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Starb Jesus für uns?

Passionsandacht 27.3.2019 Christuskirche Bremen Vahr

Daß Jesus für unsere Sünden gestorben sei, ist ein altes Bekenntnis der Urgemeinde, was Paulus 1Kor 15,3 zitiert.[1] Es gibt nur noch drei weitere Stellen, wo Jesu Tod als Versöhnung mit Gott gedeutet ist.[2] Nach Heb 9,22 gibt es keine Vergebung ohne Blutvergießen und Jesus gab seines, um uns Freikarten für den Himmel zu beschaffen. Die Textbasis dieser Sühnopfertheorie ist gemessen am gesamten Textbestand des Neuen Testaments mehr als dünn. Gleichwohl ist sie durch Luther aufgeblasen worden. Jesus ist für seine Mißachtung des Sabbatgebots und viele andere Provokationen hingerichtet worden, aber nicht für meine Dummheiten. Jesus war auch nicht besonders erpicht darauf, hingerichtet zu werden. In Gethsemane betet er, daß ihm die Hinrichtung erspart bleibt.

Jahwe, der Gott des Heiligen Krieges und Abschlachtens aller Gefangenen

Der Gott des Alten Testaments gebietet, gefangenen Feinde zu liquidieren: „Aber in den Städten dieser Völker, die der Herr, dein Gott, dir zum Erbe geben wird, sollst du nichts leben lassen, was Odem hat, sondern du sollst unbedingt an ihnen den Bann vollstrecken, nämlich an den Hetitern, Amoritern, Kanaanitern, Pheresitern, Hewitern und Jebusitern — so wie es der Herr, dein Gott, dir geboten hat“.[3] So konnte verhindert werden, daß die Ureinwohner Palästinas als Sklaven der Juden ihre lebensbejahende Religion verbreiten konnten. Gott hat Israel das Land dieser Völker als Erbe gegeben und will, daß deren Ureinwohner ausgemerzt werden. Der Aufpreis für das gelobte Land mit Milch und Honig war die Pflicht zum Völkermord. Hitlers Programm vom Lebensraum im Osten ist eine Kopie dieser Bann-Gebote. Heute geht es in der Westbank munter weiter.

Im Heiligkeitsgesetz Lev 17 wird gefordert, jedes Tier vor dem Zelt Jahwes auf einem Altar zu schlachten und dessen Blut dort auslaufen zu lassen, weil Blut Lebenssaft ist und ausschließlich Gott Blut trinken darf. Blut trinken wird mit dem Tod bestraft. Das Blut des Todeskandidaten gehört Gott und muß in die Erde oder auf einen Altar rinnen. Stellvertretend für das Menschenopfer darf aber auch ein Tier geopfert werden. Sein Blut wird anstelle des Sünderblutes vergossen.

Jes 53 erzählt von einem Knecht, der die Sünden des ganzen Volkes auf sich nimmt, ihre Krankheiten an sich trägt und nach seiner Opferung als Sühne für die Sünden des Volkes von Gott rehabilitiert wird. „Doch der Herr fand Gefallen an seinem zerschlagenen (Knecht), er rettete den, der sein Leben als Sühnopfer hingab. Er wird Nachkommen sehen und lange leben.[4] Dieser Text wird nach Jesu Tod als Vorschau des Lebens Jesu verstanden und in Phil 2,11ff vertieft: Der Höchste läßt sich herab zu den Niedrigsten, wird ihnen gleich in seiner Solidarität und nach seinem Tod als Märtyrer rehabilitiert, sitzt zur Rechten Gottes.

Nach dieser von Paulus aufgegriffenen Theorie schickt Gott seinen Sohn ans Kreuz und erniedrigt damit sich selbst[5], um nicht sein eigentliches Vorhaben der Vernichtung der Menschheit wahrmachen zu müssen wie seinerzeit in der Sintflut. Aufgrund seiner Verfehlungen hätte normalerweise jeder Mensch den Tod verdient. Stellvertretend für ihn aber übernimmt Jesus den Tod. Somit hat der Christ durch seine Sünde Jesus ans Kreuz gebracht. Hätte Gott den Sündern nicht auch ohne die Abschlachtung Jesu vergeben können? Wozu im Abendmahl die rituelle Wiederholung dieser Tötung mit dem Leib Jesu und seinem Blut zur Vergebung unserer Sünden? Nach alter jüdischer Lehre ist Bluttrinken ein todwürdiges Verbrechen. Das Abendmahl ist dann eine Todsünde, kein Mensch darf Blut trinken.

In 2Makk 12,32-45 wird sogar für Kriegstote, die ein verbotenes Amulett eines anderen Gottes trugen, ein Sühnopfer finanziert, damit diese sündlos werden und an der Auferstehung teilhaben können. Gott wird hier als unerbittlich beschrieben: wer anderen Göttern vertraut, hat den Tod verdient und kommt nicht in den Himmel. In der Sühnopferlehre muß getötet werden. Es gibt keine Gnade für den Sünder ohne Blutvergießen. Gott will Blut sehen.

