Schwestern und Brüder!
Man ist immer besonders nett zu dem, der einen füttert. Meine
Katze Mia kommt regelmäßig ganz verschmust
an und kuschelt sich an mich, streicht mir um die Beine. Am
Anfang dachte ich: Ach, wie schön. Sie mag mich. Ich habe sehr
schnell begriffen, was sie wirklich mag an mir: das Kittekat.
Sie mag mich, weil ich sie füttere. So ist Liebe.
Man mag jemanden, weil man einen Mangel hat. Liebe Freunde!
Liebe geht durch den Magen. Es wäre lieblos, Hungrige mit gute
Worten abzuspeisen. Die Liebe drängt auf die
Stillung von Hunger. Sei es der Hunger nach Brot, sei es der
Hunger nach völligem Einssein mit dem Liebespartner. Die Liebe
will satt werden. Und die Liebe will sattmachen. Beides
gehört dazu zur Liebe. Geben und Nehmen. Nicht nur das Nehmen
macht stark, also etwa das Nuckeln der Babies und das Essen.
Auch das Geben macht stark: Es ist ein grandioses Gefühl,
einem Menschen etwas Gutes zu tun. Das wissen alle Pfadfinder
und genießen es, jeden Tag eine gute Tat zu tun.
Der Geber ist in einer starken Position. Dieses Gefühl der
Stärke gegenüber dem Bedürftigen
macht ihn stolz. Er weiß: Ich bin wichtig.
Es ist
ja irgendwie enttäuschend, daß es die reine Liebe,
die völlig zweckfrei ist, nicht gibt. Die reine
Herzensliebe ohne Kochen, ohne geteiltes Bett, ohne offenen
Geldbeutel - das gibt es wohl nicht. Die Menschen haben eben
alle einen Bauch. Und der will voll sein. Und darum wird in
den Kirchen eben nicht völlig zweckfrei an Gott gedacht,
Gott gelobt und gefeiert. Sondern alle Lobe und Klagen der
Psalmen haben auch ganz massiv mit dem Bauch, dem Leib der
Menschen zu tun. In allen Religionen wollen die Menschen was
von Gott. Gute Ernte, Gesundheit, Kindersegen, Sicherung des
Wohlstandes. Sie wollen den Segen Gottes leibhaftig erfahren, die Liebe
Gottes im Bauch spüren.
Aber: Ist Gottes Liebe nicht
etwas, was nur unsere Seele angeht, nicht den Leib?
Wir haben den Glauben zu einem geistigen Erleben gemausert, weg von
den Futtertrögen, den Schlachtopfern. Wir haben uns
auf das Wort konzentriert. Der Mensch lebt nicht vom Brot
allein, sondern von Gottes Wort, darum haben wir das Brot aus
der Kirche entfernt. Es sind einmal im Monat ein paar
hauchdünne Hostien übriggeblieben von der
einstigen Schmauserei im jerusalemer Tempel. Dafür aber
hat sich der Bauchbereich verselbstständigt: Die
riesige Lebensmittelproduktion dient schon lange nicht mehr
der Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse,
sondern gehorcht kapitalistischen Wirtschaftsgesetzen, nach
denen es besser ist, Gemüse, Getreide, Fleisch und
Butter zu vernichten, als denen zu geben, die an Hunger
sterben werden. Weil die Religion den weltlichen Teil des
Lebens hochnäsig übersehen hat in frommer
Hinwendung zur Seele, hat sich da quasi unter der Gürtellinie,
die der Glaube geschaffen hat, eine derartig
verantwortungslose Völlerei und Hungerei entwickelt,
daß die gläubige Seele ganz erschrocken
ist, wenn sie hört, was sich in der Welt getan hat
in der Zeit ihrer Innerlichkeit.
