Eingangspsalm 23 (Mein Liederbuch S.
15)
GM B12 Heillose Welt -
Kyrie /C12 Fürchte dich nicht -
Ehre sei Gott
Kollektengebet ML S. 15 Christi Hände
Epistel Römer 8,22 - 39
Credo: Vertrauen (Mein Liederbuch S. 25 oben)
B77 Predigt Einsam bist du klein - Kanon
Meditation B 83
Taufe
Vertrauen und Segen (ML 28 mitte)
Unser Vater
Schützen (ML 26 mitte) B 127
Liebe Schwestern und Brüder!
Lütge lügt - ein schönes Wortspiel. Oft
gehört, noch wieder letzten Mittwoch im letzten
Pfarrerkreis. Lütge ist faul - solche Worte machen frei.
Ärger macht sich damit Luft, der anders nicht heraus
kann, der nicht direkt formuliert werden kann. Der erste
Versuch, direkt miteinander zu sprechen, ohne Publikum, unter vier
Augen, an einem Tisch, ohne Telefon, kam vorgestern, zu
spät. Über die Grenzen einer
persönlichen Abneigung zweier Kollegen, die am
Anfang die halbe Nacht miteinander telefonierten und sich gut
verstanden, über die Grenzen aller persönlichen
Kränkungen und hundepisserischer Rivalität
zwischen uns beiden hinweg konnten wir verstehen, daß
es nicht reine Bosheit ist, die uns gegeneinander trieb,
nicht Sadismus und brutaler Machtkampf allein, sondern
Befangenheit, Unfähigkeit, richtig hinzuschauen und
wahrzunehmen, Blockierungen im Erkennen. Wir beiden haben nach wie vor
die gleichen politischen Optionen und das verbindet uns trotz
aller Spannung, auch wenn wir beide froh sind, einander nicht
mehr zu begegnen: Unser Herz schlägt für
die Vernichtung aller Waffen auf der Welt, für
Sättigung aller Hungrigen auf der ganzen Welt und
für einen sanften Umgang mit der Natur, die unsere Mutter ist
und uns nährt und trägt und immer noch
erträgt. Unsere Arbeit war immer besonders offen für
die türkischen Mitbürger und Hausgenossen
in unserer Gemeinde, für alle, die aufgrund ihrer
Nationalität oder Fähigkeiten benachteiligt werden.
Wir haben gemeinsam geworben für die atomwaffenfreie
Zone, wir haben gearbeitet für Hilfsprojekte in
aller Welt - Cap Anamour, Äthiopien,
Siebenbürgen, Mandu Tawahun. Unsere Arbeit war immer
an dem Motto Brot für die Welt orientiert. Damit hat diese
unsere Gemeinde eine Linie bekommen, auf die wir beiden beide
stolz sind, trotz aller Feinde, die uns diese Arbeit auch
geschaffen hat. Diese Arbeit wird weitergehen. Dieser Prozeß
ist nicht umkehrbar. Diese Zielrichtung ist das Wirken des
Geistes Gottes durch alle Irrtümer und
persönlichen Unvollkommenheiten hindurch. Wir haben das nicht
als persönliche Masche oder private politische
Meinung, wie uns einige Leute unterstellt haben in dem Teil
Bergkamens, der Richtung Rußland gelegen ist. Wir folgen in
all unseren Bemühungen mehr schlecht als recht dem
Willen Gottes. Gott will Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung
der Schöpfung. Wir haben diese iele sehr massiv und
offensiv, ich vielleicht manchmal auch aggressiv, aber nicht banal,
vertreten und ich bin dabei so manchem auch auf den Schlips
getreten, der in der besseren Saunahälfte von
Monopol seine Beziehungen unterhält und herumkunkelt. Ein
Amtsbruder, der immer bedauert hat, daß wir
evangelischen Geistlichen keine für militärische
Empfänge in der Glückaufkaserne
würdevolle Amtsrobe besitzen, hat Anstoß genommen,
als ich mit Talar und Bibelsprüchen die Bundeswehr
besucht habe. Allein das, was jeder Militärpfarrer
jeden Sonntag tut, wurde bei mir schon ganz richtig als herbe Kritik
