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II. Bewerbungsmodalitäten
Vor-aussetzung für die Teilnahme ist ein qualifizierter Studienabschluss
in den Fächern Evan-gelische Theo-lo-gie, Katholische Theologie, Rechtswissenschaft,
Sozialwissenschaft oder Wirtschaftswissenschaft. Über die end-gül-tige
Zulassung wird nach einem Auswahlgespräch entschieden. Bewerbungen
(mit Lebenslauf, Zeug-nis-kopien, einem Exemplar der Abschluss-arbeit sowie
einem Exposé über die thematischen Absichten) sind bis zum
1. März 2000 an den Sprecher des Graduier-tenkollegs zu richten.
Im Exposé sollten Sie, wenn Sie bereits eine Doktorarbeit geplant oder angefangen haben, die wissenschaftli-che Absicht der Arbeit sowie deren Bezug zum Thema des Graduiertenkollegs darstellen. Wenn Sie noch kein kon-kretes Vorhaben begonnen haben, sollten Sie Ihre Interessenschwerpunkte hinsichtlich einer möglichen Dis--sertation sowie Ihre bis-herige Beschäftigung mit dem Thema des Graduiertenkollegs (z. B. im Rahmen des Studiums) schildern. Der Umfang sollte etwa fünf Seiten nicht überschreiten.
Die Ruhr-Universität Bochum strebt die Erhöhung des Anteils
von Frauen in Forschung und Lehre an und fordert geeignete Wissenschaftlerinnen
ausdrücklich auf, sich zu bewerben. Die Bewerbungen geeigneter Schwerbehinderter
sind erwünscht.
Die Bewerber(innen) sollten in der Regel nicht älter als 28 Jahre
sein. Erwartet wird die Be-reitschaft zur aktiven Mitarbeit im Kolleg.
III. Studienprogramm
Die Einrichtung des Graduiertenkollegs dient der Effektivierung von
Promotionsvorhaben; da-mit soll die Promotionsdauer verkürzt und die
Ergebnisqualität gesteigert werden. Der Ein-stieg in die Bearbeitung
des Promotionsthemas soll beschleunigt werden.
Die Stipendiaten nehmen an einem in-ter---disziplinären Studi-en---programm
teil, das größtenteils auch Nicht-Stipendiaten offen stehen
wird. Dadurch sollen die Methoden der eigenen Diszi-plin aus der Perspektive
der anderen Disziplinen schärfer wahrgenommen und fakultäts-über-grei-fen--de
Forschungsdiskurse gefördert werden.
Die begleitenden Veranstaltungen werden etwa sechs Stunden pro Semester
umfassen. Ge-plant sind Seminare und Oberseminare mit thematischem Schwerpunkt
(z. B. Anthro-po-logie, ‚homo oeconomicus‘, Gerechtigkeit, ...), Vorlesungen
(z. B. in den ersten zwei Seme-stern Ein--füh--rungs-vorlesungen in
die jeweils anderen Disziplinen und eine Ringvorlesung „Grund-la--gen der
Gerech-tigkeit“) sowie Kolloquien aller Beteiligten.
IV. Inhaltliche Ausrichtung
Gerechtigkeit scheint ein vielbehandeltes Thema zu sein. Aber der Moraltheologe,
der Ethiker und Sozialethiker, der mit dem Thema der Allokation befaßte
Ökonom sowie der auf Verfah-rensfragen konzentrierte Jurist müssen
immer wieder feststellen, dass die Diskussion um Kon-zeptionen der Gerechtigkeit
im Blick auf die Kriterien, mit deren Hilfe kontroverse Streitfra-gen bearbeitet
und Entscheidungen getroffen werden, entweder gar nicht benannt werden
können oder sehr undeutlich bleiben. Prominente Ökonomen halten
deshalb das Konzept der Gerechtigkeit für obskur. Auf der anderen
Seite scheint in alltäglichen Entschei-dungen und in politischer Rede
das Verständnis und die Anwendung der Gerechtigkeit intuitiv fest-zustehen.
