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Predigt  über Lukas 3,1-14    

Friedenskirche 14.12.86

Kleine Schritte - Gottes Heilsweg in der Welt. 

Psalm 146. Lesung: Rm 13,8-12

Liebe Schwestern und Brüder!"
Ihr Schlangenbrut, ihr Natterngezücht!" Würde ich das zu euch sagen, hätten gleich  wieder einige mit Meier zu telephonieren. Ich wundere mich auch kaum darüber, daß  der König Herodes Johannes hat hinrichten lassen, weil Johannes da einige kritische  Bemerkungen gemacht hat über die königlichen Sexualbeziehungen. Ich wundere mich  auch nicht, daß Jesus, der Schüler des Johannes, hingerichtet wurde, nachdem er in  Jerusalem schärfer als je zuvor die Schriftgelehrten angegriffen hatte: Weh euch, ihr  Schriftgelehrten und Pharisäer, die ihr weißgestrichenen Gräbern gleich seid, von außen  schön, drinnen aber voll Knochen und Verwestem. So erscheint auch ihr auswendig den  Menschen als gerecht, inwendig aber seid ihr voll von Heuchelei und  Gesetzesverachtung.(Mt 23,27f) Worüber ich mich wundere, daß wir diese Texte, Erzählungen über solche Männer  und ihre gesammelten Dreistigkeiten, seit Jahrhunderten mit uns herumtragen und zum  Teil schon gar nicht mehr wahrhaben wollen, wie frech die Männer der Bibel wirklich  waren. Es ist kein sehr verwunderliches Ding, daß solche Propheten tödlich enden. Jesus  hat das auch gewußt: Jerusalem, Jerusalem, das die Propheten tötet und die steinigt, die  zu ihm gesandt sind, wie oft habe ich deine Kinder sammeln wollen, wie eine Henne ihre  Kücken unter ihre Flügel sammelt, und ihr habt es nicht gewollt. Siehe, euer Haus wird  öde gelassen.(Mt 23,37f) Es ist mehr als Zufall, daß Jesus in Jerusalem in den letzten Tagen vor seiner  Verhaftung ganz genau die gleichen Bilder und Worte gebraucht, wie der Bußprediger  Johannes. Der kam aus der Wüste, nach Markus mit Kamelhaarmantel und  Heuschreckennahrung genau wie der Prophet Elia. Und Elia, von dem es im 1. Buch der  Könige einen ganzen Sagenkranz gibt, hat vehement der Baalsreligion der Kanaanäer  entgegengewirkt, gegen Kinderopfer gekämpft und die Könige hart angegriffen, weil sie  aus Nützlichkeitsüberlegungen ihren Glauben an Gott, den Befreier aus Ägyptenland,  aufgegeben haben. Dieser wackere Prophet Elia ist dem Johannes das Vorbild. Wie er  lebt Johannes in der Wüste, dem Ort, wo Gott in der Stille am Nähsten ist, dem Ort, wo  man vom Trubel des Alltags nicht betriebsblind herumläuft, sondern die Horizonte  sieht, zwischen denen wir leben. Johannes lebt wie Elia da, wo man zu sich kommt -  entfernt vom Streß. Er hat Zeit, nachzudenken, ob die Menschen so richtig leben, wie sie  leben. Er trifft in der Stille und Einsamkeit der Wüste Gott. Und Gottes Wort ergeht in  sein Nachdenken hinein, so wie Gott auch den Propheten Elia angesprochen hat und  ihm Aufträge gegeben hat, öffentlich zu sagen, was recht ist und was gegen Gottes  Willen. So predigt auch Johannes das, was er in der Einsamkeit der Wüste von Gott  gesagt bekommen hat. Und scheinbar ist Gottes Wort im Mund der Propheten selten  Süßholz, so wie es von der Kanzel gern gehört wird. Es ist harte Rede. Ihr  Natterngezücht, sagt Johannes. Ihr Natterngezücht, sagt Jesus, sein Schüler. Beide  lebten nicht mehr lange danach.  Johannes erklärt, daß Gottes Gericht nahe bevorsteht. Ein hartes Gericht. Schon  mittelmäßig gute Obstbäume werden ausgerissen und ins Feuer geworden, es sollen nur  die wirklich guten Obstbäume zur Zucht übrig bleiben. Klar, denn bei dem wenigen  nutzbaren Land in Israel ist das Stückchen Land, was ein schlechter Baum besetzt hält,  vergeudete Anbaufläche. Man kann sich bei so wenig gutem Land keine schlechten  Bäume darauf leisten. Wir können uns rein theoretisch in der Kirche auch keine  schlechten Bäume leisten. Durch die Schwammigkeit und mangelnde Klarheit in vielen  Fragen der Menschlichkeit haben wir, die Kirche, viele Menschen enttäuscht. Nur  keinem auf die Füße treten, das war die Devise. Mittlererweile hat sich da gerade in den  oberen Etagen der Kirche viel getan: die Stellungnahmen der obersten Synoden zu  Fragen wie Umweltzerstörung, Tschernobyl und Ausstieg aus Atomenergie,  Ausbeutung der armen Welt und Atomraketen - sie sind klar und unmißverständlich  geworden und auch sehr unbequem und ärgerlich für gewisse, meist sehr reiche Teile  der Bevölkerung. Ich glaube, daß diese neue Entschiedenheit und scharfe Klarheit  unserer kirchlichen Erklärungen nicht nur dem Reden Johannes des Täufers  angemessener sind als das bisherige Wischiwaschi der Denkschriften, sondern daß auch  unsere Leute von der Kirche ein klares Wort hören wollen. Selbst wenn es manchmal  unbequem ist, weil es von mir verlangt, meinen Lebensstil zu ändern.  