Besonders aufhellend sind Erkenntnisse, wenn sie
nicht aus der
Aufführung eines Systems einer Philosophie entwickelt und
aufbereitet wurden,
sondern im Umgang mit den Details der Niederungen des Lebens
aufblitzen. Genau
so haben sich Jesu Sprüche entfaltet: nie um Dogmatik und
Widerspruchslosigkeit
bemüht, nie abstrakt als „Gotteslehre“,
sondern immer konkret an den Menschen,
die zu ihm kamen. Selbst wo er Bilder malt in seinen Gleichnissen oder
in den Sand,
bleibt er in der Welt seiner Hörer. Dieses Aufblitzen von
tiefen
Welt-Einsichten, der Aha-Effekt, die Evidenz des (nein, besser: eines)
Allgemeinen am Allerkonkretesten, genau das ist der Impuls des Heiligen
Geistes, die Plausibilität göttlicher Wahrheit, die
es nur in der
Fleischwerdung Christi zu begreifen gibt und gilt. Jesus ist nicht das
eine
Wort Gottes, sondern eines von vielen, die anecken an der
hierarchisch-ausbeuterischen Gesellschaft.
Und die massivste Spitze des Alten Testaments sind
die Prophetenbücher
mit ihrer oft sehr harten Kritik an Königen und den
Entwicklungen der
israelitischen Gesellschaft. Sie waren immer eine Kritische Theorie der
Gesellschaft, deckten Mißstände und Unrecht auf und
malten gelegentlich Bilder
eines Besseren. Genau das ist der göttliche Auftrag und die
Berufung zum
Propheten: den Finger in die Wunde zu legen, um zu heilen.
Ein solches Aufblitzen zentraler Erkenntnis fand
ich in Adornos
Erinnerungen an Thomas Mann, mit dem er in der Exilszeit in Amerika
dessen
„Doktor Faustus“ musiktheoretisch begleitet hatte.
Darüber schreibt er später:
„Gegenüber der Gesamtanlage von
Doktor Fausti Weheklag nicht nur sondern
des ganzen Romans fand ich die höchst belasteten Seiten zu
positiv, zu
ungebrochen theologisch. Ihnen schien abzugehen, was in der
entscheidenden
Passage gefordert war, die Gewalt bestimmter Negation als der einzig
erlaubten
Chiffre des Anderen. Thomas Mann war nicht verstimmt, aber doch etwas
traurig,
und ich hatte Reue.“ (Theodor
Wiesengrund
Adorno, Zu einem
Porträt Thomas Manns.
In: Noten zur Literatur, Gesammelte Schriften 11, S. 341f)
Hier hat sich seine „Negative
Dialektik“ quasi in einem einzigen
Halbsatz zusammengezogen: Bestimmte Negation als einziger Eingriff des
Göttlichen, also an höchst konkreten Stellen sagen:
„So darf es nicht
weitergehen! Wir müssen das ändern.“ Und
aus den Überlegungen, wie ein Mangel
oder Unrecht aufzuheben ist, wobei der gesamte Reigen aller
wissenschaftlichen
Forschung ins Spiel zu bringen wäre, wo er Lösungen
eines Problems vorschlagen
oder entwickeln kann, aus diesen Überlegungen entsteht die
Gestaltung eines Besseren, wächst die Schöpfung dem entgegen, was als
Paradies eben nicht am
Anfang war, sondern nur als Hoffnung auf das ausgemalt war, was die
Sehnsucht
der Menschen als Ziel erträumt. Und auch diese Gegenbilder
gegen die schlechte
Faktizität des Gegenwärtigen sind kritische Eingriffe
und als Forderungen nach
der Aufhebung des Unrechts „die Gewalt bestimmter Negation
als der einzig
erlaubten Chiffre des Anderen“. Es ist zauberhaft, wie Adorno
hier das
Bilderverbot des Alten Testaments als Tabu seiner jüdischen
Erziehung im
Einklang mit der calvinistisch-reformierten Tradition auf den Punkt
bringt. Das
Motiv des jüdischen Bilderverbots durchzieht das gesamte Oevre
Adornos,
beeindruckt von Gershom Scholems Mystik mit Berliner Schnauze: „nur
bilderlos wäre das
volle Objekt zu denken. Solche Bilderlosigkeit konvergiert mit dem
theologischen Bilderverbot. Der Materialismus säkularisierte
es, indem er nicht
gestattete, die Utopie positiv auszumalen; das ist der Gehalt seiner
Negativität. Mit der Theologie kommt er dort überein,
wo er am
materialistischesten ist. Seine Sehnsucht wäre die
Auferstehung des Fleisches;
dem Idealismus, dem Reich des absoluten Geistes, ist sie ganz fremd.