Aus diesem in seiner Ambiguität problematischen Eindruck hat eine
inter-dis-zi-plinäre Arbeitsgruppe an der Ruhr-Universität Bochum
in intensiven Kolloquien eine Projekt-skiz-ze entwickelt, die den schwierigen
Vemittlungsprozess zwischen Konzeptionen und prak-tischer Gestalt der Gerechtigkeit
suchen und analytisch aufarbeiten will. Die Fragestellungen sollen aus
theologischer (mit einem Schwerpunkt in der Moraltheologie bzw. Ethik,
in der christlichen Gesellschaftslehre und einem weiteren in der Ökumenik),
aus ökonomischer (mit ei-nem Interesse an Allokation und Distribution
sowie den meist verborgenen normativen Leit----gesichts-punkten), aus rechtsphilosophischer
bzw. rechtssozio-logischer sowie aus sozialpo-li--tischer Sicht behandelt
werden.
Das gemeinsame Interesse der verschiedenen Disziplinen richtet sich
vor allem auf die bis-lang selten ausdrücklich benannten und kaum
begründeten Kriterien. Sie sind offenbar häufig in kryptonormativen
Menschenbildern bzw. Bildern eines guten oder gelingenden Lebens verborgen.
Ihre Explikation und kritische Bearbeitung nötigt deshalb, die Frage
nach einer Fundamentalanthropologie zu stellen, die sowohl in der eigenen
Tradition als auch über sie hinaus orientierend wirkt bzw. wirken
kann. Deren lebenspraktische Konsequenzen können nicht nur in einer
individuellen Moral liegen, sondern betreffen die institutionellen Arrange-ments,
sei es der Distribution, der sozialen Hilfe, der gesellschaftlichen Ausgleichs-prozesse
usw. Um auf diesem Gebiet der Sozialität neue Gesichtspunkte zu Tage
zu fördern, reicht es nicht aus, den umfassenden, aber meist nur abstrakt-theoretischen
Diskus-sions-pro-zess um Gerechtigkeit etwa im Anschluss an Rawls weiter
zu differenzieren und fortzutreiben, son-dern bevorzugt anwendungsorientierte
Verfahren, Prozesse, Institutionen und soziale Verän-derungen zu beobachten,
in denen ein normativer Gerechtigkeitsanspruch besteht. Diese sind dann
an den Traditionen des geschichtlichen und v. a. des aktuellen Gerechtigkeits-diskurses
zu messen, wobei die allgemeinen Gesichtspunkte der Gerechtigkeit durch
diese Konkretionen präzisiert, verschoben oder korrigiert werden müssen.
Gerechtigkeit ist in den letzten Jahren überall propagiert worden:
auf Katholikentagen und Kirchentagen, in kirchlichen Dokumenten, im politischen
Diskurs und in anderen öffentlichen Stellungnahmen. In der gesamten
öffentlichen Diskussi-on tritt allerdings ein eklatanter Mangel an
analytischer Präzision zutage. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren,
dass Gerechtigkeit vielfach intuitiv in die Debatte eingeführt, aber
nicht nach Kriterien entfaltet wird. (In der angelsächsischen Ethik
ist die intuitive Einführung von Normen durchaus üblich, aber
sie hat in der Regel analytische Bearbeitung zur Folge.) Deshalb kommt
es immer wieder zu Gesprächsabbrüchen und Konflikten zwischen
der Volkswirt-schaftslehre und der öf-fent-lich propagierten Moral.
Das Graduiertenkolleg soll diesen ‚blinden Fleck‘ des öffentlichen
Diskurses bearbeiten und nach der (in der Regel unzureichend geklärten)
sozialen Kriterienbildung der Gerechtigkeit fragen.