Wie böse ist Gott? Zur Frage von Gewalt als Zorn Gottes in der Bibel

Ein Gott, der eifersüchtig ist und keine anderen Götter neben sich duldet, ist böse. Ein Gott, der Sintfluten macht, ist böse. Ein Gott, der Menschenopfer gewohnt war und sie erst bei Isaak durch Tieropfer ersetzt, ist böse. Ein Gott, der Tieropfer verlangt, ist böse. Ein Gott, der Erdbeben, Vulkanausbrüche, Tsunamis, Feuersbrünste und Wirbelstürme schafft, ist böse. Ein Gott, der die Ernährung der Lebenden durch Fressen anderer Lebenden geschaffen hat, ist böse. Ein Gott, der Menschen die Möglichkeit des Kriegführens und Niedertrampelns[6] der Schöpfung gegeben hat, ist ein Sadist. Ein Gott, der alle Menschen aufgrund ihrer Verfehlungen töten will, ist böse. Ein Gott, der statt dessen seinen eigenen Sohn tötet, ist brutal. Ein Gott, der nicht dafür Sorge trägt, daß den Menschen, für die Jesus gestorben ist, nichts Schlimmes und schon gar nicht die Todesstrafe widerfährt, ist böse.

Es ist egal, ob Gott seine Allmacht durch die Ermöglichung der menschlichen Freiheit zu Untaten eingeschränkt hat oder ob er die selbstgewählten Schicksalswege der Menschen gar nicht wissen will. Ein Gott, der eine sündige Menschheit sich selbst überläßt, weil er ihr Freiheit zum Sündigen schenken will, ist verantwortungslos. Die Mehrzahl der Menschen in Not hat keine Wahl und keine Freiheit. Die Rede von menschlicher Freiheit angesichts des Leidens ist ein Faustschlag ins Gesicht der Gequälten.

Gottverlassenheit Jesu?

Nun hat der gekreuzigte Christus noch eine letzte Frage: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Betet er Ps 22, weil ihm als frommem Juden dies nahegelegt ist? Oder hat er als Sohn Gottes erlebt, wie brutal der Vater ihn fallen gelassen hat?

Es ist zynisch, Leiden als Königsweg zum Himmel anzuempfehlen. Es ist makaber, das Kreuz als Zeichen Gottes in den Mittelpunkt des Kirchraums zu stellen. Um wieviel befreiender wäre zu sagen, daß Gott will, daß kein Mensch gequält wird und daß dieser Wille auf unsere Hände und Köpfe angewiesen ist, um Wirklichkeit zu werden? Wir sollten mit der permanenten Konnotation von Gott und Leiden brechen und beginnen mit einem Gottesbild, welches keine Opfer mehr will. Amen.


Im Nachdenken und Faszination über Jesus, der von Gott verlassen starb wie seine geringsten Brüder, die in den armen Ländern durch unsere Einflüsse in erbärmlichsten Verhältnissen leben, ohne daß einer sich ihrer erbarmt. Im Namen des Geistes der Liebe, der nach Wegen eines fairen Handels und eines gerechten Friedens weltweit sucht.

Lied: Sanftmut den Männern 113

Gott, du Inbegriff der Liebe, laß uns nicht stecken bleiben in unserem eigenen Saft der Traurigkeit. Laß uns Wege und Ideen finden, wo wir selbst uns für fairen Austausch mit den Menschen in armen Ländern engagieren können. Laß uns erleben, wie die freiwillige Selbstbegrenzung und das Teilen unserer Reichtümer unsere Seelen reicher macht. Amen.

Text: Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, Siebenstern, Hamburg 7.Auf. 1971, 178f

Wenn das Brot, das wir teilen 290

Wort: S.o.

Innehalten

Segen: Die Kraft des Heiligen Geistes als Gegenwart des Gottes der Liebe stärke uns in den Niederungen unseres Alltags und mache uns zum Segen für Menschen, denen es viel schlechter geht als uns. Dieser Segen wird zu uns zurückkehren und uns mit freudiger Demut reich machen an Glück. Amen.

Selig seid ihr 297



[1] 1Kor 15,3: oÀti Xristo\j a)pe/qanen u(pe\r tw½n a(martiw½n h(mw½n kata\ ta\j grafa/j,

[2] Kol 2,22; 1Pt 1,17ff kauft Jesu Blut die Gläubigen von ihrem niederen Wandel los als reines Lamm

[3] Dtn 20,17f; Gerhard von Rad, Der heilige Krieg im Alten Israel, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 1952,25ff; Cornelius Brekelmans, Artikel {er"x Bann, in: THAT I,635-639: Die Kriegsbeute ist Jahwe zu weihen durch komplette rituelle Tötung, cf Dtn 2,34; 3,6; 7,2; 13,16f; Jes 34,2; 37,11; Jer 25,9; 50,12.21-26; 51,3; Num 21,2f; Jos 6,17ff; 7,1-15; 8,26; 10,1.28 u.ö.; Ri 1,17; 21,11; Ex 22,19; Lev 27,29; Esr 10,8; 2Chr 20,23; 2Kön 19,11

[4] Jes 53,10

[5] Phil 2,11ff

[6] $abfk in Gen 1,28 meint: hartes erbarmungsloses Niedertrampeln, Fesseln, Unterdrücken