Zum Impressum

Gottes Schwäche

Passionsandacht am 13. März 2019 Christuskirche Vahr

Wo ist Gott? Nicht im Himmel, hochdroben, wie frühe Glaubensmodelle ihn vorgestellt haben trotz des jüdischen Verbotes, sich Bilder von Gott zu machen. Wir machen uns aber immer wieder Bilder, Vorstellungen, Paradigmen und variieren sie durch die Jahrhunderte hinweg. Man kann gar nicht bilderlos von Gott sprechen. Es geht also um tragfähige Bilder. Bilder, die nicht unsere Vernunft beleidigen, weil sie schlicht gegen jede Faktizität die Qualität von Trump-News haben. Und die uns tragen können in unserer Verzweiflung, nein, die die Welt tragen können in ihrer Verzweiflung.

Jesus sagte: Was ihr getan habt einem meiner geringsten Brüder, das habt ihr mir getan. Er identifiziert sich mit den Leidenden und hat gelitten am Kreuz wie tausende von Aufsässigen, die gegen die Römer opponierten. Sehen wir ihn als Gottessohn, so leidet Gott selbst in seinem Tod, Hegel sagt: Gott selbst ist tot. „Christus ist ein vollkommener Mensch gewesen, hat das Los aller Menschen, den Tod, ausgestanden; der Mensch hat gelitten, sich geopfert, sein Natürliches negiert und sich dadurch erhoben. In ihm wird dieser Prozeß, diese Konversion seines Andersseins zum Geiste, selber angeschaut, und die Notwendigkeit des Schmerzes in der Entsagung gegen die Natürlichkeit; aber dieser Schmerz, daß Gott selbst tot ist, ist die Geburtsstätte der Heiligung und des Erhebens zu Gott. So wird also, was im Subjekte vorgehen muß, so wird dieser Prozeß, diese Konversion des Endlichen als an sich vollbracht in Christo gewußt.

Wie kann Gott das Leiden in der Welt zulassen? Die Frage geht von einem himmlischen allmächtigen Burschen aus, der die Welt in 6 Tagen gemacht hat, aber seit dem 7. Tag nur noch ausruht. Der möglicherweise oder besser: unmöglicherweise alles vorherbestimmt hat, wann ich meinen Motorradunfall habe und wann Hitler die Juden vergasen ließ mit dem vom Juden Fritz Haber erfundenen Parasitenkiller Cyklon B. Solange wir am allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde festhalten, können wir über ihn klagen und meckern und die Hände in den Schoß legen. Denn es wäre ja an ihm, das Heil der Welt zu organisieren. Und eins ist er ganz sicher nicht: Liebe. Er ist ein Sadist, der täglich 24.000 Kinder verhungern läßt, nachdem er sie eben noch geschaffen hat.

Ich glaube nicht an so einen himmlischen Halbstarken. Wenn aber Gott weder der Urknallzünder noch Schicksalswirker ist, sondern Liebe, dann gibt es ihn noch gar nicht so ganz, sondern nur ein bißchen. Senfkorn-groß. Oder als Sauerteig, dessen Gärung ihre Zeit braucht und dann sehr viel durchsäuern und zum Gehen und Wachsen bringen kann. Klein wie Jesus im großen Lauf der Geschichte. Klein wie Greta Thunberg. Diese Gotteskraft – oder gerne auch dieser Geist – ist nach Paulus in den Schwachen mächtig. Gott ist dann nicht der Oberpavian, sondern ein Ferment des Geistes der Liebe, welches uns animieren kann, so wie Jesus uns auf die Seite der Leidenden zu schlagen und mit ihnen zu kämpfen und leben für eine Zukunft, in der das Leiden schrittweise weniger wird. Die Statistik der Hungertoten und Kriegstoten zeigt, wir sind trotz aller Horrormeldungen auf einem halbwegs guten Weg dahin, aber es wird noch lange dauern, bis die Welt für alle Heimat geworden ist.

Das Wunder ist, daß gerade Menschen in Leid oft – nicht immer – auf eine beeindruckende Weise über sich hinauswachsen. Darin Jesus verwandt. Dieses Wunder ist der göttliche Prozeß, der im Leiden beginnt und seine Aufhebung als die große Vision und Zukunftswerkstatt dieses Weltexperiments träumt und realisiert.