Die Diskussion um die Gerechtigkeit ist seit einem Vierteljahrhundert
vor allem von der praktischen Philosophie vorange-trieben worden. Die jeweiligen
Konzepte bemühen sich zunächst um eine möglichst universale
Begründung von Gerech-tigkeit; dies ist in zahlreichen Arbeiten vor
allem im Anschluss an Rawls‘ bahnbrechende „Theorie der Gerechtigkeit“
oder – in Deutschland – von Höffe versucht worden. Eine besondere
theoretische Heraus-forderung ergab sich aus den Beiträ-gen der nordamerikanischen
Kommunitaristen, die an der universalen Geltung von Gerechtigkeitskonzepten
zweifeln (z. B. Walzer mit seiner Sphären-theorie). Die konfessionellen
Sozialethiken bzw. die christliche Gesellschaftslehre haben diese Dis-kussion
verfolgt und zum Teil aufgenommen; manchmal waren sie in der Lage, diese
mit der älteren Naturrechtstraditi-on zu verbinden oder auf befreiungstheologische
Ansätze („Option für die Armen“) zu beziehen. Diese neueren Diskussio-nen
sowie weitere An-regungen des Kommunitarismus (v. a. Etzioni), der konstitutionellen
Wirtschaftstheorie (James Bu-cha-nan), der dynamischen Nachhaltigkeitsanalyse
(z. B. Hartwick) und nicht zuletzt sol-cher aus dem Gebiet des Feminismus
soll-ten dazu veranlassen, die unterschiedlichen Traditionen des Christentums
und der vernunftrechtlichen oder vertrags-tech--nischen Debatte auf mögliche
Kriterienbildung und deren Reichweite zu prüfen.
Kriterienbildung lässt sich im öffentlichen Diskurs über
Gerechtigkeit meist nur in Ansätzen erkennen. Zum Teil wird in Frage
gestellt, ob Gerechtigkeit überhaupt möglich sei, etwa in radikaleren
Äußerungen seitens der Nationalökonomie, die bezweifeln,
dass es in der Wirt-schaft um Gerechtigkeit gehen könne. Auf der anderen
Seite werden in wirtschaftsethischen Denkschriften Kataloge menschlicher
Grundbedürfnisse eingeführt, die entweder allgemein und unspezifisch
oder aber kul-turell so variabel sind, dass ihre Verbindlichkeit nur postuliert,
kaum jedoch begründet werden kann. Diesem Defizit ist abzuhelfen.
Kriterien sind sowohl für pragmatische Diskurse – etwa: Welche sozialpolitische
Richtung ist einzuschlagen? – als auch für praktische Diskurse – Was
trägt zur Sicherung der elementaren Menschlichkeit bei? – notwendig.
Es kann nicht Ziel des Graduiertenkollegs sein, einen neuen, deduktiv
operierenden Entwurf über Gerechtigkeit zu erstel-len. Vielmehr soll
es die eher intuitiv aussehenden Gerech-tigkeitsdiskurse und Vorschläge
prüfen, um in ihnen theoretische Elemente zu identifizieren und die
Rückfrage nach Legitimationsgründen in bestimmten Gerechtigkeitsstrategien
zu ermöglichen. Was heißt es, dass ein bestimmter Vorschlag
zur Gerechtigkeit beiträgt oder aber die Gerechtigkeit beschädigt?
Die Anwendung von Gesichtspunkten der Gerechtigkeit kann zwar von Theorie
absehen, aber sie wird immer wieder die Frage nach besserer Ge-rech-tigkeit
stellen. Diese fordert ihrerseits Kriterien und auch theoretische Fragestellungen.
