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Predigt über Mk 1, 13-17     

Friedenskirche: 27. Sept. 87

Essen ist eben mehr als nur Essen! 

Liebe Kinder, liebe Eltern, liebe Älteren, liebe Alten!
Jesus war ein überaus unanständiger Mann. Vielleicht hat er sogar einen dicken  Bauch gehabt. Die Leute damals schimpften jedenfalls tüchtig auf ihn: "Guckt euch den  an, ein Fresser und Trinker! Seine Freunde hat er unter den Zöllner, diesen  Blutsaugern, und unter schlechten Menschen, die sich nicht an das Gesetz halten. Er  verkehrt in Zuhälterkreisen. Pfui. So ein Schweinchen!"(Mt11,19) (Wir versteigern  übrigens heute ein echtes Schweinchen auf dem Fest am Nachmittag) Noch genauer wird es berichtet, wie er bei Levi, einem Zöllner, zu Gast ist. Die  Zöllner waren damals ja so unbeliebt, weil sie den armen Fischern und Schäfern den  letzten Pfennig an Steuern wegnahmen im Auftrag der römischen Besatzungsmacht, ihr  kennt das freche Treiben der Römer ja von Asterix und Obelix, aber in Wirklichkeit floß  damals viel Blut und es ar noch schlimmer als heute in Chile oder Südafrika. "Und es begab sich, daß Jesus im Haus vom Zolleintreiber Levi zum Essen  eingeladen war, und viele Zöllner und Sünder saßen mit Jesus und seinen Jüngern zu  Tisch, denn es waren viele, die mit ihm herumzogen. Und als die Akademiker unter den  besonders korrekt lebenden Pharisäern das sahen, wie er mit den Zöllnern und Sündern  aß, sagten sie zu seinen Jüngern, den erwachsenen Schülern, die mit Jesus durch das  Land zogen: "Warum ißt er mit Zöllnern und Sündern? Ein anständiger Mensch würde  sich doch nicht mit diesen Subjekten einlassen!" Und Jesus hörte es und sagte: "Nicht die  Starken bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, die  Gerechten und Frommen zu berufen, sondern die Sünder." " Jesus schämt sich nicht einmal dafür, daß er mit dieser zweifelhaften halbseidenen  Gesellschaft zusammenist, nein, er findet diese Mätzchen auch noch gut. Er bereut  nicht, er entschuldigt sich nicht, er bekennt sich zu dieser Gesellschaft der Sünder. Stellt  euch mal vor, ein hoher Politiker oder auch nur ein Pfarrer würde angetrunken auf einer  Partnertausch-Party eines kokainschnüffelnden höheren Industriellen oder auch nur in  einer kleinen bescheidenen Capacabana-Bar aufgefunden - ja schade für ihn! Er würde  schnell bereuen! Jesus bereut nicht. Er steht zu diesen Leuten und er sagt: Gott hat sie  lieb. Nicht, weil sie besonders toll sind, sondern umgekehrt, weil sie besonders herunter  sind. Gott hat eine besondere Sorge um die Menschen, die kaputt sind,  heruntergekommen, am Ende. Zu denen ist Jesus gekommen. Und wahrscheinlich sind  die Nachtclubmänner und Partnertauschpaare und kokainsüchtigen Industriellen eben  auc ganz wahnsinnig kaputt und brauchen Liebe, viel mehr Liebe, als die Gesunden  Ehen und glücklichen Familien. Jesus hat also mit kaputten Typen gefeiert, gegessen und getrunken. Aber manchmal,  da kamen Tage, wo die Gruppe um Jesus keinen Gastgeber hatte, keine Möglichkeit der  Übernachtung und keine Einladung zum Essen. Dann lebten sie wie die Vögel unter  dem Himmel: Sie säen nicht, sie ernten nicht, und ihr himmlischer Vater ernährt sie  doch! So nahmen Jesus und die Jünger sich einfach Ähren vom Feld und stillten damit  ihren Hunger. Und das am Sabbat, wo jeder Handschlag zur Ernährung strengstens  verboten war! Mundraub in Tateinheit mit Sonntagsarbeit! Ein seltsam ungesichertes  Leben, von der Hand in den Mund. So leben aber auch heute täglich Millionen von  Menschen, und weil man so heute kaum noch leben kann, sterben so heute, heute nur an  diesem einen Sonntag, 80.000 Menschen, doppelt soviel wie Bergkamens Bürgerschaft.  