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Theologische Fakultät der

Georg-August-Universität Göttingen

 

Hausarbeit zum 1. Examen

vorgelegt im August 1978

 

 

 

 

Wahrnehmung von Autorität

in der Praxis des Pfarrers

 

Johann Hermann Michael Lütge

34 Göttingen, Reinholdstr. 1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hitler hat den Menschen im Stande ihrer Unfreiheit einen neuen kategorischen Imperativ aufgezwungen: ihr Denken und Handeln so einzurichten, daß Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe.

(Theodor Wiesengrund Adorno)

 


 

 

 

 

 

 

 

Inhalt

I.      Einleitung. 2

1.          Verfasser. 2

2.          Theorierelevanz. 2

3.          Ansatz: Materialistische Religionstheorie.. 3

4.          Theologisches Movens. 5

5.         Methodisches. 7

II. Autorität im sozialgeschichtlichen Feld. 7

1.          Religion: Luthertum.. 7

2.          Politik: Faschismus. 12

3.          Sozialpsychologie: Autorität und Familie. 17

III. Autorität in der Praxis des Pfarrers. 27

1.          Produktion von Ich-Stärke. 28

2.          Produktion kognitiver Kompetenz (Aufklärung) 30

3.          Die vorletzten Dinge. 33

4.          Die Praxis der Nachfolgenden. 36

Nachwort 2019. 42

 


I.       Einleitung

1.  Verfasser

Wissenssoziologische Bewußtheit reflektiert eigene Primärerfahrung als erkenntnisleitendes Innesein (Interesse). Pfarrhäusliche Schlagrituale mit Kochlöffeln füllten die Freizeit seines Vaters mit Pikanz, welcher im Militär das wahre Vorbild der Kirche sieht. Terrorgenüsse daheim wurden neben dem psychischen Terror des Kontrollgottidioms väterlicher Verkündigung bereichert durch Studium der Konzen­trationslagerdokumente. Solch intime Kenntnis christlicher Existenz brach dem Verfasser irreversibel den Glauben an Gottes Gerechtigkeit, die Evangelizität der Kirche und die Effizienz bloß gepredigter Liebe.

2.  Theorierelevanz

Nach der Kritik von Autorität in der Studentenbewegung ist die Unterwerfung unter den Zwang, als künftiger Pfarrer Autorität zu sein, nicht selbstverständlich mehr möglich, welcher im Amtsbegriff theologischer Ergüsse sowohl als im volkskirchlichen Erwartungsklischee dominant impliziert ist. Dessen kulturellen Vermittlungen will der Verfasser nachgehen, um zu prüfen, unter welchen Bedingungen er sich diesem Zwang zur Autorität in seiner künftigen Praxis entziehen kann. Kaum wohl läßt die kulturelle Symbiose von Kirche und Welt monokausale Reduktionismen von Herr­schaft auf diese oder jene zu; Herrschaft unter Menschen ist in Kirche wie Welt gleich fraglos geübt und gelitten worden. Nicht erst seit der konstantinischen Wende fungibilisierte Kirche sich zur Herrschaftaffirmation: Ihre zentralen Glaubensinhalte waren von Anbeginn dem Prinzip der Herrschaft treu, Reflex auf die Übermacht der ängstigenden Natur, die in Personalisierung zum Vulkangott Jahwe sogar bis zur Gegennatur sich vergeistigte.

Gott ist der Herr, auch über, gerade über Natur, zu der nun sich seine Schöpfer, die sich für seine Geschöpfe hielten, schlugen; noch der Erlösungsidee des Messianismus ist Glück nur als basilei/a qeou=, Herrschaft Gottes denkbar; Gottes Wort ist Autorität, an der auch der priesterlich-apostolische Mittler partizipiert; jahrhundertelang legitimierte damit sich eine prunkvoll-attrak­tive Mutter Kirche als politischer Machtfaktor. Ob ohne Christen­tum diese Rolle den Druiden zugekommen wäre, bleibt unerforsch­lich. In unserer scheinbar demokratischen Gesellschaft aber gerät Theologie, die sich ohne Herrschaftstopoi nicht zu formulieren vermag, immer mehr in Widerspruch zu einer Ideologie liberaler Volkssouveränität, die so kontrafaktisch gegen politi­sche Realität steht wie die Drohung mit der Allmacht des Gottes der Liebe gegen seine ca. 1945jährige Parusieverzögerung. Daß gegen alles Selbstverständnis Pfarrer soziologisch als Schamanen fungieren, ist als realer Anachronismus ein Moment der Dialektik einer in Barbarei umgeschlagenen Auf­klärung.

3.  Ansatz: Materialistische Religionstheorie

Religion als gesellschaftliche Interaktionsform und Weltkomple­xität reduzierendes Sinnsystem entspringt einem Stand gesell­schaftlicher Naturbeherrschung, die eben noch keine war, in der Natur Menschen "als eine durchaus fremde, allmächtige und unan­greifbare Macht gegenübertritt, zu der sich der Menschen rein tierisch verhalten, von der sie sich imponieren lassen wie das Vieh".[1] Die religiöse Macht ist "das Echo der realen Übermacht der Natur in den schwachen Seelen der Wilden"[2] Erst als die Stämme im Überlebenskampf mit der Übermacht der Natur sich ein Mehrprodukt erwirtschaften können, mit dem mehr Menschen als die unmittelbar Arbeitenden ernährbar sind, entwickelt sich Arbeits­teilung in geistige und körperliche und Herrschaft der Stärksten über den Stamm[3], die sich von Arbeit frei­stellen. Schamanische Funktionäre als Mittler zwischen der Ohn­macht und Angst der Wilden und der beseelt erfahrenen Undurch­schaubarkeit der Natur partizipieren gegenüber dem Reststamm von Anbeginn an der Schreckensautorität der religiösen Mächte über den Stamme Zunächst noch unmittelbar verwoben mit Arbeit als Ausbeutung der zugleich gefürchteten Natur verselbständigt sich die geistige Arbeitsform Religion zunehmend von der Arbeitserfahrung und dem Arbeitsverhalten, welches sie regulierte. Sie "tritt in Widerspruch mit den bestehenden Verhältnissen", weil "die be­stehenden Verhältnisse mit der bestehenden Produktionskraft in Widerspruch getreten sind".[4] Produktion als Austausch zwischen innerer Natur der Menschen und der äußeren bezweckt Bedürfnisbefriedigung. "Das Zweite ist, daß das befriedigte erste Bedürfnis selbst, die Aktion der Befriedigung und das schon er­worbene Instrument der Befriedigung zu neuen Bedürfnissen führt".[5] Die von Not des Naturzwangs getriebene Erweiterung des Bedürfnishorizonts verstärkt sich durch die sinnliche Erfah­rung des relativen Reichtums der in früher Klassenbildung verselbständigten Produktionsleiter. Neid will Gleichheit. Not macht Angst und Hoffnung. Ausdruck dessen ist Religion, so ambi­valent wie das angstvoll-ausbeutende Naturverhältnis und der klassenpartikulär-universalisierende Sozialantagonismus. Dieser Doppelcharakter der Religion bleibt um so tiefer ausgebildet, je autonomer sie wird, je weiter die Tempel von den Feldern abrücken. "Die Religion empfängt zwar ihren ganzen Inhalt durch psychische Verarbeitung irdischer Begebenheiten, aber sie gewinnt dabei ihre eigene Gestalt, die auf die seelische Veranlagung und das Schicksal der Menschen wiederum zurückwirkt und im Ganzen der gesellschaftlichen Entwicklung eine Realität bildet."[6] Ihre Mythen schaffen Orientierungsraster, mit denen die Natur benannt, begriffen, repräsentiert wird, um sie benutzen zu können. Die magischen Riten sind mimetische Anschmiegung an Natur. Indem die Menschen sich der Natur gleichmachen, zu der sie ja gehören, entwickeln sie die Sprach- und Aktionsmittel, mit denen sie sie sich unterwerfen in fortschreitender Distanz zu ihr. Emanzipation aus dem blinden Naturzusammenhang ist schon die Entfremdung und Verdinglichung des Objekts, die konsequent auch dem Subjekt widerfährt, sowohl sozial als Herrschaft wie psychisch als Triebverdrängung. Die Entbehrungen, die die Natur den Wilden auflegte, müssen diese selbst übernehmen, solange der Produktivkraftstand noch der Mehrheit die Härte der Feldarbeit ganztägig abverlangt, um das Stammesüberleben zu sichern. Religion als Produktionsordnung hat noch diese in Sozialregie übernommene Härte gegen die Subjekte in sich: ihre Tugenden äquivozieren Selbstunterdrückung als Reflex auf archaische soziale Terror­regeln. Als treu tradierte erinnert sie in jedem Moment an die Menschenopfer der Wilden. Zugleich bilden ihre Kollektivtradi­tionen kritische Erinnerung und einen Gerechtigkeitsbegriff ent­gegen der wachsenden Klassenkluft, ihre prophetische Idee sozi­aler Gleichheit gipfelt in der Apokalypse des Weltgerichts als höchster Gerechtigkeit. Gerade ihre kulturelle Resistenz gegen die Produktionsentwicklung wird zum kritischen Moment an jener. Überverallgemeinert auf die Pole anamnetisch formulierter Utopie versus hofpriesterlich verwaltete Produktivkraft Sozialnorm hat sie entfesselnde wie bindende Momente und je nach Konstellation kann das eine ins andere umschlagen. Erst mit wachsender Spezi­alisierung der Produktion wenden sich spezifizierte Religions­funktionen zu der Objektnähe, die uns Wissenschaft heißt: Auf­klärung kam von Pfarrersöhnen, Mönche trieben erste Medizinische Experimente, freilich, im Filz der gesamten Sozialordnung.

Marxens Opiumstelle trifft den Doppel Charakter von Religion als priesterlich-prophetische ins Mark. "Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elends und in einem die Pro­testation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt".[7] Und Tomberg[8] hat wohl recht: "Der Kir­chenglaube, also der Glaube in seiner populären und daher eigentlichen Gestalt, hatte immer schon dazu dienen müssen, die mon­archische Herrschaft zu legitimieren." Ökonomische Basis dessen war die kastenmäßige Administration einer mit staatlicher Hier­archie verbündeten, an der Festschreibung und Erweiterung des eigenen Status interessierten Kirche. Religion war fürs Volk, statt des Volks. Schließlich verfilzt sich auch diese Differenz. Kompensationshebel berechtigter Forderungen nach Gerechtigkeit wurde eben deren eigenes Symbol Weltgericht, Utopie transmortalisiert. Indem Religionsverwaltung selbst konvergiert mit der Sozialhierarchie, findet im Prozeß der Traditionsselektion als dem Spiegel einer Geschichte von Klassenkämpfen permanente Un­terdrückung, Entschärfung und Umbiegung des sich utopisch for­mulierenden Protests statt. Daher fordert Marx Aufhebung der Religion im Gefolge der Aufklärung. "Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks..., die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusion bedarf."[9]

Dazu ist es gekommen. Kirche, wiewohl noch Machtfaktor, ist fak­tisch Randgruppe, an ihre Stelle Bewußtseinsindustrie getreten, in der sie unter 'Kultur' mitverwaltet wird. Das wirkliche, ma­terielle Glück ist erreicht, die Massen versorgt. Taufe, Hochzeit und Tod bleiben unter klerikaler Zuständigkeit, so ist auch der Klerus versorgt. Illusionen wichen dem Schein der Wirklichkeit; der Mercedes erspart jedes weitere Lob des Systems. Ideologie ist realitätsgerecht geworden, verdoppelte Wirklichkeit. Es ist so, wie es ist. Satte Trottel im Demokratie genannten Wohlfahrts Vater-Staat. Alles ist durchsexualisiert, triebgerecht, locker.

4.  Theologisches Movens

Jesu letzte Verkündigung war ein Schrei. Ein, Todesschrei.[10] Sind die Evangelien mit Dibelius erweiterte Passionsgeschichten, so darf man formgeschichtlich sagen: Am Anfang steht der Schrei. Der in Sozialregie transformierte Natur zwang fordert seine Opfer, Menschenopfer. Wir sind an sie ge­wöhnt. Der Westerntodesschuß regt keinen auf. Auch das Kreuz nicht. Es ist aus Gold.. Glitzert verführerisch. Es ist schön. Kreuzestheologie - die entwickelt man nicht aus Büchern, die fängt viel einfacher an. Beim Schmerz. Ganz narzißtisch. Es tut weh. Es tut weh, gefoltert zu werden. Bas ist wahr.

Und so unmittelbar, emotional, weil über Emotion schreibend, da beginnt die Kette induktiver Rückfragen. Warum wird gefoltert, was haben die denn getan, wer läßt wen durch wen foltern? Und beim Hunger genauso.. Warum haben die denn nichts zu essen? Und beim Krieg genauso. Summa: Bei Strafe des Humanitätsverlustes, oder, wenn dies kein Ziel mehr ist, auf Selbstexperiment der Situationen Folter, Hunger und Krieg - ist Schmerz die narziß­tische Basis jeder heute gültigen Wahrheit: Es tut weh - es soll nicht sein. Da beginnt Kreuzestheologie.

Absolut nicht stehen sich Wahrheit Jesu Christi und die Wirklich­keit der Gesellschaft so disparat gegenüber, wie Geyer[11] wähnt. Im Kreuz konvergieren beide; Jesu Schrei sagt: Es wird gefoltert, es finden Menschen­opfer statt. Das ist die Wahrheit der Gesellschaft, das ist die Wahrheit Jesu, das ist die Wirklichkeit der Gesellschaft.

Es gibt nichts, was von hoch droben oder außen in den Verblendungs- Zusammenhang der folternden Gesellschaften eingreifen kann. Die Wahrheit des Evangeliums entsteht vielmehr als immanente Kritik dieser Gesellschaft an sich selbst, vermöge des Leidens an den Widersprüchen, die sie erzeugt. Leiden ist wahrheitsfähig und Motor seiner Aufhebung. Am Anfang steht der Schrei. In der Soli­darität der Schreier, unter denen Jesus der erste nicht und auch nicht der letzte war, liegt pragmatisch und theologisch das Recht, sich in der 'Gemeinschaft Seiner Leiden’(Phil 3,10) mit dem als Aufrührer gekreuzigten Gott Jesus zur Aktionseinheit im Klassenkampf zu verbünden. Kreuz als Rebellentod ist Symbol proletari­scher Parteilichkeit Gottes, dessen Auferstehung, recht begriffen, auferweckt zum Aufstand [12] Gott am Kreuz als Symbol der Erinnerung vergangenen Elends desillusioniert den Heilsstatus von Klassengesellschaften. Unser Gott war ein Rebell, auch wenn er nicht eindeutig Zelot war. Gleich­gestaltung und Nachfolge als mimetische Praxis des Evangeliums können in der Tat noch an den spiritualisierten Evangelien genug Mut zu politischem Widerspruch und Widerstand erfahren.[13] Hier setzt Verkündigung ein als Widerspruch gegen das Leidenmachen der Gesellschaft und Ermutigung zum Widerstand. Solche Verkündigung tritt in ein Milieu warensüchtiger, vom Wohl­stand des Übergewichts opiatisierter reoralisierter Untertanen.

