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Ostern Predigt über Lukas 24, 36 - 45

Friedenskirche 19. April 1987; Wichernhaus 20.4. 1987

Lieder: 81,1 - 3;        87, 1+5-7;        75;        84,1 - 3

Was heißt leibhaftig auferstehen?

Liebe Gemeinde! Als ich vor zwei Tagen aus den Ferien wieder kam, wußte ich eigentlich gar nicht, was ich heute morgen sagen soll. Gut, ich könnte die Ostergeschichte wieder erzählen. Gut, ich könnte sagen: Christus ist leibhaftig auferstanden und den Jüngern begegnet. Aber ich habe ein ungutes Gefühl dabei. Was würde ich wohl als Antwort auf diesen Satz bekommen, wenn ich ihn in der Kneipe, unter Tage im Streb, auf Schering oder als Neuigkeit für die Presse sagen oder schreiben würde? Christus ist leibhaftig auferstanden.

Na prima!

Wie schön für ihn!

Ja ich weiß Punkt hat unser Pastor damals auch immer gesagt.

Na und? Was soll's?

Also das glaube ich nicht. Das gibt es nicht.

Was für ein dummes Zeug. Die Kirche erzählt immer noch Mist.

Keiner, der anfänge, Hallelujah zu singen. Keiner, der Gott loben würde und in Jubel ausbricht. Die Osterbotschaft ist sattsam bekannt und die einen glauben sie, die anderen nicht. Den einen sage ich nichts Neues, den anderen erzähle ich ein Märchen.

Liebe Gemeinde! Ich könnte auch sagen: Ostern heißt: der Tod hat keine Macht mehr über uns. Das würde ich lieber am Sterbebett sagen oder da spürbar werden lassen. Wir hier heute, was haben wir mit dem Tod zu tun, außer unserem eigenen Tod und unserer Todesangst?

Ich möchte daher fragen: was ändert sich für dein Leben, für mein Leben, wenn Christus leibhaftig auferstanden ist und danach ab in den Himmel auf zur Rechten Gottes? Gibt dir das was? „Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen“, singen wir. Wirklich? Ist nicht die Auferstehung Jesu vergangen, ein liebes, vertrautes Stück Vergangenheit, aber außer zu Museumszwecken völlig uninteressant? Was nützt uns denn das Wissen: er ist leibhaftig auferstanden? Wer von uns kann denn das 50. Osterfest seines Lebens immer noch gleich freudig und fröhlich singen: Jesus lebt! Halleluja! ?

Ich stand gestern im Garten, sah auf die Seerosen in meinem Teich und dachte: gibt es nicht eigentlich viel Wichtigeres zu sagen? Ein Wort über AIDS, über Gen-Manipulation, über die Krise im Stahl und Bergbau, über den flott weiter laufenden Atommeiler in Hamm trotz aller atomaren Unfälle, über Volkszählung, Südafrika, über Chile oder die BBG, über den Krieg der Sterne oder das Konzil des Friedens, was alle Kirchen gemeinsam planen.

Wir leben hier doch so nett und idyllisch. Es ist alles okay. Es gibt keine Probleme. Ich habe keine Probleme. Es wird Frühling, na endlich, da kann man wieder raus und in den Garten und etwas Gesundes tun. Wieso eigentlich noch Ostern in die Kirche? Der Besucherrückgang in fast allen Kirchen zu Ostern sagt genug darüber, was Christen von Ostern halten. Eine ideale Zeit für ein schönes langes Wochenende, wenn nicht gar Mallorca oder Gran Canaria. Wer dennnoch zur Kirche geht, will etwas Schönes hören. Halleluja.

Christus ist auferstanden. Das gehört wie das Ostereiersuchen zum frommen Kulturprogramm eines traditionellen Festes. Es ist ein gern gehörtes, gerne geduldetes Wort. Man erwartet es Ostern. Würde ich jetzt sagen: Christus ist nicht leibhaftig auferstanden, so könnten wir uns streiten über Visionen der Trauer, über Vorlagen der Auferstehungsmythologie, über die Auferstehung des Baal, über kanaanäische Frühlingsfeste, über Berufungsvisionen für einen Auftrag Gottes, über die Art, wie Gott wirkt. Wir könnten die Bedeutung dieser Visionen klarstellen und deutlich sehen, wieso die Jünger so sehr auf der Körperlichkeit bestanden haben.

Liebe Gemeinde, all das will ich heute nicht. Ich will heute über uns etwas sagen, nicht über Jesus. Auferstanden ist Jesus, weil er ungerecht gemordet wurde. Ohne den Kreuzestod Jesu keine Rede von seiner Auferstehung. Gekreuzigt - Strafe für Sklaven und Revolutionäre. Gekreuzigt - 7 Stunden hängen in Atemnot, dann qualvoll ersticken.

Wer von uns hat jemals ähnliches für andere gelitten? Für andere, um Ihnen zu helfen. Wer von uns war jemals für andere im Gefängnis? Für andere, um Ihnen zu helfen. Wer von uns hat jemals wirklich gelitten für andere? Nicht mit anderen, sondern ganz allein, einsam und von Gott verlassen. Wer von uns wäre denn bereit, Gesetze zu brechen und etwas zu riskieren für andere? Wer würde denn - einfaches Beispiel, völlig harmlos - sich vor Mutlangen in einer Sitzblockade vor die Pershing II setzen, damit diese nicht aufgebaut werden können? Wer würde denn bereit sein, dafür 3000 D-Mark Strafe zu zahlen, die dieser Staat und seine Rechtsprechung für das Sitzen vor einer Massenvernichtungswaffe berechnen?

Nazi-Zeit, wer von uns hätte denn für einen Juden oder einen russischen Kriegsgefangenen sein Leben riskiert?

Und jetzt, liebe Gemeinde, sage ich das entscheidende Wort: Nur wer das Kreuz Jesu wirklich auf sich genommen hat, kann begreifen, wie Christus auferstanden ist. Wer nicht für andere leidet in seiner Liebe, der hat auch nichts von der Osterbotschaft. Ich glaube fast, uns friedlichen Leuten in Bergkamen kann es gar nicht wirklich klar werden, was es heißt, dem Tod zum Trotz zu leben. Amen.