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Predigt über 2. Sam 7,4-16    

Friedensk. Heiligabend 86

Ein König, der gar kein König ist 

Liebe Schwestern und Brüder!
Was der Prophet Nathan dem neureichen König David verheißt, ist nicht gerade  ermutigend. Es erinnert an die Hoffnungen der lateinamerikanischen Militärdiktatoren,  die - siehe Somoza - am liebsten ihre Familie auf ewig an die Macht bringen würden.  Diese Assoziation liegt gar nicht so fern. Denn der König David ist auch mehr oder  weniger selbsternannt und hat sich vom Berufssoldaten unter dem Heerführer Saul  gemausert und nach dem Tode Sauls dessen Sohn und Nachfolger ermorden lassen, um  an die Macht zu kommen. Dann hat er durch das raubmörderische Wirken seiner  Söldnertruppe Jerusalem aufgekauft mit Beutegeldern und wohlwollendem Druck. Das  also zu König David: ein damaliger Militärdiktator, der es mit einigen strategischen  Neuerungen zu großer Macht gebracht hatte.  Eine der Neuerungen war ideologischer Art. Was wäre damals ein König gewesen  ohne die passende Heiligkeit seiner Person. Warum wird jemand König? Weil er studiert  hat und gut regieren kann? Weil er gut kämpfen kann und deshalb ein Volk gut  beschützt? Weil er gewählt ist vom Volk? Vielleicht aufgrund seiner Fähigkeiten als  Kämpfer? Weil man, wenn man ihn nicht wählen würde, Angst haben müßte vor seiner  Rache Oder noch besser: Weil der Kandidat einen besonderen Auftrag von Gott hat, das  Volk zu führen. Alles langweilig. David hat den Trick beim ägyptischen Pharao  abgeguckt. Der Herrscher ist Sohn Gottes. Adoptiert. In dem Augenblick, wo er den  Thron besteigt, wird er von Gott adoptiert. Er bekommt vom Obersten Priester eine  Urkunde, in der sein Amt als Weltrettung gelobt wird: er wird von gott selbst zur  Herrschaft beauftragt, er regiert in vollkommener Gerechtigkeit und Weisheit, er ist der  große Wohltäter und Hirte seines Volkes,das unter seiner Regierung aufblüht; ja, selbst  die naturhafte Fruchtbarkeit bei Menschen und Tieren und auf den feldern steigert sich  unter der Segenswirkung dieser Regierung. Der König ist schön und um ihn ist eine  Athmosphäre der Freude. Nach außen ist der König der schreckliche Triumphator über  alle seine Feinde. Das sind die altägyptischen Sprüche, mit denen der Pharao  hochgejubelt wurde. David hat sich diese Sprüche kommen lassen zu seiner  Thronbesteigung. Er kauft das ideologische Know-how für seine kleine Militärdiktatur  von der nächstgrößten Zivilisation ab. Er hat nicht nur Militärberater aus Ägypten,  sondern auch die in der Bibel so berühmt gewordenen Weisheitslehrer und  Liederdichter, die die Psalmen Davids getextet haben, kommen lassen. Er weiß: public  relation, die richtige Propaganda und Werbung für seine Herrschaft ist von  entscheidender Bedeutung. Was er dann in Wirklichkeit getan hat, ist etwas anders  gewesen. Die Hofchronisten haben gewiß nicht alle Untaten aufzeichnen dürfen, mit  denen der Militärdiktator seine Macht auf Ewigkeit sichern wollte. Es ist auch nicht  sonderlich interessant. Wir kennen die Gepflogenheiten von Militärdiktatoren ja gut  genug. Siehe Chile, El Salvador, Südafrika, Afghanistan. Es ist heute nur nicht mehr  nötig, seine Macht auf die Gottessohnschaft zu gründen. Die militärischen  Möglichkeiten reichen da völlig aus. Wir brauchen heute kein Römer 13 mehr, wo  Paulus sagt, die Obrigkeit sei von Gott eingesetzt. Die Regierungen sind sattelfester als  damals zur Zeit Davids. Wir haben das gar nicht so weihnachtliche Phänomen vor uns, daß der Predigttext  ägyptischer Export für Könige zur religiösen Aufwertung ihrer Herrschaft und  Machenschaften ist. Und jetzt die Frage: Wieso kommt ausgerechnet dieser Text als  Pflichtpredigttext in einen Weihnachtsgottesdienst? Dieser Text, die ägyptische Königsnovelle, ist in späterer Zeit, unter der  Fremdherrschaft der Römer, ganz neu gesehen worden: Als Verheißung eines  kommenden Königs, der wie David damals eine neue nationale Autonomie und  Unabhängigkeit erkämpft. Der Messias, Gesalbte, wie der neue König genannt wurde,  soll Israel befreien von der brutalen Macht der römischen Legionen. Hier ist die  Hoffnung nicht auf den Militärdiktator gesetzt, sondern auf den Guerilliero, auf einen  Che Guervara und Fidel Castro. Der Messias ist der Freiheitskämpfer gegen die Römer.  