Fluchtpunkt des historischen Materialismus wäre seine eigene
Aufhebung, die
Befreiung des Geistes vom Primat der materiellen Bedürfnisse
im Stand ihrer
Erfüllung. Erst dem gestillten leibhaften Drang
versöhnte sich der Geist und
würde, was er so lange nur verheißt, wie er im Bann
der materiellen Bedingungen
die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse
verweigert.“ Theoder
W. Adorno, Negative Dialektik. Begriff
und Kategorien.: Gesammelte Schriften 6, 207
Angesichts der postreligiösen Explosion
virtueller Welten in Literatur,
Musik, Kunst und Gaming am Rechner mahnt Adorno hier eine
Nüchternheit an, die
bar alles Schwülstigen so mancher Predigt in die Niederungen
des Alltags geht
und dort Problemlösungen ausheckt. Er hat das zB bei der
Lehrerausbildung als
Erziehung zur Mündigkeit exemplifiziert mit sehr konkreten
Vorschlägen.
So könnte eine narrative Theologie mit
Jesu Anregungen Gegenbilder gegen
das entwickeln, was momentan in unserer Gesellschaft schief
läuft und diese
konkretisieren bis hinein in Baupläne für eine
Lösung. Und wir
Kirchentheoretiker müssen den Mut haben, von den klassischen
Vokabeln der
antiken Gotteslehre eine Metanoia zu vollziehen zu bis ins kleinste
hinein von
der Kompetenzgemeinschaft der Wissenschaften ausgearbeiteten
Vorschlägen für
die Buße, für die Abkehr von den Irrwegen der
gesellschaftlichen und
ökonomischen Praktiken, die zur Klimakatastrophe, massivstem
wirtschaftlichen
Ungleichgewicht und Kriegen führen. Gotteslehre wäre
nicht mehr zu formulieren
als lustige Spekulation über dessen zu erhoffendes oder mit
Gewaltandrohung zu
behauptendes Sein im Werden, sondern in totalem Bilderverbot
über das Sein
Gottes ausschließlich in Explikation des durch die Propheten
und Jesus
geäußerten Willens Gottes. Das heißt sehr
klar und einfach: Wie leben wir als
Kinder Gottes in Gerechtigkeit und Frieden miteinander und unseren
Mitgeschöpfen in der uns nährenden Natur? Ob es Gott
gibt oder nicht, ist eine
völlig überflüssige Frage angesichts der
Flut von dringenden Überlegungen, wie
wir diesen Friedenswillen und dessen Vorbedingung der gerechten
Sozialordnungen
umsetzen können. Gotteslehre wird damit zu einer Sozialethik
für eine gerechte
globale Welt in einem der reichsten Länder dieser Erde. Die
Herrlichkeit
Gottes, von der Paulus seine Sehnsucht zum Ausdruck bringt, zeigt sich
nicht in
beduselt-dusseliger Anbetung in protzigen Kirchen, sondern in
Gerechtigkeit und
Frieden auf der ganzen Welt, orbi et urbi. Gotteslehre heißt
dann: Was können
wir jetzt tun für seine Zukunft in einer besseren Welt, in der
– mit der Vision
der Johannesapokalyse gesprochen – sich der Himmel auf die
Erde niedersenkt und
die Erde durchdringt mit Freude und himmlischer Liebe. Bilderverbot
gilt für
das Sein Gottes, aber die Zukunftswerkstatt für eine bessere
Welt lebt aus den
Forschungen und Erfindungen der praktischen Vernunft in den
Wissenschaften.