Die Frage verkehrt sich dann: Wie können wir zulassen, daß Frontex die Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken läßt, daß Flüchtlingsboote in Italien und Malta abgewiesen werden und Retter bestraft werden? Wir sind die, die das alles zulassen und nicht allzuviel dagegen tun. Das ist Atheismus, die Welt tatenlos in Katastrophen stürzen zu lassen und dann noch zu meckern, daß Gott nichts tut. Wir sind Gottes Hände, wir sind Gottes Kopf, der Pläne zur Erschaffung einer menschlichen Welt aus dem Chaos des anarchischen Kapitalismus entwickeln kann und die Tugend des Fastens nicht nur für die Leber pflegt, sondern als Sparsamkeit und Nullwachstum unserer Wirtschaft entwickelt, die ihren Müll in Indien ablädt und ihre Rohstoffe aus armen Ländern für Dumpingpreise ergattert und damit irgendwann in die Katastrophe schlittern wird.

Jesu permanente Passion geht weiter, so grausam wie eh und je. Tauchen wir ein in die Solidarität der Schwachen, nehmen  wir teil an Gottes Ohnmacht und suchen wir uns die Stelle, an der wir das in unserer Stadt und unserem Bereich tun können.

 

Begrüßung Thema: Gott läßt leiden? Oder wer macht Leid? Wo ist Gott dabei?

Wir feiern diese Zeit im Nachdenken des Geistes Jesu, in dessen Leidenschaft für das Leben Gott als die Liebe Kraft gab und gibt. Kraft, die auch uns begeistern kann zur Liebe in allen ihren Spielarten. In dieser Liebe wohnt der schöpferische Geist Gottes.

Einsam bist du klein 315     |: a D G e :|

Gebet: Gott, wo bist du? Wir suchen dich im Himmel als Schöpfer und Bewahrer dieses Planeten, aber wir sehen dich nicht, können nicht erleben, daß du etwas gegen die Zerstörungen tust, die wir Menschen auf der Erde anrichten. Wir sehen es nicht, daß Du allmächtig bist. Wir haben den Schrei Jesu in den Ohren: Mein Gott, warum hast du mich verlassen? Gott, wo bist Du?

Text: Moltmann, Der gekreuzigte Gott S.262 Eli Wiesel (Petra Schröder)

Wort: Rm 8,18ff (Petra Boxler)

Predigt (Micha)

Aus der Tiefe rufe ich zu dir 215

Innehalten Gott, Du Liebeskraft, Deine Fürsorge umhülle uns. Stärke unser Vertrauen, beflügle unsere Liebe. Wir bitten Dich um das Ende der Gewalt in den gegenwärtigen Kriegsgebieten. Hilf mit Einsicht und gutem Willen. Stärke die Frauen und Männer, die sich um Verständigung und Ausgleich bemühen.

Gib uns Mut, daß wir den Schwachen eine Stimme geben. Schenke uns Phantasie und Tatkraft, daß wir uns für eine gerechte Teilhabe aller einsetzen. Erlöse uns von allem Bösen, daß wir der Versuchung widerstehen. Hilf uns, aufrichtig und fair zu streiten und so Brücken zu bauen und Verständnis füreinander zu schaffen. Laß diese Verbindungen zum Friedensauftrag unter den Menschen werden.

In der Stille bringt Jede und Jeder seine eigenen Bitten vor dich.

Vater unser (Claus)

Segen (Claus)

Da wohnt ein Sehnen tief in uns 209

 

Röm 8,19-26 Denn die Sehnsucht des Geschaffenen wartet auf das Offenbarwerden [der Herrlichkeit] der Söhne Gottes. Denn der Nichtigkeit wurde das Geschaffene unterworfen, nicht freiwillig, sondern um dessen willen, der es ihr unterwarf; auf die Hoffnung hin, dass auch das Geschaffene selbst befreit werden wird von der Knechtschaft des Verderbens zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass alles Geschaffene insgesamt seufzt und sich schmerzlich ängstigt bis jetzt. Aber nicht nur das, sondern auch wir selbst, die wir die Erstlingsgabe des Geistes haben, auch wir seufzen in uns selbst und warten auf die [volle Offenbarung der] Annahme an Sohnes Statt, auf die Erlösung unsres Leibes. Denn [nur] auf Hoffnung hin sind wir gerettet worden. Eine Hoffnung aber, die man sieht, ist keine Hoffnung; denn was einer sieht, weshalb hofft er es noch? Wenn wir dagegen hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir darauf mit Geduld. Ebenso kommt aber auch der Geist unsrer Schwachheit zu Hilfe. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich's gebührt; aber der Geist selbst tritt für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern. Der jedoch, der die Herzen erforscht, weiss, was das Trachten des Geistes ist; denn er tritt für die Heiligen ein, wie es Gott gefällt. Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach seiner zuvor getroffenen Entscheidung berufen sind.