39Nixon, Sean (1997)
Exhibiting Masculinity.
In: Representation: Cultural Representations and Sygnifying Practices.
Hg. v Stuart Hall.
London: SAGE Publications

Figurenanalyse

Protagonisten

Mulan

Narrative Ebene:

Wie bereits an anderer Stelle beschrieben, wird Mulan als intelligent, listreich und selbst bestimmend dargestellt. Sie besticht durch ihren Einfallsreichtum, ihre Standfestigkeit, ihren Mut, und ihre Selbstdisziplin. Sie glaubt an sich selbst und muss nicht wie alle anderen sein, oder aussehen, um akzeptiert zu werden. Im Verlauf des Films wird sie an einigen Stellen als ungehorsam, wild und unkontrolliert dargestellt, z.B. widersetzt sie sich ihrem Vater und Shang. Des Weiteren spricht sie wann und wie es ihr gefällt.

Ihre Handlungen sind nicht ausschließlich von der romantischen Liebe zu einem Mann motiviert. Sie möchte ihre Familie, ihr Heimatland und den Kaiser beschützen aber vor allem ihrer Familie, d.h. ihrem Vater Ehre bringen. Darüber hinaus ist Mulan auf der Suche nach sich selbst, nach ihrer weiblichen Rolle in der Gesellschaft. Auf dieser Suche nach sich selbst durchläuft sie verschiedene Phasen, die alle durch unterschiedliche Gender-Identitäten gekennzeichnet sind. Dabei verkörpert sie abwechselnd die oben beschriebenen gender-spezifischen stereotypen Eigenschaften und binären Oppositionen.

Phase 1: Die führsorgliche aber unkontrollierte Tochter (DVD Kapitel 1 - 3)

In dieser Phase scheint Mulan eine Mischung aus Mann und Frau zu verkörpern, da sie sich wie ein Junge kleiden kann, aber weiblich konnotierte Eigenschaften verkörpert. Ihr Verhalten ist aktiv dennoch bewegt sie sich ausschließlich in einem häuslichen Umfeld. Sie geht (mit Hilfe ihres kleinen Hundes) ihren häuslichen Pflichten nach und es wird verdeutlicht, dass sie sich um ihren kranken Vater kümmern muss. Obwohl sie in die Rolle der fürsorglichen Tochter schlüpft, scheint ihr Verhalten wild und unkontrolliert zu sein (sie lässt das Teeservice fallen etc.). Sie ist unbeherrscht und emotional (sie rennt, ruft etc.). Bereits in dieser ersten Phase zeichnet sie sich durch ihre Listigkeit, d.h. durch ihre praktische Intelligenz aus, indem sie ihren Hund die ihr zugeteilte Hausarbeit erledigen lässt (siehe auch Bild 1).

Phase 2: Die zukünftige Ehefrau & das ideales Frauenbild (DVD Kapitel 4 - 5)

Auch in dieser Phase wird Mulans Gender-Identitätskrise verdeutlicht. Sie soll der Heiratsvermittlerin vorgestellt werden, um somit ihre Rolle der zukünftigen Ehefrau zu erfüllen. Aus diesem Grund muss sie aber erstmal begleitend zu dem Lied „Ehre für das Haus“ zur perfekten Braut „gemacht werden“. Indem Mulan kurz vorher wild (mit zerzaustem Haar) im Männersitz reitend zu dem Treffen mit ihrer Mutter sowie Großmutter kommt wird unterstrichen, dass Mulan erst gebändigt werden muss, damit sie zur perfekten Braut werden kann. In der Rolle der idealen (Ehe-)Frau wirkt Mulan sehr passiv. Mit Hilfe ihres Zurechtmachens scheint auch ihr wildes Verhalten unter Kontrolle gebracht zu werden (siehe auch Bild 2). Schließlich drückt die katastrophale Begegnung mit der Heiratsvermittlerin deutlich Mulans Schwierigkeit aus, mit Autoritätspersonen umzugehen: sie ist erneut wild, unkontrolliert, ungehorsam und tollpatschig). Am Schluss der Szene bestätigt die Heiratsvermittlerin Mulans Identitätskrise noch mal, indem sie sagt, dass Mulans Aussehen nicht mit ihrem Verhalten übereinstimmt.