Die am Graduiertenkolleg beteiligten Hochschullehrer(innen) haben in
gemeinsamen Kolloquien die Problematik der Kriterienbildung für gerechte
Verfahren umfassend diskutiert und als Grundlage herausgearbeitet, dass
die Kriterien für gerechte Verfahren mit bestimmten chiff-rierten
Menschenbildern zusammenhängen. Dieses Thema stellt eine wissen-schaft-lich
weit-ge-hend vernachlässigte Problematik dar. Es ist ihnen bewußt,
dass es den klassischen ‚homo oeconomicus‘ in der Realität der Lebenswelt
nicht gibt, sondern dass er ein eindimensionales Kon-strukt darstellt,
das allerdings sehr wirkungsvoll ist. Gerade von ethischer oder moral-theologischer
Seite ist deshalb die Frage einzubringen, ob bestimmten Gerechtig-keitskonzeptionen
und -kriterien eine Fundamentalanthropologie zugrunde liegt, die unter-schwellig
legitimatorischen Charakter besitzt. Diese ist aufgrund ihrer jeweiligen
Leitfunktion zusammen mit der Kriterienbildung herauszuarbeiten. Ferner
ist zu prüfen, auf welcher Ebene eine kritische Sichtung fundamentalanthropologischer
Prämissen ansetzen kann. Bei dieser methodologischen Reflexion werden
Grundlegungsfragen der Ethik berührt. Eine konkrete Fragestellung,
die man in dieser Hinsicht beleuchten kann, ist beispielsweise die Beur-teilung
altruistischen Handelns. Bislang liegt bezeichnenderweise noch keine ver-gleichende,
interdisziplinäre Betrachtung vor, wie die einzelnen Disziplinen aus
metho-dologischer Perspektive zur Beantwortung von Fragen der Gerechtigkeit
altruistische Verhaltensweisen verstehen. Um die eigene Sichtweise durch
interdisziplinär aufgenommene Anregungen ergänzen zu können,
müsste zum Beispiel grundlegend gefragt werden, ob der An-satz beim
‚homo oeconomicus‘ individuelle und kollektive Entscheidungen, die augen-scheinlich
nur einem reinen Altruismus zugeordnet werden, nicht doch erfassen könnte
– kurz: Ökonomie und Solidarität sich nicht widersprechen müssen.
Die Kriterienbildung kann sich nicht primär auf klassische tugendethische
Vorstellungen beziehen, sondern berührt die sozialen, die sozialpolitischen
sowie die politischen Diskurse und Probleme.
Kriterien der Gerechtigkeit – vor allem in der Sozialpolitik und der
Ökonomie – verbinden sich mit Akzentuierungen nor-mativer Menschenbilder,
die geschichtlich gewachsen und keineswegs – wie oft postuliert – allein
auf rationaler und zu-gleich universaler Grundlage begründet werden
können und deren universale Geltung deshalb zu prüfen ist. Von
den ‚Warenkörben‘ der Sozialhilfe bis zu den Katalogen unbedingt zu
erfüllender menschlicher Grundbedürfnisse werden fol-gen-reich
oft nur umrisshafte Bilder von Mindestbedingungen menschlichen Lebens mit
nationaler und internationaler So-zi-al-politik verbunden.
Mangelnde Analytizität läßt sich vor allem für
politische Diskurse bzw. Propaganda nachweisen. Was bedeutet es, dass Veränderungen
in der Steuergesetzgebung den Postulaten der Gerechtigkeit besser nachkommen
sollen? Auch hier geht es um Kriterienbildung, die in der Regel nicht offengelegt
wird, weil das Gerechtigkeitspostulat eher intuitiv oder sogar mani-pu-lativ
eingeführt wird. Allgemein lässt sich feststellen, daß
staatliche Eingriffe in das gesellschaftliche Handeln in der Regel Einschnitte
in die Freiheit einzelner Bürger mit sich bringen. Auf der einen Seite
ist zu erörtern, welche Eingriffe sozial ge-recht sein können.
Auf der anderen Seite muss analysiert werden, wie dem Staat Regeln vorgegeben
werden können, da-mit er eine einmal verfasste Gerechtigkeitsnorm
nicht umgehen oder gar missbrauchen kann, vielmehr durchzusetzen hat. Es
ist zu erwarten, dass verschiedene Ebenen staatlicher Tätigkeit (z.
B. Rechtsstaat, Sozialstaat) andersartige Befugnisse bzw. Beschränkungen
staatlicher Tätigkeit erfordern. Auf diesem Gebiet dominiert eine
effizienz-orientierte For-schung. Das Graduiertenkolleg hingegen sollte
den Gerech-tigkeits-aspekt zum Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung
machen.
