Zur Religio,
was ja Rückbindung meint, will ich meine
Gedanken zur Inkarnation hier einmal verbinden mit Traditionen, aus
denen sie
gespeist, angeregt und ein wenig weniger
„theologisch“ verschwurbelt wurden.
Für Petra Schröder, meine Liebste, immer noch viel zu
viel. Wobei sie darauf
insistiert, daß von Geist erst gesprochen werden sollte, wo
Bewußtsein
erwachsen ist. Demnach hätte die Logik der Evolution mit ihren
deutlich
erkennbaren Gesetzmäßigkeiten dann noch kein
explizites Bewußtsein und Geist
wäre erst der Rede wert, wo geredet wird, also mit dem
quatschenden Menschen.
Hier wäre die Entstehung Gottes erst mit dem Glauben der
Menschen an ihn zu
datieren in Feuerbachs Überlegungen. Geist und Gott
wären dem menschlichen
Zentralnervensystem erwachsen.
Erst mit der
Entstehung von Religionen wäre dann der
menschliche Geist zur Annahme von transzendentalen
Nichtrealitäten wie
Beseeltheit von Naturphänomenen, einer Himmelswelt,
Götterwelten und weiterem
Leben im Kosmos mit der Fiktion der Invasion von Aliens von einem
fernen Planet
fähig. Es hätte den unverkennbaren Vorteil,
daß von der Existenz Gottes erst
mit der ersten Nennung seines Namens gesprochen werden dürfte,
lassen wir es
mit Abraham und Mose beginnen oder ihren ägyptischen und
sumerischen Vorläufern.
Es macht Gott dann zu einem Sprachphänomen, das nur dort
Realität bekommt, wo
er angebetet und verkündet wird oder wo die mit ihm
assoziierten
Verhaltensregularien wie etwa Dekalog und Pentateuchgebote praktiziert
werden.
Dann gibt es Gott erst seit dem israelischen Stämmebund. Und
je weniger noch
nach seinen Geboten gehandelt wird, desto blasser wird seine
Realität. Er
stirbt nicht, solange er noch verehrt wird, aber er verblaßt
vor den
Anfechtungen der Welt. 45% deutsche Verehrer in Kirchen hat Gott noch.
Jüngel
hat Gott immer gerne als Sprachereignis gefeiert, das
weltlich nicht notwendig ist. Das erlaubt im Gegensatz zu meinem
Ansatz, ihn
der platonischen Kagathie zuzuordnen, ihn als das weltbeste
höchste Gute zu
sehen und alle grausamen Züge Gottes von ihm fernzuhalten. Er
ist dann
natürlich auch nicht der Pantokrator, der alles Leben
geschaffen hat, sondern
lediglich die Idee des Guten und der Liebe in einer ansonsten nicht
besonders
liebevollen Welt.
Die
entscheidende Kurve in der christlichen Lehre vom
Erlösungswirken Christi am Kreuz ist dann aber die Frage, wozu
hat Jesus die
Menschen erlösen sollen? Was m.W. kein Theologe
überlegt, ist, daß ein Gott der
Liebe seinen Sohn niemals ans Kreuz hätte ausliefern brauchen,
weil dieser
Jesus für keinen anderen Menschen hat sterben müssen.
Denn dieses „für andere“,
diese Stellvertretungsfunktion seines Todes, basiert immer noch auf dem
Bild
eines Gottes, der rachsüchtig unbotmäßiges
Verhalten mit dem Tode bestraft. Die
Logik des lo/goj o( tou= staurou=
ist die Folie eines
strafenden Gottes, der in
seinem Zorn auch schon mal die Menschen in der Sintflut hat ertrinken
lassen.
Jesu Tod offenbart gerade in seiner Hingabe für uns die
Grausamkeit des Vaters,
der die Welt mit sich nur dadurch versöhnen kann,
daß er seinen Sohn in einen
der grausamsten Foltertode damaliger Zeit hineingehen
läßt. Und sieht man sich
das Ergebnis dieser innertrinitarischen Liebestat genauer an, so
muß man
konstatieren, daß die Menschen durch und nach Jesu Tod kein
Stückchen versöhnter
mit Gott oder untereinander geworden sind. Vom Effekt her kann man nur
sagen,
der Versöhnungstod Christi war ein ungeheurer
Mißerfolg. Jesus ist völlig
umsonst gestorben. Und sein Körper ist wie der jedes wahren
Menschen im Grab
verwest.
Wir haben 1973
in Tübingen Alfred North Whitehead[1] gelesen in Seminaren von
Moltmanns
Assistenten, Gerhard Marcel Martin und Michael Welker. Die Welt wird
von
Whitehead beschrieben als Gesellung von »actual
occasions«, ständig im Prozeß
des Entstehens, der Vergemeinschaftung und des Vergehens begriffener,
organismenhafter Monaden, die die »zeitlosen
Qualitäten« (eternal objects) in
wechselnden Konfigurationen verwirklichen. Gott, als das
höchste schöpferische
Prinzip und der zureichende Grund, warum der Weltprozeß so
und nicht anders
verläuft, ist die oberste »actual entity«,
gleichsam die stets werdende
Zentralmonade des Weltorganismus. Diesem Prozeß analog
wechseln auch die
Gottesbilder der Gläubigen. „Die Wirklichkeit ist
durch und durch Zusammensein
von im übrigen isolierten ewigen Objekten und Zusammensein
aller aktuellen
Anlässe.“[2] Mit Spinoza kann er dann
sagen: „Gott ist die
letzte Begrenzung und seine Existenz ist die letzte
Irrationalität. Für das
Wesen Gottes kann kein vernunftgemäße
Erklärung gegeben werden, weil dieses
Wesen selbst die Grundlage aller Vernunftmäßigkeit
ist.“[3] Damit entgeht er der
theologischen Falle der
Unzulänglichkeit des Pantokrators, der zwingend auch das
Böse zuläßt, was ein
vernünftiger Gott tunlichst zu vermeiden sucht. Wenn in
wissenschaftlichen
Diskursen neue Kenntnisse zu einem Paradigmenwechsel führen,
wird nicht
herumgejammert, daß nun alte Glaubenssätze als
unwahr dastehen und Entdecker
auf Scheiterhaufen brennen. „Die Religion wird ihre alte
Macht solange nicht
wiedergewinnen, als sie den Wandel nicht im selben Geiste ertragen
kann, wie es
die Wissenschaft tut. Ihre Grundsätze mögen ewig
sein, aber der Ausdruck dieser
Grundsätze erfordert ständige Entwicklung.“[4] Die Assoziation von Gott mit
Macht hat der
Kirche des Mittelalters ihr politische Einflußnahme
gesichert. Heute zeigen die
fulminanten Kirchenaustritte, was die säkularisierte Vernunft
der Bürger davon
hält, wenn nur noch 45% Deutsche Kirchenmitglieder sind.