Phase 3: Die ungehorsame, hin und her gerissene Tochter (DVD Kapitel 6 - 11)

Die dritte Phase wird durch das von Mulan gesungene Lied „Wer bin Ich?“ (siehe auch „Lieder & ihre Bedeutung in Mulan“) eingeleitet. Auch hier wird erneut Mulans Hin- und Her-Gerissenheit verdeutlicht. Durch ihr Versagen bei der Heiratsvermittlerin hat sie ihrer Familie Schande gebracht und vor allem ihren Vater enttäuscht. Mulan scheint sich dessen bewusst geworden zu sein, dass die Rolle der perfekten Braut nicht ihren eigenen Wertvorstellungen und Idealen entspricht. Sie erkennt sich selbst in der Rolle der traditionellen Frau nicht wieder und realisiert, dass sie diese Rolle auch nicht erfüllen möchte. Sie befindet sich immer noch auf der Suche nach sich selbst (siehe Bild 3). Darüber hinaus zeigt sie in dieser Phase erneut ihr ungehorsames, wildes und unkontrolliertes Verhalten, als sie ihren Vater in der Öffentlichkeit demütigt und beim Familienessen ohne aufgefordert zu werden ihre Meinung verkündet und schließlich gegen den Willen ihres Vaters der chinesischen Armee beitritt.

Diese Phase beinhaltet aber auch Mulans Verwandlung zum Soldaten Ping. Demonstrativ tauscht sie ihren für die traditionelle Weiblichkeit stehenden Haarkamm gegen den Einberufungsbefehl ihres Vaters ein. Sie legt ihre traditionelle Kleidung ab und schlüpft in die Rüstung ihres Vaters. Außerdem schneidet sie sich ihre weiblich konnotierten langen Haare ab.

Phase 4: Der Soldat Ping (DVD Kapitel 12 - 22)

In dieser Phase tritt Mulan zum ersten Mal als Mann, d.h. als der Soldat Ping auf. Mit Hilfe von Mushu lernt sie, was echte (stereotype) Männlichkeit bedeutet: sie verstellt ihre Stimme, damit sie tiefer und somit männlicher wirkt, sie lernt eine aufrechte männliche Gangart (die an ihr relativ lächerlich wirkt), sie lernt dass widerliches Verhalten, Prügeleien und Protzerei als männliche gelten (Hygiene sowie Emotionen zeigen, werden dagegen als weibliche Eigenschaften dargestellt). Sie kommt direkt in Schwierigkeiten, als Mushu in ihrem Namen einen Soldaten (Yao) als „schlappe Nudel“ bezeichnet. Im weitern Verlauf des Filmes wird ihr auf der musikalischen Ebene mit dem Lied „Jeder wird hier zum Mann“ verdeutlicht, welche Fähigkeiten ein echter Mann besitzen muss (Disziplin, Stärke etc. siehe auch „Lider & ihre Bedeutung in Mulan“). Nachdem sie als Ping zunächst nur durch ihre Schwäche und Tollpatschigkeit auf sich aufmerksam macht, gelingt es Mulan am Ende ihrer Ausbildung zu beweisen, dass sie von allen anwesenden Männern sogar der beste Soldat ist, der als einziger (nicht etwa mit roher Kraft, sondern mit Köpfchen), eine zuvor von Shang gestellte Aufgabe lösen kann.

Nachdem sie sich den Respekt und sogar die Freundschaft ihrer Kameraden verdient hat, besticht Mulan noch in einer weiteren Situation. Als sie und ihre Kompanie zum ersten Mal auf die Hunnen treffen, schafft sie es mit Hilfe einer gerissenen Taktik (die sie ausführt indem sie einen Befehl verweigert, was erneut ihr wildes unkontrolliertes Verhalten selbst als Mann unterstreicht) ihre Kameraden und allem voran Shang das Leben zu retten. Shang quittiert dieses Verhalten mit der Bezeichnung „verrückter Kerl“. Bei diesem Rettungsmanöver zieht sie sich allerdings eine Verletzung zu, die schließlich zu ihrer Entlarvung führt. Des Weiteren wird in dieser Phase das Lied „Eine Frau, für die eine Kampf sich lohnt“ (siehe auch „Lieder & ihre Bedeutung in Mulan“) kurz vor dem Angriff der Hunnen von den Soldaten zum Besten gegeben. Hier wird erneut das traditionelle Weiblichkeitsbild verdeutlicht. Mulans Versuch die Soldaten dazu zu bringen eine Frau anziehend zu finden, wenn sie clever und klug ist, wird von den Männern einstimmig abgelehnt.