Nocheinmal: Aufhebung der Religion - Heillos rückständig im Klima des jet-set, lust-feindlich und im zopfigen Jargon nur den Allertreusten verständlich - so ist religiöse Heilsverheißung vom kapitalistischen Warenwohl substituiert. Die Religion ist heute nicht einmal mehr Privatsache, aber im Atheismus der Massen dro­hen auch die utopischen Gehalte der Überlieferung unterzugehen."[14] Fazit: Marxens Religionsbegriff ist, wie alle Universalien, bei genauer Probe untragfähig, entzieht man ihm die Differenzierung (illusionäres Glück).[15] "Marx spricht generell von 'der' Religion und bringt sie kühn alle auf den gleichen Nenner."[16] Kritik der Religion als Form ihrer immanenten Aufhebung müßte jedenfalls im Geistbereich quer durch die Religion gehen; Aufklärung hätte mit den herrschafts­treuen Dogmen nicht zugleich jene Hoffnungen und Utopien zu ver­werfen, die selbst wirkliches Glück fordern. Das illusionäre Glück ist in die Kulturindustrie abgewandert.[17] Dies zu desillusionieren durch theoretische und prak­tische Eingriffe ins falsche Kontinuum der Glücksschablone hat Kirche weitaus eher als öffentlich-rechtliche und so oft in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der Chefetage ausgewogene oder verlagskonzentrativ-privatwirtschaftliche Medien institutionelle Freiheit. Nicht Glück oder Genuß ist abzulehnen, sondern, daß es als Ersatz politischer Mitgestaltung des gesellschaftlichen Le­bensprozesses fungiert und stumpf macht gegen Folter südwärts. Glück ist zugleich mehr als Konsum, worauf sich der Materialis­mus der Massen reduziert.

Fluchtpunkt christlichen Glaubens wäre seine Aufhebung ins Schau­en.[18] "Fluchtpunkt des historischen Materialismus wäre seine eigene Aufhebung, die Befreiung des Geistes vom Pri­mat der materiellen Bedürfnisse im Stand ihrer Erfüllung. Erst dem gestillten leibhaften Drang versöhnte sich der Geist und wür­de, was er so lange nur verheißt, wie er im Bann der materiellen Bedingungen die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse ver­weigert."[19]

5. Methodisches

Methodische Überbauphänomene wie Religion, Staat, Familie und Seele erkennt der historische Materialismus als Momente der gesellschaftlichen Formbestimmung materieller Prozesse in kausaler Verfilzung eines Netzes kontingenter Faktoren, durch die hindurch Ökonomische Grundtendenzen sich letztlich durchsetzen: fortschreitende Ver­gesellschaftung. Der Arkanbereich psychischer Strukturierung durch Theologie wäre soziokybernetisch zu durchdringen, hier leider uneingelöst.

 

II. Autorität im sozialgeschichtlichen Feld

1.          Religion: Luthertum

Im mittelalterlichen Feudalismus hatte die Theologie Legitima­tionsmuster anzufertigen, für den Primat päpstlicher Hierarchie in deren Konkurrenz zur kaiserlichen, ohne doch jene als Volks­unterwerfung anzugreifen, "Kein Zeitalter hat so sehr mit 'Au­toritäten' gearbeitet wie das Mittelalter, und auch keines hat so viel 'bewiesen' ".[20] Im Katholizismus ist die thomistische naturrechtliche Autoritätsbegründung gegen den Skotismus dominant geblieben. "Las Wort der Offenbarung bestä­tigt die Schöpfungsordnung, aus der ja nicht minder Gottes Wille spricht; Gott ist der Begründer der staatlichen Autorität... durch schöpferische Gründung der sozialen Naturanlage".[21] Thomas versteht die Gesellschaft als einen Organismus, in dem er jedes Teilorgan "als von einer Autorität geleitet und zusammengehalten betrachtet... Und so erhebt sich über dem Gan­zen mit dem religiösen Zentralzweck die religiöse Autorität als die eigentliche Seele der ganzen menschlichen Gesellschaft in all ihren Stufen und Gruppen".[22]

Luther fiel nicht vom Himmel, sondern stieg aus bäurisch-berg­männischen Verhältnisse allmählich auf zum Fürstenfreund. Seine wenigen Kindheitserinnerungen führen in ein familiales Milieu, in dem bei der Prügel sogar das Blut floß.[23] Erikson vermutet, daß Luther die Strenge seines Vaters "auf den Vater im Himmel übertragen" habe.[24] Weil seine Erziehungs­erfahrung die Regel war, ist auch seine Frage nach einem gerech­ten Gott epochal-repräsentativ und seine Antwort so wirkungsvoll geworden. Prügel erzeugen Strafangst, diese wieder Schuldgefühle, die in Selbsthaß umschlagen können und von da in allgemeine Men­schenverachtung; diese Kette mag ein Faktor sein, der zu Luthers diskriminierender Anthropologie beitrug, wie es das Bild als Reittier Gottes oder Satans in 'De servo arbitrio’ ist. Liebe gibt es nur nach totaler Unterwerfung, sei es unter den irdischen oder himmlischen Vater.[25] "Indem das Individuum seine Bedeutungslosigkeit nicht bloß hinnahm, sondern indem es sich selbst bis zum Äußersten erniedrigte, ... konnte es hoffen, Gott willkommen zu sein. Luthers Beziehung zu Gott war die einer vollkommenen Untertänigkeit..., die viel Gemeines hat mit dem Prinzip völliger Unterwerfung des Individuums unter Staat und 'Führer’".[26]

Luthers Verhältnis zur Autorität ist aufs Äußerste ambivalent. So sehr er die papistische Heilsver­waltung attackierte, so ergeben ist er dem erstarkenden Absolutismus. Luthers Wut gegen die aufständischen Bauern[27] ist nur konsequente Reaktion eines autoritären Cha­rakters,[28] der familiale Repression verstaatlicht, d.h. auf weltliche Obrigkeit insgesamt universalisiert. "Für Luther war das Elternhaus gleichsam die Schule zur Erlernung der Untertänigkeit gegenüber 'weltlicher Obrigkeit."[29] Im 'Großen Katechismus. sagt Luther zum 4. Gebot: "Bei diesem Gebot muß weiter auch die Rede sein von all dem Gehorsam gegen­über Vorgesetzten, die zu gebieten und zu regieren haben. Denn aus der Überordnung der Eltern entspringt und verbreitet sich alle andere."[30] Luther hat psychologisch recht. Seine Erklärung für das Böse in der Welt stammt kontrafaktisch aus der Autoritätsverletzung. Wer nicht gehörig gehorcht, "soll desto früher umkommen und seines Lebens nicht froh werden."[31] "Deshalb laß dir´s gesagt sein, wieviel bei Gott der Gehorsam gilt: er stellt ihn so hoch, hat selber ein solchem Wohlgefallen an ihm und belohnt ihn reichlich; dazu ist er so streng darauf bedacht, die zu strafen, die dawiderhandeln."[32] In einer Theorie, die Knechtschaft ontologisiert [33], kann Emanzipationsstreben der Bauern nur vom Teufel sein; Ungehorsam ist wahrer Grund der Kämpfe, nicht soziales Unrecht. „‘Warum an­ders, meinst du, ist zurzeit die Welt so voll Untreue, Schande, Jammer und Mord, als weil jeder sein eigener Herr und frei wie der Kaiser sein, auf niemand etwas geben und alles tun will, wo­nach ihn gelüstet? Darum straft Gott einen Spitzbuben mit dem anderen".[34] Als Radikalkur ist der primus usus legis parat: das weltliche Regiment soll das nicht christliche Ungeziefer in Schach halten.[35] Die Christen im geistlichen Regiment bräuchten an sich kein Schwert. Luthers Bund mit den Landesfürsten gegen die Bauern bildet eine Vorstufe monopolistischer Marktabsprachen: Mit Rm. 13 ordnen sich die Christen der weltlichen Obrigkeit unter, als Bürger, nicht als Gläubige; insgeheim sind Bürsten und Christen verbündet im Kampf gegen religiöse Fremdgruppen und Bauernrotten: "Und es wäre auch wohl gut und notwendig, daß alle Fürsten rechte, gute Christen wären. Denn als ein besonderer Dienst für Gott gehört das Schwert und die Amtsgewalt den Christen Vorbehalten, mehr als allen an­deren auf Erden."[36] Zugleich aber existiert ein Nichtangriffspakt der Staatsmacht in Glaubens-Sachen. Luther zitiert: "Zum Glauben kann und soll man niemand zwingen" und "Gedanken sind zollfrei"[37], Widerstandsrecht räumt Luther wenn zwar nicht den Rotten der Schwärmer, so wenigstens seinen Getreuen ein, wenn ein Landesfürst ihnen seine Konfession, es die katholische-Konkurrenz, mit administrativen Mitteln auf­nötigen wollte. "Heißt Ihr mich aber glauben und Bücher auszu­liefern, so will ich nicht gehorchen. Denn da seid Ihr ein Ty­rann und greift zu hoch."[38] Nach solchem wohl erfolglosen Verbalräsonnement ist sodann konfessionelle Bevor­mundung willig als gottgefälliges Leid zu dulden. So weit geht der Widerstand.

Der einzige Fortschritt der Freiheit, der mit dem Luthertum in das Abendland eingedrungen ist, ist die freie Wahl von zwei Konfessionen, beide gleich stark durchdogmatisiert. Glaubens­freiheit läßt Luthers eigenes System wohl kaum entgegen dem konstitutiven Postulat einer solchen als Systemmoment. "Die Anerkennung der wirklichen Unfreiheit (besonders der durch die Eigentumsverhältnisse geschaffenen Unfreiheit) gehört in der Tat zum Sinn dieses Freiheitsbegriffs."[39] "Die protestantische weltliche Landesobrigkeit, die in eine neue Herrschaftsform, nämlich die des Absolutismus hineinwuchs..., erhielt durch die Übernahme kirchenorganisatorischer Aufgaben einen religiösen Glanz."[40] Troeltsch resümiert: "Wer den lutherischen Patriarchalismus kennt, der wird nicht leugnen, daß er der Erweiterung der Untertänigkeit günstig war. Um eben dieses Patriarchalismus willen habe ich auch... den alles bevormundenden Polizei Staat und den patriarchalischen Absolutismus, als ein echtes Kind des Luthertums bezeichnet".[41]

Und noch die wenigen Momente von Individualfreiheit, die die Reformation möglicherweise verstärkt, wenn auch nicht erzeugt hat, wurden ökonomisch notwendig. "Der von den Reformatoren angebahnte kulturelle Fortschritt der Massen war unmittelbar an eine viel aktivere Bearbeitung der Individuen geknüpft, als sie beim alten Klerus gang und gäbe war. Das Bürgertum hatte seine Mitglieder angesichts der neuen wirtschaftlichen Aufgaben zu einem ganz anderen Grad von Selbstdisziplin, Verantwortlich­keit, Arbeitseifer zu erziehen als in den alten Zeiten einer relativ undynamischen, in festen Regeln ablaufenden Ökonomie."[42]

In einem religiösen Kontinuum autoritärer Denkraster mußte die Weimarer Demokratie schließlich wie ein Schlag ins Gesicht wirken Für weite evangelische Kreise entstand das Gefühl politischer Heimatlosigkeit, sie "konnten auch den Verlust der geheiligten Autorität des Staates nicht verwinden" und so "bildete sich in Verbindung mit dem Nationalsozialismus die sogenannte 'Glaubensbewegung deutscher Christen'.[43] Wo unser deutscher Faschismus nicht mit katholischer Inbrunst begrüßt wurde, fand er auf der Seite der Protestanten statt Protest gemäßigte Zustimmung. "Gerade in unserer heiligen, katholischen Kirche kommen Wort und Sinn der Autorität ganz besonders zur Geltung und haben zu jener lückenlosen Geschlossenheit und sieg­haften Widerstandskraft geführt, die selbst unsere Gegner be­wundern. Es fällt deswegen uns Katholiken auch keineswegs schwer, die neue, starke Betonung der Autorität im deutschen Staatswesen zu würdigen und uns mit jener Bereitschaft ihr zu unterwerfen, die sich nicht nur als eine natürliche Tugend, sondern wiederum als eine übernatürliche kennzeichnet, weil wir in jeder mensch­lichen Obrigkeit einen Abglanz der göttlichen Herrschaft und eine Teilnahme an der ewigen Autorität Gottes erblicken."[44] Geradezu nüchtern Bischof Dibelius von der Konkurrenz: "Wir haben von Br. Martin Luther gelernt, daß die Kirche der rechtmäßigen staatlichen Gewalt nicht in den Arm fallen darf, wenn sie tut, wozu sie berufen ist. Auch dann nicht, wenn sie hart und rücksichtslos schaltet."[45] Sie hat ca. sechsmillionenmal geschaltet.[46] Dennoch, der konfessionale Unterschied ist meßbar: "Die katholischen Erziehungspraktiken sind weitgehend extrapunitiv und auf Erfüllung autoritär gesetzter Normen gerichtet, während die der Protestanten intrapunitiven, auf Verinnerlichung der Normen zielenden Charakter tragen. Sine gewisse Entsprechung zwischen Erziehungspraktiken und gelebter Volksreligiosität ist nicht von der Hand zu weisen."[47]

Denen, die für politische Theologie plädieren, muß klar werden, daß am politischsten Theologie immer noch da war, wo sie es strikt ignorierte.[48] Gerade wenn die Strategien politischen Verhaltens in privaten Sozialisierungsklimas eingeübt werden, worin Luther und Milhoffer[49] eigentümlich konvergieren, entzieht sich politische Erziehung als Teil des ideologischen Klassenkampfs empirischer Beobachtung. Über der empirischen Er­forschung von Glauben liegt immer noch ein humanitäres Verdikt, m.E. auch zu Recht. Dennoch würde das Problem, ob Theologie überhaupt relevant ist, empirisch nur über sozialisatorische Objekt­bereiche sich erfassen lassen.