Auch für unsere Kirche gilt heute wieder Qualität statt Quantität: Nicht möglichst  viele Bäume auf dem Acker, sondern möglichst gute. Die schlechten verbrauchen nur  unnötig Nährstoffe des Bodens, also weg damit, verzichten. Gericht Gottes kann heißen:  In der Kirche von dem Gedanken wegzukommen: Wie schön, wenns voll ist, auch wenn  weniger fruchtbare Bäumchen dabei sind - hin zum Gedanken: Die Nährkraft Gottes  soll für die wenigen zur Stärkung dienen, die ihr Leben ganz unter die Herrschaft Jesu  stellen wollen und das auch tun, was er getan und gesagt hat. Vielleicht wird es uns  irgendwann einmal, vielleicht sogar unter dem Druck von rückläufigen Finanzen, klar,  daß unsere Kirche aus ihrer Service-Pose "Wir sind für alle da!" in die Position der Jesus  Christus nachfolgenden und seinen Leidensweg mitgehenden kleinen Schaar Christi  werden muß. Noch sind wir in der Kirche nicht damit angefangen, geschweige denn  fertig geworden, zu überlegen, was es angesichts eines Kirchenbaus für 3,6 Millionen  DM heißt: Wer zwei Röcke hat, gebe einen dem, der keinen hat. Und wer Speise hat, tue  ebenso! Wir haben als Kirche einen schlechten Ruf. Eben deshalb, weil viele Leute das  Mißverhältnis zwischen dem Reichtum der Kirchen und der Armut Jesu nicht verstehen.  Die Zolleintreiber der Römer hatten damals auch einen schlechten Ruf, wegen gewisser  Nebeneinkünfte. Das verbindet. Johannes der Täufer predigt diesen Herren: Nehmt  den Leuten nicht mehr ab, als es eure Pflicht ist. Keine Nebeneinkünfte, keine  überhöhten Forderungen, keine Bestechungsaffairen. Ich will das für uns heutige  Gemeinde übersetzen: Geht sparsam und verantwortungsbewußt mit dem Geld um, was  euch vom Kirchensteuerzahler anvertraut ist. Überlegt, was wirklich nötig ist. Bemüht  euch um kleine Lösungen, nicht immer nur um die großen. Findet einen bescheideneren  Lebensstil. Das ist nicht viel, vielleicht viel zu wenig. Aber darin, daß Gottes  Bußforderung im Munde der Täuferjohannes an die Zöllner nicht gleich die totale  Revolution heraufbeschwört, sondern schon kleine Schritte als den Anfang des neuen  Lebens akzeptiert, daran sehen wir mitten in der unerbittlichen Härte des  bäumeausreißenden Gerichts Gottes Spuren der Gnade, die schon mit ganz wenig  gutem Willen zufrieden ist, die schon den kleinen Anfang als die ganze Buße nimmt. Nur  das ist entscheidend: ob wir diesen kleinen Anfang machen oder nicht. Ich habe kaum  noch Illusionen über den Erfolg meiner Moralpredigten. Das ist nicht in, wenn man  neben Gottes Liebe zu uns auch noch Gottes Willen anbringt. Wir wollen uns nicht  ändern, weil das so unbequem ist. Und darum wehren wir uns gegen den, der  daherkommt mit Moralpredigt. Ich gestehe, mir geht es so ähnlich. Wenn mir jemand  sagt, ich muß meinen Vorgarten besser pflegen, dann denke ich auch: Warum macht er  das nicht, wenn es ihn so sehr stört und mich gar nicht. So ist das mit Moralpredigt. Sie  geht hier rein, da raus. Weil wir es von klein auf gewohnt sind und gelernt haben,  abzuschalten, wenn die alte Leier wieder los geht. Aber trotzdem steht in der Bibel:  Ändert euer Leben. Wer zwei Röcke hat, wer Speise hat, der soll teilen. Und mitten in dieser Moralpredigt kommt für die reichen Zöllner dann die große  Milde des kleinen Anfangs: Verzichtet auf euere Nebeneinkünfte. Nehmt die Leute  nicht ganz so doll aus wie bisher. Macht einen ganz kleinen Anfang in der Bereitschaft  zum Teilen. Seid nur ein ganz kleines bißchen sozial. Dann dürft ihr Bodenrecht  behalten im Acker Gottes. Dann besteht ihr im Gericht. So wenig will Gott. Nur einen  kleinen Schritt. Ich möchte, daß jeder sich überlegt, was für ihn solch ein kleiner, also  wirklich kein großer Schritt wäre, ein klitzekleiner Schritt auf dem Wege zum  Miteinanderteilen, zum Abgeben von Reichtum an die Armen. Und dann wünsche ich  uns allen viel Freude dabei, diesen winzigen Schritt zu tun. Denn das ist der kleine  Schritt, mit dem Gottes Herrlichkeit heranmarschiert kommt auf der neuen Trasse  durch Berge und Täler der Wüste. Viele winzige Schritte sind es, die im ganzen etwas  Großes Neues ergeben: "und alles Fleisch soll das Heil Gottes sehen". Amen.