Jesus hatte den Lebensstil armer Leute. Wir denken dabei an die Leute von Mandu  Tawahun, wo 40 Dörfer mit 20.000 Menschen in Sierra Leone keinen einzigen Arzt  haben und wofür wir heute ein Fest machen. Jesus und Essen, da geht immer etwas schief. So erzählt Jesus das Gleichnis vom  Reich Gottes. Ein reicher Mann, sprich: Gott, veranstaltet ein riesiges Fest. Er hat alle  seine Freunde eingeladen. Und alle entschuldigen sich: Sie haben gerade geheiratet und  wollen die Braut testen, haben einen Acker zu kaufen oder sonstwas. Und keiner kommt  letztlich. Der Herr ist sauer. Und jetzt kommt die eigentümliche Umkehrung: Er lädt die  Krüppel, die Kranken, die Penner, Arbeitslose und alle ein, die sich auf der Straße  herumtreiben. Und mit denen geht dann die Party so r chtig los. So ist Gottes Welt, eine  verkehrte Welt. So sagt Jesus immer wieder zu seinen Jüngern: Wer von euch der Größte sein möchte,  sei Diener aller anderen. Oder: Die Ersten werden die Letzten sein. Oder: Was ihr getan  habt einem meiner geringsten Brüder, das habt ihr mir getan! Wo derart unanständig alle natürlichen Ordnungen auf den Kopf gestellt werden und  den Leuten der Kopf verdreht wird, da ist es schon gar nicht mehr verwunderlich, daß  Jesus dann die Kinder segnet und ausdrücklich in seiner Nähe haben will: Wer das Reich  Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen! Waren damals Kinder  der letzte Dreck, noch hinter den Frauen, auf einer Stufe mit Hund und Katze, so wertet  Jesus sie als Vorhut des Gottesreiches auf. Er gibt ihnen in der Gemeinde einen Platz,  nicht unter den Erwachsenen, sondern als Vorbild vor, bei und mit ihnen. Darum taufen  wir eben auch Kinder im Gottesdienst und wenn heute schon Wildelträger am Computer  herumhacken, dann besteht keine Gefahr, wenn während des Gottesdienstes Kinder mit  oder ohne ihren Schnuller die Gemeinde lebendig machen. Der Kindergottesdienst ist  eher eine Verkümmerung des Willens Jesu: Laßt die Kinder hineinkommen in die  Predigt, in die Lehre, in das gemeinsame Nachdenken über das, was Gott will und was  wir tun können. Ich bin sehr stolz auf meine Katechumenen und Konfirmanden: Diese  kleinsten der Gemeinde haben die größte Summe Geld zusammengesammelt durch  ihren Mut, unbeirrbar von Haus zu Haus zu gehen, die Kunden mit ihren vollen Taschen  vor Plaza anzusprechen und um eine Spende für Afrika zu bitten. Sie haben  eintausendfünfhundert Mark zusammengesammelt, hier ne Mark, da sogar zwei Mark,  selte schon 5 Mark. Einsam bist du klein, aber gemeinsam werden wir Anwalt des Lebendigen sein, das  haben unsere Konfirmanden uns gelehrt. Ihre Einsatzbereitschaft war ungeheuer! Sie  haben Nähe zu Gottes Welt. Einsatz für das Leben - so könnte man die Geschichte Jesu in einem Wort benennen.  