Phase 5: Die entlarvte Mulan (DVD Kapitel 23 - 28)

Nachdem Mulan sich im Kampf eine Verletzung zugezogen hat, die behandelt werden muss, wird sie als Frau entlarvt. Traditionell müsste sie für ihre Maskerade mit dem Tod bestraft werden, aber Shang verschont sie aus Dank für die Rettung seines eigenen Lebens (dies macht deutlich, das Mulans Schicksal stets von ihrem männlichen Umfeld abhängig ist). Mulan wird allerdings von der Truppe zurück gelassen. Dabei kann sie beobachten, dass Shan Yu und seine Hunnen den Kampf überlebt haben und sich auf dem Weg zur Hauptstadt machen, und dort den Kaiser, und somit ganz China, in ihre Gewalt zu bringen. Um ihre Freunde zu warnen, reitet Mulan in die Hauptstadt. In die Rolle einer Frau zurück gefallen lernt sie, dass ihr niemand mehr zuhört und das Shang ihr nicht mehr vertraut. Sie hat zwar bewiesen, dass sie dieselben Qualitäten wie ein Mann hat (und sogar effektiver und mutiger gehandelt hat als ihre Kameraden), aber dennoch zählt ihre Meinung nicht mehr, seitdem sie aufgrund ihrer Anatomie als Frau entlarvt wurde.

Nichts desto trotz gelingt es ihr erneut ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Nachdem die Hunnen den Kaiser in ihre Gewalt gebracht haben, versuchen die Soldaten vergeblich die Tore des Palastes mit Hilfe eines Rammbockes (also mit Hilfe von roher Gewalt) zu durchbrechen. Da sich dies als äußerst schwierig und zeitaufwändig herausstellt, entwickelt Mulan einen anderen, viel gerissenären Plan. Sie selbst, sowie die drei Soldaten Yao, Chien Po und Ling verkleiden sich als Konkubinen und klettern die Säulen des Palastes herauf, um so die Hunnen zu überlisten, welche die Gemächer des Kaiser bewachen (siehe auch Sequenzanalyse). Diese Szene macht deutlich, dass die drei Soldaten Mulan als Anführerin akzeptiert haben. Selbst Shang beteiligt sich an ihrem Plan und mit Mulans Hilfe gelingt es ihm schließlich den Kaiser zu retten.

Phase 6: Die gehorsame Tochter & unterwürfige Ehefrau (DVD Kapitel 29 - 30)

Nachdem der Kaiser und somit ganz China mit Mulans Hilfe gerettet wurden, bietet der Kaiser ihr zum Dank einen Posten in seinem engsten Beraterstab an. Mulan lehnt diesen allerdings mit der Begründung ab, dass sie schon viel zu lange von Hause fort gewesen ist und nun dorthin, d.h. an den ihr traditionell bestimmten Platz, zurückkehren möchte. Somit nimmt Mulan schließlich doch noch die ihr zugeschrieben Rolle der passiven, gehorsamen, liebevollen Tochter (sie überreicht z.B. ihrem Vater demonstrativ das Schwert von Shang Yu) sowie unterwürfigen Ehefrau an, da am Ende des Films Shang zu ihr nach Hause kehrt und wahrscheinlich für immer bleiben wird. Mulans Suche nach einer Gender-Identität scheint somit beendet zu sein.

Mulans Suche nach sich selbst, das heißt nach ihrer Gender-Identität, wird meist parallel neben der Narration sowohl auf der visuellen als auch auf der auditiven Ebene des Zeichentrickfilms dargestellt (siehe unten).

Visuelle Ebene:

Mulan ist attraktiv, schlank und zierlich. Im Vergleich zu anderen Disney Zeichentrickfilmen besticht sie nicht durch übertrieben wirkende Weiblichkeitsattribute, sondern ihr Körperbau wirkt eher knabenhaft bis androgyn. Im Verlauf des Films trägt sie sowohl traditionell männlich als auch weiblich konnotierte Kleidung (Hosen, Rüstung, Kleider etc.). Sie wird mit Hilfe einer breiten Farbpalette charakterisiert, die sich jeweils an die von Mulan verkörperten Gender-Identitäten anpasst. Dasselbe gilt auch für ihre Haare (ihre Haare variieren mehrmals in ihrer Länge und in der Art und Weise, wie sie zurechtgemacht sind) und für die Art und Weise wie sie als geschminkt bzw. ungeschminkt dargestellt wird. In ihrer Rolle als Soldat Ping tritt sie erstmals erhobenen Hauptes sowie mit vorgestreckter Brust auf, um stärker und männlicher zu wirken (etwa während des Liedes „Eine Frau, für die ein Kampf sich lohnt“).

