Pfingsten
in der Friedenskirche 7.6. 1987
Lieder:
108,1-3,7; 99,1
-4; 106,1-3;
159, 1-3;
Psalm 118, 24-29; Acta 2,1-17
+36 -47; Botschaft des ÖRK.
Liebe
Gemeinde!
Christus
geht, damit sein Geist über seine Jünger und Freunde
kommt. Er
nimmt Abschied damit sein Geist die Jünger überkommt.
Statt der Person Jesus,
des vergänglichen Menschen, kommt sein Geist, der nicht
vergeht. Die Jünger
sehen nicht mehr den Gottesmann Jesus, sondern sie sehen mit
den Augen Jesu, aus der Perspektive Christi. Darum gelingt
ihnen, Wunder zu tun, von denen Lukas in der Apostelgeschichte
berichtet. Geist
und Kraft Jesu wechseln über in die Apostel. Die Verehrung
Christi, die in
seinem Leben im Vordergrund stand (Hosianna - Kreuzige), weicht der
Verehrung
Gottes, der Jesus begeistert hat und seinen Geist unter den
Jüngern lebendig
gemacht hat.
Pfingsten
heißt: die Jünger haben verstanden, was Jesus
meinte. Wer
Jesus war. Worauf es ankommt. Vorher hatte Jesus ziemlich viele
Schwierigkeiten,
bei den Jüngern auf Verständnis zu stoßen.
Es hat gefunkt. Der Funke sprang
über, der Geist machte die über den Abschied Jesu
traurige Schar versprengter Jünger
in ihrer totalen Resignation zu einer auferstehenden lebendigen
Gemeinde. Der
Besitz wurde geteilt, man betete zusammen, tat Wunder und viel Gutes,
feierte
im Abendmahl die neue Art der Gegenwart Jesu Christi unter den
Bedingungen
seiner physischen Abwesenheit als Mensch.
Dieses
"Augen auf" zu Pfingsten, dieses plötzliche Verstehen,
der christliche Aha-Effekt, die Evidenz des Glaubens, das Eindringen in
Gottes
Geheimnis beschreibt Johannes als einen Gerichtsprozeß, in
dem Lügen aufgedeckt
werden. Der Geist ist Stellvertreter Christi, des zum Tode
verurteilten. Die
Kreuzigung war das Ende des Prozesses Jesu. Ein wegen
Gotteslästerung Verurteilter
wird hingerichtet. Und nun, so sagt Johannes, wird der Prozeß
neu aufgerollt.
Diesmal ist der Geist Christi, der Geist Gottes, der Ankläger.
Der Angeklagte
wird zum Kläger, die Rollen vertauscht. Die Christen zur Zeit
des
Johannesevangeliums etwa 100 nach Christus litten unter den grausamen
Verfolgungen des römischen Kaisers Domitian. Sie wurden vom
Staat der
Gotteslästerung beschuldigt, weil sie den Bückling
vor dem Standbild des
Kaisers im Tempel verweigerten. Diese angeklagten Christen werden vom
Geist des
gekreuzigten Christus verteidigt. Die Wahrheit Christi, Gottes
Perspektive und
die Wahrheit der Welt, die Perspektive römischer Gerichte,
auch deutscher
Gerichte - klaffen himmelweit auseinander. Indem römische
Gerichte liebevoll
handelnde Menschen, eben die Christen, verurteilten, haben sie implizit
ein
Urteil über sich selbst gesprochen: kaum einer würde
ernsthaft behaupten, die
damaligen römischen Richter wären besser als der
Volksgerichtshof Roland Freiselers
gewesen, bei dem die Todesurteile schon längst vor
Prozeßbeginn feststanden.
Jesu Geist öffnet die Augen: Sünde ist nicht
irgendwelches Verstoßen gegen
Paragraphen, sondern das Mißtrauen gegen die
Möglichkeit, daß Gottes
Liebe stärker ist als alle Korrektheit. Jesus zu
vertrauen bedeutet, die Liebe über alles stellen. Im Tod Jesu
nicht das
Scheitern seines Programms der Liebe sehen, sondern den Sieg:
daß ein Mensch
wirklich kompromisslos bis zum letzten lieben kann und darin Gott
näher ist als
die, die ihn mordeten. Wer im Tod Christi den Sieg der Liebe sieht und
sich
davon mitreißen und begeistern lassen kann, den hat Gottes
Geist überkommen.
Amen.
PFINGSTEN
1 9 8 7
Botschaft
der Präsidentinnen und Präsidenten des
Ökumenischen Rates der Kirchen
KOMM,
SCHÖPFER GEIST:
Im
biblischen Schöpfungsbericht heißt es: "Der Geist
Gottes schwebte auf dem Wasser", als die Erde noch wüst und
leer war (1.
Mose 1,2). Der Geist, das war die schützende Gegenwart Gottes,
die über das
Chaos herrschte und Ordnung schuf, - wie ein Adler, der über
seinen Jungen
schwebt, seine Fittiche ausbreitet, sie nimmt und auf seinen
Flügeln trägt (5.
Mose 32,11). Der Geist Gottes macht Leben auf Erden möglich,
und aus dem Chaos
schafft er Ordnung im Universum.