Jesus, der auf so unanständige Weise die Freundschaft Gottes zu den Kaputten und  Armen gelebt hat, bekam den Arm des Gesetzes zu spüren. Das Kreuz ist die Antwort  dieser Welt auf grenzenlose Liebe. Er hat es einfach übertrieben mit seinen Mätzchen. In der Nacht des Passah-Festes haben sie ihn verhaftet zum Schauprozeß. Bevor sie  kommen, die Gestapo der israelitischen Machthaber, feiert Jesus noch einmal, feiert mit  seinen Jüngern das Fest der Befreiung, Befreiung aus der Sklaverei im ägyptischen  Städtebaudienst unter der Peitsche des Pharao. Jesus und seine Jünger feiern wie alle  Juden damals. Sie feiern Gott, der ihnen die Freiheit geschenkt hat, dem sie das Leben  in einem guten und wohlhabenden Land verdanken. Damals wurde ein Lamm geopfert,  als Wegzehrung auf der Flucht in die Freiheit. Jetzt suchen die Herrscher wieder ein  Opfer. Jesus. Er flieht nicht. Er bleibt, geht in den Prozeß. Er will ein Zeichen der  Freiheit setzen, ein Zeichen des Widerstands. Er hat keine Angst. Ihn können sie nicht  durch Drohungen kleinkriegen. Er tut es, damit alle Welt sieht: Gottes Liebe zu den  Sündern, denen da unten, da ganz ganz unten - die braucht kein Mensch zu bereuen.  Gottes Liebe hört nicht auf, wenn die Drohungen kommen. Gott opfert sich für die da  unten. Er sagt denen da oben den Kampf an. Jesus sagt: Das ist mein Leib, mein Leben.  Das gebe ich für euch. Da ist mein Blut, meine Kraft, die setze ich für euch ein. Nichts  mehr steht zwischen Gott und euch kleinen Würstchen, euch Sündern, euch da unten.  Gott schlägt sich auf eure Seite. Ein für alle Male. Atmet auf. Er ist bei euch. Auch wenn  ich gehe, ans Kreuz. Und wenn wir Abendmahl feiern in Erinnerung an diesen wunderbaren Mann Jesus,  der so mutig und wunderbar unanständig für die Liebe gelebt hat, dann sollen wir  wissen, der Leib Christi hat damit eine neue Form angenommen. Er ist nicht groß und  fett, denn wir sind nur wenige, die sich engagieren gegen Armut, Hunger und  Diktaturen. Aber dieser neue Leib Christi hat viele Glieder, die einander beistehen und  mutmachen. Das ganze Afrikafest ist so ein Beispiel, wie aus allen Ecken und Enden  kleine und große Hilfen kommen, um die Medizinische Station in Mandu Tawahun zu  errichten. So wächst Gottes Welt, in vielen kleinen und winzigen Schritten der Kleinen  und Kleinsten. Wächst heran zu einem großen mächtigen Leib, der Segen wirkt in der  Welt. Zu diesem Leib gehören nicht nur die klugen und gebildeten, die alten und  betagten Glieder, sondern auch die noch ganz ungeknickten und unbefangenen Glieder.  Zur Gemeinschaft des Leibes Christi gehören nicht nur unter ferner liefen, sondern  ganz besonders auch die Kinder hinzu. Wir werden unseren Kindern das Leben  verdanken. Darum nehmen wir sie mit Freude hinein in den Gottesdienst, in das große  Gastmahl, in die Erinnerung an Jesus, den Kinderfreund und Sünderfreund. Wir sagen:  Jedes Kind darf kommen zum Tisch Gottes. Und es wird uns guttun, wenn Kinder nicht  daherkommen mit Problemen der Transsubstantiationslehre und Fragen des Wie der  Präsenz Christi in den Elementen, sondern einf ch und treffend von der eßbaren  Freundlichkeit Gottes sagen: Es hat gut geschmeckt und jeder hat was abbekommen.  Amen.