Das Problem der Kriterienbildung betrifft sowohl die nationale wie
auch die internationale Problemebene. Bereits in natio-nalen Gesellschaften
gibt es eine Fülle von Lebensformen und unterschiedlich gebündelten
Bedürfnissen, die alle einen Anspruch auf Förderung bzw. Erfüllung
erheben und dies mit dem Postulat der Gerechtigkeit legitimieren. Besonders
pre-kär wird das angesichts von Fällen, in denen keine Tauschgerechtigkeit
vorausgesetzt werden kann, etwa bei den Ansprü-chen Behinderter und
anderer Gruppen, die von ökonomischer Aktivität weitgehend ausgeschlossen
sind. Offenbar müs-sen Kriterien der Gerechtigkeit in diesen Fällen
nicht vom potentiellen Tausch, sondern von der Menschenwürde her be-gründet
werden. Von Interesse wäre beispielsweise, sich konkret mit staatlichen
Regelungen zu Problemen Behinderter zu befassen. Die in der Ökonomie
beheimatete – aber nicht rein ökonomisch begründbare – Theorie
meritorischer Güter, die sich solcher Problemlagen angenommen hat
(z. B. Allen Buchanan), müsste auf implizite Verteilungs- und Gerechtigkeits-normen
untersucht werden. Die zu erwartende Aufdeckung dieser Normen sowie die
Stützung der Meritorisierung seitens einer sozialethischen Konzeption
wären für die interdisziplinäre Einschätzung dieses
Konzepts, gerade auch für die Erfor-schung der Grenzen seiner Anwendbarkeit,
von herausragender Bedeutung. Die Kriterienfrage knüpft auch an ein
klassi-sches Problem vor allem der Christenheit an: Wie weit reicht die
Caritas und wo beginnt die Gerechtigkeit? Hier sind auch in der christlichen
Ethik erhebliche Verschiebungen zu konstatieren.
Schwieriger noch wird das auf der internationalen Ebene, auf der die
kulturell definierten Menschenbilder weit auseinan-dergehen. (Das betrifft
besonders die Rolle der Frau in unterschiedlichen Gesellschaften.) Sowohl
die befreiungstheologi-sche „Option für die Armen“ als auch die ökumenischen
Bemühungen um internationale Gerechtigkeit stellen die Frage nach
Kriterien und deren Universalisierbarkeit. Da es hier eine erstaunliche
Fülle von häufig ‚prophetisch’ gemeinten Äu-ßerungen
gibt, ist eine analytische Untersuchung dringend erforderlich.
Die Frage der Kriterienbildung fällt in die kontroverse Debatte
zwischen universalisierender Gerechtigkeitstheorie (Rawls: rationaler Vertrag)
und auf Sphären begrenzten Gerechtig-keitskonzepten (Walzer). Von
beiden Richtungen her muss erar-beitet werden, inwieweit Kriterien (welches
Konkretionsgrades auch immer) überhaupt universalisierbar sind. In
der Wirt-schaftswissenschaft wird seit geraumer Zeit neben den Überlegungen
von Rawls auch auf andere Ansätze der Universali-sierung, beispielsweise
den von Hayek eingegangen. Neuerdings haben Buchanan und Congelton den
Universalisierungs-gedanken Hayeks, der für wirtschaftliche Tätigkeiten
entwickelt wurde, auf politisch-ökonomische Zusammenhänge aus-gedehnt
und spieltheoretisch für demokratisch verfasste Gesellschaften zu
interpretieren versucht. Sowohl in methodologi-scher Sicht als auch hinsichtlich
der Reichweite dieser Universalisierungsansätze ist weiterer Forschungsbedarf
notwendig.
Zusammenfassung: Die beteiligten Hochschullehrer(innen) teilen die Auffassung,
dass die Grund-lagendiskussion um die Gerechtigkeit bereits weit vorangetrieben
worden, aber deren Kontrolle durch Analyse von Verfahrensgerechtigkeit
und intuitiven Gerechtigkeitspostulaten vernachlässigt worden ist.
Sie intendieren daher nicht die Begründung einer Supertheorie, sondern
wollen, gleichsam durch verschiedene Fenster blickend, eine gemeinsame
Perspek-tive entwickeln, in der die unterschiedlichen ‚Sprachen‘ der beteiligten
Disziplinen kommu-nikabler werden. Daher ist methodologische Sorgfalt besonders
wichtig. Zugleich wird zu prüfen sein, welche Art von Legitimation
in Verfahren gesucht wird, wie sich Freiheit und Gerechtigkeit verhalten
und wer in welchen sozialen Arrangements Verantwortung für eine anwendungsorientierte
Gestaltung von Gerechtigkeit trägt.