Ein Beispiel wäre angesichts der
Unumkehrbarkeit des Klimawandels die
energetische Umrüstung der Kirchen und
Gemeindehäuser, die dann weitere Impulse
für die Gemeinden geben wie etwa Balkonkraftwerke, Solar auf
jedem Dach des
Viertels, Innendämmung dort, wo man Fassaden erhalten
möchte. Für Gläubige mit
genügend Eigenkapital müßte jede
Kirchengemeinde Hinweise auf Mikrokredite in
ihren Zettelständen bereitstellen und selbst ihr Kapital bei
Oikocredit anlegen
und damit den armen Menschen in armen Ländern zu einer
ökonomischen
Unabhängigkeit aufhelfen.
Oder Suppenküchen, Mahlzeiten für und mit mittellosen Menschen, Gebrauchtwarenbörsen in Kirchen und Gemeindehäusern, Reparaturcafes für defekte Geräte, Tauschbörsen, Anlaufstellen für Geflüchtete und deutliche kritische Worte gegen die derzeitige Kriegstreiberei unserer Regierung.
Jesu
Botschaft
dazu ist so eindeutig, daß es erschreckend ist, mit welchem
Wohlwollen
EKD-Funktionäre die Kriege in der Ukraine und in Gaza
befeuern, wobei in Gaza
deutlich mehr Menschen ermordet werden als in Städten der
Ukraine. Es ist ein
wunderbarer Vorstoß Nicaraguas vor dem Internationalen
Gerichtshof in Den Haag,
die deutschen Waffenlieferungen an das faschistische Regime Netanjahus
in
Jerusalem als Beteiligung am Völkermord zu brandmarken. Die
Lippenbekenntnisse
der Regierung für eine humanitäre Verbesserung in
Gaza werden Lügen gestraft
durch die Lieferung der Waffen, mit denen die Palästinenser
ermordet werden.
Die Stornierung der Hilfslieferungen an das
Palästinenserhilfswerk UNRWA in
einer Situation des für Tausende drohenden Hungertodes durch
die deutsche
Außenministerin aufgrund von zwielichtigen Beschuldigungen
der israelischen
Regierung hat sich nach Ergebnissen der Untersuchungskommission als
haltlos
erwiesen. Es ist schockierend, wie die „deutsche
Staatsraison“ eines völlig
unkritischen Beistandes der Ampelregierung zu den faschistischen
Kräften in
Israel die Gräueltaten an der palästinensischen
Bevölkerung unmittelbar
unterstützt, etwa durch die RGW 90, die
Matador-Panzerfäuste aus Burbach im
Siegerland, mit denen die Häuser in Gaza in Schutt und Asche
gebrannt werden. Die
computergenerierte Zielerfassung des israelischen Militärs ist
so eingestellt,
dass Dutzende Opfer unter Unbeteiligten in Kauf genommen werden, um
einen
einzigen Hamas-Kämpfer auszuschalten. Der irische
Außenminister Micheál Martin
hat Israel wahllose Bombardements im Gazastreifen vorgeworfen. Von
deutschen
Grünen hört man nichts dergleichen.
Ein Lichtblick ist das Urteil des ISGH in Den Haag
zur Anklage
Südafrikas gegen Israel wegen Völkermord in Gaza, wo
aufgrund von detaillierten
Beweisen zur Aushungerung der Palästinenser dieses Vorgehen
zusammen mit den
bislang über 35000 Toten, darunter der Großteil
Kinder und Frauen, sehr klar
als Genozid erkannt wird.
Die Sprecherin des UN-Hochkommissars berichtet von
Massengräbern in
Gaza: "Einigen von ihnen waren die Hände gebunden, was
natürlich auf
schwere Verstöße gegen internationale
Menschenrechtsnormen und das humanitäre
Völkerrecht hinweist und weiteren Untersuchungen unterzogen
werden muss."
Denen zufolge wurden in Nasser 283 und in Al-Schifa 30 Leichen
gefunden,
darunter auch Frauen und Kinder. Sie seien unter Müllbergen
begraben gewesen.
