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Schöpfungsverantwortung der Kirche

Das Gesamtpresbyterium der ev. Friedenskirchengemeinde Bergkamen hat sich mit  dem Proponendum für die Landessynode 1986 befaßt. Es kommt zu folgender  Stellungnahme: Angesichts der atomaren Katastrophe von Tschernobyl sehen wir es als Schuld der  Kirchen an, daß wir vor den Gefahren des technologischen Fortschritts nicht früher und  eindringlicher gewarnt haben. Wir haben die wissenschaftliche Forschung und die  staatliche Forschungsförderung in wichtigen Entscheidungsaugenblicken nicht klar und  eindeutig beraten. Wir haben uns nicht genügend selbst sachkundig gemacht. Wir haben  an Fragen, die unsere sachliche Kompetenz überstiegen, aufgehört, weiter mitzudenken  und unser Vertrauen auf das Wissen von Experten gesetzt. Wir haben angenommen, mit  den Fähigkeiten der Wissenschaft und Technik allein seien schon die Probleme gelöst.  Mit Erschrecken sehen wir uns in diesem Fortschrittsoptimismus getäuscht und  erkennen, daß nahezu jede neue komplexe Technologie fast ebensoviele Probleme  schafft, wie sie zu lösen versprach. Wir bekennen, daß wir als Kirche durch unser blindes  Vertrauen in die Fähigkeiten der neuen Technologien den Turmbau zu Babel  weitergefördert haben. Wir haben uns durch unseren Rückzug auf unsere Inkompetenz  mitschuldig gemacht an den Katastrophen der Technik, die unseren Erdball in seinem  Überleben bedrohen. Wir hätten früher und schärfer dem wissenschaftlichen Fortschritt die Frage stellen  müssen, wem seine Ergebnisse nützen und auf wie lange Zeit und mit welchen  Nebenwirkungen. Wir hätten bei jeder neuen Technologie und Forschungsabsicht  stärker fragen sollen, ob sie den Willen Gottes nach Frieden und Gerechtigkeit im  Weltganzen befördert oder nur einer Minorität von Nationen oder politisch und  wirtschaftlich einflußreichen Personen dient. Wir erkennen mit großer Hochachtung an, wie aufgewacht und engagiert unsere  Bevölkerung in praktischen Fragen des Umweltschutzes geworden ist und mit welchem  Finanzaufwand und mit welcher Phantasie sie Wege zur Bewahrung von unserer Natur  entwickelt. Wir finden es peinlich, wie in der Politik und Gesellschaft über die Konsequenzen zur  Bewahrung der Schöpfung vielfältige Aktivitäten entstanden sind, während wir als  Kirche unseren Glauben an Gott den Schöpfer lediglich konsequenzlos bekannt haben,  ohne irgend etwas zur Bewahrung und Erhaltung der Schöpfung zu tun. Die kirchliche Tradition hat als Kernthese der Schöpfungsgeschichten meist nur  gesagt: Macht euch die Erde untertan. Wir haben zuwenig den zweiten biblischen  Bericht von der Schöpfung als Versuch hervorgehoben, die Kreativität der Liebe Gottes  im Aufbau einer lebensfrohen Welt zu beschreiben. Wir haben den Bewahrungsauftrag  der Fürsorge für die Erde im 2. Schöpfungsbericht kaum beachtet und zuwenig  verkündigt. Wir konnten den Wissenschaftlern die Würde und Schutzwürdigkeit der  Natur vom Bewahrungsauftrag des Schöpfergottes her nicht mehr deutlich machen, weil  es uns vor allem nicht gelang, angesichts der Evolutionstheorie wissenschaftlich  plausibel zu machen, daß in der Entwicklung der Naturgeschichte Gott als Formkraft  immanent gewirkt hat. Hätte sich die Kirche rechtzeitiger der Herausforderung durch  die Wissenschaft gestellt, wäre sie ernster genommen worden in ihrem Glauben, daß die  Welt als mit dem Willen Gottes entstandenes Wunderwerk auf Liebe und Fürsorge der  Menschen angewiesen ist. Zu dieser Fürsorge gegenüber der Schöpfung gehört der Grundsatz, eine  Technologie, die unbekannte und unberechenbare Risiken enthält, mit äußerster  Vorsicht zu erforschen. Erst recht bedeutet Schöpfungsverantwortung, Techniken mit  bekanntermaßen katastrophalen Risiken aus dem alltäglichen Gebrauch auszuscheiden. Unter dieser Maßgabe stellen wir fest, daß die Nutzung der Atomenergie für Gottes  Schöpfung mehr Gefahren und Risiken heraufbeschworen hat, als sie Nutzen für die  Energieversorgung bringt. Wir fordern die Verantwortlichen für die Energieversorgung  auf, alternative Energiequellen stärker als bisher zu erforschen und zu fördern. Gerade  im Hinblick auf den Energiebedarf der armen Länder der südlichen Erdhalbkugel sind  Sonne, Wind und Wasser die Energieträger der Zukunft. Wir warnen eindringlich vor  jedem weiteren technologischen Draufgängertum in der Atomenergienutzung. Wir  halten es angesichts von Tschernobyl für geboten, so schnell wie möglich aus der gar  nicht so friedlichen Nutzung der Atomenergie auszusteigen. Wir meinen, daß das Proponendum an dieser Stelle zu vage ist. Wir bitten Kreis- und  Landessynode, über den Ausstieg aus der Atomenergie zu beraten und zu einem klaren  Wort zu finden.