„Die Darstellung
Gottes unter dem Aspekt der Macht weckt alle modernen kritischen
Instinkte. Das
ist verhängnisvoll; denn Religion bricht zusammen, wenn ihre
wesentlichen
Aussagen nicht unmittelbare Zustimmung bewirken.“[5] Diese Sätze im
Strahlfeld von Einstein und
Darwin sind nachgerade prophetisch und nehmen zwischen den Weltkriegen
eine
Entwicklung vorweg, die sich erst heute entfaltet und die Kirchen zum
Sparen
zwingt, ohne daß sie überlegen, was an ihrer
Verkündigung der letzten
Jahrzehnte die Gläubigen vom Glauben hat abfallen lassen.
„Die Tatsache der
religiösen Vision und die Geschichte ihrer
beständigen Ausweitung ist unser
einziger Grund zum Optimismus. Ohne sie ist das menschliche Leben ein
Aufblitzen gelegentlicher Freuden inmitten des Dunkels von Kummer und
Elend,
ein Nichts aus vergänglichem Erlebnis.“[6] Er meint mit
„Vision“ den Paradigmenwechsel
von barbarischsten Gottesvorstellungen zu immer edleren Glaubensbildern
mit der
bewegenden Kraft wechselseitiger Liebe als Motor. Später in
seinen Vorlesungen
in Edinburgh nennt er die Macht der Jesusbewegung als Alternative zu
den
Machtentfaltungen von Kirche und Philosophien: »Es gibt
jedoch im galiläischen
Ursprung des Christentums noch eine andere Anregung, die zu keinem der
drei Hauptstränge
des Denkens (seit der theistischen Philosophie)
so richtig paßt. Sie legt das Schwergewicht weder auf den
herrschenden Kaiser,
noch auf den erbarmungslosen Moralisten oder den unbewegten Beweger.
Sie hält
fest an den zarten Elementen der Welt, die langsam und in aller Stille
durch
Liebe wirken.«[7]
Interessanterweise
kommt Nico Paech als
Wirtschaftswissenschaftler zu der gleichen Folgerung nach der
Abstrafung der
Ampelkoalition durch FDP und CDU: Es gibt keine Veränderung
der Gesellschaft
durch die Politik, wenn nicht die ganze Gesellschaft mitzieht, wie
vernünftig
auch immer deren Impulse sein mögen, nach den
Corona-Einschränkungen ist die
Allergie vieler Bürger gegen staatliche Vorschriften gerade
auch angesichts
einer unerträglich gewordenen Bürokratie und einem
explodierten
Verwaltungsaufwand der Betriebe so gewachsen, daß Paech die
einzige Chance auf
Veränderung in der Initiative jedes einzelnen Bürgers
sieht, quasi im Sinne der
Graswurzelrevolution der Alternativen Ökonomie. Deren
beherztes Engagement hat zur
Nutzung von Wind, Sonne und Bioabfällen als Energiequellen
geführt, die
inzwischen die Power von AKWs in den Schatten gestellt haben.[8] Paulus spricht von Gottes
Kraft in den
Schwachen und genau das wäre die denkbare Option kirchlichen
Handelns.
»Der
Begriff Gottes ist gewiß ein wesentliches Element im
religiösen Empfinden. Aber die Umkehrung trifft nicht zu; der
Begriff des
religiösen Empfindens bildet kein wesentliches Element in der
Vorstellung des
göttlichen Wirkens im Universum.«[9] Erst wenn das
religiöse Empfinden zur
Orthopraxie, zum Tun des Rechten für die Ermöglichung
von Zukunft für unsere
Urenkel führt, vereinigt sich der Glaubende mit Gottes
immanentem Wirken in
seiner von uns geschundenen Schöpfung.
Wir haben 1973
in Tübingen Moltmanns ökologische Theologie
aufgenommen, die die Menschen als erste Freigelassene der
Schöpfung begreift
und den jüdischen Gedanken der Einwohnung Gottes in seiner
Schöpfung zum
Angelpunkt der Welt-Immanenz Gottes macht. Der Blochsche Gedanke des
Umbaus der
Welt zur Heimat in einem Selbstentwicklungsprozeß der
Materie, dem Experimentum
Mundi, war dabei ein entscheidender Wegweiser. Zugleich schaut Moltmann
aus der
theologischen Mottenkiste postfaschistischer Konzentration auf Christus
als das
eine Wort Gottes[10] über den Kistenrand
hinaus auf naturwissenschaftliche
Kenntnis, etwas die Rotverschiebung im Spiralnebelspektrum der
Teleskope, also
Urknall und kosmologische Irreversibilität, mithin eine
Universalgeschichte,
die zwar Zyklen kennt, aber prinzipiell eine Tendenzlatenz hat, die
Hoffnung
weckt auf eine Veränderung der Welt heraus aus der
ökologischen Zerstörung
gemäß Gen 1,28. Ein Bewahrungsauftrag wird
moralische Pflicht der Christen zur
Heilung der Erde von dem, was vom christlichen Abendland aus ihr
weltweit
angetan wurde in den Zeiten des Imperialismus und der
europäischen Raubzüge in
der 3. Welt. Bislang gibt es keinen Grund für eine Erkenntnis
Gottes aus seiner
Schöpfung heraus, zu der leider auch die Menschen mit ihren vernichtenden
Ausbeutungen
gehören. Wäre der Mensch wirklich imago dei, so
würde dies auch ein
vernichtendes Urteil über seinen Schöpfer evozieren: Raubtier.
So liegt die einzige
Hoffnung, Gott als guten Geist in seiner Schöpfung
wiederzuentdecken, in einer
Zukunft, in welcher der derzeitig nur noch weiter steigende Raubbau an
unserem
Planeten aufhört. Gerade die christlichen Parteien der
Industrieländer waren
und sind Vorreiter der Zerstörung des ökologischen
Gleichgewichts und
Hauptverursacher der Erderwärmung. Trotz aller Warnungen der
Wissenschaften
forciert die CDU die Ausbremsung der Energiewende, den Tiefseebergbau,
die
Müllentsorgung in die ärmsten Länder des
Südens, den Verkauf von Waffen
dorthin, wo sich Kindersoldaten gegenseitig abknallen.