Bild 1 (Phase 1):

Dieses Bild ist eindeutig der ersten oben beschriebenen Phase zu zuordnen. Mulan ist jungenhaft gekleidet (kurze blaue Hose, blaues ärmelloses Oberteil, Schneidersitz), aber dennoch wirkt sie wild und unkontrolliert (offene lange Haare, barfuss). Der Fokus wird auf ihren Körper gelegt (sie schreibt sich die Gesetze der traditionellen Weiblichkeit auf den Leib). Sie wirkt „leicht geschminkt“ (rote Wangen + betonte Lippen).

Bild 2 (Phase 1):

Dieses Bild zeigt Mulan in der Rolle der fürsorglichen Tochter. Dabei wird sie nicht mehr mit Hilfe von männlich konnotierte Kleidung (siehe Bild 1) charakterisiert, sondern trägt einen bodenlangen Rock und ein hochgeschlossenes Oberteil mit langen Ärmeln (beides kann als Zeichen der Keuschheit eingeordnet werden). Die Farbe Grün scheint hier von besonderer Bedeutung zu sein. Sie signalisiert Mulans „Wachstumsphase“ (sie ist auf der Suche nach sich selbst, d.h. nach einer Gender-Identität) und ist traditionell weniger geschlechtsspezifisch als z.B. die Farben Blau und Rosa (siehe Bild 1 und 3). Ihre Haare wirken im Gegensatz zu Bild 1 gebändigt, was im direkten Kontrast mit ihrem in dieser Szene dargestellten wilden und unkontrollierten Verhalten steht.

Bild 3 (Phase 2):

Auf diesem Bild ist deutlich zu sehen, wie Mulan in die perfekte Braut verwandelt wurde und nun das traditionelle Idealbild von Weiblichkeit verkörpert. Sie ist maskenhaft geschminkt (bleicher Teint, rote Wangen, roter Mund), sie trägt Schmuck (goldene Ohrringe, einen verzierten Kamm und später auch noch eine Jade Halskette), sie ist vornehmlich in Rosé- und Rottönen gekleidet (weiblich konnotierte Farben). Ihr wird symbolisch ein Apfel in den Mund gesteckt, was sie zum Schweigen bringt, ihre Haare sind gebändigt zu einer Hochsteckfrisur zurechtgemacht worden. Ihr traditionelles Gewand beeinträchtig sehbar ihre Bewegungsfreiheit (zu lange Ärmel und während des Zurechtmachens wurde deutlich gemacht, dass ihr Gürtel sehr fest geschnürt ist). Sie wirkt wie eine Puppe, ein fertiges Produkt.

Bild 4 (Phase 3):

Diese Bild verdeutlicht Mulans Hin- und Her-Gerissenheit. Ihr Gesicht spiegelt sich in einer Ahnentafel. Dabei wirkt ihr Gesicht wie zweigeteilt, da sie sich bereits auf einer Gesichtshälfte die traditionelle Schminke abgewischt hat und auf der anderen Gesichtshälfte ihr natürliches „wahres“ Ich zum Vorschein kommt. Die Ahnentafeln können als Symbol für die chinesische Tradition und somit auch für das von Mulan erwartet traditionelle Frauenbild gesehen werden. Die Tatsache, dass Mulan ihr Spiegelbild betrachtet, erinnert an das in der Psychoanalyse durch Siegmund Freund und Jacques Lacan entwickelte Konzept des Narzissmus bzw. der Identifikation (Spiegelphase)39. Mulans gespaltenes Spiegelbild reflektiert ihre gespaltene (schizophrene) Gender-Identität.

Bild 5 (Phase 4):

Dieses Bild stellt Mulans vollendete äußerliche Verwandlung zum Soldaten Ping dar. Sie trägt die Rüstung sowie das Schwert ihres Vaters (beides Symbole für die patriarchalische Macht). Ihre Haare wirken kurz und sind, wie es dem traditionellen im Film repräsentierten Männlichkeitsbild entspricht, hochgesteckt. Sie wirkt nicht mehr geschminkt (keine roten Wangen oder Lippen etc.), sondern völlig natürlich. Auch die Farbwahl hat sich geändert. Als Ping wird Mulan mit Hilfe von warmen Braun- und Grüntönen charakterisiert. Die Farbe Grün kann mit einer jungen Pflanze assoziiert werden, die noch im Wachstum ist, oder mit dem Sprichwort „noch grün hinter den Ohren sein“. In Bezug auf Mulan verdeutlicht diese Farbwahl ihre unerfahrene Jugend. Sie ist auf der Suche nach sich selbst, sie muss noch wachsen und ihre eigenen Erfahrungen machen, um zu erkennen, was ihr Platz in der Gesellschaft ist. Die Farbe Braun dagegen kann als relativ neutrale, warme Erdfarbe gesehen werden. Trotz der Rüstung wirkt ihre Statur und Körperhaltung eher zierlich und mädchenhaft.

