Sitzung 11: Modallogiken 3

Bisher haben wir die Beweismethode der semantischen Bäume behandelt. Auch sehr beliebt im Kontext der Modallogiken sind Hilbert-Beweissysteme. Diese beruhen auf einer Menge von Prinzipien formuliert als Axiome bzw. Axiomenschemata. Etwa, die klassische Aussagenlogik basiert auf den folgenden:

Imp1
A(BA)
Imp2
(A(CB))((AC)(AB))
AndE1
(AB)A
AndE2
(AB)B
AndI
A(B(AB))
DisI1
A(AB)
DisI2
B(AB)
DisE
(AB)((CB)((AC)B))
NegI
(AC)((A¬C)¬A)
NegE
A(¬AB)
EM
A¬A

Die A,B und C sind hierbei Metavariablen. Man spricht von Instanzen dieser Schemata, wenn Metavariablen (uniform und simultan) durch konkrete Formeln in der gegeben formalen Sprache (etwa der der Aussagenlogik) ersetzt werden.

Etwa ist p((pq)p) eine Instanz des Axiomenschemas A(BA) wobei A durch p ersetzt wurde und B durch pq.

Neben Axiomen brauchen wir zum Schlußfolgern auch Schlußregeln. Etwa, um p aus pq zu folgern brauchen wir zum einen das Axiom (pq)p und zum anderen die Schlußregel Modus Ponens:

MP
Falls A und AB, so auch B.

Ein Hilbert-Beweis der klassischen Aussagenlogik basiert auf obigen Axiomen und der Schlußregel MP. Hier ist ein Beispiel eines sehr einfachen Beweises, dass pq aus q folgt:

1. q PREM
2. q(pq) Imp1
3. pq MP; 1,2

Oder ein Beweis von pr aus pq und qr:

1. pq PREM
2. qr PREM
3. (p(qr))((pq)(pr)) Imp2
4. (qr)(p(qr)) Imp1
5. p(qr) MP; 2,4
6. (pq)(pr) MP; 5,3
7. pr MP; 1,6

Generel sind Hilbert-Beweise (wir nennen sie auch Ableitungen oder Deduktionen) wie folgt definiert.

Gegeben eine

  1. Menge von Axiom Schemata Ax
  2. eine Menge von Schlußregeln R,
  3. und eine Menge von Prämissen Γ,

ein Beweis in einem Hilbert Beweissystem basierend auf Ax und R ist eine Sequenz von Formeln A1,A2,,An wobei jedes Ai (mit 1in)

  • eine gegebene Prämisse in Γ ist, oder
  • eine Instanz eines gegebenen Axiomenschemas in Ax ist, oder
  • aus Ai1,,Aim mit Hilfe einer gegebenen Schlußregel in R abgeleitet wird (wobei i1,,im<i).

Für eine gegeben Logik L, die mit einer Menge von Axiomenschemata Ax und einer Menge von Schlußregeln R assoziiert ist, schreiben wir

ΓLA

falls ein Beweis von A aus Γ (d.h. mit lediglich Prämissen in Γ) und auf der Grundlage von Ax und R existiert. Die Relation L wird als Deduktions-, Ableitungs- oder Beweisbarkeitsrelation bezeichnet. Ist die Logik L aus dem Kontext klar, so wird das Subskript meist weggelassen.

Falls LA gilt (also A ist beweisbar ohne Verwendung von Axiomen), so ist A ein Theorem von L. Dies wird meist abkürzend LA geschrieben. Etwa ist jede Instanz eines Axiomenschemas in Ax ein Theorem.

Eine Axiomatisierung der Modallogik K ist gegeben durch die Schemata der klassischen Prädikatenlogik und

K
(AB)(AB)

Zudem wird neben MP folgende Regel benutzt:

N
Falls A dann auch A.

Beachte: N ist nur auf Theoreme anwendbar, nicht auf Prämissen oder Formeln deren Beweis von Prämissen Gebrauch macht. Der Unterschied zwischen Modus Ponens, bei dem es heißt “Falls A und …” und der Regel N, bei der es heißt “Falls A …”, ist zwar unscheinbar, aber entscheidend!