Genau darum
ging es Moltmann zeitlebens: die Sendung der
Kirche als einen politischen Impuls zur Bewahrung der
Schöpfung zu
praktizieren. „Die Theorie der weltverändernden,
zukunftswilligen Praxis der
Sendung sucht nicht nach ewigen Ordnungen in der bestehenden
Weltwirklichkeit,
sondern nach Möglichkeiten in dieser Welt in Richtung auf die
verheißene
Zukunft.“[11] Sie „dient dem
kommenden Heil der Welt und ist
wie ein in die Welt hinausgesandter Pfeil ins
Zukünftige.“[12]
Damit erkennt
Moltmann die christliche Weltverantwortung in
einer Nachkriegszeit, wo die beschönigend
„Dialektische Theologie“ genannte Gruppe
in Abkehr von der bösen Welt zum Glauben als Innerlichkeit
flüchtet und sich so
dem Vorwurf entzieht,
unter Adolf nicht
deutlicher Widerstand geleistet zu haben, wie es im Stuttgarter
Schuldbekenntnis von 1945 vernehmbar war. Dieses kam unter Druck des
ÖRK als
Aufnahmebedingung zustande und ist so glaubwürdig wie
Entschuldigungen eines
frechen Rüpels.[13]
„Ergebung“
unter Hitler findet man sehr anders als bei
Bonhoeffer zuhauf bei Barth, Bultmann, Gogarten. Im Gefolge des
Mitläufers Heidegger
ignorieren sie die soziale und politische Welt ebenso wie die
technifizierte
Arbeitswelt, die seitdem durch ihren Energiemißbrauch mit
Zerstörung der
Ozonschicht den Globus an den Klimakipppunkt gebracht hat, der
künftig statt
der Herrlichkeit der Kinder Gottes eine unendliche Abfolge von
gewaltigen Katastrophen
bescheeren wird. Sie werden die Sintflut übertreffen.
Für
Moltmann ist die Verheißung der allgemeinen
Totenauferstehung ein Motor, für die bessere neue Welt Gottes
zu arbeiten. Das
kann man genauso ohne Auferstehungshoffnung und die kleine zornige
Autistin Greta
Thunberg und die Friday-for-Future-Bewegung ist wohl kaum aus der
Auferstehungshoffnung auf die Straße gegangen. Da glaube ich
mit Freuds
Todestrieb und der jüdischen Versammlung zu den
„Vätern“ in der Scheol, daß der
eigene Tod eine Erlösung sein kann und man alt und lebenssatt
sich auf diese
eigene und hoffentlich wohlverdiente Ruhe freuen kann, in der kein
Zipperlein
des vergehenden Leibes mehr nervt und das Leben einschränkt.
Wenn man
realistisch die nur noch geringen Chancen für eine
ökologische Rettung der Welt
vor dem Kippen der Erderwärmung sieht und die kommenden
Katastrophen, will man
dann noch in eine solche bizarre Welt hinein auferstehen? Lieber doch
sanft
ruhen. Und sich am Ende sagen können: ich habe alles mir
mögliche zur Abwendung
der ökologischen Katastrophe versucht und ein bescheidenes
Leben geführt mit
einem sensationell kleinen ökologischen Fußabdruck.
Alle haben mich für einen
schrägen Spinner gehalten, aber wenigstens das habe ich
halbwegs gut
hingekriegt. Für manche Christen motiviert die
Auferstehungshoffnung und wenn
sie dadurch zu noch mehr Bescheidenheit, Sparsamkeit und politischer
Einflußnahme gelangen, wäre es wunderbar.
Hätte Jesus soviel Angst vor dem Tod
gehabt wie manche Christen, die sich aus ihrer depressiven Weltenangst
in die
seit 2000 Jahren ausgebliebene allgemeine Totenauferstehung versteigen,
er
hätte sich niemals so eingesetzt für die Liebe seines
himmlischen Vaters zu den
Verlorenen dieser Erde. Auferstehungsgläubige ignorieren die
Naherwartung von
1Kor 15, anstatt sie als einen fatalen Irrtum des Paulus zu den
vaticinias
auszusortieren, die geschichtlich überholt waren wie Newtons
Mechanik, die immerhin
auf Erden funktioniert. Angesichts der Übervölkerung
der Erde wäre die
leibhafte Auferstehung aller bislang verstorbenen ChristInnen
ernährungstechnisch gar nicht machbar und würde eine
immense Hungerkatastrophe
auslösen. Ebenfalls wäre die Unterkunft nicht
geregelt. Schon die Asylanten in
Europa bilden ein riesiges Problem. Was würde Deutschland dann
mit den
auferstandenen ChristInnen anfangen? Zur Zeit des Paulus wäre
dies zahlenmäßig
kein Problem gewesen. Hätte ich einen Wunsch frei bei Gott,
wäre dies: laß meine Asche bloß in meinem Garten in
Frieden zur Nahrung der Blumen Petras dienen und verschone mich
mit der Auferstehung.
Moltmann
entwickelt den rabbinischen Gedanken des mit seinem
Volk mitleidenden Gottes weiter. Er zitiert Eli Wiesels Bericht einer
Hinrichtung mit halbstündigem Todeskampf eines Knaben am
Galgen und der Frage
eines der vollständig angetretenen Insassen von Auschwitz: Wo
ist Gott? Und
Wiesel hört in sich eine Stimme antworten: „Er
hängt dort am Galgen“.[16] In diesem Mitleiden Gottes
mit seiner
Schöpfung entwickelt sich die theologische Wendung von dem
Gott, der alles so
herrlich regieret, zu einem ganz anderen Gott, der selbst leidet unter
dem
Morden der deutschen Faschisten, der solidarisch ist mit den
Gequälten,
Gefolterten. Moltmann versucht in seiner Theologie nach Auschwitz,
Gottes
Menschwerden als Wandlung, Selbsterniedrigung zur Einheit mit der
leidenden
Schöpfung zu beschreiben, wo schließlich Gott gegen
Gott steht. „In der
Gemeinschaft Christi kann es deshalb wirklich heißen,
daß Menschen in Gott und
aus Gott leben, daß sie „in ihm leben, weben und
sind“(Apg. 17,28).
