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Predigt  über Lk 15,1-3+11-32

Friedenskirche 5.7. 1987

Die Liebe eines Vaters

Liebe Freunde!
Da sind drei Männer. Vater und zwei Söhne. Willi Atternase und seine Söhne Detlef  und Uwe. Sie haben ein Taxiunternehmen hier in Bergkamen, Fritz Erler Str. 3. Das  Geschäft geht so lala, viele Betrunkene, die von Schützenfesten heimgefahren werden  wollen oder von Familienfesten. Einige Senioren, die regelmäßig ins Ärztehaus müssen.  Willi Atternase klagt nicht. Er kämpft sich so durch. Detlef hat Realschule hinter sich,  geht noch zur Berufsschule, will später mal Betriebswirtschaft machen und das  Taxigeschäft übernehmen, wenn Willi nicht mehr kann. Uwe war auf dem Gymnasium,  ist Computerfreak, ein leidenschaftlicher Hacker und will mehr draus machen. Er will  ein Software-Unternehmen aufmachen für Spiele in Spielhallen. Die Banche ist  umsatzträchtig. Uwe braucht Geld, um sich selbstständig zu machen. Er rechnet dem  Vater vor, wieviel er braucht: 60.000 DM für den Computer, mit dem er die Software  produzieren will, 40.000 DM für die Vervielfältigungsmaschinen, 50.000 DM für die  Einrichtung und Erstfinanzierung einer kleinen Firmenhalle in Hamburg. Bergkamen,  hör mir bloß auf mit Bergkamen. Das ist doch ätzend hier. Ich will weg, hier ist doch die  total tote Hose. Und wenn ich später mal erben würde, bekäme ich bestimmt  zweihunderttausend, die Hälfte vom Taxiunternehmen steht mir zu. Ewig Besoffene  nach Hause fahren, ey Vatter, das is einfach nich mein Ding. Ich geh nach Hamburg,  komm, ich will meinen Anteil am Betrieb jetzt schon haben, dann bist du mich auch  wirklich los, zahl mir mein Erbe jetzt schon aus. - Willi Atternase ist geschockt. Sein  jüngster, der kluge Uwe, will ihn und alles, was er für seine Kinder aufgebaut hat,  einfach verlassen. Ätzend, tote Hose. Sein Lebenswerk! Er zahlt Uwe aus. Nimmt einen Kredit bei Herrn Menzhausen auf und gibt Uwe  einen Scheck über 150.000 DM. Uwe packt seine Sachen, fährt mit einem VW-Bulli nach  Hamburg. Ruft zwei, drei Mal noch an, hat immer noch keine Firma, ist noch auf der  Suche nach was passendem, die Konkurrenz in Hamburg, die Mieten und und und. Dann  Funkstille. Keine Anrufe mehr, Uwe läßt nichts von sich hören, bei der Auskunft ist kein  Uwe Atternase in Hamburg mit Telefon ausfindig zu machen. Willi Atternase ist  enttäuscht. Sein Uwe, das hätte er nicht gedacht. Detlef hat inzwischen seine  Betriebswirtschaft fertig, im nächsten Jahr geht Vater Willi in Pension, Detlef wird dann  das Taxiunternehmen übernehmen. Es klingelt. Willi Atternase geht ans Telefon. Uwe. Er ist in Bergkamen. Fragt, ob er  vorbeikommen kann. Sagt, er habe sein Software-Unternehmen gar nicht erst  angefangen, sei in Hamburg versumpft, die Reeperbahn, Drogen, Freunde, ein paar  Schickeria-Mädchen und wie das dann so ist. Er habe mal einen Kiosk gehabt, der sei  aber auch nicht so gelaufen und die Säufer in Hamburg sind noch herber drauf. Er habe  schließlich als Rausschmeißer bei Onkel Pö gearbeitet, eine schmierige alte  Musikkneipe. Er habe eine Entziehungskur hinter sich, Heroin, seit einem Monat habe  er nichts mehr gedrückt, er müsse raus aus Hamburg, wo er praktisch überall von seinen  Freunden Stoff angeboten bekommt, ob er nicht bei Taxi Atternase als Fahrer  unterkommen kann. So, liebe Eltern, liebe Kinder! Bis hierhin habe ich erzählt. Jetzt kommt hr dran. Sagt  mir, nachdem ihr euch in Gruppen von 6 Leuten zwei