Bild 6 (Phase 5):

Bild 6 zeigt Mulan, wie sie bereits als Frau entlarvt wurde, aber immer noch Männerkleidung trägt. Sie befindet sich in einer Art „Gender-Grauzone“. Rein äußerlich sind sowohl stereotype weibliche (offene Haare, roter Mund, rote Wangen) als auch männliche Merkmale (ihre Kleidung) zu beobachten. Darüber hinaus wird sie auf diesem Bild mit Hilfe des neutralen Farbtons Grau charakterisiert. Somit verkörpert sie in dieser Phase eine Mischung aus Mann und Frau.

Bild 7 (Phase 6):

Nachdem Mulan nun endlich in die Rolle der gehorsamen Tochter und unterwürfigen Ehefrau gefunden hat, ähnelt sie mit Hilfe ihrer äußerlichen Darstellung sehr der zu Anfang des Films präsentierten Mulan. Ihre weiblichen Gesichtszüge werden erneut hervorgehoben (rote Wangen, roter Mund), sie trägt ein traditionelles Kleid und hat ihre zuvor getragene männlich konnotierte Hochsteckfrisur abgelegt. Dennoch gibt es einige Unterschiede zu der anfänglichen zwiegspaltenen Mulan zu beobachten. Ihre Haar ist kürzer als zu Beginn des Films und obwohl sie nun wieder ein traditionelles Frauengewand trägt hat sich die Farbpalette verändert. Das Kleid besticht nicht mehr durch weibliche Rot- und Rosé-Töne, sondern wird von verschiedenen (männlich konnotierten) Blautönen dominiert. Außerdem hält sie ihren ehemaligen Soldatenhelm in den Händen, welcher wie ein Souvenir aus einer längst vergangnen Zeit wirkt.

Musikalische / auditive Ebene:

In Bezug auf Mulans deutsche Synchronstimme im Film ist generell festzustellen, dass diese ihrem Charakters im Verlauf des Films entspricht. So wechselhaft wie ihr Verhalten ist auch passend dazu ihre Stimme, die jedoch immer von ein und derselben Synchronsprecherin gesprochen wird (in der deutschen Fassung wird Mulan von der Jung-Schauspielerin Cosma Shiva Hagen gesprochen; die Lieder werden von Caroline Vasicek gesungen). Zu Beginn des Films, als Mulan als etwas forsche, burschikose Tochter eingeführt wird, ist ihre Stimme, entsprechend dem, was sie in dieser Situation sagt, bestimmt, fest und selbstbewusst, vergleichbar mit einem forschen Teenager. Da Mulan jedoch weiß, wie sie sich gemäß ihrer Rolle als zukünftige chinesische Ehefrau zu verhalten hat, ist ihr auch bewusst, dass der „normale“ Gebrauch ihrer Stimme diesem Bild nicht entspricht. Erkennbar ist dies, als Mulan im Haus der Heiratsvermittlerin abgefragt wird. Hier ist ihre Stimme leiser, weniger forsch, weich, fast flüsternd.

Betrachtet man Mulans Sprache zu Beginn des Films fällt auf, dass ihre Wortwahl, entsprechend der forschen Stimme, nicht dem entspricht, was von einer traditionellen chinesischen Frau zu erwarten ist. Mulan redet locker, sagt was sie denkt frei heraus sogar vor ihrem Vater, und ist auch hier eher mit einem normalen amerikanischen Teenager zu vergleichen. Außerdem ist Mulan, ungleich ihrer Altersgenossinnen, sehr wohl in der Lage heftig mit Worten zu widersprechen. Ihre aufbrausende Art (etwa als sie dem Einberufungsbefehl ihres Vaters widerspricht) wird durch ihre lauten, bestimmten Äußerungen unterstützt.

