaum zu fassen, wie bösartig Arbeitsämter sein können, natürlich auch gegenüber deutschen Arbeitslosen, aber der Bußgeldbescheid gegen diese 9 hilfsbereiten Tamilen ist die Krönung der Unbarmherzigkeit.

6. Kirche als offenes System. Hier sollte eigentlich jeder willkommen sein. Ich habe oft genug erlebt, wie Menschen mit etwas anderem Äußeren vom Küster aus großen Kirchen verwiesen wurden. Im Haus Gottes duldet man keine Penner oder Fixer oder solche mit kurzer Hose. Die Unduldsamkeit im alltäglichen Kirchenleben hat ganze Generationen fortgetrieben. Wir verlieren die Jugend aus den Kirchen, weil unsere steife Gottesdienstform auch eine Form der Vertreibung der quirligen jungen Menschen ist. Das wird vielleicht Spätfolgen haben, wir sägen an dem Ast, auf dem wir sitzen, wenn wir unsere Jugend vergraulen.

Vielleicht gelingt es uns ja mit der Zeit, toleranter gegenüber Menschen zu werden, die nicht typisches Gottesdienstbesucher-Outfit haben. Vielleicht gelingt uns etwas mehr Gastfreundschaft. Das wäre wunderbar. Amen.