Es mag sein, daß in einer militaristischen Zeit zwischen den Zeiten, den Hoch-Zeiten des ersten und zweiten Weltkriegs eine unausgewiesen sich dialektisch nennende Theologie, wo sie nicht, wie Gogarten, dem Faschismus direkt in die Hände arbeitete, dem weltlichen Führerprinzip nichts gescheiteres entgegenzusetzen hatte als ein göttliches Führerprinzip und damit wieder auf den Stand der Papst-Kaiser-Zänke regredierte. Dazu wäre eine umfassende Untersuchung nötig; dieser Rahmen eskamotiert solche Vorhaben. Eicht nur etwa die dogmatische Struktur Barthscher Theologie ist konsequent autoritär von oben nach unten geordnet, auch die Begriffe Autorität und Gehorsam wären in einer Wort Sta­tistik der "KD” an signifikanter Stelle. Stichproben auf einer zufällig aufgeschlagenen Seite: "..daß Gott ihm begegnet als der der für ihn eintritt, seine Sache übernimmt und führt und also sein, des Menschen, eigenes Können, Wollen und Vollbringen zwar nicht auslöscht, wohl aber dem seinigen so unterordnet, wie eben der Mensch Gott untergeordnet sein muß, wenn Gottes Ehre triumphieren und wenn dem Menschen geholfen werden soll."[50] - "Erkenntnis Gottes als Erkenntnis des Glaubens ist in sich selbst, ist wesensnotwendig Gehorsam..."[51] Und selbst da, wo das theistische Umstandskleid ausgezogen ist, bleibt von Gott kaum mehr übrig als Autoritätsausdruck: "Der Mensch lernt, sich selber anzunehmen, als dieser arme und schlimme Mensch lernt er gehorchen; und dieser Weg, und diese Art, sich selber zu beurtei­len und von da aus zu leben, ist gemeint, wenn die Jesustradition von Gott spricht."[52]      

Es gibt so etwas wie ein doppeltes ’cultural lag’: Nachdem die liberalistische Wirtschaftsform dem Absolutismus durch bürger­liche Revolutionen die Macht genommen und dem Parlament überantwortet hat, braucht es wiederum seine Zeit, bis die bisher kaum mehr als behauptete 'Demokratie des besonderen Produktionsbereichs Staat auch die Inhalte des besonderen Produktionsbereichs Kirche (oder Religion) modifiziert. Als Herzstück der traditionalistischen Resistenzkraft darf der personalistische Gottesbe­griff angesehen werden, dessen Fall wenn, dann nur stillschwei­gend vollzogen wird, quasi in absconditas sub contrario. "Gott wird zum Namen für eine kommunikative Struktur, welche die Men­schen bei Strafe des Verlustes ihrer Humanität zwingt, ihre zu­fällige empirische Natur zu überschreiten, indem sie einander mittelbar, nämlich über ein Objektives, das sie nicht selber sind, begegnen."[53]

 

2.          Politik: Faschismus

Faschismusverhinderung will über seine Entstehung verständigt sein. Opitz sortiert das Theorienmeer. Kriterium genetischer Faschismustheorie ist die richtige Gewichtung einzelner Momente der Faktorenkonstellation, um antifaschistische Aktion effizient anzusetzen.[54] Vorab scheiden wegen klammheimliche Faschismusfreundlichkeit aus: Memoirenliteratur, Totalitarismustheorie und Modernizationtheorie.[55] Verbleiben noch Ansätze, die partikulare Elemente der Genese verabsolutieren: irrationalistische (Volkscharakter), geistesgeschichtliche (Nihilismus), sozialpsychologische (Autoritarismus), organisationstheoretische (Exekutivverselbstständigung), krisentheoretische (Radikalismus in Wirtschaftkrisen), agrartheoretische (Provinzialismus, Un­gleichzeitigkeit) und mittelstandstheoretische (Kleinbürgertum).[56]

Der Klassencharakter des Faschismus ist Zentralpunkt marxistische Theorien. Dimitroff ruft 1935 im Namen der Komintern SPD und KPD zur Einheitsfront gegen die Faschisten auf, erfolglos, aber im historischen Recht, mit der Formel, die etwas simplifiziert, was später Historiker differenziert dokumentieren werden: "Der Fa­schismus an der Macht ist... die offene, terroristische Diktatur der am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals."[57] In Anlehnung an Marxens "Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte”[58] weisen Bauer und Thalheimer auf die ‘Verselbstständigung der Exekutive’ hin.[59] Opitz wendet mit Recht ein, daß auch im Liberalismus die Verbin­dung von Wirtschaftsführung und Parlament nur arkanisiert be­stand.[60] Stets noch waren soziale und politische Herrschaft unter bürgerlicher Flagge zweierlei. Czichon (1967), Eichholtz/Schumann (1969) und Kühnl (1977) dokumentierten ein­drücklich die "Machteinsetzung des Faschismus durch das Mono­polkapital".[61] Die Kontroverse Primat der Politik[62] oder Primat der Industrie[63] löst Hennig[64] durch die "Definition des Faschismus als eine auf der Grundlage der terroristisch stabilisierten kapitalis­tischen Eigentums- und Produktionsordnung vollzogene gesamtge­sellschaftliche Arbeitsteilung zwischen den ‘kapitalistischen Punktionseliten’ und der ’verselbständigt-interventionistischen’ faschistischen Exekutivgewalt zur Ermöglichung und Realisierung der Produktion von absolutem Mehrwert."

Kühnl[65] definiert das Verhältnis von Industrie und Faschistenstaat als "Bündnis zweier Partner (), von denen jeder über eigene Machtmittel verfügte, die aber zugleich aufeinander ange­wiesen waren. Der Faschismus lieferte dem Kapitalismus die Mas­senbasis, die dieser mit den Mitteln der bürgerlichen Demokratie nicht mehr hatte halten können. Und die Oberklassen stellten der faschistischen Partei die staatlichen, ökonomischen und militä­rischen Apparate zur Verfügung, mit deren Hilfe die Diktatur der Partei im Innern und die Expansion nach außen durchgeführt wer­den konnten.”

Fast ungeteilte Einigkeit in der Faschismusdiskussion genießt die Bestimmung der politischen Funktion des Faschismus als eine Art Präservativ gegen die rote Gefahr. Faschismus ist Konterrevolu­tion. "Als die ökonomische Krise jedoch zur Dauerkrise wurde und damit erneut die Gefahr systemsprengender Aktionen des Proletari­ats auftauchte, oder, was politisch auf dasselbe hinausläuft, vor der kapitalistisch-militärischen Machtoligarchie befürchtet wurde weiterhin die systemimmanenten Methoden der Krisenbekämpfung eklatant versagten, blieben als Alternative zur proletarischen Revolution nur noch die Möglichkeiten: bürgerliche Diktatur oder Faschismus.”[66]

Nicht schlichter Nominalismus, sondern im Sinne evaluierender Klassifikation politisch effizient ist die umstrittene Frage, ob Militärdiktaturen ohne Massenbasis auch als Faschismus be­zeichnet werden können, wobei das Problem des "exportierten Fa­schismus"[67] virulent wird, oder ob für das Prädikat Faschismus Massenbewe­gungen erforderlich sind.

Als konkrete Aufstiegsbedingungen der NSDAP nennt Kühnl dreierlei:

 

A) Ökonomische Krisen, verstärkt in Deutschland durch Kriegsver­lust der Kolonien nach 1918 und Reparationslast, verelenden Mit­tel- und Unterklassen. Das deklassierte Kleinbürgertum kann die monopolistische Ursache seiner Verelendung nur an der Fassade von Juden in der Zirkulationssphäre antisemitisch festmachen[68] und durch Mangel demokratischer Tradition auch nur autoritär-etatistisch lösbar denken.[69]

 

B) Polizei, Justiz, Militär, Presse, Kirche und Kapital tolerieren den Stoßtruppterror gegen die Arbeiterbewegung als Rekonsolidierungshilfe ihrer nach dem Krieg 1918 verlorenen Positionen und unterstützen ihn nicht nur finanziell.[70] Hitlers imperialistisches Programm weckte im Kapital Hoffnung auf einen Neuverteilungskrieg.[71]

 

C) Krisenverelendung radikalisiert auch die Arbeiterbewegung. Diese ist jedoch gespalten in die stalinistisch-revolutionäre KPD und die humanistisch-reformistische SPD und wäre nur als Einheitsfront mächtig genug gewesen gegen die Faschisten. Revolutionärer Verbalradikalismus ohne Militanz neben sozialliberalem Parlamentarismus, der sich zum Staatsterror gegen die Räterepublik fungiblisierte, offenbaren nur, daß die Arbeiterbewegung nie mehr als zerschlagen war.[72] Nur eine Einheitsfront mit der Kritik der Waffen hätte den Faschismus verhindern kön­nen.[73]

Mag der monopolistische Charakter des Faschismus von der marxis­tischen Theorie treffend benannt sein, es käme doch alles auf präzise Genese-Rekonstruktion der Massenbewegung an, wenn anders Masse nicht als subjektloses Stimmvieh parlamentarischer Wahlen erledigt sein soll und einzige Aufstiegsbedingung einer Bewe­gung die Höhe ihrer investierten Werbekosten. „Unselbständigkeit und politische Orientierungslosigkeit“ als "politisches Mentalitätsmerkmal der Mittelschichten", die einer "Bewußtseinsfalsifikation" durch "Schablonen imperialistischer Ideologie" erliegen[74], trifft vermutlich ebenso auf Arbeiter zu und bleibt pure Verneblung dessen, worauf eingreifen­de Praxis analytische Aufmerksamkeit richten müßte, will sie in politischer Aufklärung als Teil ideologischen Klassenkampfs auf proletarischer Seite generatives Themenmaterial für den Ausgangspunkt aller Praxis aufheben.[75] Am übersichtlichsten teilt Kühnl das ideologische setting des Faschismus auf:

 

F) Sozialdarwinismus, herrenrassige Volksgemeinschaft als Vorform des Allgemeininter­esses unserer 'formierten Gesellschaft'[76] prästabilieren eine Harmonie klassenloser Gesellschaft, die doch nur bei demokratisiert-vergesellschafteter Produktion möglich wäre.[77]

 

G) Das Führerprinzip als Regression [78] in Monarchismus oder Übertragung betrieb­licher, militärischer und kirchlicher Struktur auf die Politik zeigt eine demokratieunfähige, ökonomisch verstärkte Unsicher­heit und Suche nach Halt als Produkt ansozialisierter Ich-Schwä­che, deren Kompensation der kollektive Narzißmus faschistischer Massenveranstaltungen wurde.[79]

 

H) Privateigentumsordnung war soziale Stütze des Klein­bürgertums, die es um so mehr forderte, je weniger Eigentum ihm im monopolistischen Mittelstandselend blieb. Ursache schienen ihm neben der Kartellbildung die Lohnforderungen der Arbeiter, sodaß hier Antikommunismus verstärkt wurde.[80]

 

I) Antikapitalismus mit der Romantik einfacher Reproduktion von Kleinhändlern und Kleinproduzenten in zünftlerischer Volkstümelei vereinigen die berechtigte Kritik der Kapitalkonzentration mit der Konzeptlosigkeit Deklassierter angesichts der Marktgesetze.[81]

 

J) Zusammenhalt des masochistisch unter­worfenen Kollektivs stiften Feindbilder als sadistische Aggres­sionsableitung. Objekte sind beliebig: Juden, Nigger, Türken, Schwule, Terroristen stellen nur imaginäre Mittelstandsbedrohung dar.[82] Identifi­kation mit dem Aggressor nutzt alle vorhandenen Vorurteilspakete zur Sündenbockrekrution aus.

 

K) Militaristischer Imperialismus war Kulturerbe der Weltkriegsveteranen, die die ersten Parteige­nossen wurden. Der Soldat mit latent homosexueller Führerhörig­keit war Vorbild der Nation. Unterwerfung unter die Hierarchie schafft die Wut, mit der der Feind militärisch unterworfen und ökonomisch ausgesaugt wird. Solcher Autoritarismus fungibilisier­te sich reibungslos ins unternehmerische Interesse am Neuvertei­lungskrieg.[83]

In diesem ganzen Gebilde verschränken sich ver­zerrte sozialistische Tendenzen [84] mit partikular bürgerlicher Rationalität, die ins offen Irrationale des blinden Vernichtungs­krieges umschlug. Die Kriegsgeschichte erweist dann vollends im strategischen Detail die faschistische Konzeption und ihrem Massenkonsens als 'kollektives Wahnsystem'.[85] Das provozierte sozialpsychologische Forschungen zur Entstehung von Autoritarismus aus dem Kontinuum familialer, schulischer, betrieblicher usw. Sozialisationsfaktoren. Daß damit noch nicht einmal der entscheidenste Faktor getroffen ist, bleibt bewußt; es ist jedoch kein Grund, auch ihn noch zu vernachlässigen. Das gesteht selbst Opitz ein[86], der von allen Autoren am energischsten Kritik übt an sozialpsychologischen Ansätzen.[87]

Agnoli[88], Alff[89], Clemenz[90], Horn[91] und Adorno[92] räumen psychogenetisch orientierten Untersuchung uneingeschränkte Relevanz ein, wobei Adorno, der am konsequentesten diesen Weg beschritten hat, sich im Einklang mit Opitz findet, der jenes bestreitet. Adorno er­klärt, "daß der Faschismus eigentlich kein psychologisches Problem ist, und daß jeder Versuch, seine Wurzeln und seine historische Rolle psychologisch zu erklären, noch auf der Ebene solcher Ideologien wie der von den 'irrationalen Kräften' verbleibt, die vom Faschismus selbst verbreitet werden."[93] Es findet vielmehr eine "Expropriation des Unbewußten durch gesellschaft­liche Kontrolle"[94] als "Agent mächtiger wirtschaftlicher und politischer Interessen"[95] statt. Mit eingeschränktem Recht erfolgt danach jetzt eine Konstitutionsanalyse der familialen Produktion von fungibel deformierten Individuen.