Pantheistisch verstanden, wäre das ein Traum, der von dem
Negativen in der Welt
wegsehen müßte. Eine trinitarische Kreuzestheologie
aber nimmt Gott im
Negativen und das Negative darum in Gott wahr und ist auf diese
dialektische
Weise panentheistisch.“[17] Genau da zeigt sich das
Janusgesicht Gottes,
daß auch das Böse ein Teil Gottes ist. Um so
dringlicher sind die „Wandlungen
Gottes in den Befreiungen des Menschen“.[18] Mit Rm 8 endet die
„Geschichte der durch den
Staub wandernden Schekhina, als Geschichte des Geistes… der
auf alles Fleisch
kommt. … Die Realpräsenzen Gottes bekommen damit
den Charakter der „praesentia
explosiva“. Bruderschaft Christi bedeutet leidende und aktive
Teilnahme an der
Geschichte dieses Gottes… Ihre Kraft ist der seufzende und
befreiende Geist
Gottes. Ihre Vollendung liegt im alles befreienden und mit Sinn
erfüllenden
Reich des dreieinigen Gottes.“[19]
Der
»Einwohnung« (Schekhina
שְׁכִינָה) Gottes in seiner Schöpfung, entspricht
die Wohnlichkeit im Dasein
für den Menschen: Es ist die Schöpfung in Zeit und
Raum der materiellen Welt. Ziel
wird es, Schöpfung zum Haus Gottes zu machen.[20] Das entspricht Blochs Umbau
der Welt zur
Heimat, aber auch Theilhard de Chardins Christogenese des Kosmos.[21] In den Kapiteln
»Die Evolution der Schöpfung« und
»Der Sabbat: Das Fest der Schöpfung«
entwickelt Moltmann seine ökologische
Schöpfungslehre als Aufgabe aller
verantwortungsbewußten Menschen, die Mitwelt
als Partner der Menschen zu schützen und ihre
Ausplünderung zurückzubauen. Dazu
ist interdisziplinäres Wissen und ein intensiver Dialog mit
allen
naturwissenschaftlichen Fachbereichen unabdingbar. Theologie, die nur
im
eigenen Saft schmort, versündigt sich an der Umwelt als einer
von göttlichem
Geist durchdrungenen Schöpfung in ihrem Prozeß einer
friedlicheren Koexistenz
mit der Menschengattung.
Der Geist Gottes ist Inbegriff der
„Informationen, die
alle Materie- und Lebenssysteme bestimmen“ und
„auch in den Materiestrukturen
präsent“, weil es nur „informierte
Materie“ in der Schöpfung gibt.[22] Schöpfung ist
„ein dynamisches Gewebe
zusammenhängender Vorgänge“, weil die
Evolution von Fauna und Flora nie separate
Arten wachsen läßt, sondern immer ein Ensemble der
Arten in einem ökologischen
Gesamtsystem leben läßt.[23] Die Schöpfung ist
ein holistisches Gefüge, in
dem „alle Geschöpfe auf je ihre Weise miteinander
und mit Gott kommunizieren“.[24] Analog der
Beziehungsstrukturen in der Kirche
gibt es in der Natur hochkomplexe Beziehungen der Wesen, die nur vom
Gesamt her
als sinnvolles und oft höchst pfiffiges Handeln
verständlich sind, geprägt von
Individuation und Diversifikation in einem offenen System, was sich
modifizieren kann, wenn sich neue Ereignisse ergeben.[25]
Moltmann führt den Himmel als Wohnsitz
Gottes des Schöpfers
ein als „Quelle der schöpferischen
Möglichkeiten und der Potenzen den
Schöpfung“.[26] Damit
verläßt er die Weltimmanenz Gottes in
der Materie. Der Himmel ist geradezu platonisch ein riesiges
Planungsbüro für
neue Entwicklungen hier unten. So ist durch die Hintertür ein
neuer Theismus
zurückgekehrt, völlig unnötiger Weise, da
das ökologische System der
Lebensräume auch ohne Himmel ständig neue
Möglichkeiten freisetzt. Das
Geschwurbel von Transzendenz wäre überhaupt nicht
erforderlich, es sei denn, um
die theistische Leserschaft „mitzunehmen“.
„Gott selbst, der Schöpfer von
Himmel und Erde, [ist ...] vielmehr die Transzendenz von Transzendenz
und
Immanenz der Welt. Gott selbst, der Himmel und Erde mit seiner
Herrlichkeit
erfüllen wird, ist auch die Immanenz von Transzendenz und
Immanenz der Welt“.[27] Er wird zu einer Art
Perichorese beider
Sphären.
Ich kann dieser Logik nicht folgen. In der Antike
war der
Himmel in einer Art Käseglocken über der Erdscheibe
gedacht und es gab sieben
solcher Käseglocken übereinander. Heute wissen wir,
daß diese Vorstellung
falsch ist und in keiner der Sphären um den Erdplaneten herum
ein Gott gefunden
werden konnte und auch keine lobpreisenden Engelwesen. Es gibt in
diesem Kosmos
keinen Himmel. Wohl weiß ich um das Große Jahr des
Zurvanismus, wo die ersten
3000 Jahre gute Schöpfung des rein geistigen Himmels sind, die
in den nächsten
3000 Jahren irdisch materialisiert werden zu einer guten Welt unter
Ahura
Mazdas Führung und nach weiteren 3000 Jahren unter
Führung von dessen unfähigem
Zwillingsbruder Ahriman ins totale Chaos von Gut und Böse,
Licht und Finsternis
münden, bevor das Weltgericht die Bösen straft im
glühenden Fluß und auch sie
geläutert in dem daraufhin anbrechenden letzten Aion mit
wiederum 3 Millennien
unter den 3 Saošyants ein Leben in Glück und Frieden
gemeinsam mit den
Gerechten führen dürfen. In diesem mittelpersischen
Modell entspricht die gute
Erde einem guten präexistenten Himmel und ist sein materielles
Abbild. Hier
kommunizieren der transzendente Himmel, Menok, mit der Erdenwelt Getik.
Aber
dieses auch von Platon übernommene und modifizierte Postulat
eines solchen
Himmels, einer Aristotelischen creatio ex nihilo und einer
göttlichen
Kontraktion, eines rabbinischen Zimzum, um überhaupt ein nihil
zu erzeugen, aus
dem dann die Schöpfung ex nihilo von Gott ins Sein bewegt
werden kann, das sind
doch hahnebüchen verstiegene Konstruktionen, die einer
naturwissenschaftlichen
Prüfung nicht standhalten. Und auf diesen Dialog mit den
Naturwissenschaften
kam es Moltmann doch immer wieder an. Der Evolutionstheorie ist die
Immanenz
des Geistes als apriorisches Austauschgeschehen zwischen Zelle und
ihrer
Umgebung freilich geläufig, es gibt auch ein das Einzelwesen
transzendierendes
ökologisches Gleichgewicht, nach dessen Konditionen das
Einzelleben sich
entfalten kann. Aber das ist kein Himmel, sondern das ist ein Gemisch
von
Konstellationen aus Zufällen und Notwendigkeiten, klimatischen
und
landschaftlichen Faktoren. Gerne kann man diese Umweltbedingungen als
dem
Einzelwesen transzendente und in sich auch durchaus logische Szenarien
bezeichnen, sie bleiben aber dem materiellen Prozeß des
Lebens immanente
Phänomene.
