„Glückliche, die das Recht bewahren, in
Gerechtigkeit handeln zu jeder Zeit.“ Psalm 106,
3
Wir, die Globale Kairos-Koalition für Gerechtigkeit (Global
Kairos
for Justice), schreiben diesen Brief in einer Zeit, in der wir an das
Eingreifen Gottes in die Geschichte erinnern, um allen Völkern
und
der Schöpfung Gerechtigkeit und Frieden zu bringen. Die
himmlische
Heerschar rief den Hirten, die unter der Besatzung litten, zu:
„Friede auf Erden!“ (Lukas 2,14). Doch ausgerechnet
in dem
Land, in dem Frieden versprochen wurde, bahnt sich eine Katastrophe an.
Das Vorgehen der israelischen Regierung gegen die
Palästinenser
stellt einen Versuch dar, einen falschen Frieden zu schaffen, indem sie
die Palästinenser auslöscht und die Aktionen der
Hamas am 7.
Oktober 2023, die zweifellos gegen das humanitäre
Völkerrecht
verstoßen, als Vorwand für einen Völkermord
benutzt.
Zahlreiche internationale Rechtsinstitutionen, darunter der
Internationale Gerichtshof, sind zu dem Schluss gekommen, dass der
Vorwurf des Völkermords an Israel
„plausibel“ ist.
Darüber hinaus haben prominente Menschenrechtsorganisationen
wie
das University Network of Human Rights, Amnesty International und das
Lemkin-Institut die völkermörderischen Absichten und
Handlungen Israels in Gaza ausführlich dokumentiert.
Darüber
hinaus haben viele angesehene Völkermordforscher, darunter die
israelischen Völkermord- und Holocaust-Historiker Omar Bartov
und
Amos Goldberg, überzeugend dargelegt, dass die Aktionen der
israelischen Regierung in Gaza Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Völkermord darstellen. Kairos
Palästina
und Global Kairos for Justice haben die Kirchen weltweit immer wieder
aufgefordert, die Notlage des palästinensischen Volkes und die
Realität der Apartheid anzuerkennen.
Als Christen, die die Werte der Gleichheit und des Mitgefühls
teilen, und als Bürger von Staaten, die für sich in
Anspruch
nehmen, die Prinzipien der Menschenrechte hochzuhalten, haben wir die
moralische Verpflichtung, entschlossen und direkt zu handeln, wenn
diese Prinzipien verletzt werden; daher erfordert unser christliches
Zeugnis, dass kirchliche Gremien sich angesichts von Praktiken, die
Kernprinzipien unseres Glaubens verletzen, sich im Zustand des
Bekennens erklären (im status confessionis). Die
Integrität
unseres Glaubens und der Sache Christi steht auf dem Spiel. Wie
Dietrich Bonhoeffer sinngemäß sagte: Entscheidungen
zu
verzögern oder zu unterlassen, kann sündiger sein als
falsche
Entscheidungen aus Glauben und Liebe zu treffen ... und in diesem Fall
heißt es wirklich jetzt oder nie. ‚Zu
spät‘
heißt ‚nie‘ ... Schütteln wir
unsere Angst vor
dieser Welt ab – die Sache Christi steht auf dem Spiel;
sollen
wir uns schlafend stellen?1
Die Mitglieder der Koalition von Kairos Palästina und Global
Kairos for Justice haben wiederholt Aufrufe an die Kirchen in aller
Welt gerichtet, angefangen mit dem Dokument „Moment of
Truth“ (Stunde der Wahrheit) von 2009, gefolgt von dem
Dokument
„Cry for Hope“ (Schrei nach Hoffnung) im
Jahr 2020.
Beide Bewegungen haben mit zunehmender Dringlichkeit und theologischer
Klarheit zu einem unerschütterlichen Zeugnis und zur
Solidarität mit dem palästinensischen Kampf
für Freiheit
und Gerechtigkeit aufgerufen. Doch bis zum heutigen Tag haben nur sehr
wenige Kirchen mit entsprechender Klarheit geantwortet.
Dankenswerterweise zeichnen sich jedoch mehrere Kirchen in Europa, den
Vereinigten Staaten und Südafrika dadurch aus, dass sie sich
mit
theologischer Direktheit und Mut zu Wort gemeldet haben. Als Beispiel
sei hier die United Church of Christ in den USA genannt, die sich in
einem Bekenntnis nach dem Vorbild der „Barmer Theologischen
Erklärung“ gegen den Nationalsozialismus in Kirche
und
Gesellschaft äußert. Im ersten Artikel der
Erklärung
der United Church of Christ heißt es:
„Wir bekräftigen, dass die anhaltende
Unterdrückung des
palästinensischen Volkes auch nach mehr als fünf
Jahrzehnten
der Unterdrückung des palästinensischen Volkes eine
Angelegenheit von theologischer Dringlichkeit ist und eine
Sünde
darstellt, die gegen die Botschaft der biblischen Propheten und des
Evangeliums verstößt, und dass alle
Bemühungen, die
Unterdrückung des palästinensischen Volkes zu
verteidigen
oder zu legitimieren, sei es passiv oder aktiv, durch Schweigen, Worte
oder Taten der christlichen Gemeinschaft, eine grundlegende Verleugnung
des Evangeliums darstellen. Wir verwerfen die Vorstellung, dass die
Besetzung Palästinas durch Israel ein rein politisches Problem
ist, das die Kirche nichts angeht, oder dass die Unterdrückung
des
palästinensischen Volkes eine unvermeidliche Folge globaler
oder
regionaler geopolitischer Interessen ist.“
Wir fordern Sie daher auf:
a.