 

 

3.          Sozialpsychologie: Autorität und Familie

Als Fromm noch jung war und noch kein Revisionist, machte er, als einziger neben Reich, eine konsequente Synthese von Freud und Marx, hinter deren Stand nicht nur er selbst zurückfiel. "Die sozialpsychologischen Erscheinungen sind aufzufassen als Pro­zesse der aktiven und passiven Anpassung des Triebapparates an die sozialökonomische Situation. Der Triebapparat selbst ist - in gewissen Grundlagen - biologisch gegeben, aber weitgehend modifizierbar; den ökonomischen Bedingungen kommt die Rolle als primär formenden Faktoren zu. Die Familie ist das wesentlichste Medium, durch das die ökonomische Situation ihren formenden Ein­fluß auf die Psyche des einzelnen ausübt."[96] "Die menschliche Psyche, beziehungsweise deren Wurzeln, die libidinösen Kräfte, gehören mit zum Unterbau, sie sind aber nicht etwa ’der’ Unterbau".[97] "Die psychoanalytische Charaktereologie kann nicht nur durch den Nachweis der libidinösen Grundlagen der Charakterzüge deren dynamische Funktion als Produktivkraft (! ML) in der Gesellschaft verstehen lernen, sie bildet andererseits auch den Ansatzpunkt für eine Sozialpsychologie, die aufzeigt, daß die für eine Gesellschaft typischen, durchschnittlichen Cha­rakterzüge ihrerseits durch die Eigenart dieser Gesellschaft be­dingt sind."[98] Die Charakterzüge "bilden sieh zwar im Sinne der Anpassung an die gegebenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse aus, aber sie verschwinden nicht ebenso rasch wie sich diese Verhältnisse ändern."[99] Mit diesem Rüstzeug begann die Frankfurter Schule ihre Sozialforschung. Lorenzers und Habermasens Arbeiten haben demgegenüber lediglich gepflegteres Vokabular erworben, nicht tieferen analytischen Wert. Lorenzer begreift Sozialisation in der Familie als 'Produktion subjektiver Struktur' im 'besonderen Produktionsbereich primäre Sozialisation für den Prozeß der Kapitalverwertung.[100] Die Mutter als "Teil des Gesamtarbeiters' ist Produzent und Produktionsmittel in einem (Gebärmaschine).[101] "Praxis wird durch Praxis hergestellt. Der Ansatz der Sozialisation ist schon im Mutterleib als sensomotorischer Austausch, als gemeinsames Herstellen von sensomotorisehen Komplexen zu denken."[102]

Mit dem 'prozessualen Auseinanderhervorgehen' [103] in Wehenform wird durch allmähliche Spracheinführung in symbolischen Interaktionsformen individuelles Bewußtsein im Kind produziert.[104] Vermittlung von Normen "muß in einer 'tiefen' Über­tragung von Praxisfiguren fundiert sein."[105] Das klingt schon polierter als Fromms wildes Denken. Lorenzers Zugabe be­steht in Kriterien für Klassengesellschaftsdeformationen. Aus dem psychoanalytischen Begriff von Krankheit, die als Leiden erfahren wird, nämlich: 'Inkonsistenz von Interaktionsformen' und Wahrheit als 'Konsistenz von Praxis'[106] kann er Folgen der Arbeitsteilung als Aufspaltung konsistenter Praxis als un­wahr und krank zugleich denunzieren. "Die Klassenspaltung wiederum ist als Partikularisierung der Praxis, als Auftrennung, als Spal­tung gemeinsamer Praxis anzusehen... Die Mitglieder der bestehen­den Klassen verfügen über eine jeweils beschränkte Praxis, die sich... als strukturelle Deformation niederschlägt."[107] "'Objektiv' feststellbarer Zerfall der Beziehung von Mensch und Natur und zerfallene gesellschaftliche Totalität sind untrennbar verbunden mit dem Schicksal der individuellen Struktur, deren Zerfall vom Zerfall der Totalität der Praxis abhängt."[108] Dieses Konzept ist die bisher wohl konsequenteste Synthese von Psychoanalyse und Histomat und erlaubt, ähnlich der Habermasschen Kritik der 'Unterdrückung verallgemeinerungsfähiger Interessen' [109] über den Begriff der Partikularität eine Legitimation revolutionärer Umgestaltung der Produktionsordnung.

Horkheimers legendäre Studie über Autorität und Familie ist als Paradigma sozialgeschichtlich-psychologischer Durchdringung eine Reflexionsebene, die durch bornierte empirische Feldstudien nur scheinbar revisionsbedürftig ist. Von der Geschichte als Abfolge durch Arbeitsformen insgesamt geprägter Epochen ausgehend, weist Horkheimer auf den Wandel der Funktion von Autorität in den Ar­beitsverhältnissen hin. Mit der Arbeitsteilung in geistige und körperliche werden hierarchische Koordinationspersonen nötig, die Autorität aus ihrem Überblick über die Produktionstotalität und zugleich durch physischen Zwang innehaben. Im Feudalismus also ist Autorität an die Person des Fürsten, Hausvaters usw. gebunden.

Mit der Reformation verdinglicht, entpersonalisiert und abstrahiert sich Autorität zur christlichen Tugend, indem Gehorsam wie Freiheit zur Verinnerlichung ins Gewissen, ins ’vor Gott’ gestellt wird. "Der Mensch soll sich nicht vor der Kirche beugen, wie es im Katholizismus geschah, sondern er soll sich schlechthin beugen lernen, gehorchen und arbeiten."[110] Die Auf­klärung erweitert die innerliche Freiheit in politische Gleich­heit bei beibehaltener sozialer Ungleichheit auf Kosten des im Kollektiv eingebetteten Individuums, was sich jetzt isoliert den entstehenden Marktmechanismen des Merkantilismus gegenübersah, in denen es seine Arbeitskraft im ungleichen Tausch veräußern mußte. Es stand "aber nun in der Welt allein und mußte sich fügen, wollte es nicht untergehen. Die Verhältnisse selbst wurden auto­ritär.[111] Im Liberalismus sind sowohl Unternehmer[112] als auch Arbeiter[113] dem Markt unterworfen in einer Ver­tragsfreiheit, in der der Unternehmer diktiert, was der Arbeiter zu tun hat: "Die Unterwerfung unter die gegebenen ökonomischen Verhältnisse, die der Arbeiter im freien Vertrag vollzieht, ist zugleich die unter den privaten Willen des Unternehmers."[114]

Betriebshierarchie überträgt seine Praxisfiguren auf alle anderer Bereiche der Produzenten. "Auch die scheinbar eigengesetzlichen beruflichen und privaten Beziehungen der Menschen sind von der Abhängigkeit bestimmt, die in der Produktionsweise begründet ist und sich -unmittelbar im Sein der sozialen Klassen ausdrückt."[115] "Die Familie besorgt, als eine der wichtigsten erzieherischen Agenturen, die Reproduktion der menschlichen Charaktere, wie sie das gesellschaftliche Leben erfordert, und gibt ihnen zum großen Teil die unerläßliche Fähigkeit zu dem spezifisch autoritären Verhalten, von dem der Bestand der bürgerlichen Ordnung weitge­hend abhängt."[116] Aus der Muskelkraft väterlicher Konstitution [117] und seiner "ökonomisch begründeten Vormachtstellung"[118] als lange einzige Geldverdiener leitet sich väterliche Autorität ab. "Die geistige Welt, in die das Kind infolge dieser Abhängigkeit hineinwächst, wie auch die Phantasie, durch welche es die wirkliche beseelt, seine Träume und Wünsche, seine Vorstellungen; und Urteile sind vom Gedanken an die Macht von Menschen über Menschen, des Oben und Unten, des Befehlens und Gehorchens beherrscht."[119] "Ob in der Erziehung Zwang oder Milde waltet, ist hierbei nicht entscheidend; denn der kindliche Charakter wird durch die Struktur der Familie selbst weit mehr als durch die bewußten Absichten und Methoden des Vaters gebildet."[120] Das ökonomisch-politisch-familiale Patriarchat macht noch aus der auf Bedürfnis­befriedigung aller ausgerichteten Frau einen Transmissionsriemen von Autorität: nach oben buckeln, nach unten treten.[121]

Mit der Subsumtion der Frau, unter den direkten Produktionsprozeß, deren Kehrseite erst die feministische Bewegung ist, löst sieh die ökonomische Grundlage väterlicher Autorität ebenso auf[122] wie durch die spätkapitalistische Inflation der Arbeitslosigkeit, die auch im staatlichen Krisenmanagement nur noch verdeckt wur­den kann.[123] Ist der Vater nicht mehr Ernährer, bleibt ihm als Prestige nur noch die nackte Gewalt, und die setzt er auch hemmungslos ein.[124] Unter prognostischem Wert stehen drei Aussagen Horkheimers: Resistenzfähigkeit. Faschisierung und Auflösung der Familie. "Die Autoritätsgrundlage einer ge­gebenen Familie kann jedoch stark genug sein, daß der Vater seine Rolle behält, auch wenn die materielle Grundlage dafür geschwun­den ist, wie auch in der Gesellschaft bestimmte Gruppen weiter herrschen können, wenn sie dem Ganzen nur noch wenig zu bieten haben. Die psychische und physische Gewalt, die aus der ökonomi­schen entstanden sind, erweisen dann ihre Resistenzfähigkeit. "[125] Dieses 'cultural lag', das Nachschleppen des kulturellen und psychischen Überbaus hinter der Entwicklung der ökonomischen Basis[126] erlaubt der Pfarrerzunft noch einige Zeit ohne Berufsbedro­hung zu arbeiten; es wird von Bloch unmittelbar für die Attrak­tivität der faschistischen Volkstumspflege als Werbegag verant­wortlich gemacht. Ähnlich sieht Horkheimer im proletarischen Trend zur relativen, psychischen Verelendung ein Moment der durch Autoritarismus verstärkten Faschismusanfälligkeit: "Mit der Arbeitslosigkeit, welche die freie Arbeit nicht nur unsicher, son­dern schließlich zu einem Vorrecht für relativ begrenzte und vorsichtig ausgewählte Gruppen der Bevölkerung macht, wird frei­lich dieser Typus einer in die Zukunft weisenden Familie selte­ner; die völlige Demoralisierung, die aus absoluter Hoffnungs­losigkeit stammende Unterwerfung unter jeden Herrn wirkt sich auch in den Familien aus."[127] Kühnl bestätigt: "Nur die Randgruppen erwiesen sich als stärker an­fällig: Landarbeiter, arbeitslose Jungarbeiter, Arbeiter mittel­ständischer Betriebe auf dem-Lande”.[128] Und schließlich Horkheimers dritte Prognose: ”Wenn auch die Form der Familie selbst durch die neuen Maßnahmen schließlich gefestigt wird, so verliert sie doch mit der abnehmenden Bedeutung des gesamten mittleren Bürger- Stands ihre selbsttätige, auf der freien beruflichen Arbeit des Mannes beruhende Kraft."[129] "Es muß am Ende alles mehr und mehr künstlich gestützt und zusammengehalten werden."[130]

Negt/Kluge zitieren R. Reiche: "Das ist die permanente Terrorfunktion der Familie: Menschen lebensgeschichtlich so kaputt zu kriegen, daß sie zur Lohnarbeit disponibel sind.... Alle Familien in der kapitalistischen Ge­sellschaft sind dem Typ, der bürgerlichen Familie nachgebildet. Dieser Familientyp selber ist untergegangen."[131] Und Lorenzer re­sümiert eine ‘Theorie des Familienrechts’[132]: "Wie Hein­sohn und Knieper zeigen, droht mit dem Zerfall der familialen Strukturierung des Sozialisationsfeldes eine umfassende reelle Subsumtion unters Kapital."[133] Habermas will darin allerdings Chancen für Einsozialisierung universalistischer Wertsysteme und gegenkul­tureller Erfahrungskomplexe sehen [134], während Illich pointiert; "Die Eskalation der Schulen ist ebenso destruktiv wie die Eskalation von Waffen, nur merkt man es weniger."[135] Marcuse beschreibt den Prozeß reeller Subsumtion minutiös [136] und folgert aus dem "Verfall der Rolle des Vaters"[137] "das Aufgehen der Privatsphäre in der Masse"[138] einer "vaterlosen Gesellschaft".[139] Indem es im ödipalen Trotz gegen den Vater durch dessen Druck zum Widerstand gezwungen wird, lernt das bürgerliche Individuum zugleich Kritik vermöge der Normen seines Überichs, die es nach Verinner­lichung konsequent gegen deren ureigenste Mittler richten kann. Konträr ist das Ich, das sich ohne viel Kampf entwickelt hat, "als eine ziemlich schwache Wesenheit, wenig geeignet, ein Selbst mit den anderen und gegen sie zu werden, den Mächten wirksamen Wider­stand entgegenzustellen, die jetzt das Realitätsprinzip durch­setzen, und die vom Vater (und der Mutter) höchst verschieden sind - aber auch höchst verschieden von den Leitbildern, wie die Massenmedien sie liefern."[140] Die Autorität geht über an Massenführer, die nun Ich-Funktionen übernehmen, dem Individuum die Vermittlung zwischen Lust und Notwendigkeit abnehmen, die Inbegriff bürgerlicher Autonomie war.[141] Marcuse stützt sich auf Freuds ’Massenpsychologie und Ich-Analyse'[142], wo­rauf ich noch zurückkomme.

Zunächst jedoch widme ich mich der Produktion von Gehorsam in primärer Sozialisation auf psychologischer Ebene. Urform von kindlicher Interaktion ist Mimesis elterlicher Praxisfiguren, Identifikation mit Vater, Mutter oder Kommunarden. In der sozi­alen Hermetik der patriarchalischen Kleinfamilie ist das Kleinkind "bei der Umgewichtung seiner libidiösen Repräsentanzen von priniärnarzißtischen Größenselbstphantasien[143] auf die allmächtigen Objekte der Primärbezugspersonen ins Drei­eck der Ödipalkonstellation gepfercht[144], an­ders als in Gesellschaften mit kollektiver Pro- und Reproduktion.[145] Nach autoerotischer Oralität und Analität erlebt das Kind in der Genitalphase unter prämittiertem Sozialisationsmatriarchat während der Infantilität den Vater als Rivalen, der die Mutter-Kind-Dyade durch Inanspruchnahme der Mutter bedroht. Beide Elternteile sind als Allmachtsobjekte narzißtisch hochbe­setzt und das Kind übernimmt mimetisch-introjektiv elterliche Praxisfiguren: es identifiziert sich mit Ihnen, sie werden sein Ich-Ideal. Gleichzeitig aber entwickelt das Kind in der anwach­senden Synthese autoerotischer Selbstrepräsentanzen zur Kohärenz eines vollen Narzißmus [146] Inzestwünsche nach der kommunikativen Befriedigung seiner Genitalität. Und hier präzis setzt der innerweltlich asketisierte Sexhaß ein: Die Eltern ver­sagen dem Kind das infantile Sexualspiel durch Strafen, die schichten- und binnenschichtenspezifisch[147] divergieren.[148]

Der ödipale Konflikt ist also: Selbstbefriedigung versus Befrie­digung der Eltern, Trieb versus Strafe (Als Schlag, Liebesentzug oder Weigerung, beim Petting mitzumachen), Eigenohnmacht versus Elternallmacht, Selbstliebe versus Objektliebe, und, jetzt noch innerhalb der Objektliebe: genitale Kommunikation versus Totali­tät der Zuwendung minus Genitalität. Und die Eltern selbst er­scheinen ambivalent, als bewundert-geliebtes Allmachtsobjekt oder Ich-Ideal selbst narzißtisch besetzt, als Triebunterdrücker aber gehaßt. Die versagenden Praxisfiguren (auf Lust folgt Strafe) werden, falls die Elternobjekte überhaupt narzistisch besetzt sind, internalisiert, es bildet sich, vermittelt über die elterliche Sozialisationsagentur, der sich schichtenweise erweiternde Set gesamtgesellschaftlicher Praxisfiguren oder Normen, allerdings klassenmäßig partikularisiert, in innerer Repräsentanz als Über-Ich aus. Sind die Eltern, besonders der Vater, kein libidiös besetztes Ich-Ideal, so reduziert sich auch der Prozeß der Über- Ich-Bildung aufs Existenzminimum, so in der Unterschicht, in der die Väter ökonomisch entmachtet in peer-groups versoffen dem Kind kein Allmachtsobjekt mehr sein können, bzw die Brutalität väterlicher Praxisfiguren rockerhaft reproduzieren. Dem Lust­prinzip narzißtischer Es-Expression-Erfüllung tritt im schönsten Fall das narzißtische Vater-Mutter-Imago als Ich-Ideal entgegen und zeigt durch gezielte Weigerung. dem kindlichen Verlangen permanent gefügig zu sein, daß das Ich-Ideal eine in sich auto­nome Person ist mit eigenen Triebzielen, und nicht etwa die extrakorporale Erweiterung des kindlichen Größenselbst. In diesem induktiven Erziehungsstil verinnerlicht sich die Weigerung der Eltern narzißtisch vermittelt in eine Über-Ich-Formation, die andere Personen als autonome Einheiten im Gegensatz zum eigenen Narzißmus akzeptieren lernt. Das Unterscheidenkönnen und Akzep­tierenkönnen des Widerspruchs von Eigeninteresse und elterlichem Interesse ist nichts anderes als das Ich, als Ich-Stärke. die Kraft der Vermittlung zwischen Lust und Gegenlust. Lust und Rea­lität, Innen und Außen, innerer Natur und äußerer Natur, die im infantilen Stadium noch primär über den besonderen Produktions­bereich Familie als Agent gesamtgesellschaftlicher Totalität erfahren wird. An dieser Fähigkeit bemißt Psychoanalyse psychi­sche Gesundheit. Je nach spezifischer Konstellation des ödipalen Prozesses ist die Kraft der Vermittlung zwischen Es und Über-Ich stärker oder völlig reduziert. Es kommt dann entweder und ab­wechselnd zum Strafangstgehorsam oder psychotischer Auflösung der Fähigkeit, die Außenwelt zu berücksichtigen, Überanpassung oder Deliquenz.[149] Der Ich-Mechanismus der Identifikation mit dem versagenden Objekt, ist die gelungene Reproduktionsform von Autorität im Individuum. "Die Trennung von Ich und Über-Ich... ist dubios; genetisch führen beide gleichermaßen auf die Verinnerlichung des Vaterimago."[150] "Kritik des Überich müßte Kritik der Gesell­schaft werden, die es produziert".[151]