Minuten lang beratet, wie wird  Vater Willi Atternase reagieren. Wird er Uwe, den Fixer rausschmeißen, nachdem er  das Taxiunternehmen durch den Abzug von 150.000 DM in arge Bedrängnis gebracht  hat und dann noch alles Geld verpraßt hat? Wird er ihm trotz allem eine Stelle als  Fahrer anbieten? Welche Bedingungen wird er stellen? Was denkt ihr? Bildet jetzt  Sechsergruppen, beratet euch und aus jeder Gruppe sagt in zwei Minuten einer euer  Ergebnis. Pause Antworten aus den Gruppen vorn am Mikrofon Verlesen des Bibeltextes Liebe Gemeinde! So wie Jesus mit den Reeperbahn-Leuten Feste feiert, sich mit Sündern einläßt, die  Verlorenen sucht und findet, so sucht Gott die Verlorenen. Gott freut sich über die  Sünder. Er rechnet nicht Schulden auf. Er erläßt alle Schuld und beginnt ein neues Spiel.  Er fängt mit uns von vorn an, als wäre nichts gewesen. So ist Vergebung. Gott gibt dem  Heruntergekommenen sein bestes Kleid, die größte Ehre, das schönste Fest. Gott freut  sich. Er weiß, sein Sohn ist wieder da. Er hat ihn vermißt. Es war ihm nicht gleichgültig,  daß Uwe in Hamburg nichts von sich hören ließ. Willi Atternase hat unter der Trennung  gelitten. Er hat sich das nie so anmerken lassen. Aber als Uwe am Telefon so traurig und  fertig erzählte, da konnte Willi Atternase nicht anders: Er machte sein Büro dicht,  brauste mit der Taxe zum Busbahnhof zu Uwe, sprang aus dem Wagen, umarmte ihn,  Tränen in d n Augen: Mein Junge, wie schön, daß du wieder da bist. Hör mal, am  Wochenende machen wir eine Grillparty, da laden wir deine ganze Klasse von früher ein  und Onkel Ewald und Tante Hanne und Erna Büscher und Frau Dierks und Pastor  Kayser. Und Jutta Kaiser von nebenan, die hat inzwischen schon das dritte Kind, ein  Mädchen, Sandy. Ach Uwe, es ist, als wäre ich tot gewesen. Jetzt geht es mir wieder gut.  Ich fühle mich wie neugeboren. Schön, daß du wieder da bist.  Liebe Freunde! Habt ihr den Unterschied gemerkt? Jesus in der Bibel sagt: Der verlorene Sohn war  tot und ist im Augenblick der Heimkehr wieder lebendig geworden. Ich sage es anders:  Gott selbst war auch wie tot, weil sein Kind ihn verlassen hatte und er lebt auf, als sein  Kind zurückkommt. Ich lasse den neidischen Detlef, den Frommen und  pflichtergebenen Musterknaben mal ganz beiseite. Heute sage ich nur etwas über den  Vater. Der Vater, Willi Atternase alias Gott, will nicht ohne die Liebe seiner Kinder  leben. Er leidet unter der Abwesenheit des Sohnes, es hätte genauso seine Tochter  Josefine oder Paula sein können. Und die reale Situation Gottes heute in der Welt: Die meisten Kinder gehen fremd,  verprassen die Liebe, die Gott jedem von ihnen mitgegeben hat, im Konsumrausch,  Videos, Spielhallen, Karriere, Häuslebauen, Rasenmähen. Und kaum einer denkt noch  an Gott. Und kaum einer weiß, daß Gott sich nach uns sehnt, daß Gott in uns verliebt ist  und zwar fast abgöttisch, wenn er es nicht wirklich göttlich wäre, nämlich am meisten in  die schwierigsten und unangenehmsten unter uns. Wenn solche Kaufberauschten,  Karrieresüchtigen, Häuslebauer, Rasenmäher, Zocker und Nullbocklangeweiler von  ihrer eigenen tödlichen Langeweile angewiedert werden und sich entschließen,  aufzutauen, aus sich herauszukommen, auf andere zuzugehen, ihre Einsamkeit  zuzugeben, ihre Sehnsucht nach Geborgenheit und Liebe zuzugeben, zu einem  Menschen endlich sagen: Du, ich brauch dich. Du, ich hab dich lieb. - dann erwacht Gott  zu neuem Leben. Dann ist ein Fest fällig. Amen.