Gestalttheoretisch wäre von
Übersummation zu sprechen:
Das Ganze ist mehr als nur Summe seiner Teile und außerhalb
aller Einzelwesen,
sie damit transzendierend als Feld, in dem sie leben und weben. Die
Entstehung
der ersten Amöben geschah aus makromolokularen Strukturen und
nicht aus einem
nihil. Selbst der Urknall kam nicht aus dem Nichts, sondern aus
Bosonen. In
diesem Sinne ist tatsächlich Transzendenz ein permanenter
ökologischer Zustand
der Vergesellschaftung aller Lebewesen, der jedes Einzelwesen
unterworfen ist.
Aber dieses ökologische Feld ist sehr irdisch und durchaus
weltimmanent und
keineswegs auf einen wo auch immer lokalisierbaren Himmel angewiesen
oder
bezogen. Der Begriff des Himmels für den Wohnort Gottes ist
heute nicht nur
mißverständlich geworden, sondern
unverständlich und geradezu irreführend. Wo 3
in meinem Namen zusammensind, bin ich mitten unter euch –
diese Weltimmanenz
Jesu kommt ohne jeden Himmel aus.
Daß dann dieser
Geist Gottes Jesus wieder
aus dem
Leichenzustand belebt hat, wobei Moltmann die Historizität und
wohl auch die
Leiblichkeit dieser Auferstehung nicht behauptet, dürfte
eigentlich ja
bedeuten, daß diese Auferstehung ein soziales
Phänomen des Geistes war und aus
der Faktizität von Trauervisionen (Josuttis) bestand, die in
immer neuen Ausschmückungen
in die Evangelien Aufnahme fanden. Der Glaube an die Auferstehung
begleitete
die pfingstliche urkommunistische Gemeinde und führte zu
vielen übersinnlichen
Wahrnehmungen, die durchaus spiritistische Züge tragen.
Zugleich setzt sich
dabei das von Jesus gelernte Handeln und sein Denken fort,
sodaß man mit
Bultmann sagen kann, er sei in die Kirche hinein auferstanden als der,
den man
erinnert und verkündigt und ihm nacheifert. In diesem Sinn
könnte man von
perichoretischen Wechselwirkungen zwischen dem Lebensgeist und Jesu
Geist und
dem trauernden Geist der Gemeinde sprechen, wie es Moltmann
trinitarisch
versucht. Aber es hat etwas sehr Konstruiertes, Vater, Sohn und Heilige
Geistin
als heilige Familie dreier Personen hier wieder einzuschmuggeln. Die
These von
der Weltimmanenz Gottes, seiner Tierwerdung und Menschwerdung, wird
durch die
orthodoxen Leitplanken der Trinität aufgeweicht und in
Konstrukte der
überkommenen Dogmatik eingenordet, die sachlich mit ihr
diametral unvereinbar
sind. Letztlich ist die geistige Einheit von Schöpfer und
Geschöpf, exerziert
an der von Vater und Sohn als Ebenbildern mit Chromosomenvererbung,
kaum etwas anderes als der
gnostische Satz vom göttlichen Lichtfunken in den Herzen der
Menschen. Wobei Herz präziser als Gesamt des Leibes mit Hirn,
Leber und den arbeitetenden Händen und Füßen zu
infinieren wäre.
Durch Gottes permanentes
Schöpfungshandeln, so Moltmann, ist die ruah Jahwe in allen
Dingen
gegenwärtig. Gott ist so
in all seinen Geschöpfen in der Selbstunterscheidung und
Selbsthingabe der
Liebe präsent und wohnt jedem Geschöpfe empathisch
ein, so Moltmann. Diese Schekhina läßt
den Blick auf die Lebewesen fallen und nicht auf den Himmel. Das ist
Albert
Schweizers Ehrfurcht vor dem Leben als Fürsorge für
die Umwelt. Wobei schwache
Tiere oft gefressen werden von anderen Tieren; mit der Liebe ist das so
eine
Sache. Die Empathie für das getötete Opfer und
Leckerchen ist selten
überzeugend. Wie unmenschlich selbst die
osteuropäischen Schlachter in
deutschen Schlachthöfen untergebracht sind, kam unter
Coronabedingungen an die
Öffentlichkeit, viele Tiere töten humaner als wir
Menschen. Und Gott sei Dank gibt es in der Sekunde des Schmerzes die
Endorphinausschüttung, die den Biß des Löwen kaum noch
spüren läßt.
Der Geist als die
wirkende Gegenwart Gottes selbst ist „mehr als eine
Eigenschaft Gottes und mehr
als eine Gabe Gottes an die Kreatur“.[28] Er ist die
Selbsterniedrigung des göttlichen
Geistes hinein in die Schekhina, in die Einwohnung in den Pflanzen,
Tieren und
Menschen. Die solidarisierende Einwohnung unter der leidenden Kreatur
ist aber
falsch begriffen, wenn Moltmann mit Rm 8 nur auf deren
Vergänglichkeit abhebt
und dann die Auferstehung der Tiere vergißt zu entwickeln.
Nicht die
Begrenztheit aller Lebensprozesse auf Erden ist Leid, sondern wie die
Geschöpfe
miteinander umgehen, besonders das Geschöpf Mensch.
„Der Tod ist ein Meister
aus Deutschland“, so trifft Paul Celan ins Schwarze.
Weiterhin ist die
Solidarität Gottes mit der Evolution seiner Schöpfung
keine Selbsterniedrigung,
weil es für Gott keine Chefetage im Himmel gibt, die
höher wäre als unsere
Erdenleben. Mit dem hierarchischen Gerede sollte um Gottes Willen
Schluß sein
in der Theologie.
Wenn der
Täuferjohann als der auferstandene Elia (Mk 6,15) und Jesus
als der
auferstandene Elia oder Johannes (Mk 8,28) unter den
Galliläern gesehen wurde,
so ist erstens dort Auferstehung längst vor der Kreuzigung
Jesu, schon seit den
Makkabäerkriegen und vom Zurvanismus her, ein bekanntes
Phänomen und zweitens
der Effekt einer so großen Ähnlichkeit in Wort und
Tat, daß quasi die Identität
eines Menschen in einen anderen diffundieren kann als eine tiefe
Übertragung
von Praxisfiguren und/oder Aussehen, Gestus und andere
Identitätsmerkmale.