Je niedriger die soziale Stellung des Vaters im Produktionspro­zeß ist, umso weniger bietet er dem Kind ein prestigiertes Ob­jekt narzißtischer Ich-Idealisierung. "Der Vater, gesellschaft­lich entmachtet, kann dem kindlichen Narzißmus nicht mehr Genüge tun, weil das Kind nur noch gehorchen soll, ohne auf die Nach­folge in der Position dessen hoffen zu können, mit dem es sich identifizieren müßte."[152] "An die Qualität der Re­klamefiguren scheint sich der Narzißmus zu heften, den die Va­terfiguren nicht mehr befriedigen."[153] Caesar resümiert die Ergebnisse empirischer Untersuchungen über motivationale Dispo­sition in den Schichten. "Defensive Identifikation bedeutet die Introjektion der elterlichen Rollenmodelle primär aus Angst vor ihren strafenden Aspekten; sie wird daher auf eine eher autori­täre Einstellung und machtbezogene Sanktionsformen der Eltern zurückgeführt. Dieser Mechanismus wird folglich in der Unterschicht überwiegen, ebenso wie die generellen Verhaltensdispositionen, die als dessen Resultat angesehen werden können: Angst und Feindseligkeit, Ich-Schwäche und Unselbständigkeit. Im Falle einer anaklitischen Identifikation werden demgegenüber sämtliche Aspekte der reziproken Eltern-Kind-Beziehung primär aufgrund einer affektiven Abhängigkeit von dem liebenden Elternobjekt übernommen. Sie wird daher an die Bedingung einer liebevollen, nicht-restriktiven elterlichen Autoritätsausübung gekoppelt.

Diese Identifikationsform scheint Entstehungsbedingung einer Persönlichkeit zu sein, die durch Ich-Autonomie, soziale Kontakt und Lernfähigkeit gekennzeichnet ist. Sie wird eher für die Mittelschicht typisch sein."[154] Als Aggressivi­tätstypen ordnet sie zu sozialer Schicht und Erziehungsmethode:

 

Unterschicht / machtorientiert /offene Aggressivität

Untere Mittelschicht / liebesorientiert / gehemmte Aggression

Obere Mittelschicht / induktiv / Durchsetzungsvermögen[155]

 

Für die Analyse des partiellen Funktionsverlustes der Familie durch die fortschreitende reelle Subsumtion der Individuen unters Kapital muß nun auf Freuds Massenpsychologie zurückgegriffen werden. "Gegenüber der Familiensozialisation findet eine Umorientierung des Kapitalinteresses statt; die frühkindliche Sozialisation wird nicht mehr vollständig der Familie anvertraut; man versucht, die frühesten Bedingungen, unter denen die menschliche Arbeitskraft aufwächst, bereits gesellschaftlich zu bestimmen."[156] Denn selbst wenn die Vermassung nur in der Atomisierung der Menschen in die Fernsehstuben besteht, so ist schon der Begriff Massenmedien Indiz einer Ideologie, welche dafür Sorge trägt, daß sich die vereinsamten Menschen künstlich als Masse fühlen sollen, zu der sie bewußtseinsindustriell gemodelt werden.

 

Freud[157] geht von der Analyse der 'künstlichen Massen' Kirche und Heer aus, künstlich, weil zwangsweise zusammengehalten.[158] Beide konvergieren im Führer, sei es der Feldherr oder Christus, und der Illusion aller, er liebe alle als Einzelne. "Alle Anforderungen an die Einzelnen leiten sich von dieser Liebe Christi ab."[159] "Nicht ohne tiefen Grund wird die Gleichartigkeit der christlichen Gemeinde mit einer Familie heraufbeschworen und nennen sich die Gläubigen Brüder in Christo, das heißt Brüder durch die Liebe, die Christus für sie hat. Es ist nicht zu bezweifeln, daß die Bindung jedes Einzelnen an Christus auch die Ursache ihrer Bindung untereinander ist."[160] Auch der Führerersatz durch gemeinsame Leitideale ist möglich.[161] Freud hebt also die doppelte libidinös-narzißtische Bindung an Führer und die als gleichgestellt empfundenen Massenglieder hervor.[162] "Außerhalb dieser Bindung stehen aber auch während des Reiches Christi jene Individuen, die nicht zur Glaubensgemeinschaft ge­hören, die ihn nicht lieben und die er nicht liebt; darum muß eine Religion, auch wenn sie sich die Religion der Liebe heißt, hart und lieblos gegen diejenigen sein, die ihr nicht angehören."[163] Unsere Sätze zum primus usus legis illustrieren das.

 

Die bei Massen bestehenden Interessenkonflikte, die Freud leider nicht auf Klassenpartikularismen weiterreduzieren kann, führen unweigerlich zu Gefühlsambivalenz und Aggressionsanstauung [164]. Die libidinösen Bande der Masse werden gestreßt durch die gegen­seitige Beschränkung narzißtischer Selbstbehauptung. Vom familialen Identifikationsakt mit dem Vater als Ich-Ideal, die an Stelle von Objektwahl Objektintrojektion ist, schließt Freud jetzt auf eine kollektive Wiederholung: die Masse identifiziert sich, jeder natürlich einzeln, mit dem Führer, woraus sich ein Moment der Ähnlichkeit aller ergibt [165]. Verliebtheit als Substitution eines unerreichbaren Ich-Ideals durch das Objekt der geliebten Person, nach der man sich ausstreckt, wird für Freud zum Modell, nach dem er die Führer-Masse-Beziehung präzisiert: "Eine solche pri­märe Masse ist eine Anzahl von Individuen, die ein und dasselbe Objekt an die Stelle ihres Ichideals gesetzt und sich infolge­dessen in ihrem Ich miteinander identifiziert haben."[166] Zur näheren Charakteristik des Führers zieht er seine Urvatertheorie heran: "Der Führer der Masse ist noch immer der gefürchtete Ur­vater, die Masse will immer noch von unbeschränkter Gewalt be­herrscht werden, sie ist im höchsten Grade autoritätssüchtig, hat nach Le Bons Ausdruck den Durst nach Unterwerfung."[167] Die ständige Spannung zwischen Ich und durchs Führerobjekt substitu­iertem Ichideal als Psychodiversifikativ muß periodisch entladen werden (69ff) in gemeinsamem Aufstand gegen alle Einschränkungen, die dem Individuum in der Masse auferlegt sind.

Adorno und Marcuse gehen von dieser Analyse aus  in ihrer Analyse des Faschismus bzw. der for­mierten Gesellschaft. [168] Für den Faschismus sind die Analogien so offensichtlich, daß der Vergleich schon holzhämmrig wirkt: Führer nannte er sich sogar selbst, die Volksgemeinschaft und ihre Mas­senversammlungen und das Zugehören zu den Parteigenossen spiegelt die narzißtische Bindung ans Kollektiv ideologisch wieder und wurde, wo sie nicht bestand, von oben, behauptet. Die Liebe des Führers zum Einzelnen kam durch den Volksempfänger frei Haus und der Hinweis der SS-Chargen, Befehl gehabt zu haben vom Führer, zeigt, was mit dem Ersatz des Ich-Ideals als moralischer Reprä­sentanz im Subjekt durch die Präsenz der Führerbefehle gemeint ist. "Hitlers berühmte Formel 'Verantwortung nach oben, Autori­tät nach unten' ist die präzise Rationalisierung der Ambivalenz dieses Charakters, für den der deutsche Volksmund den Ausdruck 'Radfahrernatur' fand. Die Tendenz, 'nach unten zu treten', die sich katastrophal in der Verfolgung wehrloser und schwacher Min­derheiten äußert, ist ein ebenso ausgesprochener Zug dieses Cha­rakters wie der Haß auf die, die draußen sind."[169] Adorno, der sich der methodischen Grenzen seiner Autoritarismus-Studie voll bewußt ist,[170] entwirft und erforscht typologische Syndrome vorurteilsvollen Verhaltens, deren heutige empirische Validierung stets an der Inoperationalisierbarkeit einer nicht nach Maßgabe des je gerade forschungsstrategisch zu Bewältigenden schablonierten Perspektive noch gescheitert ist. Nach dem reichhaltigen Einzel-Interview-Material der Forschergruppe werden drei Skalen focussiert: Als Identifikation mit dem Kollektiv unter­sucht er Ethnozentrismus (E-Skala), für den Haß gegen Gruppenfremde Antisemitismus (AS-Skala). Daraus wird charaktereologische Faschismusanfälligkeit (F-Skala) abgeleitet, deren Variablen sind Konventionalismus, autoritäre Unterwürfigkeit, autoritäre Ag­gression, Anti-Intrazeption, Aberglaube und Stereotypien, Machtdenken und Kraftmeierei, Destruktivität und Zynismus, Projektivität und Sex.(1973, 45) Daraus ergeben sich die Syndrome Oberflächenressentiment, Konventioneller Typ, Autoritärer Typ, Mani­pulativer Typ, Rowdy und Psychopath, womit eine ganze Facette von Charakteren abgedeckt ist, die möglicherweise leicht faschistischer Propaganda erliegen. In diesem Rahmen ist besonders relevant, den Grundzug des am häufigsten in den Untersuchungen hervorgetretenen autoritären Syndroms hervorzuheben. Während Psychopath und Manipulativer Typ sich in sich narzißtisch zurück­gezogen haben und die Außenwelt ignorieren oder verdinglichen, um ihren bedrohlichen Einfluß auszuschalten; während der Konven­tionelle Normen kaum wirklich verinnerlicht hat und sich darum permanent um normgerechtes Verhalten bemüht, 'in' sein will, wird der auto­ritäre Charakter von den überstarken Zwängen des Überichs be­herrscht, was auf den Einfluß rigider Erziehung zurückführbar ist. Er ist masochistisch dem Autoritätsprinzip unterworfen und zugleich hilflos gegenüber dem aufbegehrenden unterdrückten Es, welches sich, in Verlängerung des es selbst unterdrückenden Prinzips der Wut gegen Schwäche, gegen Glück, welches das Es erstrebt, mit seiner ganzen gestauten Libido in Sadismus transformiert gegen alles Schwache. Allen diesen Typen mangelt es an der Fähigkeit, ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und deshalb auch die Bedürfnisse anderer. Sie können daher zwischen beidem keinen befriedigenden Austausch herstellen. Ihre Erfahrungsfähigkeit ist verkümmert. Adorno führt dies auf die Ödipale Situation zurück, in der die Ausbildung eines starken Ich mißlang aufgrund einer überstarken elterlichen Repression oder fehlender Identifikationsmuster für das Ich-Ideal.[171]

Zusammenfassend kann man sagen, daß durch die primärsozialisatorische Produktion subjektiver Struktur in autoritär-rigider Triebunterdrückung narzißtischer Initiativen im Kind eine Wahrnehmungs- und Verhaltens-Struktur ausgebildet wird, die stereo­typ untergliedert ist in Autorität und Unterwerfung, Oben und Unten, Macht und Ohnmacht, Proprium und Belanglosigkeit, Groß und Klein. Diese Struktur ist libidiös verfestigt und affektiv besetzt und bietet dem Individuum die einzige Möglichkeit, sich im Universum seiner inneren und der äußeren Erfahrung zu orien­tieren. Es ist unfähig, zu differenzieren, nimmt in Packungen wahr. Ich weiß, daß ich dem Denken und Ober- und Unterbegriffe auch erlegen bin. Solche Schablonen sind aber nur gemeinsam zu sprengen.

 

 

III. Autorität in der Praxis des Pfarrers

Hier wird nicht beschrieben, wie es ist. Sondern wie es gut täte. Wie es christlich erträglich, politisch ertragreich sein kann. Blinde Flecken der Konzeption sind: Vernachlässigung der Alten­arbeit, der Erwachsenenbildung, ritueller Auftritte und Durch­setzung des Konzepts gegenüber Gemeinderat und Kirchenleitung.

Die Strategien gegenüber einem verhärteten autoritären Charakter sind anders als sozialisatorische Gegenwirkung im Jugend­alter. Soweit also autoritätshörige, selbst autoritär agierende Erwachsene im Dauerabonnement kirchlicher Veranstaltungen auftauchen, muß der Pastor durch pure Indoktrination bei ihnen das schlimmste verhindern: etwa, daß sie ihre Kinder schlagen. Meine Überlegungen konzentrieren sich auf den Umgang mit Jugendlichen und kooperativen Erwachsenen. [172]

1.          Produktion von Ich-Stärke

Sofern Kirche ihr vom Blutrichter Filbinger unangebracht zitier­tes Stuttgarter Schuldbekenntnis 1945 des Mangels an 'brennender Liebe' u.a. nicht inzwischen dementiert hat, wäre es im Sinne, nicht nur jesuanischer Praxis, sondern auch der der Kirche, auf jeder effizienten Ebene dafür zu sorgen, daß unser Faschismus auch unser letzter war, mehr noch: daß der Monolith unserer gut 'formierten Gesellschaft' transformiert wird in endlich die De­mokratie, die ihrem Begriff entspricht, die mehr ist als freie Wahl der Herrschereliten, auch mehr als bürgerkriegsähnliche Verteidigungsschlachten militarisierter Staatsschützer gegen die, die demokratische Rechte des Staates wahrnehmen.

Die lebensgeschichtliche Deformation von Individuen durch den Untertanengeist des autoritären Charakters war nach Meinung der Sozialpsychologie ein gewichtiger Faktor dafür, daß faschistische Reklameagitatoren Bombenerfolge im Doppelsinn hatten und Bundes­bürger panische Angst, Vorgänge in ihren Arbeitsstätten hauptver­antwortlich zu entscheiden.