Er wurde ersehnt und der Grund zu dieser Hoffnung war ausgerechnet: die  Lobeshymnen der ägyptischen Königsnovelle. Was einmal Schönfärberei einer  Militärdiktatur war, wurde nun zur Zeit Jesu als Revolutionshoffnung gelesen, als  Hoffnung auf Freiheit und Gerechtigkeit. So können Texte ihr Gesicht verändern.  Diese Hoffnung auf den Messias, den Befreierkönig, war damals bei Jesus ungeheuer  groß. Es brodelte in der Bevölkerung. Der Haß gegen die Römer wuchs grenzenlos. Man  las die alten Verheißungen vom ewigen Davidsbund als Ansage des Revolutionsführers  gegen die Römer. Und ausgerechnet Jesus wurde als so ein neuer David hochgejubelt.  Als der arme Mann in Jerusalem einzog, empfing man ihn als neuen David: Hosianna,  der da kommt im Namen des Herrn. So rufen sie ihn als neuen Revolutionsführer in der  Davidsnachfolge aus. Jesus scheint nicht zu ahnen, worauf er sich da einläßt, als er  einzieht in Jerusalem. König der Juden - so steht es auf dem Schild am Kreuz Christi, das den Grund des  Todesurteils angeben soll. Der gekreuzigte König. Welche Schande! Sie forderten seine Kreuzigung, weil sie sehr schnell merkten, daß Jesus kein  revolutionäres Talent hatte, sondern nur ein einfacher lieber Wanderprediger und  Wunderheiler. Jesus hatte nicht das Zeug zum Freiheitskämpfer. Deshalb haben ihn die  Leute fallen lassen: Kreuzige ihn. Das Kind in der Krippe war zu schwach zum Töten. Es  war kein echter Sohn Davids.Das ist unser Problem. Die Christen verehren einen als  König und Sohn Gottes, der wirklich nicht das Zeug zum regieren hatte, weil er nicht  über Leichen gehen konnte. Vorlesen: Ernst Bloch, Prinzip Hoffnung, Bd. 3, Seite 1488 unten bis 1489 unter der  Mitte: Das Kreuz ist die Antwort der Welt auf die christliche Liebe. Ob sich mit solchen Antigrößen die Welt regieren läßt? Mutter Theresa. Ernesto  Cardenal. Eine Revolution der Gnade mit den einstigen Henkern und  Meuchelmördern. Marlene Dietrich sagte kürzlich im Fernsehen: Die Deutschen wollen den Führer.  Die Wahlkampfpropaganda geht wieder darauf hinaus: Wer ist der bessere Führer, der  stärkere Mann. Als ob die Stärke eines Adolf Hitler uns Heil gebracht hätte! Politik der  Stärke endet immer in der Niederlage.  Unsere Hoffnung auf begnadete Politiker muß nicht die auf starke Männer sein. Wer  an Jesus glaubt, kann sich auch Könige und Politiker vorstellen, die im Stil von Mutter  Theresa leben und arbeiten. Der kann sich auch Antihelden und Antigrößen als  Regierungschefs vorstellen. Ich will damit nicht sagen, daß unsere Helden wären, aber  sie bemühen sich doch sehr darum, solche zu sein. Politiker von Gottes Gnaden, sozusagen Söhne Gottes wie David es behauptete, aber  in der Art, wie Jesus Königtum vorgelebt hat. Das wäre christliche Politik. Ohne ein  Volk, das solche Frauen und Männer wählt, geht es aber nicht. Männer wie Jesus sind  bei uns nicht gefragt. Nur in der Krippe dürfen sie liegen. Wann fangen wir an, die  Krippe zu öffnen, die Lebensart Jesu zu unserer Lebensart zu machen? Die Welt braucht die Lebensart Christi. Die Welt braucht Menschen, die wie Mutter  Theresa zu den Armen gehen und für sie leben. Die Welt braucht den lebendigen  Christus in unseren Herzen und Händen. Die Welt braucht Könige wie Christus,  Menschen, die ihr ganzes Leben einsetzen für die Verachteten und Entrechteten, für die  im Hunger und Elend. Wir wollen in diesem Sinne beten: Herr, laß mich dein Kripplein  sein. Komm, und ziehe bei mir ein. Amen.