Daß dies nur Einzelfälle von Genozid sind, ist kaum
anzunehmen. Deutschland
steht weiterhin fest an der Seite Netanjahus und
läßt dies in den Medien auch
permanent so einseitig darstellen, daß immer wieder
israelische Befürworter der
Massaker in Gaza zu Gehör kommen, aber kaum einmal
Palästinenser, die man nur
unter Lebensgefahr interviewen kann. Die USA und ihr faktischer
Vasallenstaat
Deutschland sind Israel in einer unheiligen Allianz tief verbunden,
während
über 120 Nationen das brutale Vorgehen Israels seit 1948 immer
und immer wieder
scharf verurteilt haben – ohne jeden Erfolg.
Die angeblich nur ca. 31.000 Gefallenen des
Ukraine-Militärs stehen ca.
300.000 gefallenen Russen gegenüber, erst waren es nur
Panzerhaubitzen, die
Deutschland lieferte, dann der Leopard, dazu Unmengen Munition und
Flugabwehr,
jetzt wird der besonnene Kanzler Scholz von der FDP und den
Grünen erpreßt,
Taurus Marschflugkörper zu liefern, die Moskau erreichen
können. Wer vor dem
Bremer Dom gegen Waffenlieferungen in Krisengebiete protestiert,
bekommt dort
kirchliches Hausverbot. Soweit ist die Kirche inzwischen mit der
„Staatsräson“
deckungsgleich geworden und es fehlt nur noch das Weihwasser auf den
Waffenlieferungen, die mit Kürzungen im Sozialhaushalt bei den
Armen abgezwackt
werden.
Es gab 1973 im Pfarrernotbund und der Bewegung
„Kein anderes Evangelium“
massiven Druck auf alle Kirchenleitungen, DKP-Pfarrer von den Kanzeln
zu jagen.
Angesichts der AfD gibt es in der EKD eine bezeichnende Toleranz.
„Eine
Mitgliedschaft in der AfD ist nicht mit kirchlichen Ämtern
vereinbar, das hat
die katholische Kirche beschlossen. Die evangelische Landeskirche lehnt
einen
solchen Beschluss bisher ab, trotzdem ist die AfD nicht zur
Landessynode
eingeladen.“ (Bayrischer Rundfunk, Bayern 2 am
Sonntagvormittag am 26.11.2023
um 09:05 Uhr) Immerhin gibt es für einen Pfarrer aus
Quedlinburg, der für die
AfD kandidiert, ein Disziplinarverfahren. Das Aporetische an dieser
Situation
ist, daß ausgerechnet die AfD nichts von Waffenlieferungen in
die Ukraine hält
und damit dem Friedenswillen Gottes näher ist als die
protestantische
Staatsräson. Von daher also doch unvereinbar! Aber die
Unterstellungen der
waffenliefernden Regierung an diesem Punkt ist, daß dieses
Nein zur
Kriegstreiberei von Putin unterstützt sei. Selbst wenn dies
stimmen sollte,
wird damit jeglichem Pazifismus bei uns unterstellt, lediglich vom
Feind
gesteuert zu sein und nicht etwa von der Haltung Jesu. Jesus hat in der
Kirche
fast nichts mehr an Einfluß. Die neue Gleichung der
Kirchlichen Funktionäre ist
somit: Pazifismus = AfD = rechts und rußlandgesteuert. Direkt
sagt vermutlich
keiner: Waffenlieferungen sind Gottes Wille.
Die Gemengelage erinnert entfernt an die Position
Bonhoeffers gegen
Barth, daß Tyrannenmord im Sonderfall Hitler etwas Rettendes
gehabt hätte. Nun
ist aber Putin nicht Hitler und Rußland steht recht
geschlossen hinter Putin.
Und über die „Arbeit“ des ukrainischen
Militärs erfahren wir nur geschönte
Meldungen; das Asow-Regiment und seine Sympathiesanten in der
ukrainischen
Bevölkerung erfüllen Kriterien nationalistischer
Doktrin. Es sind keine Engel,
die mit deutschen Waffen „arbeiten“ und
töten. Weder im Donez noch in Gaza. Und
zugkräftige Argumente für ihr Morden haben alle
Kriegsparteien, darin gleichen
sich alle.
