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Micha Lütge

Krieg 3.0

Predigt am Volkstrauertag 17.11.2018 in der Rembertikirche

Hosea 2,20 heißt es: „Bogen, Schwert und Krieg werde ich zerbrechen und aus dem Land verbannen.“ Nach Matthäus 26,52 sagte Jesus: „Die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen.“

Noch wird traditionell gemordet: Panzer, Bomben, Granaten, Raketen, Aushungern lassen, Giftgas, Terroranschläge. Atomwaffen werden offiziell geächtet und zugleich engagiert weiterentwickelt. Die Industrienationen nutzen ihre Wissenschaftler aber auch zur Entwicklung immer perfiderer Waffen, die selbst entscheiden können, wen sie töten. Es braucht bald nicht einmal mehr den Computerspezialisten, der in der Creech Air Force Base im US-Bundesstaat Clark County in Nevada oder in Ramstein in der Pfalz vorm Bildschirm sitzt und die Drohne MQ-9 Reaper der Firma General Atomics in Pakistan steuert. Er drückt auf den Joystick und feuert damit die Hellfire-Rakete auf die Hochzeitsgesellschaft dort unten im Gebirge ab. Nach der Explosion kann er die Leichen am Boden deutlich erkennen. Man drückt vorm Bildschirm nur noch den Joystick und schon sind Dutzende Menschen zerfetzt. Auf 47 getötete Terrorkämpfer dort kommen 3100 Zivilisten und Kinder, ein gewisser Kollateralschaden des CIA. Die Entscheidung über den Tod der dortigen Talibankämpfer kann ihm aber bald schon die Drohne selbst abnehmen. Sein Gewissen bleibt dann sauber.

Häckler & Koch, Kraus-Maffei, Rheinmetall und die Zulieferfirmen für Tötungsmaschinen machen das Morden sauberer und gemütlicher. Wir exportieren Terror. Terror durch Hightech. Mit unseren Waffensystemen killen die Saudis im Jemen die Aufsässigen, bringen die Kindersoldaten im Kongo sich gegenseitig um. Deutschlands Firmen verdienen am Morden weltweit. Wann endlich bauen sie statt Panzern Elektrobusse?

Es gibt eine stärkere Waffe als jede Drohne und jeder Killerroboter. Ghandi oder Martin Luther-King zeigen, daß auf Dauer die Macht der Ohnmächtigen stärker sein kann als die Abschreckung der noch so perfekten Waffensysteme. Der Hunger auf der Welt wäre längst nicht mehr, wenn auch nur ein Bruchteil der Rüstungsausgaben für Entwicklungsprogramme verwendet würde. Allein an der bloßen Unterhaltung von kostspieligen High-Tech-Armeen sterben täglich 24.000 Kinder im Hunger.

Alle Völker haben Angst, die Gegner könnten bessere Waffen haben. Und darum, aus Mißtrauen und Angst, rüsten alle auf. Nicht fremde Völker sind der Feind. Der wirkliche Feind ist unsere Angst, unser Mißtrauen, ist die russische Angst, die amerikanische Angst. Und diesen Feind bekämpfen wir mit Vertrauen. Wenn wir wirklich glauben wollen, daß Gott unsere Schutzmacht ist, dann brauchen wir keine Drohnen in einem Land, das mit militärischen Mitteln eh nicht zu verteidigen ist. Wenn aber wir keine Waffen mehr haben, schwindet bei anderen Völkern die Angst, wir könnten sie angreifen. Also werden unsere Nachbarn auf unsere Abrüstungsschritte hin auch abrüsten. Dann wird es eine Abrüstungsspirale geben. Das ist machbar. Aber einer muß den glaubhaften Anfang machen. Bei Hunden löst das Hinhalten der Kehle, also die absolute Wehrlosigkeit, eine völlige Tötungshemmung aus.

Wir haben hiermit nur noch fast keine Erfahrungen, Vertrauen als die Waffe zu beherrschen, die wirksamer ist als die besten Waffensysteme der Welt. Und wir leben in einem Europa, welches außer Trumps Handelskrieg nichts zu fürchten hat. Die Schweiz hat fast kein Militär. Und so hat sie zwei Weltkriege unbeschadet überstanden. Es funktioniert also. Wir können unserer Regierung durch Unterschriftenlisten, Demos und Wahlen sagen: Fahrt den Verteidigungshaushalt runter, stoppt Rüstungsexporte generell.

Gewaltlosigkeit will gelernt sein. Wer als Kind auf dem Schulhof schon lernt, sich mit den Fäusten zu wehren, wird kaum verstehen können, daß ohne Drohung mit Gewalt die Konflikte auch zu lösen sind. Darum fängt Friedenschaffen schon in der Schule an, nein, schon im Kindergarten, nein, schon in der Familie. Wenn die Eltern ihren Kindern mit Schlägen und lauten Worten das Recht des Stärkeren beibringen, wie sollen da Kinder jemals die Möglichkeit friedlicher Konfliktlösung kennenlernen? Frieden fängt im Elternhaus an! Die Schulen trainieren Friedenserziehung. Es gibt Streitschlichterkurse. Der immer belächelte Tip Jesu - ich halte ihn für die Rettung der Welt: Ihr wißt, daß es heißt: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ich aber sage euch: Ihr sollt euch überhaupt nicht gegen das Böse wehren. Wenn dich einer auf die rechte Backe schlägt, dann halte ihm auch die linke hin. Wuwei – eine taoistische Lehre vom Nicht-Handeln – läßt die Aggression des Bösen ins Leere laufen, indem es keinen Widerstand bietet. Und zugleich müssen wir streiten lernen, aufrichtig unsere Wünsche anmelden und sie dem anderen so einfach erklären, daß er sie verstehen und mit seinen Wünschen zusammenbringen kann. Dann kräftig feilschen wie auf dem Basar. Dabei nicht sofort zu allem Ja und Amen sagen. Und damit etwas für alle Partner Akzeptables aushandeln. So geht Gottes Frieden. Amen.

(Zu dieser Kurzpredigt sagte im Nachgespräch eine 80jährige Dame, das sei die beste Predigt, die sie jemals in der Rembertikirche gehört habe. Sie geht jeden Sonntag dort zum Gottesdienst. Und es nimmt nicht Wunder, daß ich nie wieder danach dort zum Predigen angefragt wurde. Genauso werden in Bremens "Weserkurier" die Vorträge von Eugen Drewermann totgeschwiegen.)