Unsere Wirtschaft
zielt auf Anhäufung. Wachstum heißt real, die
Großen werden größer, die
Mittleren bauen ab, die Kleinen gehen stempeln. So berichten es
unsere Zeitungen täglich. Es wird jede nur denkbare
Marktlücke aufgespürt, mit Werbung ein
falscher Hunger erzeugt. Der Hunger, von dem unsere Wirtschaft lebt,
ist ein künstlich geschürter, eine
Unersättlichkeit, die medizinisch eindeutig krankhaft,
krebsartig ist. Bedarfsdeckung ist das Prinzip, mit dem eine
christliche Wirtschaft sich entwickeln kann.
So ist Liebe:
Sie stillt Hunger. Aber sie überfüttert nicht. Es ist
ungesund, zuviel zu essen. Es ist ungesund, zuviel zu haben.
Reichtum macht krank. Christus wird im Johannesevangelium deshalb
geliebt, weil er so schöne Speisungswunder
vollbringt. Fünftausend sattmachen, das ist wahrhaft
göttlich. Darum kommen die Leute zu ihm und verehren
ihn. So wie meine Katze Mia um mich herumscharwenzelt, wenn
sie Hunger hat.
Und Christus ist sauer. Er will nicht als
Brötchengeber verehrt werden, sondern als Gesandter des Vaters
im Himmel, der allen seinen Kindern sagen will, wie lieb er
sie hat und wie wichtig ihm ist, daß sie sich
untereinander liebhaben im Wissen um diesen liebenden Vater im Himmel.
Christus ist sauer, weil alle sich auf das Brot stürzen und
keiner an den Geber denkt, den Vater im Himmel. Ich verstehe
das: Es würde mich ärgern, zu wissen, daß
meine Katze nur das Kittekat liebt, nicht mich. Es tut weh,
wenn nach der Befriedigung der leiblichen
Bedürfnisse keine tiefere Bindung entsteht. Aber der Weg zur
Vertiefung der Bindung ist nicht, die Leiblichkeit der Menschen
zu verbannen, zu exkommunizieren, sondern eben gerade
hineinzunehmen in die Bindung! Der Christus im
Johannesevangelium ist Idealist, wenn er sich ärgert
darüber, daß die Leute ihn verehren, weil
er Brot gibt. Die Leute hatten Hunger und waren dankbar,
Essen zu bekommen. Wie sollen sie denn verstehen, daß Gott
Liebe ist, wenn nicht durch den Magen? Gottes Liebe geht
nicht am Magen vorbei! Sie geht hindurch. Darum Abendmahl.
Aber sie ist mehr als Fütterung der Raubtiere. Darum Zeichen.
In der Stillung der leiblichen Bedürfnisse wird
etwas deutlich von einer noch tieferen, umfassenderen
Stillung der menschlichen Sehnsüchte, für die Gott
seine Liebe bereithält. Am Essen können wir
es lernen: Gott stillt Hunger und Durst. Wenn es nicht allein
dabei bleibt, wenn wir lernen, unsere Herzensbedürfnisse,
unsere Träume, unsere verborgensten Wünsche
Gott bittend anzuvertrauen - und wozu anders ist das Gebet da
- dann werden wir glauben und erfahren: Gott nimmt uns an in unseren
geheimsten Wünschen und sagt ja zu unseren
Wünschen und hilft uns, Ideen zu entwickeln zu ihrer
Erfüllung. Der tiefste Wunsch, den ein Mensch hat, ist,
geliebt zu werden mit all seinen Schwächen. Unser
Herz ist unruhig, sagt Kirchenvater Augustin, bis es Ruhe findet in
Dir.
Vater im Himmel nimm mich in deine Arme. Mach mich satt.
Sieh alle meine unglückliche Sehnsucht. Sieh mein
Suchen. Sei mein Ziel. Zeig mir meinen Weg. Laß mich
unruhig werden über all dem Unrecht von Hunger und
Überfluß. Laß mich Wege finden,
dagegen zu kämpfen. Mach mich zu Brot für andere.
Laß mich in all meinen Kämpfen, in all
meiner Arbeit, in allen meinen Sorgen Ruhe finden in dir, dem Quell
allen Lebens. Amen.