Merkmale des Autoritarismus waren: Identifikation mit dem Aggres­sor, Unterdrückung innerer Glücks-Sehnsucht und Schwäche, Identi­fikation mit der Eigengruppe als kollektiver Narzißmus, Aggres­sion gegen Untergebene, Schwächere, Fremde. Diese Symptome sind auf das tieferliegende der Unterentwicklung von Ich-Funktionen zurückzuführen.[173] Adorno, be­tont, daß heute immer stärker 'manipulative Charaktere' in Erscheinung treten.[174] Auch bei ihnen wird Ich-Schwäche als Zentraldefekt angesehen. Antifaschistische Aktion bedarf darum der Produktion von Ichstärke. Sie ist Basis von Liebesfähigkeit und Sozialismus, der nach Rosa Luxemburg eins mit Demokratie ist oder Barbarei.

Kirchliche Jugendarbeit ist als Sekundäre Sozialisation Korrek­tur primärer familialer. Was aus Kindersicht Mimesis heißt, ist vom Erzieher aus Übertragung von Praxisfiguren. Produktion von Subjekt-Struktur vollzieht sich über Praxisfigur-Übertragungen. Praxisfiguren umfassen die Totalität lokutionärer, illokutionär-performativer Kommunikation (Austin). Ichstärke ist die Kraft, eigene narzißtische Wünsche mit denen der anderen zu vermitteln, die Kraft, beide zu unterscheiden, Innenerfahrung (Projektion) und Außeneindrücken (Introjektion) abzugrenzen, den Austausch zwischen innerer Natur und äußerer durch die Totalität gesell­schaftlicher Praxis fortzusetzen. Ichstärke ist die Kraft sowohl, eigene Wünsche zu unterdrücken, wie, sich gegen Regeln seiner eigenen Moral und erst recht der der anderen zu widersetzen. Sie will Trieb und Gewissen zugleich befriedigen und kann den bleibenden Widerspruch beider als Sediment repressiver Gesellschaften aushalten und austragen. Mit diesen Bausteinen ergibt sich die Bestimmung des Produktionsvorgangs von Ichstärke als Übertragung der Auseinandersetzung zwischen eigenem Narzißmus und den moralischen Forderungen. Dazu gehört: die narzißtischen Wünsche des Produzenten müssen erkennbar sein, ebenso die Ansprüche der gesellschaftlichen Totalität als internalisierte Struktur. Der Produzent muß deutlich machen, daß er beide Pole zugleich ist und nicht ist, indem er mehr ist als beide. Die Souveränität, mit der er seine eigenen Wünsche ernst nimmt, artikuliert, aber auch aufschieben kann; die Souveränität, mit der er Pflichten trotzt, Erwartungen anderer enttäuscht, sich verweigert, bedeutet eine umfassende Konstellation von Praxis, die sich dem Produkt über­trägt. Möglich wird die Identifikation mit einem Ich-Ideal, das sich in seiner Stärke und Schwäche zeigt, das nicht allmächtig ist, und darum beim Kind eine Annäherung von Ich und Ich-Ideal erleichtert. Der usus elenchticus Lutherischer Gesetzeslehre wird durch ein Ich-gerechtes Ich-Ideal aufgehoben, die Selbstwertzerstörung als Rechtfertigungsprämisse überflüssig, das schlechte Gewissen kein Dauerinstitut. Grundworte sind Ja, Nein, Ich.

Das Ja zum eigenen Narzißmus ist Basis, den kindlich-jugendlichen Narzißmus zu bejahen und ihm kirchlichen Raum zu geben. Was als Moral zur gesamtgesellschaftlichen Praxis wurde, hat materielle Basis im Narzißmus, dessen Streben sie universalisierte und klas­senmäßig einseitig vorentschied. Dieser Zusammenhang ist prak­tisch zu gewärtigen. In dyadischer Form etwa: meine Wün­sche lasse ich mir nur da eingrenzen, wo sie deine Wünsche zer­stören. Wo sich unserer Wünsche entsprechen, machen wir gemein­same Sache. Autorität leitet sich im Apriori der Kommunikationsgemeinschaft (Apel) aus interaktioneller Kompetenz ab. Die Autorität der Mutter besteht schlicht darin, daß sie weiß, wie man Kinder am Leben erhält. Die Erfahrung mütterlichen Schutzes konstitu­iert Ur-Vertrauen [175] als lebensgeschichtliche Konkretion der Liehe Gottes und macht Mut zum Sein.[176] Kirchliche Sekundärsozialisation kann, indem der Pfarrer die Bedürfnisse seiner Schafe ermittelt, bewußt macht, akzeptiert und für ihre Befriedigung Möglichkeit eröffnet, solche Schutz­erfahrung verstärken. Die Zuchtrute des Katechismus als Modell von Wiederholung ödipaler Triebunterdrückung wird heute eher die Kirche diskreditieren, die fruchtbare Potentiale vergeudet, als ernstlich die filmisch und durch Bravo-Ähnliches vorgemusterte und aberzwungene Konfirmandensexualität unterdrücken. Wenn der Mensch als "Echo-Apparat" fähig ist für "ein Erlernen des Glücks und ein Erlernen des Genusses"[177], hätte Produktion von Liebesfähigkeit industrielle Sexschablonen als neue Form des Überichs zu entlarven, die falsche Versöhnung narziß­tischer Liebeswünsche durch triebgerecht scheinende Traumfabri­kate in ihrer Zwanghaftigkeit und Scheinbefriedigung durch die Entwicklung autonomer Liebesformen aufzudecken. Sensibilität für eigene und fremde Wünsche muß als Praxisfiguration übertragbar sein. Die Schwäche, dem Trieb zu widerstehen, wird eins mit der, dem Normdruck zu trotzen. Ichschwäche ist als Widerstandsmangel Basis politischer Apathie, wird Rechtsstaatsstütze.[178] Der süchtige Konsum-Oralismus von Sexualität u.a. läßt die Stärkung ichlicher Unterscheidungskraft zwischen Bedürfnis und Sozialdruck nicht zu. Wenn irgend Liebe mehr als Sucht ist, wäre der Unterschied per Medienkritik und Introspektion wie durch Exemplifikation an der eigenen pastoralen Aktion herauszuarbeiten. Solche Projekte sind generative Themen[179], von denen in bestimmter Negation[180] konzentrisch schichtenweise gesellschaftliche Wirklichkeit in Erfahrung zu bringen wäre. Autorität pastoraler Aktion ergibt einzig sich aus ihrer Fähigkeit, die unterdrückte Autorität des Ich eines Gemeindeglieds zum Sprechen zu bewegen. Weniger belehrend gesellschaftliche Totalität zu repräsentieren, als darin, sich zum Schüler der durch die Permanenz indoktrinatorischer Akte zerstörten Erfahrungsfähigkeit der Jugendlichen und anderen Gemeindeglieder zu machen. Sokrates hat nur gefragt. Man hat ihn wegen Jugend-Verhetzung hingerichtet.

 

2.          Produktion kognitiver Kompetenz (Aufklärung)

Die Verflechtung der Pressekonzentration mit öffentlich-recht­lichen Sendern durch Zuliefermonopole[181] und Marktabsprachen[182] befördert deren wachsende Angleichung[183], die den öffentlich-rechtlichen Klassenkompromiß der Ausgewogenheit der Programme[184] allmählich transformieren in gradlinige Vertretung unternehmerischer Interessen.[185] Wallraffs Bild-Report exemplifiziert die universale Selbstzensur der Bewußtseinsindustriellen.[186]

Die Exaktheit audiovisueller Reproduzierbarkeit von Tatsachen erzeugt den Schein von Wahrheit, der die Willkür verlegerischer Selektion des Veröffentlichten verschleiert.[187] Das ehemals kirchliche Informationsmonopol wich dem Konkurrenzschein bürgerlicher Öffentlichkeit. Das Vertrauen von Goebbels in Propaganda war Zeichen des Zuwachses politischer Gewaltenteilung durch Kulturindustrie als vierte Gewalt, die stärkste vermutlich, sofern zum Begräbnis des Kapitalismus noch Klassenbewußtsein fehlt. Milhoffer zeigt, wie Kinder ab 2 1/2 Jahren in die Mühlen, der Medien getrieben werden, familialer Einfluß immer mehr an den des Fernsehens übergeht.[188] Mimesis der Kinder an Westernkiller produziert das Mordsyndrom, hat "verstärkenden Effekt für den Ausbruch deliquenten Verhaltens"[189] aufgrund des Mechanismus der Extrapolation "gelernter Einstellungen auf andere Bereiche".[190] Durch fast monotone Repräsentation der Mittelschichtwelt harmonisiert Fernsehen Klassenkonflikte und be­wirkt allmähliche Verbürgerlichung des Proletariats.[191] Die ideologische Vorversöhnung gesellschaftlicher Konflikte durch die Bestallung kompensatorischer Sozial- und Kulturkritik[192] verstärkt die Illusion sozialistischer Tendenzen. Monopolismus wächst im Tarnkäpplein des liberalistischen cultural lag. Dem Konzernhochhaus wich der Tempel. Konsumentische Ichfunktionen werden durchs kulturindustrielle Einerlei substituiert.

"Die Leistung, die der kantische Schematismus noch von den Subjekten erwartet hatte, nämlich die sinnliche Mannigfaltigkeit vorweg auf die fundamentalen Begriffe zu beziehen, wird dem Subjekt von der Industrie abgenommen."[193] "Den Leu­ten ist das Bewußtsein abgekauft. Täglich werden sie trainiert im Genuß der Identifikation mit der Übermacht."[194] Die "Ritualisierung süchtiger Lust"[195] tritt an die Stelle von Realitätseinsicht, die 'repressive Entsublimierung'[196] anstelle des Leidens an Unterdrückung, das Basis ihrer Aufhebung ist.

Wenn der Antisemitismus sich als kollektiver Wahn realitätsge­rechter Identifikation mit propagierten Tickets verdankt[197] und empirische Sozialforschung Signifikanzen im Abbau von Vorurteilen durch Bildung feststellt[198], verbleibt kirch­licher Gegenöffentlichkeit zunächst nur das Eingeständnis des Dilemmas der Ohnmacht gegen das Medienimperium angesichts der Notwendigkeit von Aufklärung als Voraussetzung von Faschismus-Verhinderung, Konstitution revolutionärer Subjektivität oder auch schlichter: Gewärtigung der Wahrheit Jesu als Einsicht und Ein- griff in den Verblendungszusammenhang folternder Kollektive. Ideologiekritik via Psalmklage als erste, sprachliche Form des Widerstands hat hier einzusetzen als Verfremdungseffekt (Brecht) einer Realität, die sich selbst nicht durchsichtig ist. Freires Team führte nach seiner Rezeption dörflicher Realität gleichfalls verfremdet die Protokolle der Dorfgemeinschaft vor. Nur der An­schein des Fremden öffnet die Augen der Kritik in dem Dunkel des gelebten Augenblicks.[199] Lorenzers Therapiekon­zept als Rekonstruktion des Zusammenhangs desymbolisierter Kli­schees mit bedeutungslos gewordenen Zeichen durch Analyse und Reaktualisierung der Situation des traumatischen Ausschlußver­fahrens aus öffentlicher Kommunikation[200] verweist auf die Öffentlichkeit selbst als Exkommunikationsgefüge authentischer Symbole, die unweigerlich lebensgeschichtliche De­formationen verursacht. Predigt als Öffentlichkeit hat hierdurch zur Aufgabe, abgespaltene, verdrängte Bedürfnisse, Tatsachen und Hoffnungen zu resymbolisieren und in öffentliche Sprache einzuholen. Damit würde sich im ideologischen Klassenkampf Widerstandspoten­tial restituieren.[201] Dabei kann sich der Pastor die Autorität des opinion leaders seiner Gemeinde zu­nutze machen.[202] Predigt als Zusage des Heils kann die zerstörte Sprache der Öffentlichkeit via bestimmter Negation resymbolisieren. Sünde als Entfremdung ist identisch mit Spaltung der Praxis in inkonsistente Interak­tion, Versöhnung finge mit Konsistenzbildung als sprachlicher Heilung an. Jesu Wunderheilungen basieren darauf. Seine Wahrheit als Heil zwingt den Glauben zur Kritik. "Das Leiden des Indivi­duums drängt als sinnlich spürbarer Widerspruch gegen Zumutungen durch das Bestehende auf Abschaffung des Unerträglichen. Erkennt­nis benützt keine andere Grundlage als die darin sich regende Abwendung vom Bestehenden; anstelle einer Vorstellung richtigen Lebens beim Therapeuten, tritt die Zielphantasie eines weniger unerträglichen."[203] Homiletische Hermeneutik mit der Autorität des Pfarrers als Geburtshelfer der Wiedergeburt steht dabei selbst im "Stand der geschichtlichen Befangenheit".[204] Sie hat "in punktueller Aufhebung der Folge antago­nistischer Partikularisierung gesellschaftlicher Praxis die Rich­tung auf den Entwurf richtigen Lebens“ freizulegen.[205] Dies ist Anspruch und Autorität Jesu als "Weg, Wahrheit und Leben".

Ein Informationsmedium des Gottesdienstes sind die Abkündigungen. Hier wäre etwa ein Ort, soziale Realität der Kommune in Aufspren­gung individualistischer Bornierung auf Tauf- und Todnachrichten darzustellen. Doch ist dieser Konkretismus zunächst noch unange­messen, er steht als Aufgabe des Vikariats noch aus. In Haberma­sscher Diktion lautet die Aufgabenstellung kirchlicher Reflexion als Vorhut der proklamierten Versöhnung: in advokatorischen Diskursen verallgemeinerungsfähige Interessen zu ermitteln und mit einem angebbaren Kriteriensatz die Unterdrückung solcher Interessen zu denunzieren.[206]

 

3.          Die vorletzten Dinge

In einer demokratisierten Bibelauslegung als Interaktion (Wink) hätte gleichwohl der Pastor als Theologe Autorität, die aus sei­nem Informationsvorsprung in historischem Wissen sich ableitet. Kirchlichen Dauerabonnenten könnte er die Bibel aus Produkt ge­schichtlicher Klassenkämpfe nahebringen; Vorarbeiten einer mate­rialistischen Exegese als konsequenter Fortführung historisch-kri­tischer Forschung aus ihrer heideggerschen Befangenheit sind in vollem Gang.

Jesus hat immer als Ich-Ideal gedient. Kirche verstand sich nie anders als in seiner Nachfolge. Sie will mimetische Praxis sein. Wenn Jesus selbst in die Nachfolge gerufen hat und damit Kirche autorisiert, so hat er an keiner Stelle gefordert, daß die Diastase zwischen ihm und den Jüngern unüberbrückbar sei, daß Ich und Ich-Ideal des Gläubigen unvereinbar sind. Die Schuldreligion, zu der sich Christentum degradiert hat, entspringt dieser Diastase, verewigt in Harmatanologie und secundus unsus legis. 