Die Thematik der Sprache in diesen ersten Szenen ist jedoch nicht nur unter der Frage „Gender“ sondern auch unter der Frage „Ost-West“ zu betrachten. Ihre Wortwahl sowie ihre Stimme sind zu Beginn des Films aus westlicher Sichtweise keineswegs unnormal oder extrem männlich konnotiert für eine junge, selbstbewusste Frau. Hier entspricht Mulan vollkommen dem, was dem (westlichen) Zuschauer aus seinem Umfeld bekannt ist. Natürlich benutzt Mulan umgangssprachliche Ausdrücke. Jedoch bleibt sie in den ersten Minuten des Filmes sprachlich im Bereich dessen, was der Zuschauer als durchaus weiblich konnotierte Sprache empfindet, da diese sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend verändert, ihre „Spannweite“ breiter geworden ist. Wichtiger anzumerken an dieser Stelle ist, dass Mulan mit ihrer Sprache nicht dem Bild der chinesischen Frau entspricht – etwa auch im Vergleich mit der Großmutter (siehe unten) – sondern (mit Ausnahme der Szene bei der Heiratsvermittlerin, als sie versucht, sich der Rolle stimmlich und sprachlich anzupassen) eher dem des amerikanischen Teenagers.

Im Hauptteil des Films, in dem Mulan als Soldat Ping agiert, versucht sie sich sowohl stimmlich als auch sprachlich ihrer Rolle als Mann anzupassen. Als Mulan, verkleidet als Soldat, zuerst auf die Gruppe der Soldaten und auf Shang trifft, antwortet sie Shang zuerst noch mit ihrer „normalen hohen Frauenstimme“ schaltet jedoch gleich um und spricht fortan tiefer, noch energischer und forscher als zuvor. Ab diesem Zeitpunkt, als Mulan bewusst darauf achtet männlich zu wirken, wird auch die Wahl ihrer Worte „männlicher“. Sie versucht vorwiegend Themen anzusprechen, die „echte Männer“ betreffen und aus dem Erfahrungshorizont der Soldaten kommen, also Themen, die in erster Linie stereotypisch männlich konnotiert sind. Von nun an entspricht ihre Sprache dem, was sie tut als männlicher Soldat. Problematisch wird Mulans Wortwahl lediglich in den Sympathiebekundungen für Shang, in denen – wie sich am Schluss herausstellt – Liebe mitschwingt. Diese sind eindeutig aus der weiblichen Position Mulans, vom Standpunkt einer weiblichen Verehrerin heraus gesagt und widersprechen sich mit dem Bild des Soldaten Ping, das Mulan in erster Linie vertreten will. In den kurzen Passagen redet Mulan auch mit ihrer weiblichen Stimme, was nicht zuletzt dazu führt, dass Shang beginnt seinem Soldaten Ping zu misstrauen mit dem Gefühl, irgendetwas stimme nicht mit ihm.

Ansonsten spricht Mulan nur wenn sie allein ist oder mit ihrem Vertrauten Mushu redet, mit ihrer normalen, also weiblichen Stimme. Lediglich an einigen Stellen vergisst Mulan „umzuschalten“ und beginnt ihre Gespräche mit den Soldaten mit ihrer Frauenstimme. Jedoch scheinen diese nichts zu merken, da Mulan auch wieder schnell ihre männliche Stimme annimmt. Doch in ihrer Stimme ist auch weibliche Sanftheit zu entdecken, etwa in Situationen der Niedergeschlagenheit. So spricht sie, nachdem sie von Shang als Frau in der Armee entlarvt wurde, mit sanfter zarter Stimme und das nicht nur ihm gegenüber, sondern auch fortan, als sie ganz allein mit Mushu und ihrem Pferd durch das Land zieht.

Die Hintergrundmusik, die Mulan im Verlauf des Films begleitet, charakterisiert sie ebenso, wie es ihr Aussehen und ihre Sprache tun. Gerade im Fall von Mulan, die während des Films zwei verschiedene Geschlechterrollen annimmt, ist die Hintergrundmusik extrem wichtig, da sie die Aussage der gezeigten Szene verstärkt, ihr eine intensivere Bedeutung verleiht. Generell unterstützt die Hintergrundmusik im Film die gezeigte Handlung, jedoch kann sie auch, was gerade im Fall von Mulan wichtig ist, Gefühle verdeutlichen und genauer hervorheben.