Diesen
lebenspendenden Geist Gottes rufen wir an:
"Komm, Schöpfer Geist!" Wir rufen ihn an inmitten aller
Zerstörung
von Wäldern, Flüssen und Seen, inmitten des
völligen Aussterbens von Tierarten,
inmitten aller Verschmutzung der Umwelt, die eine Folge der
hemmungslosen
Ausplünderung des Planeten Erde ist.
Der
Geist ist in Sorge um die Schöpfung, besorgt wie eine
Mutter um ihre Kinder. Der Geist ermahnt die Menschheit, für
die Bewahrung der
ganzen Erde, wie sie geschaffen ist, Verantwortung zu
übernehmen, so daß auch
künftige Generationen den reichen Segen Gottes in der
verschwenderischen Fülle
und Schönheit der Natur genießen können.
Doch wir plündern unseren eigenen
Lebensraum aus. Das ist Rebellion gegen den Geist Gottes, dem seine
Schöpfung
am Herzen liegt. Das Bekenntnis dieses Versagens strömt mit
ein in den Ruf:
"Komm, Schöpfer Geist!"
KOMM
HEILIGER GEIST, DU GEIST DES FRIEDENS:
Heute
feiern wir Pfingsten, das Kommen eben dieses Geistes,
der Sorge trägt für die ganze Schöpfung.
Indem wir ihn anrufen, stellen wir uns
in die Tradition der urchristlichen Gemeinde. Die Menschen, die in
Jerusalem
versammelt waren, hörten mit Erstaunen, wie die Apostel in
fremden Zungen
sprachen. Ungeachtet ihrer Herkunft hörten sie die Apostel in
ihrer jeweils
eigenen Muttersprache reden: der gekreuzigte und auferstandene Herr,
der Fürst
des Friedens, wurde ihnen verkündet. Der Apostel Petrus
bezeugte: "Das
ist's, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist: ich will
ausgießen von
meinem Geist auf alles Fleisch" (Apg 2,162. Was in Babel
zerstört wurde,
wird jetzt geheilt. Gegenseitiges Verstehen wird wieder
möglich. Der Geist
macht es möglich; er schafft eine neue Gemeinschaft, die sich
für die Versöhnung
der ganzen Menschheit einsetzt - eine Gemeinschaft, die berufen ist,
Frieden zu
stiften und für das Heilwerden von Völkern und
Nationen zu arbeiten.
Aber
Babel ist im menschlichen Leben nach wie vor eine
allgegenwärtige Realität. Wir leben inmitten von
Konflikten und Spaltungen, von
Kriegen und Kriegsgeschrei. Doch Gott hat uns den Heiligen Geist
gesandt, damit
wir unsere Spaltungen überwinden, für den Frieden
arbeiten und Werkzeuge der
Versöhnung werden. So rufen wir: "Komm, Heiliger Geist, Du
Geist des
Friedens."
KOMM,
HEILIGER GEIST, DU GEIST DER GERECHTIGKEIT:
In
Hesekiels großer Vision von dem Feld voller Totengebeine
ist es der Geist Gottes, der den Tod in Leben verwandelt: "Ich will
meinen
Odem in euch geben, daß ihr wieder leben sollt, und will euch
in euer Land
setzen, und ihr sollt erfahren, daß ich der HERR bin. Ich
rede es und tue es
auch, spricht der HERR" (Hes 37,14).
Die
Kräfte, die in unserer Gesellschaft und in der Welt
gegen das Leben gerichtet sind, lassen uns oft verzweifeln. Wir sind
versucht,
uns mit dem Status quo abzufinden. Aber der lebendige Geist
wähnt in uns, so
daß wir das Ende aller Ungerechtigkeit verkünden und
in Demut der Sache des
erneuerten Lebens dienen können. So rufen wir: "Komm, Heiliger
Geist, Du
Geist der Gerechtigkeit und des Lebens:"
Laßt
uns an diesem Pfingstsonntag beten:
Komm,
Du Geist Gottes.
Laß
es durch Deine Gegenwart
geschehen, daß die Schöpfung, für die Du
Sorge trägst, zur Erlösung findet.
Laß
es durch Deine Gegenwart
geschehen, daß die Menschheit, die
zerspalten
ist, zur Versöhnung
findet.
Laß
es durch Deine Gegenwart
geschehen, daß die Gerechtigkeit, die Du verheißen
hast, den Sieg davonträgt.
Aus
unserer eigenen Kraft können wir nur wenig tun. In der
Kraft des Geistes aber sind alle Dinge möglich.
Möge
diese Kraft des Geistes uns, der ganzen Kirche und der
ganzen Menschheit Weisheit geben und Liebe, Gnade und Kraft.
Die
Präsidentinnen und Präsidenten des ÖRK:
Dame R. Nita
Barrow, Cave
Hill, Barbados
Dr Marga Bührig,
Binningen, Schweiz
Metropolit Dr Paulos Mar Gregorios,
Kerala, Indien
Bischof Dr Johannes W. Hempel,
Dresden, Deutsche
Demokratische Republik
Ignatios IV., Patriarch von
Antiochien und dem
gesamten Morgenland, Damaskus, Syrien
Erzbischof W.P. Khotso Makhulu,
Gaborone, Botsuana
Pfr Dr Lois M.
Wilson,
Toronto, Kanada