Genau in diesem Sinne ist es schlüssig zu sagen, Jesus sei ins
Kerygma
auferstanden oder paulinisch in die Kirche als neuer Leib Christi. Wenn
also
Moltmann diese Form der Auferstehung als dann tatsächlich
transzendente: als übergehende
Identitätsdiffusion des
Rabbi in seine Schüler und von dort aus missionarisch in die
Gemeinden und von
da aus in die Weltpolitik meinen würde, wäre ich ganz
bei ihm. Dann ist
Auferstehung eine Metonymie für Vererbung und Mimesis und
keine
Leichenbelebung.
Wenn Paulus 1Kor
15,31 sagt, er sterbe täglich, so sind bei ihm Tod und
Auferstehung nicht
deckungsgleich mit unserem medizinischen Begriff von Tod und
Reanimation. Unter
der vorgeschobenen Todesgrenze des AT kann Tod auch eine schwere
Krankheit
meinen. Was dann Auferstehung meint, ist am ehesten durch den Glauben
an den
Täuferjohann als auferstandenen Elia zu verstehen, der ja gar
nicht als
personale Resurrektion gedacht wurde, sonst hätte Johannes
sich als Elia
bezeichnen müssen. In dem Auferstehungsleib des
Täuferjohanns finden sich eher
hervorstechende Merkmale Elias wieder, aber keine physische
Identität einer
Person.
1Kor 15,50: Τοῦτο
δέ φημι͵
ἀδελφοί͵
ὅτι σὰρξ
καὶ αἷμα
βασιλείαν
θεοῦ
κληρονομῆσαι
οὐ
δύναται͵
οὐδὲ ἡ
φθορὰ τὴν
ἀφθαρσίαν
κληρονομεῖ. Fleisch
und Blut erben nicht das Reich
Gottes, nicht einmal wenn sie unverweslich wären. So ist die
Verwandlung (αλλαγησομεθα)
des
verweslichen Leibes 1Kor 15,51 in einen unverweslichen (αφθαρτοι)
beim
Schall der endzeitlichen Trompete wohl auch nicht gedacht als eine
personale
Restitution im Himmel nach dem Glauben der Mandäer. Nach der
Auferstehung
erfolgt als Schritt 2 eine Verwandlung des Verweslichen ins
Unsterbliche, 1Kor
15,53: deiÍ
ga\r to\ fqarto\n tou=to e)ndu/sasqai a)fqarsi¿an
kaiì
to\ qnhto\n tou=to e)ndu/sasqai a)qanasi¿an. Das Verwesliche wird
hineingesteckt in die Unverweslichkeit, das Sterbliche in
Unsterblichkeit.
Diese Verwandlung ist eine Adaption von
Bundahišn 30.7-25 SBE5 (= 34,6ff
Anklesaria).[29] Auch dort werden die vom
glühenden Metallfluß
gereinigten Menschen unsterblich. Auch dort ist die Auferstehung nur
erster
Teil des Weltgerichts, nach dessen Bußen und Strafen als
drittem Teil erst als
vierter Teil die Verwandlung der Menschen ins Unsterbliche erfolgt. So
ist
Paulus hier deutlich den zervanistischen Quellen gefolgt, die damals
sehr
verbreitet waren. Was aber von diesem Mythos wollen wir noch glauben?
Die
Auferstehung ist nur Auftakt des Weltgerichts, dessen Ausgang
für den einzelnen
Christen äußerst ungewiß ist. Hat er nicht
fest genug an Jesu Kreuz und
Auferstehung zur Vergebung seiner Sünden geglaubt, kann es
äußerst schmerzhaft
werden. Wer an Auferstehung glaubt, sollte sich besser warm anziehen.
Für viele
Christen sieht es überhaupt nicht gut aus im Gericht, nimmt
man Mt 25 ernst.
Das Verhalten der Kirchen ist die Nagelprobe darauf, wie ernst es mit
der
Auferstehung denn wirklich ist. Sie wird gerne im Munde
geführt, aber kaum
einer glaubt sie wirklich, denn dann müßte er sein
Verhalten in Gottes
Schöpfung grundlegend verändern gegenüber
den geringsten Brüdern Jesu auf zwei
oder vier Beinen.
Moltmanns
Versuch, die göttliche Trinität als
altkirchliches Konstrukt von Vater, Sohn und Geist als
Überwurfmutter der
Schöpfung zu verschrauben, läßt sich
evolutionstheoretisch nur als spekulativ
bezeichnen und wie Filius Jesus für das Zusammenwirken der
Ameisen im
Buchenwald zuständig sein sollte, gibt Rätsel auf.
Daß die drei von der
göttlichen Tankstelle keine Personen wie du und ich sind,
unser Begriff von
Person also nicht greifen kann, hält Moltmann nicht davon ab,
ihn trotzdem zu
verwenden, um ihre Perichorese als Vorbild der Vergemeinschaftung aller
Lebewesen zu beschreiben.[30] Für
Flora trifft
die Verschmelzung der
Wurzelwerke zu, aber für Tierarten, in denen die Einzelwesen
mit einem je
eigenen Charakter eine deutliche Unverwechselbarkeit aufweisen, wie
jeder
Pfleger im Zoo weiß, ist der Personenbegriff so triftig wie
bei Menschen. Daß
Tiere und Pflanzen miteinander kommunizieren wie auch die Zellen
innerhalb
jedes Tieres und jeder Pflanze, entspricht dem perichoretischen
Prozeß der
himmlischen Trias, meint Moltmann. Es würde reichen, Gott als
geistigen Motor
der Evolution zu erkennen und das äußerst
fragwürdige Liebesverhältnis von
opferndem Vater und gekreuzigtem Sohn nicht als Grundprinzip der Natur
zu
vindizieren. Es sei denn, man konstatiert, daß das trinitarische
Liebesverhältnis einer erbarmungslosen Hinrichtung genau die
Brutalität wiederspiegelt, die das Fressen und Gefressenwerden der
erbarmungslosen Evolution als göttliche Mixis von Gut und
Böse auf den Punkt bringt. Weiterhin ist die Schöpfung als
offenes System in
einem ständig
fortschreitenden Lernprozeß begriffen. Der Sohn in diesem
Lernprozeß lehrt über
die Evangelien, mit wenig auszukommen und für die Opfer
unserer Gesellschaft um
so mehr zu tun. Jesus ist nicht für unsere Sünden
gestorben, sondern hat die
Verlorenen geliebt und sagt: Sündige hinfort nicht mehr. So
wäre der Sohn als
Wegweiser der Menschheit das Leitbild gegenseitiger Sorge und Liebe.