Beteiligen Sie sich an einem intensiven Prozess der Beantwortung des
„Schrei nach Hoffnung“ und auf die Resolution der
Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen zum Frieden
im
Nahen Osten ( 2022), in der zu einer Untersuchung und zu einer
dringenden Entscheidung über die jüngsten Berichte
von
Menschenrechtsorganisationen aufgerufen wird, in denen das
Apartheidsystem Israels dokumentiert wird; und fordern Sie diejenigen
Kirchen heraus, die sich nicht an diesem Prozess beteiligen, und denken
Sie dabei an Bonhoeffers sinngemäße Aussage, dass
das
Zögern oder das Unterlassen von Entscheidungen
sündiger sein
kann, als falsche Entscheidungen aus Glauben und Liebe zu treffen;
b.
Solidaritäts- und Erkundungsmissionen im Gazastreifen und im
Westjordanland zu organisieren, um Zeugen der israelischen
Kriegsverbrechen zu werden und die Ergebnisse im Lichte der
jüngsten Urteile der internationalen Rechtsinstitutionen zu
bewerten;
c.
Öffentliche Reue über die frühere
Untätigkeit, das
Schweigen und die Akzeptanz von Theologien, die Apartheid,
Diskriminierung und Völkermord unterstützen, und
Verzicht auf
frühere Erklärungen in diesem Sinne;
d.
Benennen Sie die israelische Apartheid und den Völkermord in
Ihren einschlägigen Erklärungen;
e.
Fordern Sie, dass Ihre Regierung sofort und öffentlich die
weitere
Zusammenarbeit mit Israel davon abhängig macht, dass es seine
Verpflichtungen nach dem Völkerrecht erfüllt;
i.
Fordern Sie Ihre Regierungen auf, alle Waffenverkäufe
auszusetzen
und Sanktionen gegen israelische Regierungsmitglieder und den Handel
mit Israel zu verhängen,
2 Vgl.
https://kairoseuropa.de/wp-content/uploads/2020/07/KPS-AufrufUnterst%C3%Bctzer-Schrei-nach-Hoffnung.pdf.
ii.
Rufen Sie die Kirchen auf, sich von allen Unternehmen zu trennen, die
von der illegalen Besetzung und dem Krieg in Gaza profitieren,
iii. Aufruf an alle Einzelpersonen in den Kirchen, Israel zu
boykottieren - wirtschaftlich,
akademisch und kulturell, solange es das Völkerrecht nicht
erfüllt.
Vor einundfünfzig Jahren schrieb Rev. Martin Luther King an
seine
Glaubensbrüder: „Das Gericht Gottes ist
über die Kirche
hereingebrochen wie nie zuvor“. Die rechtliche und moralische
Kraft des internationalen Rechts und der Imperativ der biblischen
Gerechtigkeit fließen heute in einem mächtigen Strom
zusammen. Die Geschichte wird über Ihr Versagen, auf diesen
dringenden Aufruf zu reagieren, urteilen. Wenn Sie diesem Aufruf nicht
folgen, machen Sie sich direkt mitschuldig an eindeutigen Verbrechen
gegen die Menschlichkeit und stehen in direkter Konfrontation und im
Widerspruch zum Völkerrecht, zu den Urteilen des IGH und des
IStGH
sowie zu den biblischen Imperativen, die beschreiben, was der Herr von
Ihnen verlangt.
Israels völkermörderische Handlungen sind
für die ganze
Welt sichtbar. Seine Absicht, das gesamte historische
Palästina
durch die Enteignung und ethnische Säuberung des
palästinensischen Volkes in Besitz zu nehmen, ist
unausweichlich
klar geworden. Israel verfolgt dieses Ziel seit fast acht Jahrzehnten
unerbittlich mit der politischen, militärischen und
wirtschaftlichen Unterstützung des globalen Nordens.
Wo sind die Stimmen der Kirchen in diesem Moment der Geschichte? Welche
Maßnahmen werden sie als Reaktion auf dieses Verbrechen an
der
Menschheit ergreifen? Werden Ihre Kirchen dem historischen Erbe der
Kirchen gerecht werden, wenn sie aufgerufen sind, in menschlichen
Angelegenheiten entschlossen zu handeln?
„Und das Recht ist zurückgewichen, und die
Gerechtigkeit hat
sich entfernt; denn die Wahrheit ist auf der Gasse zu Fall gekommen,
und die Aufrichtigkeit findet keinen Eingang“.
„Und dies ist mein Bund mit ihnen, spricht der HERR: Mein
Geist,
der auf dir ruht, und meine Worte, die ich in deinen Mund gelegt habe,
sollen von deinem Mund nicht weichen noch von dem Mund deiner Kinder
und Kindeskinder, …“. Jesaja 59,14, 21
Globale Kairos Koalition für Gerechtigkeit
Patriarch em Michel
Sabbah
Vorsitzender von Kairos Palästina
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Global Kairos for Justice, ist eine weltweite Koalition
besorgter
Christen aus verschiedenen Kirchen, konfessionellen und nationalen
Gemeinschaften, Kirchen und kirchennahen Organisationen, die als
Reaktion auf den 2009 veröffentlichten Kairos
Palästina
„Stunde der Wahrheit: ein Wort des Glaubens, der Hoffnung und
der
Liebe aus dem Herzen des Leidens der Palästinenser“
ins
Leben gerufen wurde. Die GKJ setzt sich für gewaltfreie Mittel
ein, fordert die Beendigung der israelischen Kolonisierung
Palästinas und tritt für das Recht des
palästinensischen
Volkes auf Selbstbestimmung und für Frieden mit Gerechtigkeit
für alle Menschen im Heiligen Land ein.
c/o. Ernst-Ludwig Vatter * Im Lutzen 5 73773 Aichwald