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Michael Lütge                                                                          28.Nov. 2020

Überlegungen zu Rm 13,8-12


Das Jetzt wie eine Nacht erleben, auf die alsbald ein neuer Tag folgen wird, sich an einem Wendepunkt erleben, wo die Leiden zuende gehen, die Erlösung anbricht.
Es ist die Naivität der Naherwartung trotz des Wissens um die Macht des Kapitals, was zur Selbstvermehrung neigt statt zu gerechter Teilung. Und diese Naherwartung koppelt sich heute mit der Klimakatastrophe, die so schnell kommt wie Pls das Gottesreich kommen sah. Kairos markiert diesen rechten Augenblick, es ist jetzt höchste Zeit, jetzt oder nie.
Apk 21 ist ja ein nahtloses Vorspiel dazu: Jesu Botschaft ist bis heute: Gottes Welt der Liebe hat begonnen, Gottes Reich ist da und es kommt uns immer näher. Johannes sieht dieses Reich Gottes, das Neue, hört Gottes Stimme. In starken Bildern beschreibt er das Ende der Welt.
Damit haben wir sowohl die Kinder des Lichts von Lk 16 als auch die Tränen Gottes, der über Jerusalem weint und sie den Verzweifelten eines Tages abwischen wird als auch die seltene Stelle, wo Paulus mal Jesu Doppelgebot, Zitat von Dtn 6,4-6 und Lev 19,18 = Mk 12,29; Mt 5,17f zitiert. Pls meint mit Gesetz tatsächlich die Tora, keine Liebesethik. Die Taufe ist der Moment, wo man gläubig wurde, und nun steht man im Kampf von Licht gegen Finsternis, Gut gegen Böse, am Beginn der Endzeit, in der Nacht, wo schon Licht zu sehen ist am Osthimmel. Die Kairos-Gegenwart ist quasi historische Chance der Erneuerung des Sinnes. Und statt des damaligen Hasses aufs Fleisch könnte man jetzt über Askese vom Steak und der Massentierhaltung reden, Askese als Abschied vom Wirtschaftswachstum, Jubeljahr, in dem wie zur Zeit des Zechensterbens Branchen wie Auto, Flieger und Kreuzfahrt sich gesundschrumpfen. Es hat immer in der Wirtschaftsgeschichte Produktionsformen gegeben, die durch technischen Fortschritt sich überlebt hatten und damit ganze Berufsgruppen in kurzer Zeit arbeitslos gemacht haben. Meist war damit eine große Arbeitserleichterung verbunden. Dies blüht nun den Autowerken, den Flugunternehmen und Werften und das ist bitter, aber notwendiger Umbau der Industrienationen.
Der neue Gehorsam der eschatologischen Gemeinde ist Abspecken in allen Bereichen, ganz im Sinne der Todsünden-Thematik. Und das geht schon jetzt. Die Marktdynamik der momentanen Wirtschaftskrise durch Corona zeigt einen Rückgang der Nachfrage nach solchen entbehrlichen Produkten und Konzentration auf die wesentlichen Lebensgüter wie Mehl, Hefe, Klopapier. Der Versandhandel wird immer mehr die Kauftempel der Innenstädte ersetzen und nur solche Branchen überleben, in denen der persönliche Kontakt bei der Produktwahl konstitutiv ist, etwa bei neuen Gleitsichtbrillen oder Parfüms.
Die Überproduktion an Fleisch wird gedrosselt durch Corona in den Sklavenarbeitslagern der Schlachthöfe und zwei infizierte Wildschweine lassen riesige Märkte in Fernost wegbrechen. Die Massentierhaltung gerät in die Schieflage, die sie moralisch seit Anbeginn hatte und wird vielleicht an ihrer eigenen inhumanen Dynamik der Unterdrückung von Lebewesen zur Gesundschrumpfung gezwungen. Die Nitrat-Verseuchung des Grundwassers fällt allmählich auf die Landwirtschaft selbst zurück. Die CO2-Produktion der Schafe und Kühe im Reigen mit Autoverkehr und ungedämmten Häuserbeheizungen führt zur der Erderwärmung, die einerseits Heizkosten senkt, andererseits massive Ernterückgänge fördert. Die Landwirte bekommen von der Umwelt und Natur die Rechnung präsentiert für ihr rücksichtsloses Ausbeuten der Ressourcen. All diese Krisen sind die Quittung für das krebsartige Wuchern des Immer mehr Produzierens, des Draufsattelns ohne jedes Augenmaß.
Und Draufsatteln geht eben auch anders: Solar auf der Christuskirche als neuer Heiligenschein. Mieterstromanlagen in der Vahr. Der ökologische Fußabdruck, die Arbeit am einfacher Leben, wird neben der Fürsorge für die Armen dieser Erde zB durch Mikrokredite und Hilfen zur Selbsthilfe und faire Handelsabkommen die systemrelevante Form des Christlichen Credo. An Jesus glauben, das Evangelium verkünden, geht nur praktisch durch Teilen unseres Überflusses, durch gerechte Aufteilung der Weltressourcen. Christlicher Bet-Sport ist bestenfalls Planung der nächsten notwendigen Aktion auf dem Weg zu mehr globaler Gerechtigkeit, den wir in unserem Bezirk bereits realisieren können, in kleinen Brötchen und vielen Tropfen auf die immer heißer werdenden Steine.