[...]
V. Kontakt
Am Kolleg beteiligt sind die Hochschullehrer(in-nen)
– Prof. Dr. Cay Folkers, Fakultät für Wirtschaftswissenschaft:
Fi--nanz-wis-senschaft;
– Prof. Dr. Christofer Frey, Evangelisch-Theologische Fakultät:
Sy-ste-matische Theo---logie – Ethik;
– Prof. Dr. Erich Geldbach, Evangelisch-Theologische Fakultät:
Öku-me-nik und Kon-fes-sions-kunde;
– Prof. Dr. Traugott Jäh--nichen, Evangelisch-Theologische Fakultät:
Christliche Gesell-schafts-lehre;
– Prof. Dr. Wim Kö-sters, Fakultät für Wirtschaftswissenschaft:
Volks-wirt-schaftslehre;
– Prof. Dr. Hans Kra-mer, Katholisch-Theologische Fakultät: Mo-raltheologie;
– Prof. Dr. Notburga Ott, Fakultät für Sozialwissenschaft:
So-zi-al--politik und öffentliche Wirtschaft;
– Prof. Dr. Klaus F. Röhl, Juristische Fakultät: Rechts-so-zio--lo-gie
und Rechts-philosophie;
– Prof. Dr. Joachim Wie-mey-er, Katholisch-Theologische Fakultät:
Christ-li-che Gesellschafts-lehre.
Spre-cher des Kollegs ist Prof. Dr. Christofer Frey, Evangelisch-Theologische
Fakultät der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, E-Mail: christofer.frey@ruhr-uni-bochum.de,
Telefon: (0234) 32–22506, Tele-fax: (0234) 32–14483. Bei Rückfragen
können Sie sich auch an Lars Klinnert, E-mail: lars.klinnert@ruhr-uni-bochum.de,
Telefon: (0234) 32–24799 wenden.
Eine Home-page des Graduiertenkollegs (http://www.ruhr-uni-bochum.de/gerechtigkeit/)
mit weiteren ausführlichen Informationen und aktuellen Hinweisen wird
voraussichtlich Anfang Februar eingerichtet. Bis dahin sind die beteiligten
Hochschul-leh-rer(innen) über die Seiten der Ruhr-Universität
(http://www.ruhr-uni-bochum.de) im Internet erreichbar.
Wir würden uns über Ihre Bewerbung freuen und wünschen Ihnen dafür viel Erfolg.
Mit freundlichen Grüßen,
i. A.
(Lars Klinnert)
Ziel des Kollegs ist es, den Vermittlungsprozess zwischen Konzeptionen und praktischer Gestaltung der Gerechtigkeit analytisch aufzuarbeiten. Dabei sollen Verfahren, Prozesse, Institutionen und soziale Veränderungen betrachtet werden, in denen ein normativer Gerechtigkeitsanspruch besteht, um sie an den Traditionen des geschichtlichen und aktuellen Gerechtigkeitsdiskurses zu messen. Den Stipendiaten wird hierzu ein interdisziplinäres Studienprogramm angeboten. Am Kolleg beteiligt sind die Hochschullehrer(innen) Folkers (Finanzwissenschaft), Frey (Systematische Theologie / Ethik), Geldbach (Ökumenik und Konfessionskunde), Jähnichen (Christliche Gesellschaftslehre), Kösters (Volkswirtschaftslehre), Kramer (Moraltheologie), Ott (Sozialpolitik und öffentliche Wirtschaft), Röhl (Rechtssoziologie und Rechtsphilosophie) und Wiemeyer (Christliche Gesellschaftslehre).
Voraussetzung für die Teilnahme ist ein qualifizierter Studienabschluss in den Fächern Evangelische Theologie, Katholische Theologie, Rechtswissenschaft, Sozialwissenschaft oder Wirtschaftswissenschaft. Über die endgültige Zulassung wird nach einem Auswahlgespräch entschieden. Bewerbungen (mit Lebenslauf, Zeugniskopien, einem Exemplar der Abschlussarbeit sowie einem Exposé über die thematischen Absichten) sind bis zum 1. März 2000 an den Sprecher des Graduiertenkollegs zu richten. Dort sind auch weitere Inormationen erhältlich. Es wird darauf hingewiesen, dass außerdem 5 Doktorandenstipendien zum 1. November 2000 sowie 2 Postdoktorandenstipendien zum 1. Mai 2001 zu vergeben sein werden.
