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Lili - Magazin Januar 2002
Quo Vadis, Reform-Uni?

Ruhr-Uni goes Weltmarkt

Die Ruhr-Universität Bochum ist nicht Opfer neoliberaler Verwertungs- und Privatisierungspläne, sondern eine der entschiedensten Protagonistinnen.

Privatisierung hautnah: Was vor Jahren mit dem Verkauf der Telekom begann, das hat inzwischen auch die Universitäten erreicht. Dabei scheinen sich die Verantwortlichen auf globaler, nationaler und lokaler Ebene gegenseitig mit der Bereitschaft überbieten zu wollen, Grundbedürfnisse dem Markt zu opfern. 1994 verabschiedete die Welthandelsorganisation (WTO) das „General Agreement on Trade in Services“ (GATS), durch das nahezu alle öffentlichen Dienstleistungen in die Hände der privaten Wirtschaft überführt werden sollen. Dabei wird davon ausgegangen, dass Bildung eine Ware wie jede andere ist, und der Handel auch in diesem Bereich noch weiter liberalisiert werden muss.

WTO und Studiengebühren

In dieser Logik stellen staatlich finanzierte Schulen und Universitäten in Deutschland eine nicht zulässige Subventionierung dar. Die drohende Konsequenz: Wird das Abkommen im Bildungssektor umgesetzt, werden Studiengebühren und Schulgeld der Regelfall. Universitäten müssten private Stiftungen oder Unternehmen werden. Zwar steht im Vertragstext, dass Regierungsleistungen von den Regeln ausgenommen sind, wenn sie nicht in Konkurrenz zu anderen Anbietern stehen. In der deutschen Bildungslandschaft gibt es ein solches staatliches Monopol jedoch nicht mehr. Private Unis und Schulen konkurrieren mit den staatlichen Bildungseinrichtungen.

Während die Globalisierer im großen Stil das endgültige Ende des Grundrechts auf Bildung einläuten wollen, arbeitet im beschaulichen Bochum eine Riege alter Herren auf das gleiche Ziel hin: Die Politik der Bochumer Universitätsleitung nimmt neoliberale Abkommen wie das GATS schon längst vorweg. Die (un)sozialen Folgen lassen sich bisher nur erahnen.

Ruhr-Uni als GmbH?

Schon 1998 haben Mitglieder der Führungsetage der Ruhr-Uni die „Akademie der RUB“ gegründet. Ursprünglich ein „gemeinnütziger Verein“, ist die Akademie inzwischen zu einer „gemeinnützigen GmbH“ umstrukturiert worden. Das Angebot reicht von Studiengängen wie „Wirtschaftspsychologie“ und „Informationstechnologie“ bis hin zu Sprachkursen für Chinesische StudentInnen. Eines ist allen Angeboten aber gemeinsam: Die Teilnahme ist auf eine kleine Gruppe beschränkt und kostet richtig viel Geld. Erstaunlich ehrlich erklären die Verantwortlichen, weshalb die Akademie gegründet worden ist: „Sie ist rechtlich selbstständig und weder an das Hochschulrahmengesetz noch an das Universitätsgesetz NRW gebunden“, erfahren wir auf der Homepage der GmbH. Vorbei an möglicher staatlicher Regulation schafft sich das Rektorat der RUB seine Universität der Zukunft: privat, studiengebührenfinanziert und genau auf die Interessen der Wirtschaft abgestimmt.

Rücksichtslose Ökonomisierung

Die „Akademie der RUB“ ist nur das Aushängeschild einer Universitätspolitik, die seit Jahren rücksichtslos auf Privatisierung und Ökonomisierung von Bildung setzt. Im vorauseilenden Gehorsam erfüllt das Rektorat nahezu jeden Wunsch von Wirtschaft und Landesregierung. Als bundesweit erste Universität führte die Ruhr-Uni 1997 den datenschutzrechtlich bedenklichen StudentInnenausweis als Chipkarte ein. Chipkartenausweise seien eine Schlüsseltechnologie, so ein Sprecher der Universität. Außerdem wolle man dem Vorurteil begegnen, die deutschen Hochschulen seien unbeweglich und wenig innovativ. Ganz im Sinne von Wirtschaft und Landesregierung handelte die Universität auch bei der Einführung der neuen Bachelor- und Masterabschlüsse: Als erste Uni in NRW führte die RUB die unausgereiften gestuften Studiengänge flächendeckend in den Geisteswissenschaften ein.

„Die RUB erweist sich seit Jahren alles in allem als innovativ und reformbereit“, verkündet der Leiter der Pressestelle Dr. Josef König stolz. Die GegnerInnen einer privatisierten Hochschule hoffen jedoch, dass die Entwicklungen nicht unumkehrbar sind. Grund zur Hoffnung gibt es: Der Widerstand gegen das GATS-Abkommen wird auf internationaler Ebene immer lauter. Vor Ort in Bochum hat sich im Dezember im Rahmen der Protestwoche gegen Bildungsprivatisierung eine breite studentische Opposition konstituiert, die mit ihren Aktionen einige Aufmerksamkeit erregen konnte.

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bsz: bochumer stadt- und studierendenzeiung
Während der Vorlesungszeit erscheint sie wöchentlich, in den Semesterferien unregelmäßig: Die gute alte Tante bsz, ihres Zeichens dienstälteste Campus-Zeitung in der Bundesrepublik. Kritisch, aktuell und interessant wird sie Woche für Woche auf dem Campus der Ruhr-Universität verteilt und liegt in Bochumer Cafés, Kneipen und Kulturzentren aus.
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Was etwas spröde mit dem Untertitel "Ost-West-Wochenzeitung" daherkommt, entpuppt sich als eines der interessantesten Medienprojekte aus der Wendezeit: Herausgegeben von u.a. Günter Gaus und Christoph Hein hat sich der Zusammenschluss aus dem "Sonntag", dem Organ des Kulturbundes zur Demokratischen Erneuerung Deutschlands, der Düsseldorfer "Volkszeitung" und der Frankfurter VVN-Zeitung "Tat" eine lebendige, kritische und aktuelle Plattform für politische und historische Debatten mit starkem Feuilleton entwickelt.
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die tageszeitung im Ruhrgebiet: taz-ruhr
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