Die andere Backe hinhalten, die Strategie Jesu, ist
offenbar zur naiven
Dummheit geworden und der Satz, von deutschem Boden solle nie wieder
ein Krieg
ausgehen, gehört zum Moralin der Nachkriegszeit,
während heute ideologisch
durch Pistorius bereits der nächste Krieg vorbereitet wird und
von deutschem
Boden rollen die Panzer, Haubitzen und bald Marschflugkörper
gegen Rußland als
Kriegsexporte an die korrupte Ukraine.
Anfang Februar 2024 sind 39% der Deutschen
für Waffenlieferungen, 43%
lehnen sie ab. Die stärksten Befürworter sind die
Grünen mit 72%, gefolgt von
SPD mit 55%, CDU mit 53% und FDP mit 52%. Die deutsche deutliche
Mehrheit ist
trotz der massiven Medienreklame für die Waffen inzwischen
immer weniger von
den Erfolgsaussichten dieses Krieges überzeugt. (https://de.statista.com/statistik/info/unser-research-versprechen) Im März 2022 waren
es noch 67% der Deutschen, die Waffenlieferungen und auch schwere
Waffen
befürworteten. Die Erfahrung nach 2 Kriegsjahren lehrt immer
mehr Menschen, daß
dieser Krieg nicht gewinnbar ist, zumal Rußland mehr und mehr
auf Drohnen
umstellt, gegen die Kampfpanzer nichts ausrichten können.
Zur deutschen Ideologie gehört vor allem,
daß man nur verhandeln könne
aus einer Position der Stärke, und gerade diese
Stärke verliert die Ukraine
trotz der massivsten militärischen Unterstützung
durch die Natostaaten, voran
Deutschland. Rußland ist deutlich auf dem Vormarsch und die
Ukraine kann ihre
mühsam errungenen Stellungen leider nicht halten. Es fehlt
völlig an der
Bereitschaft zu Friedensgesprächen und durch das Argument der
Taurus
Marschflugkörper wird Rußland kaum einlenken. Man
verbaut sich systematisch die
Wege zu einem Frieden in absehbarer Zeit. Kriegstreiber wie
Strack-Zimmermann
werden von der Presse begeistert protegiert und hochgepusht.
Deutschland wird
wieder Kriegsnation wie unter Hitler. Beschämenderweise ganz
vorn die Grünen so
wie schon im Jugoslawienkrieg, der unermeßliches Leid
über die unter Tito
stabile Nation gebracht hat und den Terror, den er verhindern wollte,
vertausendfacht hat. Sag mir, wo die Blumen sind.
Jesus starb nicht am Kreuz, damit wir Kreuze
exportieren und anderen die
Hölle auf Erden befeuern. Er wollte, daß die
Kämpfer ihr Schwert in die Scheide
stecken. Die deutsche Kirchenräson hört diese Worte
Jesu nicht mehr. Sie
predigt das Kreuz als Erlösungshandeln Gottes, lädt
damit ein zur Gewalt als
Methode göttlicher Erlösung. Der Anblick des
Gekreuzigten erzieht zur
Vertrautheit mit dem Töten, mit dem Morden, und die Gamerszene
mit Telespielen,
die das Abschießen der Feinde einüben, ist zugleich
die perfekte Erziehung zum
Drohnenführer, der an seinem Bildschirm mit dem Joystick in
der Faust die
Feinde liquidiert.
Jesus ist gegenwärtig in den geringsten Brüdern. Er lebt unter den Kindern von Gaza, die mit den Bomben des Volkes Gottes aufwachsen und sterben, getötet mit deutschen Waffen. Vor wenigen Jahren predigte ich über Krieg 3.0 mit automatisierten Waffen, die ohne den Soldaten am Joystick ihre Feinde orten, erkennen und liquidieren können. Vieles hat sich schon jetzt in diese Richtung entwickelt: töten ohne jedes Risiko, selbst getötet werden zu können. So macht Töten Freude pur. Das ist die Position Netanjahus: Töten lassen ohne selbst in Gefahr zu schweben. Wenn Paul Celan schrieb, der Tod sei ein Meister aus Deutschland, kann man für den Völkermord in Gaza eine ähnliche Formulierung entwickeln. Das ist Theologie des Kreuzes, was die Frommen aller Konfessionen hochhalten und über die Menschen aussäen. Der Lobpreis des Kreuzes schlägt nicht um, sondern verwirklicht sich linear in einem tiefen Einverständnis mit dem Töten, für das es jeweils hervorragende Gründe gibt, darin sind die Verehrer des Kreuzigens unendlich erfinderisch.