Sprecher: Prof. Dr. Christofer Frey, Evangelisch-Theologische Fakultät
der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, E-Mail: christofer.frey@ruhr-uni-bochum.de,
Telefon: (0234) 3222506, Telefax: (0234) 3214483.
RUB-Wissenschaftler erforschen emotionsgeladenen Begriff
Bochumer Wissenschaftler wollen die schon 30 Jahre währende Diskussion des emotionsgeladenen Gerechtigkeitsbegriffs nun ein entscheidendes Stück vorantreiben: Zum Thema "Kriterien der Gerechtigkeit in Ökonomie, Sozialpolitik und Sozialethik" genehmigte die Deutsche Forschungsgemeinschaft einer Gruppe von RUB-Wissenschaftlern (Sprecher: Prof. Dr. Christofer Frey, Evangelisch-Theologische Fakultät) ein Graduiertenkolleg, das sie ab 1. Mai 2000 für mindestens sechs Jahre lang fördern wird. In ihm soll das Problem der Gerechtigkeit interdisziplinär behandelt werden: Aus juristischer, ökonomischer, sozialer und theologischer Sicht werden die Experten an einer Definition des Begriffs arbeiten. Dies wird der elfte Graduiertenkolleg an der RUB.
Von einer "Gerechtigkeitslücke" ist dieser Tage in der öffentlichen Diskussion vielfach die Rede. Gerechtigkeit ist ein allgegenwärtiger und scheinbar viel diskutierter Begriff: Mittel sollen in der Gesellschaft gerecht verteilt werden, die Rechtssprechung soll ebenso gerecht sein wie die Steuergesetze. Zusätzliche Aktualität erhält das Thema durch die Globalisierung und den daraus folgenden Blick in die "Dritte Welt": Im Vergleich mit den Industrienationen sind diese Länder benachteiligt - eine Ungerechtigkeit. Was aber ist Gerechtigkeit eigentlich? In Diskussionen wird zwar oft ein allgemeingültiges Konzept von Gerechtigkeit stillschweigend vorausgesetzt; Moraltheologen, Ethiker, Juristen und Ökonomen müssen immer wieder feststellen, dass die Kriterien, nach denen Menschen Gerechtigkeit definieren, entweder gar nicht benannt werden können oder wenigstens sehr unklar bleiben. Prominente Ökonomen (Hayek) haben daher das Konzept der Gerechtigkeit längst als obskur abgestempelt. Dennoch hat jeder Mensch intuitiv ein Gerechtigkeitsempfinden, jeder weiß für sich, was sie ist und wie sie anzuwenden ist. Die Kriterien dafür sind häufig unausgesprochen und verborgen in Menschenbildern oder der Vorstellung eines guten, gelingenden Lebens. Nicht nur in der individuellen Moral treten sie zu Tage, sondern auch im öffentlichen Leben, z. B. in der sozialen Hilfe und gesellschaftlichen Ausgleichsprozessen.
Die Bochumer Arbeitsgruppe hat sich zum Ziel gesetzt, den schwierigen
Vermittlungsprozess zwischen Konzeption und praktischer Gestaltung der
Gerechtigkeit zu suchen und zu analysieren. Dazu wollen die Wissenschaftler
besonders auf die Suche nach den Kriterien für den Gerechtigkeitsbegriff
gehen, indem sie anwendungsorientierte Verfahren, Prozesse,
Institutionen und soziale Veränderungen, in denen ein normativer
Gerechtigkeitsanspruch mitschwingt, beobachten.
Ihre Beobachtungen wollen sie dann an den Traditionen des geschichtlichen
und neuen Gerechtigkeitsdiskurses messen.
Indem konventionelle Zuschreibungen an den Begriff korrigiert und präzisiert
werden, soll schließlich ein konkreter Gerechtigkeitsbegriff entstehen.