an der Bundeswehr gesehen, die es sich nicht nehmen
läßt, ihre Soldaten in Uniform zum
Traualtar zu schicken. Und so gab es einige Konflikte, bei denen ich
noch nicht einmal richtig losgelegt hatte und schon war
für gewisse Leute schon der Ofen aus. Ich habe
richtig dicke Feinde gewonnen in den viereinhalb Jahren hier. Ich bin
z.B. sicher, daß die Entscheidungträger
der Stadt für unsere Teestube keine müde Mark locker
machen werden, um mich zu treffen. Nur sie treffen die
Jugendlichen, die von der Stadt hier im Umkreis
überhaupt nichts angeboten bekommen. Ich habe richtig dicke
Feinde. Ich habe sie nicht ersehnt, aber sie machen mir auch
nicht viel aus. Das gehört zum Christsein dazu. Ich habe auch
einige Freunde, nicht dicke, aber treue und kritische und
unbeirrbare. Deshalb fällt mir der Abschied nicht
schwer. Sie werden mir bleiben. Aber was mir schwerfällt ist
so ein ganz sentimentales Gefühl, zu erleben, wie
ich in dieser Gemeinde mit Skepsis und Vorbehalten
aufgenommen wurde und wie sich nach vier Jahren daran sehr viel
geändert hat. Liebe Gemeinde, ihr habt mich trotz
meiner langen Haare, trotz meiner Lederhose und
ordinären Sprüche ertragen und habt hinter die
Kulisse geguckt und habt mich so genommen wie ich bin: kein
Heiliger, sondern ein Sünder, ungeschickt, unfertig,
unreif. Und ihr habt mir trotzdem zugehört und euch
auf das Wort Gottes in der Form, wie ich es euch gesagt habe,
eingelassen. Was hier passiert ist: Am Anfang waren die
Gottesdienste für mich kühl und steif. Jetzt bin ich
hier zuhause. Wir sind zusammengewachsen. Ihr habt mich
aufgenommen. Das ist das, was ich unter Gemeinschaft der
Heiligen verstehe: Eine Kirchengemeinde, die selbst so einen
Hippietyp wie mich aufnimmt. Das ist schon richtig Liebe. Ich habe mich
darüber sehr gefreut. Nicht daß ich meine
Art zu leben für die einzig richtige halte. Aber ihr
habt nicht versucht, mich umzukrempeln, ihr habt mir meine
Art zu leben gelassen und ich hoffe, ich habe euch eure Art
zu leben auch gelassen. Wir haben ganz gut gelernt,
miteinander auszukommen. Ich weiß, ich hätte mich
noch mehr um euch kümmern müssen, war
zuviel mit Jugendarbeit zugange. Aber glaubt mir, faul war ich nicht.
Und dieses Zusammenwachsen zu einer lebendigen Gemeinschaft,
das hat mir gutgetan und mir den Glauben gegeben,
daß es das gibt: Kirche als Gemeinde Gottes, als
Liebesgemeinschaft in der Welt. Eigentlich ist es fast eine kleine
Liebeserklärung, die ich euch heute mache: Bei allem
Streß des Pfarramts, ich war drauf und dran, mich
in diese Gemeinde zu verlieben. Für meine Freunde
hatte ich immer weniger Zeit. Und das ist sehr bedenklich.
Wenn ich jetzt gehe, dann tue ich es mit schwerem Herzen. Ich habe viel
von euch gelernt. Ich hoffe, ihr auch von mir. Ich gehe, weil
ich nicht länger mehr ertragen kann, wie einer, der einmal
väterlicher Freund war, sich zum Rivalen entwickelt
hat. Ich will nicht länger diese Rivalität.
Das sind Sandkastenspiele, aber nichts für eine gute
Kirchengemeinde. Liebe Freunde! Ich will nicht mehr. Ich will
nicht mehr der kleine Doofe sein neben dem großen
Meister. Ich bin das nicht. Ich will auch nicht der
beliebtere Jüngere neben dem in die Ecke
gedrängten Älteren sein. Ich will überhaupt
nicht mehr ständig gemessen oder verglichen werden
mit meinem Kollegen. Ich will als ein ganz normaler Mensch
unter anderen leben. Ich will nicht mehr groß sein.