Stattdessen wäre im Konkretisieren des Evangeliums von der paulinischen Metatheorie zurück zu Jesu eigener Verkündigung als einzigartig autorisiertem (Luther: solus christus) Wort darzutun, daß Nachfolge Jesu möglich ist, seine Erfahrung partizipabel, seine Praxisfiguren beglückend sind.

"Von Christus ist zu lernen: Je glücklicher einer ist, umso leichter kann er loslassen. Seine Hände krampfen sich nicht um das ihm zugefallene Stück leben. Da er die ganze Seligkeit sein eigen nennt, ist er nicht aufs Festhalten erpicht.”[207], Dafür prägte Balint den Begriff Philobatismus[208], der meint: Tanzen, Sich-loslassen können, Gefahren riskieren; Oknophilie dagegen ist das regressive Sich-klammern, Dogmatismus, ist Paulus, Pharisäismus, traditionelle Kirchlichkeit. Buße als umkehrender Fort­schritt in der Praxis Jesu ist die Bewegung von Oknophilie zum Philobatismus. Dem entspricht zugleich die mystische Tradition, die vom Dogmenkrampf des Gottgehorsams sich fallen läßt in den See­lentempel der Bildelosigkeit, darin dem Orgasmus gleich, den Jesus der Mann kaum wohl verabscheut hat. Nicht zufällig reaktu­alisiert gerade eine Frau mystische Erfahrung (Die Hinreise), deren im Patriarchalismus die infantilen Riesenbabies, die man Männer nennt, unfähig sind. Konkret: Es geht darum, Raum und Zeit zu schaffen, in der die Menschen der permanenten Stimuli der reellen Subsumtion fragmentarisch entzogen die Erfahrung einer gemeinsamen Ruhe machen können, in der sie heraustreten aus den Alltagsdimensionen, Herausgerufene werden, die dem Begriff Kirche entsprechen. Von der Situation der deformierten, abgehetzten, zerschundenen Leute her könnte gemeinsam in Festen die Dimension einer Erfahrung erschlossen werden, in der, nach Stärkung des Ich, dies in sekundärer Ich-Diffusion[209] entgrenzt wird, um sich neu zu organisieren. Die Regression ins Ich-lose, Primärnarzißtisch-Intrauterinär-Präexistente ist die Erfahrung des Erfüllten Augenblicks.

Gott als Herr verhindert keine menschliche Herrschaft. Auch die Barthianer in den Kirchenleitungen sind erzrepressiv. Die wacke­lige Kompensationstheorie ist empirisch widerlegt. Am Fußball (!) ist keine Kompensation, sondern Verstärkung von Aggression und Feindlichkeit meßbar.[210] Für Gottes Autori­tät gilt ebenso der Verstärkereffekt in einem Kontinuum mensch­licher Herrschaft.[211] Statt der Praxisfigur der Unterwerfung unter göttliche oder menschliche Führer muß ein demokratische Religion Jesus als Rebell zulassen, Gott mystisch auf den Erfahrungspunkt des erfüllten Augenblicks bringen. Der temporären Pflicht zum Ungehorsam, Ich-Gehorsam[212] auf der Verhaltensseite ent­spricht auf der Erfahrungsseite demokratisierte Gotteserfahrung. "Gott ist ein Medium, durch welches die einzelnen Menschen sich ausdrücken können, zueinander finden, einander lieben lernen und sich schließlich bis zu einem Punkt entwickeln, an dem sie sich selbst in dieses Medium versenken und sich auflösen. Mit anderen Worten: 'erlöst' zu werden heißt nicht, als separates Individu­um volle Anerkennung zu erlangen, sondern angenommen und in einer überpersönlichen Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Es bedeutet, anders formuliert, die Auflösung des eigenen Ich in einem über­persönlichen Selbst; und letzteres wird dann Gott genannt."[213] Fragmentarisches Glück[214] im Konti­nuum des Schreckens der Normalität erlaubt mystisch-LSD-gestärkte Regressionen ins Heil der Erlösung vom Ich, in das hineingestückelt zu leben schon die Folge von Schmerzen ist. "Die befreien­den Regressionen, die die Liebe ermöglicht, brechen psychische Verhärtungen auf und können es deshalb erlauben, das Ich unter dem Einfluß veränderter Erfahrungen des Selbst wie der Umwelt neu zu organisieren."[215] Die festlichen Antizipa­tionen Neuen Seins drücken sich aus in Neuer Sensibilität.[216] Luthers Freiheitsschrift beschreibt Gemeinde als Zirkulationssystem von Liebe. Dem entspricht das mystische Fest der Gemeinde, in dem der Pastor als Organisator des Rahmens und etwas Mystagoge aus der Kraft seines Zugangs zur Innenwelt im Erfahrungsaustausch andere zärtlich bereichern kann. Zugleich trägt er Verantwortung, daß solche Mystagogie nicht in Introspektion und süchtiger Lust am Dösen hängenbleibt. Er hat nicht nur Hin- sondern an Rückreise in politische Realität zu organisieren und wird darin kraft seiner Autorität pontifex minimus.

Die Zeit von wahrheitsfähiger Religion als "narrative Erzeugung eines Scheins von Ordnung", als "kontingenzüberwindende Deutungen"[217] ist vorbei. "Die Kontingenzen, die an der körperlichen und der moralischen Verfassung des Einzelnen unauf­hebbar hängen, lassen sich nur als Kontingenz ins Bewußtsein he­ben: mit ihnen müssen wir, prinzipiell trostlos, leben."[218] Im "Bewußtsein der Vergeblichkeit", in dem "der Endgültigkeit des irdischen Geschehens und der unabänderlichen Verlassenheit der Menschen"[219] dürfen wir uns in der Gemeinschaft Jesu wissen, dessen 'Mein Gott, warum hast du mich verlassen?’ der Gang in die Waisenschaft ist.

Die Solidarität der Gottverlassenen bleibt uns zurück. Die Trau­er über den Verlust Gottes bindet seine Hinterbliebenen. Es gibt keine Antwort mehr auf die Frage nach dem Sinn des Lebens. Die nötige Trauerarbeit muß Predigt, muß stellvertretend für alle der Prediger leisten (W.Bernet). "Der Glaube ist nicht die Kraft zur Sinndeutung, sondern ist Kraft zum Verzicht auf Sinndeutung in religiöser Hinsicht."[220] An Quohelet ist die Erfahrung der Absurdität und der Rekurs auf den erfüllten Augen­blick biblifizierbar. "Leben, das Sinn hätte, fragte nicht da­nach; vor der Frage flüchtet er."[221] Religion entzieht dann Halt, aber: "Verkleistert wird die Perspektive, ob nicht der Zustand, in dem man an nichts mehr sich halten kann, erst der menschenwürdige wäre".[222] Ohne Brot kein Abend­mahl. "Die metaphysischen Interessen der Menschen bedürften der ungeschmälerten Wahrnehmung ihrer materiellen. Solange diese ih­nen verschleiert sind, leben sie unterm Schleier der Maja. Nur wenn, was ist, sich ändern läßt, ist das, was ist, nicht alles."[223]

 

4.          Die Praxis der Nachfolgenden

Es gibt, das ist mein Ergebnis, keine Autorität, in deren Namen ich noch sprechen kann. Auch die meiner Erfahrung ist eine be­schränkte und macht sich das Wissen um die Partikularität ihrer selbst zum Kraftpol ihres Vorsatzes, nichts ohne die Menschen zu sein, in deren Solidarität sie dazu dienen will, an jedem Men­schen Kompetenz und damit Autorität aufstrahlen zu machen. Wohl noch wird kollektiver Narzißmus in jener Solidarität befriedigt, nicht aber Sadomasochismus und faule Sucht.

Die Verschränkung von Theorie und Praxis der Nachfolgenden ist einzig wirklicher Fortschritt von Erkenntnis. Mit Freires Dialog-Methode wäre Demokratisierung innergemeindlicher Strukturen ein erstes, überall praktikables generatives Thema.[224] Über die objektiven Möglichkeiten gemeinsamer Aktion der Nach­folgenden ist vorab gar nichts auszumachen, sofern nicht unversehens doch der Indoktrination verfallenes Besser­wissertum die Erkenntnis leitete. So bleibt faktisch alles offen. Die Praxis ist nur praktisch zu erfüllen.

 

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Nachwort 2019

 

Diese Arbeit ist vor 46 Jahren geschrieben. Vieles ist seitdem anders geworden. Die Bewußtseinslage der theologischen Fakultäten und Kirchengemeinden hat sich sehr verändert. Was damals ein Frevel war, sagt sich heute mit allergrößter Selbstverständlichkeit. Im Gegenzug wachsen evangelikale Gemeinden im Gleichschritt mit der AFD und dem neuen braunen Sumpf. Dennoch: das sind weniger als ein Fünftel des deutschen Konsenses und viele haben der Kirche aus Enttäuschung den Rücken zugekehrt, weil sie genau wie ich damals unter dem Dogmenteppich der Kirche gelitten haben.

Ich habe mit meinem Konzept der katalysatorischen Freisetzung der Charismen einer Gemeinde in drei westfälischen Kirchengemeinden gearbeitet und darf im Rückblick entgegen der damals vernichtenden Kritik des Manfred Josuttis sagen: es war genau so möglich und erfolgreich und ist komplett so verwirklicht worden.

Josuttis meinte, wer auf Macht verzichtet, überläßt den machthungrigen Alphatieren das Feld und verhindert damit, daß die Kirche sich progressiv entwickelt. Das ist falsch.

Einerseits hat Josuttis meine Idee des Mystagogen in seinen späteren Arbeiten aufgenommen und auf eine angesichts der Diktatur Hitlers widerliche Weise mit dem in Deutschland verbrannten Begriff des „Führers“ verbunden.[225] Andererseits sieht er trotz aller „Reiseführer“mentalität – so seine spätere Korrektur zum Führer-Begriff - auch, daß dies zur Unmündigkeit der Gemeinde führen kann.[226] Seine Perspektive ist immer von oben herab geblieben. Joh 10 mit dem guten Hirten ist sein biblisches Vorbild; er will die Gemeinde vor Gefahren schützen und solidarisch begleiten. Damit setzt er den Oberguru in die Rolle Jesu Christi ein. Seine Nabelschau des Pfarrers hat etwas unglaublich autistisches, selbst da noch, wo er den Pfarrer als Hebamme der Gemeinde bezeichnet, als Mäeut. Die Idee des Geburtshelfers hatte ich in dieser Arbeit S. 32 bereits lange vor Josuttis entwickelt. Aus seiner Betonung der Sonderstellung des Pfarrers kommt Josuttis nicht heraus. Er ist wie der Meisteröler der bayrischen Drahtseilbahn: „Ohne mich lief die nich.“ (Udo Lindenberg)

Das gilt auch für mein eigenes Konzept katalysatorischer Charismen-Freisetzung: Auch dieses Konzeption entbehrt nicht eines Restes von Arroganz. Aber: Zum Einen arbeitet der Pfarrer sehr viel und intensiv und das verdient auch Würdigung, wenn eine Gemeinde im Vergleich zum vorherigen Status aufblüht. Zum Anderen kann der Pfarrer aber auch mit tiefer Demut danken für eine Gemeinde, die blüht. Das ist keineswegs selbstverständlich oder machbar, sondern eine Gnade. Es ist die Übersummation des Heiligen Geistes.

Es gibt aus der Kraft des Evangeliums und des Heiligen Geistes in jeder Gemeinde genügend Menschen, die genau diese Weltverantwortung wahrnehmen. Es war eine Kleinigkeit, den Jugendlichen Raum anzubieten für ihre Sehnsüchte und Ideen. Es entstanden innerhalb kürzester Zeit eine Teestube, 3.-Welt-Gruppe, Friedensgruppe, Kochgruppe, Bewegungsgruppe, Musikgruppe, Theatergruppe, es gab Rockkonzerte, klassische Konzerte, Jazz-Konzerte, Afrika- und Chilefeste, Disko, ökologische Freizeiten, wir fuhren mit mehreren Bussen zu Antiatom-Demos, Antiatomraketen-Demos, die Kirche war ein quirliger Ort, an dem im Jugendkeller türkische Knaben Billard und Tischtennis spielten. Aus unseren Jugendlichen gingen viele Mitgründer der Grünen hervor. Wir haben damals viel bewegt in einem sozialen Brennpunkt.

Das ist keine Frage von „Gemeindeaufbau“, den der Pfarrer betreibt. Dieser Ansatz des Predigerseminars in Soest war falsch. Es war eine Frage des Zulassens und der Öffnung der Kirche für diese hochmotivierten und begeisterten Menschen aus allen sozialen Schichten. Sie sind in ihrer Lebensgeschichte zu einem großen Teil Salz der Erde geworden und durch die Institutionen marschiert mit innovativen Ideen. Sie sind heute dafür verantwortlich, daß über 70 % der Bevölkerung für einen weitreichenden Klimaschutz votieren, tragen die Optionen für Gastfreundschaft gegenüber den Opfern des ungleichen Tausches der Weltwirtschaft und gegen Massentierhaltung mit und leben sehr viel anders als es die kirchlichen Hirtenbrief proklamierten. Zahllose Kollegen haben seitdem die Demokratisierung der Kirche vorangebracht, die in der paulinischen Charismenlehre vom Leib und seinen Gliedern angelegt und schon zur Reformationszeit als Priestertum aller Gläubigen begriffen wurde.

Ich würde heute nicht mehr so sehr versuchen, die kirchliche Arbeit als Produktion von Ich-Struktur und Resilienz auf klassischer marxistischer Terminologie zu diskutieren. Der Umgang mit terminologischen Präzisionsversuchen ist eher das Gerüst, mit dem vor Ort ganz und gar auf die Menschen zugegangen wird, die sich dort einfinden. Richtig daran ist nur, daß der Pfarrer ein Arbeiter ist und diese Arbeit nicht nur die Produktion von Texten beinhaltet, sondern durch alles Reden, Hören und Strukturieren von Gemeinschaftserlebnissen, Räumen usw. eine Kader-Arbeit darstellt. Seit diesen frühen interdisziplinären Versuchen, die seelsorgerliche Funktion des Pfarrers sozialtherapeutisch zu verstehen, hat sich in der Kirche viel getan. Es gibt Balintgruppen, TZI-Gruppen, Transaktionsanalysegruppen, Gesprächstherapiegruppen in der Telefonseelsorge, Notfallseelsorge und Beratungszentren. Ich hatte mich für Gestalttherapie entschieden und damit die kreativen und spielerischen Formen meiner Gemeindearbeit direkt fortsetzen können. Das Bewußtsein für den Gefühlssektor ist großartig gewachsen im kirchlichen Raum. Diesen Trend hat meine frühe Examensarbeit antizipiert und war darin nachgerade futurologische Zukunftswerkstatt. Die ehrenamtliche Mitarbeit der Gemeindeglieder verdient dabei einen hohen Respekt und stellt selbstverständlich ebenso eine Produktion dar.