Hier ist ein Beispiel für einen Hilbert-Beweis in der Logik K, der zeigt, dass v aus der Prämissenmenge {p,q,p(r(vu)),r} folgt. In Zeichen: {p,q,p(r(vu)),r}Kv

1. p PREM
2. q PREM
3. p(r(vu)) PREM
4. (r(vu)) MP, 1,3
5. (r(vu))(r(vu)) K
6. r(vu) MP, 4,5
7. (vu)v ANDE1
8. ((vu)v) N
9. ((vu)v)((vu)v) K
10. (vu)v MP, 8,9
11. r PREM
12. (vu) MP, 11,6
13. v MP, 12,10

Folgende Eigenschaften folgen unmittelbar aus der obigen Definition von Beweisbarkeit:

Monotonität
Falls ΓA so auch ΓΓA.
Kompaktheit
Falls ΓA so gibt es eine endliche Teilmenge Γ von Γ so dass ΓA.
Transitität
Falls ΓA und Γ{A}B so auch ΓΓB.
Reflexivität
Falls AΓ, so ΓA.

Wir nehmen etwa für die Transitivität an, dass ΓA und Γ{A}B. Somit gibt es einen Beweis A1,,An(=B) von B mit Prämissen in Γ{A}. Ebenso gibt es einen Beweis B1,,Bm(=A) von A mit Prämissen in Γ. Um einen Beweis von B aus ΓΓ zu konstruieren, ersetzen wir jedes Ai=A im ersten Beweis durch B1,,Bm. Der resultierende Beweis macht keinen Gebrauch mehr von der Prämisse A sondern macht nur noch Gebrauch von Prämissen in ΓΓ.

Das Deduktionstheorem hält sofern die Axiome Imp1 und Imp2 gegeben sind:

Γ{A}B gdw ΓAB.

Die Links-Rechts Richtung kann man induktiv zeigen. Wir gehen von einem Beweis A1,,An(=B) von B aus Prämissen in Γ{A} aus. Wir zeigen nun induktiv, dass für jedes i=1,,n, die Formel AAi aus Γ ableitbar ist.

  • Basis: A1 ist entweder ein Axiom oder eine Prämisse in Γ{A}. Im ersten Fall gibt es folgenden Beweis von AA1:

    1. A1 Ax
    2. A1(AA1) Imp1
    3. AA1 MP; 1,2

    Falls A1Γ dann verfahren wir analog. Im Fall A1=A, können wir zeigen, dass A1A1. Beweisen Sie dies als Übung! :-)

  • Schritt: Es sei 1<in. Als Induktionshypothese gehen wir davon aus, dass für alle j<i gilt ΓAAj.

    • Falls Ai eine Prämisse in Γ{A} oder ein Axiom ist, gehen wir genauso vor wie im Basisschritt.
    • Ansonsten wurde Ai durch MP (oder im Kontext der Modallogiken möglicherweise auch durch N) abgeleitet. Das heißt es gibt Ak und Al=AkAi wobei k,l<i. Mit der Induktionshypothese wissen wir, dass es Beweise C1,,Cm(=AAk) und D1,,Dm(=AAl) aus Γ gibt. Wir verbinden nun diese beiden Beweise zu einem neuen Beweis wie folgt:
      1. C1
      m. Cm(=AAk)
      m+1. D1
      m+m. Dm(=AAl=A(AkAi))
      m+m+1. (A(AkAi))((AAk)(AAi)) Imp2
      m+m+2. (AAk)(AAi) MP; m+m,m+m+1
      m+m+3. AAi MP; m,m+m+2
  • Der Fall in dem Ai durch N abgeleitet wurde ist ähnlich und ist ihnen zur Übung überlassen.

Generell kann man zeigen, dass das Hilbert-Beweissystem für die Logik K korrekt und vollständig ist bzgl. der semantischen Konsequenzrelation. (Dies gilt selbstverständlich auch für das Hilbert-Beweissystem für die klassische Aussagenlogik.) D.h.,

ΓKA gdw ΓKA.

Die Richtung von rechts nach links ist die Vollständigkeit: alles was semantische Konsequenz ist, kann beweisen werden. Die andere Richtung ist die Korrektheit: alles was beweisen werden kann ist auch semantische Konsequenz (es wird also nichts Falsches beweisen, weshalb das Beweisverfahren korrekt ist).

Der Beweis der Korrektheit ist relativ einfach und wird uns beim nächsten mal beschäftigen. Der Beweis der Vollständigkeit ist trickreicher, aber auch etwas faszinierender :-)

Übungen

Übung 1. Beweisen Sie:

  1. {p}qp
  2. {pq,qr}pr
  3. {pq}(pr)q
  4. pp

Übung 2. Beweisen Sie die Links-nach-Rechts Richtung des Deduktionstheorems.

Übung 3. Beweisen Sie:

  1. {p,(pq)}Kq
  2. {p,q}K(pq)