Liebe Schwestern und Brüder!
Was der Prophet Nathan dem neureichen König David
verheißt, ist nicht gerade ermutigend. Es erinnert
an die Hoffnungen der lateinamerikanischen
Militärdiktatoren, die - siehe Somoza - am liebsten
ihre Familie auf ewig an die Macht bringen würden.
Diese Assoziation liegt gar nicht so fern. Denn der König
David ist auch mehr oder weniger selbsternannt und hat sich
vom Berufssoldaten unter dem Heerführer Saul
gemausert und nach dem Tode Sauls dessen Sohn und Nachfolger ermorden
lassen, um an die Macht zu kommen. Dann hat er durch das
raubmörderische Wirken seiner Söldnertruppe
Jerusalem aufgekauft mit Beutegeldern und wohlwollendem Druck.
Das also zu König David: ein damaliger
Militärdiktator, der es mit einigen strategischen
Neuerungen zu großer Macht gebracht hatte. Eine der
Neuerungen war ideologischer Art. Was wäre damals ein
König gewesen ohne die passende Heiligkeit seiner
Person. Warum wird jemand König? Weil er studiert
hat und gut regieren kann? Weil er gut kämpfen kann und
deshalb ein Volk gut beschützt? Weil er
gewählt ist vom Volk? Vielleicht aufgrund seiner
Fähigkeiten als Kämpfer? Weil man, wenn man
ihn nicht wählen würde, Angst haben
müßte vor seiner Rache Oder noch besser:
Weil der Kandidat einen besonderen Auftrag von Gott hat, das
Volk zu führen. Alles langweilig. David hat den Trick beim
ägyptischen Pharao abgeguckt. Der Herrscher ist Sohn
Gottes. Adoptiert. In dem Augenblick, wo er den Thron
besteigt, wird er von Gott adoptiert. Er bekommt vom Obersten Priester
eine Urkunde, in der sein Amt als Weltrettung gelobt wird: er
wird von gott selbst zur Herrschaft beauftragt, er regiert in
vollkommener Gerechtigkeit und Weisheit, er ist der
große Wohltäter und Hirte seines Volkes,das unter
seiner Regierung aufblüht; ja, selbst die naturhafte
Fruchtbarkeit bei Menschen und Tieren und auf den feldern steigert
sich unter der Segenswirkung dieser Regierung. Der
König ist schön und um ihn ist eine
Athmosphäre der Freude. Nach außen ist der
König der schreckliche Triumphator über
alle seine Feinde. Das sind die altägyptischen
Sprüche, mit denen der Pharao hochgejubelt wurde.
David hat sich diese Sprüche kommen lassen zu seiner
Thronbesteigung. Er kauft das ideologische Know-how für seine
kleine Militärdiktatur von der
nächstgrößten Zivilisation ab. Er hat nicht
nur Militärberater aus Ägypten, sondern
auch die in der Bibel so berühmt gewordenen Weisheitslehrer
und Liederdichter, die die Psalmen Davids getextet haben,
kommen lassen. Er weiß: public relation, die
richtige Propaganda und Werbung für seine Herrschaft ist
von entscheidender Bedeutung. Was er dann in Wirklichkeit
getan hat, ist etwas anders gewesen. Die Hofchronisten haben
gewiß nicht alle Untaten aufzeichnen dürfen,
mit denen der Militärdiktator seine Macht auf
Ewigkeit sichern wollte. Es ist auch nicht sonderlich
interessant. Wir kennen die Gepflogenheiten von
Militärdiktatoren ja gut genug. Siehe Chile, El
Salvador, Südafrika, Afghanistan. Es ist heute nur nicht
mehr nötig, seine Macht auf die Gottessohnschaft zu
gründen. Die militärischen
Möglichkeiten reichen da völlig aus. Wir brauchen
heute kein Römer 13 mehr, wo Paulus sagt, die
Obrigkeit sei von Gott eingesetzt. Die Regierungen sind sattelfester
als damals zur Zeit Davids. Wir haben das gar nicht so
weihnachtliche Phänomen vor uns, daß der
Predigttext ägyptischer Export für
Könige zur religiösen Aufwertung ihrer Herrschaft
und Machenschaften ist. Und jetzt die Frage: Wieso kommt
ausgerechnet dieser Text als Pflichtpredigttext in einen
Weihnachtsgottesdienst? Dieser Text, die ägyptische
Königsnovelle, ist in späterer Zeit, unter
der Fremdherrschaft der Römer, ganz neu gesehen
worden: Als Verheißung eines kommenden
Königs, der wie David damals eine neue nationale Autonomie
und Unabhängigkeit erkämpft. Der Messias,
Gesalbte, wie der neue König genannt wurde, soll
Israel befreien von der brutalen Macht der römischen Legionen.