Ich will so mittelmäßig sein dürfen,
wie mich Gott geschaffen hat. Ich brauche jetzt Ruhe. Zeit
zum Nachdenken über mich, über das, was ich
wirklich will, was ich kann, womit ich anderen dienen kann. Ich bin
den Streß des Pfarramts leid, jeden Tag zwischen 10
und 15 Stunden herumrödeln und unter seelischer
Spannung und das bei meiner Trotteligkeit. Ich muß zu mir
selbst kommen, zu innerer Klarheit. Darum will ich mich in
den kommenden Jahren intensiv um Psychoanalyse
kümmern. So wie jetzt geht es nicht mehr weiter. Die Arbeit
frißt mich auf. Ich will erst wieder ins Pfarramt,
wenn ich den inneren Ruhepol gefunden habe, ganz und gar aus
der Kraft Gottes zu leben. Ich brauche Zeit, um aus der
Verzettelung der auf den Pastor konzentrierten
Gemeindewünsche herauszukommen. Jesus ist gerne auf
einen einsamen Berg gegangen und hat da gebetet. Ich will das zusammen
mit dem Analytiker versuchen: Zu Gottes Kraft in mir
vorzudringen. Zu meinen Energien. Der Weg dazu ist lang. Ich
werde viel nachdenken und nacherleben über all die Blockaden
in meiner Wahrnehmung. Ich werde den Balken in meinen Augen
sehr genau angucken lernen. Die Wahrheit wird euch
freimachen. Ich freue mich darauf. Wir hatten viele Konflikte. Manche
Leute hatten Angst, mir ihre Meinung persönlich zu
sagen. So traten immer liebe Kollegen als Fürsprecher meiner
ängstlichen Kritiker auf und gaben die
gehörte Kritik weiter, selbstverständlich nicht als
eigene Kritik, sondern nur referierend. Es ging immer alles
um drei Ecken. Besonders gut hintenrum. Und hintenrum und
hinterrücks kamen dann viele Dinge mit hinein, die schief
waren. Das hat mir nie gefallen, auch nicht, wenn ich
über andere getratscht habe. Es ist ein schlechtes
Luftablassen. Es disqualifiziert den Tratscher selbst fast noch mehr
als den Betratschten. Ich will das nicht mehr. Die Wahrheit
wird euch freimachen. Ich will sagen, was ich denke. Ich will
sagen, was ich glaube, und ich will sagen, was ich fühle.
Ich muß raus aus dem Hintenrum. Ich versuche das
jetzt in dieser Predigt. Ich versuche das durch die
Abberufung von hier und durch die Psychoanalyse-Ausbildung. Ich leiste
mir den Luxus, auf meine Magenschleimhautentzündung,
meine Rückenschmerzen und die Grippalinfekte zu
hören: Mein Körper sagt mir: Da stimmt was nicht. Ich
habe nahezu vier Jahre meine Körper
überhört. Er ist immer kränklicher geworden.
Die Wahrheit wird euch freimachen. Und die Wahrheit meines
Leibes ist: Raus, weg von dem kränkenden
Dauerkonflikt, weg von dem kränkenden "Lütge
lügt", "Lütge ist faul", "Lütge
macht Mätzchen". Wir haben an diesem Wochenende das erste Mal
in unserer Kirche einen Meditations-Workshop. Da lernen wir,
auf unseren Körper zu hören. Wir lernen in
all den Entspannungsübungen, wie empfindlich und
verletzlich unsere Seele, unser Leib als Ausdruck unserer
Seele ist. Der Weg ist nicht, die Schmerzen zu ignorieren, die
Zeichen der Krise blind zu übersehen. Wer sein
Fleisch kreuzigt, wird auch über andere Leichen
gehen. Der Weg ist, auf die Stimme des Körpers zu
hören und mit den inneren Kräften in
Kontakt zu kommen. Die Spannungen und Gefühle unseres
Körpers sind untrügerische Zeichen. Der
Leib lügt nicht. Der Körper sagt die Wahrheit. Er
erinnert uns an Gefühle, die wir längst
verdrängt haben und die gleichwohl in uns warten, warten auf
ihre Wiederentdeckung, ihre Auferstehung im Fleisch. Ich
möchte lernen, auf die Wahrheit meines
Körpers zu achten und zu hören. Die Wahrheit wird
euch freimachen. Die Wahrheit Jesu Christi ist nicht gegen
den Körper. Das Wort ward Fleisch und wohnte unter
uns und wir sahen seine Herrlichkeit. Die Herrlichkeit Gottes gibt es
auf unserer Welt eben nun einmal nur in Fleisch und Blut
verpackt, und das will satt werden, warm bleiben und Ruhe
finden. Ganz einfach, wie es meine Katze Mia von ihrer Geburt
an gleich richtig gemacht hat. Amen.