So ist im Allgemeinen zu beobachten, dass für Szenen, in denen Mulan als Frau auftritt eher fröhlichere, leichtere und beschwingtere Musik eingesetzt wird, die sie noch eher weiblich erscheinen lassen. Werden Frauen gezeigt, die sich ihrer Rolle fügen, wie etwa im Lied „Ehre für das Haus“ wird die Musik noch weiblicher, gar sanfter. Gerade während dieses Liedes zeigt sich Mulans Skepsis ihrer Rolle gegenüber, als sie nicht in den fröhlich, beschwingten Gesang einstimmt, sondern die Melodie eher mitspricht („Männer woll’n Frauen mit Charme...“).

Wird Mulan als Mann, als Soldat Ping gezeigt, ist die Musik zwiespältig eingesetzt. Muss sie als Soldat in der Gruppe ihrer männlichen Rolle folgen, ist die Hintergrundmusik einerseits kraftvoll, rhythmisch, sogar militärisch. Jedoch kommt auch durch die Musik insbesondere zu ihrer Anfangszeit in der Armee ihre Unsicherheit zu Tage, indem hier und da von diesem Muster der männlich konnotierten Musik abgewichen wird. Andererseits gibt es auch Momente in Mulans Soldatendasein, die musikalisch mit Musik unterlegt werden, die deutlich eher der weiblichen Seite zuzurechnen ist. Nachdem die Kompanie und auch Mulan mit Singen des Liedes „Eine Frau, für die ein Kampf sich lohnt“ Männlichkeit gezeigt haben erreichen die Soldaten einen von den Hunnen komplett zerstörten noch brennenden Ort. Hier ist ein besonderer Fokus auf Mulan. Sie äußert sich nicht sprachlich, jedoch wird durch ihre Gestik und Mimik deutlich, dass sie Mitleid empfindet, sich in der Situation unwohl fühlt. Unterstützt wird dieses stark von der eingesetzten Hintergrundmusik, die langsam und getragen, traurig und etwas melancholisch erscheint und Mulans „weibliche“ Gefühle des Mitleids und des Schmerzes unterstreicht.

Shang

Narrative Ebene:

Shang verkörpert das männliche Ideal in Mulan. Er ist der unangefochtene Held, der Protagonist des Films. Er ist attraktiv und scheint die positiven Eigenschaften der anderen Soldaten zu vereinen. Darüber hinaus kommt er aus gutem Hause, da er der Sohn des Generals ist. Als er zum Hauptmann befördert wird, will er seinem Vater beweisen, dass er seinen Erwartungen entspricht – er will ihm Ehre bringen. Er ist pflichtbewusst, heldenhaft, fair und verständnisvoll. Shang ist der unangefochtene Anführer, er beherrscht die Kampfeskunst perfekt, er ist tapfer, ehrenhaft, diszipliniert, stark, zeigt keine Emotionen bzw. weint nicht als sein Vater stirbt. Außerdem ist er gerecht und intelligent. Er reitet auf einem weißen Pferd, was an den typischen Märchenprinzen erinnert. Am Ende des Films beweist er Mulan sein Vertrauen und seinen Respekt (obwohl sie „nur“ eine Frau ist), indem er ihren Plan akzeptiert, die Säulen des Palastes hochklettern, anstatt mit roher Gewalt die Türen zu durchbrechen. Darüber hinaus muss ihm Mulan zweimal im Film das Leben retten, was ihn in eine traditionell mit Weiblichkeit assoziierte passive und abhängige Position bringt. Nichts desto trotz bewahrt er sich seine „wahre“ Männlichkeit, als er sich als einziger bei dem Versuch den Kaiser zu retten, nicht als Konkubine verkleidet.

Visuelle Ebene:

Er ist attraktiv und besticht durch einen als typisch männlich konnotierten muskulösen Körperbau mit breiten Schultern. Seine Kleidung sowie seine äußere Erscheinung im Allgemeinen wirken stets traditionell männlich (Rüstung, Hosen, traditionelle Frisur etc.). Sein muskulöser Körper wird in einigen Szenen des Films dadurch betont, dass er kein oder ein offenes Hemd trägt. Darüber hinaus wird er mit Hilfe von gedeckten und warmen Braun-Tönen charakterisiert. Sein roter Umhang kann als Zeichen für Kraft, Mut und Willensstärke gesehen werden. Auch seine Gesichtszüge wirken männlich (im Gegensatz zu Mulan hat er keine runden und weiche, sondern eher kantige Gesichtszüge).

Bild 8:

In diesem Bild wird Shangs muskulöser und männlicher Körper betont. Außerdem wird durch den Pfeil und Bogen angedeutet, dass er perfekt mit Waffen umgehen kann und somit keine Probleme hat, die Rolle des tapferen und beschützenden Soldaten auszufüllen.