Im kirchlichen Kruzifix
als
Zentrum des Blickes der Gläubigen wird bereits das
Einverständnis und die
Gewöhnung an Quälen und Töten einstudiert,
die Symbolik erzieht zu der Gewalt,
mit der an der Front im Namen Gottes der Feind getötet wird.
Dieses hidden
curriculum des Kirchraums vollzieht sich gewöhnlich subtil und
wirkt auf
unbewußten Ebenen, während auf der liturgischen
Ebene die Schuld und Vergebung
zelebriert wird und Gottes Liebe und Gnade im Segen zugesprochen wird.
Diese
traditionelle Funktion von Theologie als Erziehung zum Bösen
im Namen des Guten
durch die Ambiguität von Gewaltdarstellungen und Aufruf zur
Gottesfurcht versus
Behauptungen über die Liebe Gottes, die man in den Gemeinden
meist nur in
homöopathischen Dosen erleben kann, bildet den
größten Anteil an kirchlicher
Verkündigung.
Es ist eine strukturelle double bind: verbal wird die Liebe beschworen, die Symbolik des Kirchraums und der Liturgie zelebrieren Hinrichtung und Unterwerfung und einen Kannibalismus der gemeinschaftlichen Verköstigung mit den Fleischerei-Produkten des geschlachteten Jesus. Da mag der iranische Urstier-Mythos Pate gestanden haben, vermittelt über den Mithraskult und es wird als Erinnerungsmahl an Jesus zelebriert und seiner ursprünglichen Bestialität entwunden. Daß ein Mensch aus Liebe sich aufopfert und in kleine Häppchen zerteilt von seinen Verehrern verzehren läßt, ist sonst nur aus Kriminalfällen von hochgradig perversen Menschen bekannt. Genau diese entsetzliche Perversion bildet die Grundlage der Eucharistiefeier oder des Agapemahles, wo es immer nur um den Tod Jesu geht und überhaupt nicht um sein fabelhaftes und vorbildliches Lebens, was zur Nachahmung reizt.
Funktion von Theologie als bestimmter Negation ist
die prophetische
Kritik an allen entsetzlichen Zuständen dieser Weltordnung.
Aus dem Nein zum
Krieg als dem massivsten Verstoß gegen den Willen Gottes
kristallisiert sich
die Vision eines göttlichen Reiches der Gewaltlosigkeit
heraus. Auch diese
Impulse gibt es in der Kirchenlandschaft, man möchte sagen:
Gott sei Dank. Das
wäre gelebte Nachfolge Jesu, da stände Jesus, der
Lebendige, im Fokus des
Interesses und die Umkehr der Frage vom Sinn seines Todes
wäre: Wofür lebte Jesus?
Damit kommen wir zum Fest der Verlorenen, zur Gemeinschaft mit
Aussätzigen,
Kranken, Geächteten. Damit kommen wir zu den vielen
sozialarbeiterischen
Aufgaben in der Kirche, die genau diese Fürsorge betreiben.
Das diakonische
Handeln der Kirche und ihr Einspruch gegen politische Ungerechtigkeit
ist das,
was sie vereint mit ihrem Herrn. Und da ist auch der Übergang
von der Kirche
zur Welt: alle NGOs und Gruppen, die gegen Unrecht tätig
werden, die
Unterdrückten helfen und sich um Kranke kümmern,
handeln bewußt oder auch
völlig unwissentlich in der von Jesus gelebten Intention der
Liebe, einer
Liebe, die sich global verstreuen will in der Welt, das ist der
missionarische
Impuls der Liebe überhaupt, sie strahlt aus und dann ist es
Jesus völlig egal,
ob das dann noch mit seinem Namen assoziiert wird. Jesus will nicht
verehrt
werden. Er will, daß auf der ganzen Welt die Menschen in
Frieden miteinander
leben können in gerechten Verhältnissen, kurz: das
Reich Gottes mitten unter
uns. Und auch das muß man nicht eigens als solches benennen,
sondern einfach
nur tun.