Natürlich menschelt es in jeder Gruppe oder Gemeinde und es gibt keinen reinen Ort der Liebe, sondern gerade dann, wenn etwas sehr gut gelingt, immer auch Neider und Rivalen.

Daneben gibt es die reaktionäre Erwartung an den Pfarrer, eine Autoritätsperson zu sein, die eine Gemeinde leitet und kommandiert. Diese Leute zieht es heute wieder verstärkt in evangelikale Gemeinden. Sie fühlen sich erst dann sicher, wenn ihnen geweissagt wird, daß ein machtvoller Gott alles für sie arrangiert und dazu ihr totales Einverständnis einfordert. Diese Leute fühlen sich unbehaglich, wenn die Gemeinde zur Kompetenzgemeinschaft für die drängenden politischen Fragen wird und wollen ein kirchliches Szenario, wo sie vor ihrem Schöpfer strammstehen können. Sollen wir ihnen das Feld überlassen? Der Trend geht zu Nischen-Gemeinden mit deutlichem Rechtsruck, wo sich alle autoritären Charaktere im Sinne von Adornos Autoritarismusstudien tummeln. („Schmeiß den Buddha aus dem Fenster!“ predigt hier in Bremen Olaf Laatzel.) Aber es sind nur Randgruppen innerhalb der Kirche, lange schon nicht mehr die Mitte, auch wenn sie verstehen, sich lautstark und populistisch in Szene zu setzen. Auch angesichts dieser Hochdrobengott-Gläubigen kann man analog zu den weltweiten Trends zu demokratischeren Gesellschaften und der Tatsache, daß frühere Rückwärtswellen den langfristigen Aufstieg der Demokratie immer nur vorübergehend gestoppt haben (Christian Welzel), prognostizieren, daß in der Kirche der Zukunft die emanzipatorische Kraft des Geistes Jesu, der gerade in den Schwächsten am stärksten ist, irreversibler Weg der Gerechtigkeit und des Friedens sein wird. Das ist eine der Chancen Gottes in der Welt, die trotz so vieler Kriege und Grausamkeiten unmerklich doch laut Statistiken immer ein kleines bißchen besser zu werden scheint. Gott wirkt auch in NGOs und Umweltgruppen und dazu muß man nicht Rm. 13 bemühen und die Zweireichelehre. Die Kraft der Liebe, Fürsorge und Verantwortung für diesen unseren Planeten globalisiert sich quer durch die Religionen. Es lohnt sich, die Hoffnung auf eine heimatliche Gotteswelt im Werden nicht aufzugeben. Bei allem Rechtsruck: ich bin stolz auf unsere Generation und auf die kommende, junge Generation mit ihrem Engagement für eine bessere Welt. Dort kann man Gott am Werk sehen, manchmal etwas lahm, aber es wird irgendwann gut, ohne Kreuzigungen und ohne Schuldzuweisungen. Mit der Studentenbewegung der 1968er Jahre entstand die Theologie der Hoffnung Moltmanns und wurden die Schriften Blochs und der Frankfurter begierig gelesen. Wenn man sich die Zeit seitdem vor Augen führt, kann man resümieren, daß diese Ideen eine Gesellschaft grundlegend verändert haben. Wir leben heute ungleich freier, die Zahl der Hungertoten weltweit ist um mehr als die Hälfte zurückgegangen, erneuerbare Energien werden in wenigen Jahren den überwiegenden Anteil des massiv gestiegenen Energiebedarfs decken. Es tut sich was und Deutschland ist in vielen Dimensionen weltweit ein Vorreiter geworden. All dies spricht dafür, daß die von mir angedachten Ideen zu einer Demokratisierung der Gemeinden den Finger am Puls der Zeit hatten und ein absolutes Recht hatten, genau so gehört und beachtet zu werden. Für mich war damals die weltliche Dimension des Pfarrers die Erziehung zur Mündigkeit, um einen wiederholten Faschismus in Deutschland zu verhindern. Das ist auch heute noch gültig: Nur durch Bildung und Aufklärung lassen sich faschistoide Tendenzen aufschmelzen. Wenn die Rede von einem liebenden und gütigen Gott dazu beitragen kann, dann darf auch die Kanzel in Betrieb bleiben.



[1] Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 31

[2] Adorno/Horkheimer 1947, 17

[3] Hegel 1369, 145ff

[4] MEW 3, 31

[5] MEW 3, 28

[6] Horkheimer 1936a, 171f

[7] Marx 1953, 208

[8] 1973, 126

[9] Marx 1953, 208

[10] Molt­mann 1972, 139ff

[11] 1970, vgl Daiber 1973, 210ff und 1977, 36

[12] Moltmann 1972, 137, 293ff; Hedinger 1972

[13] Sölle 1968 Tillich 1968

[14] Habermas 1973, 113

[15] so auch Gollwitzer 1977, 22

[16] Ebenso Josuttis 1974, 252; Marhold 1973; Kehrer 1968, 115ff

[17] Adorno/Horkheimer 1947, 108ff

[18] 1 Kor 13,12

[19] Adorno 1966, 205

[20] Seeberg 1913, 10

[21] Hauser 1949, 375

[22] Troeltsch 1923, 320

[23] Erikson 1970, 68ff

[24] aaO 62

[25] Fromm 1966, 84

[26] Fromm 1966, 87

[27] Horkheimer 1956b, 150

[28] Fromm 1966, 38

[29] Eschenburg 1976, 95

[30] Luther 1964, 52

[31] aaO 48

[32] aaO 49

[33] Marcuse 1936, 65

[34] Luther 1964, 52

[35] Luther 1965, 20ff

[36] Luther 1965, 30

[37] aaO 39

[38] Luther 1965, 42f

[39] Marcuse 1936, 65

[40] Eschenburg 1976, 91

[41] Troeltsch 1910, 209

[42] Horkheimer 1936b, 131f

[43] Eschenburg 1976, 92

[44] Hirtenbrief vom. 8.6.1933, zit. in Kühnl 1977, 213f

[45] in Kühnl 1977, 222

[46] Kogon 1974, 45

[47] Kehrer 1968, 127f, vgl 115, Auch Habermas 1973, 109 sieht autoritäre Muster als Produktivkraft, es "bedarf aber sowohl das leistungsorientierte Berufsethos der Mittelschicht wie der Fatalismus der Unterschicht einer Absiche­rung in religiösen Überlieferungen."

[48] Josuttis 1974, 158

[49] 1973, 149: "es extrapoliert die gelernten Einstel­lungen auf andere soziale Bereiche"

[50] KD I, 2, 283

[51] KD II, 1, 27

[52] Braun 1973, 121f

[53] Habermas 1973, 167

[54] Opitz 1974, 982

[55] Opitz 1974, 545ff unterzieht diese Ansätze eingehender Kritik

[56] Cf Opitz aaO 556ff.

[57] Dimitroff 1935, 58

[58] MEW 8, 111-207

[59] Bauer 1936, 151f und Thalheimer 1930, 28, 31 u.ö.; ähnlich Agnoli 1968, 89 und 95

[60] Opitz 1974, 579

[61] Opitz 1974, 573

[62] Mason 1966, 1968

[63] Czichon 1968

[64] 1973, 162

[65] 1971, 134; vgl ders. 1977, 57ff, 70ff, 139ff, 200ff, 245ff, 317ff, 340 ff

[66] Clemens 1972, 137

[67] Opitz 1974, 602; Kühnl 1971, 158; Clemenz 1972, 129

[68] Horn 1970, 169

[69] Kühnl 1971, 80ff, 99ff; 1977, 94ff

[70] Kühnl 1971, 102ff; 1977, 45-85, 139-176

[71] Kühnl 1971, 108; 1977, 174

[72] Kühnl 1971, 111ff; 1977,-34-44, 176-187; Hennig 1973, 149ff

[73] Clemens 1972, 131; Dimitroff 1935, 63ff

[74] so Opitz 1974, 589ff, bes 593

[75] Freire 1973, 84ff; Hegel 1969, 52ff; Dimitroff 1935, 70ff

[76] Huffschmid 1969, 135

[77] Kühnl 1971, 85ff

[78] Habermas 1973, 118

[79] Kühnl 1971, 87ff, 110 Vgl. unten II.3

[80] Kühnl 1971, 90f

[81] Kühnl 1971, 91ff; Clemenz 1972, 131f nennt das 'ideologische Entökonomisierung'

[82] Kühnl 197 1 5 93ff, l50ff; Adorno/Horkheimer 1947, 180 Ticket-Charakter des Antisemitismus; Schäfer/Six 1978, I78ff

[83] Kühnl 1971, 95f, 146-155; 1977, 105-119, 210-230, 302-316, 340ff

[84] Volksgemeinschaft, vgl. Tom­berg 1974, 628; Antikapitalismus

[85] Horn 1970, 169-173

[86] 1974, 582

[87] aaO 560

[88] 1968, 94

[89] 1971, 121

[90] 1972, 130

[91] 1970

[92] 1973, 308; 1971, 62

[93] 1971, 62

[94] aaO 64

[95] aaO 62

[96] Fromm 1970, 23

[97] aaO 30

[98] aaO 57

[99] aaO 58f

[100] 1976, 218, 236, 239

[101] aaO 241, 246

[102] aaO 254

[103] aaO 250

[104] aaO 251

[105] aaO 254

[106] aaO 260

[107] aaO 263f

[108] aaO 264

[109] Habermas 1973, 153ff

[110] Horkheimer 1936a, 207

[111] aaO 189

[112] aaO 190

[113] aaO 195

[114] aaO 196

[115] aaO 200

[116] aaO 206

[117] aaO 208

[118] 212

[119] aaO 212

[120] aaO 216

[121] aaO 222ff

[122] aaO 225

[123] aaO 227

[124] Horn 1967; Gottschalch u.a. 1971, 95; Brückner 1972; Caesar 1972, 106, 112

[125] Horkheimer 1936a, 226, vgl. 173ff

[126] Kühnl 1971, 56, 59, 61, 63, 68f, 86f, 91; Marx, MEW 13, 640f; Bloch 1932, 110; 1975, 1ff; Adorno 1962, 182; Lukács 1968, 137; Negt/Kluge 1972, 141, 290f, 292

[127] Horkheimer 1936a, 227

[128] 1971, 82

[129] aaO 230

[130] ebd

[131] 1972, 63 Anm. 47

[132] Frankfurt/Main 1974

[133] Lorenzer 1976, 247; vgl. dazu Negt/ Kluge 1972, 297f

[134] 1973, 127

[135] 1973, 24

[136] 1964

[137] 1965, 88; Vgl. Mitscherlich 1973, 184

[138] 1965, 94

[139] aaO 96

[140] aa0 93

[141] aaO 90

[142] 1967

[143] Kohut 1973, 127ff

[144] Schneider 1973, 112

[145] aaO 111

[146] Kohut 1973, 245

[147] Caesar 1972, 67; Haensch 1969, 42ff; Jaeggi 1973, 240ff; Milhoffer 1973, l65ff; Horn 1967

[148] Negt/Kluge 1972. 49; Brückner 1972

[149] Gottschalch u.a. 1971, 143ff, l65ff; Milhoffer 1973, 135ff, 207ff; Adorno 1966/265ff; Neumann-Schönwetter 1973

[150] Adorno 1966, 267

[151] aaO 268

[152] Horn 1967, 22

[153] aaO 23

[154] Caesar 1972, 76f

[155] aaO 112

[156] Negt/Kluge 1972, 298

[157] 1967

[158] aaO 32

[159] aaO 32

[160] aaO 33

[161] ebd; Marcuse 1965, 96

[162] aaO 34

[163] aaO 37

[164] aaO 40f

[165] aaO 44-49

[166] aaO 55

[167] aaO 67

[168] Adorno 1971, 39f; Marcuse 1965, 85ff

[169] Adorno 1971, 52

[170] 1973, 303-314; die in Schäfer/Six 1978, 174ff resümierte Methodenkritik hätte man auch bei Adorno selbst nachlesen können und wäre vorm positivistischen Zugriff geschont

[171] 1973, 314, 1970, 17ff, 95ff; Fromm 1936, 110ff; Adorno 1970, 113ff, I40ff; Adorno/Horkheimer 1947, 139f, 165ff

[172] cf. Adorno 1971, 110, 119

[173] Horn 1970, 167; 1968, 73, 79; Adorno 1970, 17ff; 1971, 48, 90, 120; Adorno/Horkheimer 1962, 37ff, 149f, 160, 186ff; Milhoffer 1973, 224ff; Fromm 1936; Reich 1933, 56ff

[174] 1970, 97; 1971, 121; cf. Horn 1967, 87, 97; 1968, 63, 66

[175] Erikson 1966, 62

[176] Tillich 1963

[177] Horkheimer 1975, 21

[178] Horn 1968, 73ff

[179] Freire 1973

[180] Hegel 1969

[181] Negt/Kluge 1972, 193

[182] aaO 194

[183] aaO 263

[184] 195, 265

[185] Jaeggi 1973, 307ff

[186] Jaeggi 1973, 309ff

[187] Die glänzendste Analyse dazu haben Adorno/Horkheimer 1947, 105ff vorgelegt.

[188] Milhoffer 1973, 143ff

[189] aaO 147

[190] aaO 149

[191] aaO 148f

[192] Negt/Kluge 1972, 141ff

[193] Adorno/Horkheimer 1947, 112

[194] W. F. Haug, Zur Kritik der Warenästhetik, in: Kursbuch 20, 155f

[195] Horn 1968, 78

[196] Marcuse 1964

[197] Adorno, Horkheimer 1947, l79ff; 1962, 87ff; Adorno 1973, 187, 307ff; 197, 107ff; 1970, 116ff

[198] Schäfer/Six 1978, 146-160; Milhoffer 1973, 233, 253, 258

[199] Bloch 1959, 334ff

[200] Lorenzer 1973, 106ff

[201] Negt/Kluge 1972, 164ff, 293

[202] Jaeggi 1973, 304; Schäfer/Six 274

[203] Lorenzer 1976, 212

[204] aaO 275

[205] aaO 275

[206] Habermas 1973, 160f

[207] Sölle 1968, 65

[208] 1972, 23ff

[209] Erikson 1966, 106ff

[210] Schäfer/Six 1978, 167

[211] Horkheimer 1936a, 217

[212] Brückner 1975, 100ff; Mitscherlich 1973, 240ff

[213] Gal­tung 1975, 76

[214] Hedinger 1972

[215] Vinnai 1977, 22

[216] Marcuse 1969, 43ff, bes. 73

[217] Habermas 1973, 164f

[218] aaO 165

[219] Horkheimer, Kritische Theorie I, Frankfurt/Main 1968, 376

[220] Josuttis 1974, 130

[221] Adorno 1966, 367

[222] aaO 371

[223] aaO 389

[224] Galtung 1975, 89

[225] Manfred Josuttis, Die Einführung in das Leben. Pastoraltheologie zwischen Phänomenologie und Spiritualität, Gütersloh 1996, 26-28; Mystagoge cf aaO 99; siehe auch Josuttis, Petrus, die Kirche und die verdammte Macht, Stuttgart 1993

[226] Josuttis 1996,32