Bild 9:

Auch dieses Bild präsentiert Shang als den traditionellen Mann. Seiner Rolle des Helden gerecht werdend trägt er traditionelle Männerkleidung, seine Haare sind traditionell männlich zurechtgemacht und die für seine Charakterisierung verwendeten Farben beschränken sich auf warme Braun-Töne, neutrale Grau-Töne und seinen roten Umhang.

Musikalische / auditive Ebene:

Shang, der männliche Held im Film, ist äußerlich gekennzeichnet durch sein gutes, athletisches Aussehen. Im Einklang damit ist seine deutsche Synchronstimme eine angenehme, ruhige und gelassene Männerstimme, passend für einen starken Mann, der eine ganze Kompanie an Soldaten zu führen hat (in der deutschen Fassung wird Shang von Hannes Jaenicke gesprochen – der den Ruf eines Frauenschwarms und Fernsehhelden genießt – der Gesang stammt von Stefan Erz). Entsprechend seiner Aufgabe als oberkommandierendem Soldaten ist Shang in der Lage laut und mit sehr bestimmter Stimme deutlich zu machen, was er von seiner Kompanie erwartet. Die Befehle, die er gibt, sind jedoch nie demütigend, er ist stets darauf bedacht, das Beste für sich und seine Soldaten und somit für sein Land zu erreichen. Sein Selbstbewusstsein schlägt sich auch in seiner Stimme nieder, die durch den ganzen Film hindurch fest und bestimmt, jedoch nie forsch und übermäßig bestimmend ist. Als Shang zum Ende des Films hin seine Liebe zu Mulan entdeckt und ihr nach Hause folgt wird seine Stimme ruhiger und sanfter, aber nicht weiblicher. Er ist immer noch ganz in der Rolle des männlichen Helden, der versucht, eine Frau für sich zu gewinnen.

Shangs Sprache ist so „neutral“ wie sein Charakter. Er ist der typische männliche Held im Film wie er bei Disney vorkommt ohne Ecken und Kanten: stark, gutaussehend, gerecht, zielstrebig. Diese Eigenschaften schlagen sich auch in dem, was Shang im Verlauf des Filmes sagt, nieder. Nie vergreift er sich im Ton, er weiß, wann er seine Kompanie wie zu behandeln hat. Sowohl seine Stimme als auch Shangs Wortwahl sind männlich konnotiert. Zwar kann er als Anführer, gerade im Umgang mit Mulan, etwas grob in seiner Wortwahl werden, jedoch ist dies eher eng mit seinem Charakter und seiner Rolle verbunden als mit der Tatsache, dass er übermäßig männlich wirken möchte.

Die Hintergrundmusik, die eingesetzt wird, wenn Shang im Film auftritt, ist generell stets der Situation entsprechend. Wie bei Mulan trägt auch bei Shang die Hintergrundmusik zu seiner Charakterisierung bei. Jedoch, da Shang nicht so eine „zwiespältige“ Person im Film ist wie Mulan, ist Hintergrundmusik bei Shang eindeutiger der Gesamtsituation entsprechend eingesetzt und nicht nur in erster Linie auf seinen Charakter bezogen. Erscheint er als mutiger, kraftvoller Krieger, wie zum Beispiel auch im Lied „Jeder wird hier zum Mann“,ist auch die ihn begleitende Musik laut und kraftvoll, rhythmisch und häufig von Instrumenten dominiert, die im Normalfall mit Militärmusik in Verbindung gebracht werden (Blechblas-Instrumente, Pauken etc.).

Genau gegenteilig ist es in Situationen, in denen er seine Liebe zeigt. Wie für Disney Filme üblich, ist die Musik romantischen Szenen angepasst, langsam, getragen und eher von Geigen und Flöten dominiert. Jedoch kann dieses weniger als spezifisches Charakteristikum von Shangs Liebesbeweisen gesehen werden. Diese Art von Musik ist in ihrer Form stets in Liebesszenen in Disney Filmen zu finden und passt eher in die Schiene der „allgemeinen Hintergrundmusik“ und ist weniger spezifisch Shang zuzuschreiben. Dass die Musik an diesen Stellen weniger laut, kraftvoll und forsch ist als in anderen Szenen hat auch nichts damit zu tun, dass Shang plötzlich weiblicher wird (da diese Art von Musik ruhiger, melancholischer und gefühlvoller ist), sondern ist eher der Situation als Shangs Charakter entsprechend gewählt.