Nr. 219 7.6.2000

BOFAXE

Nachfragen

Unterschiedliche Maßstäbe oder
gerechtfertigte Entscheidung?

Keine Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen gegen die NATO

Am Mittwoch steht von 10.00 bis 12.00 Uhr Prof. Dr. Horst Fischer unter 01778048182 für Nachfragen zur Verfügung. E-mail Anfragen an bofax@web.de

Vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die Chefanklägerin des Internationalen Tribunals für das ehemalige Jugoslawien, Carla del Ponte, am 2. Juni darauf hingewiesen, dass das Tribunal keine Ermittlungen gegen die NATO aufnehmen wird. Darauf hat heute der NATO-Generalsekretär Robertson in seiner Kritik am Amnesty-Bericht über den NATO-Einsatz im Kosovo verwiesen. Erstaunlich ist weniger das von del Ponte mitgeteilte Ergebnis, als die Begründung. Danach habe es Fehler der NATO gegeben, aber keine rechtswidrigen NATO-Angriffe.  Der pauschale Hinweis auf die NATO-Angriffe perpetuiert den Eindruck, die NATO habe für die Einhaltung der durch das humanitäre Völkerrecht gebotenen Pflichten gesorgt, obwohl inzwischen bekannt ist, dass die Entscheidungen über Zielauswahl und Angriff bei den Verantwortlichen der jeweiligen, den Angriff durchführenden einzelnen NATO-Staaten lag. Die für eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Angriffs notwendigen Angaben über Flugzeugtyp, Angriffshöhe etc. waren bisher nicht öffentlich verfügbar und man wird gespannt sein müssen, ob diese Informationen von den relevanten NATO-Staaten an das Tribunal tatsächlich weitergegegeben worden sind und in welcher Weise diese der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Besondere Aufmerksamkeit muss man der Feststellung entgegenbringen, dass die NATO keine sog. „ unlawful military targets" angegriffen hat. Der Charakter einzelner, gezielt von einzelnen NATO-Staaten  in Serbien zerstörter, Objekte war weder im Bündnis einheitlich beurteil worden, noch hatte das geltende humanitäre Völkerrecht solche Objekte als legitime Angriffsziele anerkannt. Die Erklärung von del Ponte deutet damit auch an, dass die Anklagebehörde bei der Beurteilung der NATO-Angriffe von einem eher zurückhaltenden Verständnis des humanitären Völkerrechts ausgeht: Eine Haltung, die sich sehr von ihrer bisherigen progressiven Ermittlungspraxis in anderen Fällen unterscheidet.

Im WEB

www.ruhr-uni-bochum.de/ifhv mit allen links

Im Blickpunkt

Mrs. del Ponte: I am now able to announce my conclusion,following a full consideration of my teams assessment of all complaints and allegations, that there is no basis for opening an investigation into any of those allegations or into other incidents related to the NATO bombing. Although some mistakes were made by NATO, I am very satisfied that there was no deliberate targeting of civilians or of unlawful military targets by NATO during the bombing campaign. I intend to release in the near future the details of my assessment and of the criteria applied.
Mr. Gatilov (Russia), A more serious and fundamental validation of such as decision is needed. Anyway, every fact must be carefully investigated, and information on it should be properly brought to the Security Council
UN-Dokument, S/PV.4150, 2. June

Unverzichtbar

General M.C. Short: There are nations that will not attack targets that my nation will attack. There are nations that do not share with us a definition of what is a valid military target, and we need to know that up front. Commander, Allied Air Forces, Southern Europe, AFA Air Warfare Symposium February 25, 2000 http://www.aef.org/symposia/short200.html; Prof. Rowe: Add to this a political objective of attempting to persuade a foreign government to take a particular action within its own territory, and it becomes much
easier to argue that anything that affects that government's actions becomes a military objective, wherever it is situated. http://icrc.org

Zur Vertiefung

Verantwortung