Hier ist die Hoffnung nicht auf den Militärdiktator
gesetzt, sondern auf den Guerilliero, auf einen Che Guervara
und Fidel Castro. Der Messias ist der Freiheitskämpfer gegen
die Römer. Er wurde ersehnt und der Grund zu dieser
Hoffnung war ausgerechnet: die Lobeshymnen der
ägyptischen Königsnovelle. Was einmal
Schönfärberei einer
Militärdiktatur war, wurde nun zur Zeit Jesu als
Revolutionshoffnung gelesen, als Hoffnung auf Freiheit und
Gerechtigkeit. So können Texte ihr Gesicht
verändern. Diese Hoffnung auf den Messias, den
Befreierkönig, war damals bei Jesus ungeheuer
groß. Es brodelte in der Bevölkerung. Der
Haß gegen die Römer wuchs grenzenlos. Man
las die alten Verheißungen vom ewigen Davidsbund als Ansage
des Revolutionsführers gegen die Römer. Und
ausgerechnet Jesus wurde als so ein neuer David hochgejubelt.
Als der arme Mann in Jerusalem einzog, empfing man ihn als neuen David:
Hosianna, der da kommt im Namen des Herrn. So rufen sie ihn
als neuen Revolutionsführer in der Davidsnachfolge
aus. Jesus scheint nicht zu ahnen, worauf er sich da
einläßt, als er einzieht in Jerusalem.
König der Juden - so steht es auf dem Schild am Kreuz Christi,
das den Grund des Todesurteils angeben soll. Der gekreuzigte
König. Welche Schande! Sie forderten seine Kreuzigung, weil
sie sehr schnell merkten, daß Jesus kein
revolutionäres Talent hatte, sondern nur ein einfacher lieber
Wanderprediger und Wunderheiler. Jesus hatte nicht das Zeug
zum Freiheitskämpfer. Deshalb haben ihn die Leute
fallen lassen: Kreuzige ihn. Das Kind in der Krippe war zu schwach zum
Töten. Es war kein echter Sohn Davids.Das ist unser
Problem. Die Christen verehren einen als König und
Sohn Gottes, der wirklich nicht das Zeug zum regieren hatte, weil er
nicht über Leichen gehen konnte. Vorlesen: Ernst
Bloch, Prinzip Hoffnung, Bd. 3, Seite 1488 unten bis 1489 unter
der Mitte: Das Kreuz ist die Antwort der Welt auf die
christliche Liebe. Ob sich mit solchen Antigrößen
die Welt regieren läßt? Mutter Theresa.
Ernesto Cardenal. Eine Revolution der Gnade mit den einstigen
Henkern und Meuchelmördern. Marlene Dietrich sagte
kürzlich im Fernsehen: Die Deutschen wollen den
Führer. Die Wahlkampfpropaganda geht wieder darauf
hinaus: Wer ist der bessere Führer, der
stärkere Mann. Als ob die Stärke eines Adolf Hitler
uns Heil gebracht hätte! Politik der Stärke
endet immer in der Niederlage. Unsere Hoffnung auf begnadete
Politiker muß nicht die auf starke Männer sein.
Wer an Jesus glaubt, kann sich auch Könige und
Politiker vorstellen, die im Stil von Mutter Theresa leben
und arbeiten. Der kann sich auch Antihelden und
Antigrößen als Regierungschefs vorstellen.
Ich will damit nicht sagen, daß unsere Helden wären,
aber sie bemühen sich doch sehr darum, solche zu
sein. Politiker von Gottes Gnaden, sozusagen Söhne Gottes wie
David es behauptete, aber in der Art, wie Jesus
Königtum vorgelebt hat. Das wäre christliche Politik.
Ohne ein Volk, das solche Frauen und Männer
wählt, geht es aber nicht. Männer wie Jesus
sind bei uns nicht gefragt. Nur in der Krippe dürfen
sie liegen. Wann fangen wir an, die Krippe zu
öffnen, die Lebensart Jesu zu unserer Lebensart zu machen? Die
Welt braucht die Lebensart Christi. Die Welt braucht Menschen, die wie
Mutter Theresa zu den Armen gehen und für sie leben.
Die Welt braucht den lebendigen Christus in unseren Herzen
und Händen. Die Welt braucht Könige wie
Christus, Menschen, die ihr ganzes Leben einsetzen
für die Verachteten und Entrechteten, für
die im Hunger und Elend. Wir wollen in diesem Sinne beten:
Herr, laß mich dein Kripplein sein. Komm, und ziehe
bei mir ein. Amen.