Dazu
braucht es aber keine Spekulation über einen zum Gott
gewordenen Jesus in der
aus kirchenpolitischem Machtpoker entstandenen Trinität.[31] Ich glaube nicht,
daß bei den 45,2 % Ostern
2025 noch verbliebenen Kirchenmitgliedern die dogmatischen
Konstruktionen der
alten Kirche für ihren Glauben relevant sind und mehr als
agendarische
Pflichtformulierungen.[32] Analog haben sich
jährliche Eheschließungen
seit 1950 halbiert. Von daher interessiert es kaum einen mehr, ob Gott,
Jesus
und der Geist drei Hypostasen oder Personen sind und wie die Einheit
ihres
Wesen konkret gestaltet ist. Homusie als Perichorese zu beschreiben ist
nicht
unplausibel. Luther hat sich auch über die
Trinitätsstreitigkeiten lustig
gemacht:
“VII.
Haec unitas trinitatis (ut sic dicamus) est
magis una, quam ullius creaturae, etiam mathematicae unitas.
VllI.
Simul nihilominus haec unitas,
est trinitas, seu trium personarum
distinctarum divinitas.
IX.
Ut quaelibet persona sit ipsa tota divinitas, ac si nulla esset
alia.
X.
Et tamen verum est, Nullam personam esse solam, quasi alia non sit,
divinitatem.
XI.
Haec distinctio personarum, adeo magna est, ut sola filii persona
assumpserit hominem.
XII.
Error est enim, quod vel
pater sit filius, vel pater sit homo factus.
XIIl.
Error itaque est universa Mathematica. ipsaque fortiter
crucifigenda, dum de Deo ipso quaeritur.
XIV.
Leviter et frigide consolantur nos Scotus et Scholastici cum suis
distinctionibus formalibus et realibus.
XV.
Quin M. Sententiarum, non satis recte docuit, Essentiam divinam nec
generare nec generari.”[33]
Selbst die Quaternitas, die Vierfaltigkeit hat Joachim de Fiore ins Spiel gebracht und in der Tat bleibt es bei pseudomathematischen Spielchen und konzilfüllendem Kopfzerbrechen über himmlische Verhältnisse, die wir in ihrer Transzendenz niemals werden hinreichend erfassen können. Köstlich, wie Luther sich aus Gottes Sicht das Treiben der Theologen anschaut: “Hier spricht Gott. Ich höre, daß Ein Gott ist und drei Personen. Wie das zugeht, das weiß ich nicht. Ich will glauben.”[34] Mit welcher Heiterkeit und Leichtigkeit Luther hier über das Gezappel an den Hypostasen oder Personen spricht, zeigt etwas von der Klarheit dessen, daß man über Trinität lieber schweigen sollte. Die Evolution jedenfalls ist keine Perichorese pur, sondern auch ein harter zerstörerischer Kampf ums Überleben und sogar das Töten von Krebszellen oder Neophyten ist lebenswichtig. Deshalb wäre Interdependenz der Arten ein auch das “Böse” mit berücksichtigender Begriff. Wie Geist eine Person sein kann, ist leichter gesagt als erklärt. Ruach ist Wind und Vaju wird im Iranisch-Indischen auch als Gottheit dargestellt. Aber als Wehen oder Begeisterung ist Geist immer ein interpersonales, ja überpersonales Phänomen der Verbindung und Gesellung über gemeinsame Interessen. Moltmann hat Spaß an einer Systemarchitektur, in der alle Mitspieler in einem reziproken Verhältnis stehen und damit eine prästabilisierte Harmonie entwickeln. So harmonisch ist aber weder die Welt noch der mögliche göttliche Geist, der in ihr Entwicklungen vorantreibt. So wird Moltmanns Durst nach Harmonie Gottes dem zerklüfteten Sein der Schöpfung und ihren Tendenzen im Experimentum Mundi nicht ganz gerecht. Die jüdische Theologie lehnt mit der Göttlichkeit Jesu auch die Trinität ab.
Da ich nicht
die Annahme eines Himmels als
Quelle der Möglichkeiten der Evolution teile, tendiere ich eher
zu Spinozas[35] dynamischem
Pantheismus. Ich
glaube, die
Materie kann auch ohne einen Himmel ihre Entwicklung vorantreiben. Der
göttliche
Geist arbeitet in der sich selbst organisierenden, sich selbst
transzendierenden und selbstschöpferischen Materie. Damit ist
Gottes
innerweltliche Ambiguität so todwirkend und vivifizierend, wie
er im Deismus
als Pantokrator für die Grausamkeit der Welt verantwortlich
ist und im
himmlischen Thronsaal sich die Frage gefallen lassen muß,
warum er Erdbeben,
Überschwemmungen, Tsunamis und Feuersbrünste neben
den königsgewirkten Kriegen
und Ausbluten der Armen zuläßt. So oder so ist Gott
nicht nur Liebe, sondern
eifersüchtig und grausam wie im Dekalog und vielen
Erzählungen des AT, wo Gott
immer weltimmanent gewirkt hatte. Die Abstraktion Gottes zum
Kosmokrator hat
ihn in den siebten Himmel erhöht, aber das hat der Welt keine
Liebe gebracht,
weder als Schöpfer noch als "Trias" mit Jesus. Was ist am
Pantheismus so
gefährlich, was ändert sich für Gott, wenn
wir ihn als lernenden Geist der
Evolution solidarisch in seiner Schöpfung denken mit einem
Jesus, der das Recht
des Stärkeren im Überlebenskampf durch die Erquickung
der Mühseligen und
Beladenen unterwandert hat? Wenn Gott nicht Himmelschef ist, sondern
keine
anderen Hände hat als die der Menschen und Tiere, speziell die
Jesu, wenn also
wir in der
Nachfolge Jesu die Priester Gottes sind und in seinem Geist
Verantwortung
tragen für das Wohl der Welt, was ist damit verloren? Das Wehen
des Ruach als Sturm der Liebe war die Idee von Pfingsten als
Verständigung über alle ethnischen Grenzen hinweg, als Arbeit
gegenseitiger Empathie und Gütergemeinschaft, kurz: als
Fortsetzung der Jesusbewegung. Wir sind
in die Pflicht
genommen genau wie Israel durch die Tora, aber noch weit über sie
hinaus nach den
Erfordernissen heutiger Probleme. Genau in diesem Sinne hat Jesus die
Tora revidiert in seiner Fürsorge für die Opfer der
Gesellschaft. Unterm Strich ist
maßgeblich, was wir getan
haben einem der geringsten Brüder Jesu. Genau das wird die
Evolution von
Menschen, Tieren und Pflanzen beeinflussen und genau darin liegt die
Hoffnung auf einen Weltzustand, der nicht als Hölle
weitergeht, sondern die
Welt mit Gottes Hilfe in unseren Händen wohnlich macht. Schekhina
eben und Schalom. Und Zimzum
als
Selbstkontraktion wäre ein grandioses Vorbild für
unseren ökologischen
Fußabdruck: weniger Raum einnehmen im Konsumtempel und Platz
schaffen für die,
die sich nicht so viel leisten können und an unserem
Konsumrausch verhungern.
Ernst Bloch,
Das Prinzip Hoffnung, Frankfurt/Main (Suhrkamp)
1973
Pierre Teilhard
de Chardin, Der Mensch im Kosmos, München4
(Beck) 1959
Manfred
Folkers/ Niko Paech, All you need is less. Eine
Kultur des Genug aus ökonomischer und buddhistischer Sicht,
Oekom-Verlag 2020;
München (Goldmann) 2025
Lütge,
Michael, Der Himmel als Heimat der Seele. Visionäre
Himmelfahrtspraktiken und Konstrukte göttlicher Welten bei
Schamanen, Magiern,
Täufern und Sethianern, Saarbrücken
(Südwestdeutscher Verlag für
Hochschulschriften) 2010
Jürgen
Moltmann, Gott in der Schöpfung. Ökologische
Schöpfungslehre, Gütersloh 41993.
Jürgen
Moltmann, Der Geist des Lebens. Eine ganzheitliche
Pneumatologie, München 1991.
Jürgen
Moltmann, Theologie der Hoffnung. Untersuchungen zur
Begründung und zu den Konsequenzen einer christlichen
Eschatologie, München 31965.
Jürgen
Moltmann, Trinität und Reich Gottes. Zur Gotteslehre,
München 1980.
Jürgen
Moltmann, Das Kommen Gottes. Christliche Eschatologie,
Gütersloh 1995.
Jürgen
Moltmann, Der gekreuzigte Gott. Das Kreuz Christi als
Grund und Kritik christlicher Theologie, München 31973.
Jürgen
Moltmann, Kirche in der Kraft des Geistes. Ein
Beitrag zur messianischen Ekklesiologie, München 1975.
Jürgen
Moltmann, Der Weg Jesu Christi. Christologie in
messianischen Dimension, München 1989.
Jürgen
Moltmann, Gott im Projekt der modernen Welt. Beiträge
zur öffentlichen Relevanz der Theologie, Gütersloh
1997.
Jürgen
Moltmann, Erfahrungen theologischen Denken. Wege und
Formen christlicher Theologie, Gütersloh 1999
Alfred North
Whitehead, Religion in the Making (1926), (New
American Library) New York 1960.
Alfred North
Whitehead, Wissenschaft und moderne Welt.
Übers. G. Tschiedel u. F. Bondy, (Morgarten) Zürich
1949
Alfred North
Whitehead, Abenteuer der Ideen. Übers. E.
Bubser, (Suhrkamp) Frankfurt 1971.
Alfred North
Whitehead, Prozeß und Realität. Entwurf einer
Kosmologie. Übers. H.-G. Holl, (Suhrkamp) Frankfurt 1979.
[1]
Alfred North Whitehead, Wissenschaft und moderne Welt. Übers.
G. Tschiedel u.
F. Bondy, (Morgarten) Zürich 1949 ist 1925 geschrieben als
interdisziplinäre
Arbeit mit Joint Enterprise von Mathematik, Physik, Logik,
Erkenntnistheorie,
Metaphysik, Ästhetik, Soziologie und Pädagogik. Es
folgt 1926 Religion in the
Making, (New American Library) New York 1960 und schließlich
als
Gifford-Vorlesungen 1927-28 an der Universität von Edinburgh
das magnum opus: Prozeß
und Realität. Entwurf einer Kosmologie. Übers. H.-G.
Holl, (Suhrkamp) Frankfurt
1979 mit Teil 3: Die Theorie der Vorahnung und Teil 4: Die Theorie der
Ausdehnung
[2]
Whitehead, Wissenschaft… , 227
[3]
AaO 232
[4]
AaO 244
[5]
AaO 247f ebd: „Vor allem ist religiöses Leben keine
Suche nach Behaglichkeit.“
[6]
AaO 249
[7]
Alfred North Whitehead, Prozeß und Realität. Entwurf
einer Kosmologie. Übers.
H.-G. Holl, (Suhrkamp) Frankfurt 1979,520
[8]
Manfred Folkers/ Niko Paech, All you need is less. Eine Kultur des
Genug aus
ökonomischer und buddhistischer Sicht, Oekom-Verlag 2020,159ff
bes. 167f:
„Angesichts des systematischen Technik- und Politikversagens,
mit dem zugleich
jede Verantwortungsdelegation an höhere institutionelle Ebenen
fehlschlägt,
verbleiben als Handlungsoptionen, die den zerstörerischen
Steigerungswahn
durchbrechen, also nur solche, die 1. keiner technischen Innovationen
bedürfen,
sondern auf genügsamen Handlungsmustern (Reduktion,
Selbstbegrenzung,
Verneinung/Verweigerung) beruhen, 2. die institutionell insofern
voraussetzungslos sind, als sie nicht von politischen
Mehrheitsentscheidungen
abhängen, also nötigenfalls unilateral auf
individueller Ebene, in Gruppen oder
in gesellschaftlichen Teilsystemen umgesetzt werden können
(Eigenverantwortung)
und 3. nicht an separaten Objekten oder symbolischen Einzelhandlungen,
sondern
an der individuellen Öko- oder wenigstens CO2-Bilanz
ausgerichtet
sind (Subjektorientierung).“
[9]
Whitehead, Prozeß und Realität1979,315
[10]
Jürgen Moltmann, Theologie der Hoffnung. Untersuchungen zur
Begründung und zu
den Konsequenzen einer christlichen Eschatologie, München 31965,259:
„der in Ewigkeit mit sich identischen
„Sache“ der Bibel bei Barth zeigen eine
Tendenz zum uneschatologischen und auch unhistorischen Denken, die auch
in der
späteren Formulierung des Wortes Gottes und der
Selbstoffenbarung noch
anzutreffen sind.“
[11]
Moltmann, aaO 266
[12]
Moltmann aaO 303
[13]
https://de.wikipedia.org/wiki/Stuttgarter_Schuldbekenntnis:
„Fast alle späteren
Unterzeichner der Stuttgarter Erklärung hatten Adolf Hitlers
Kanzlerschaft
begrüßt, zu fast allen Verfolgungs- und
Terrormaßnahmen der Nationalsozialisten
vor 1939 geschwiegen, die Eroberungskriege des NS-Regimes, beginnend
mit dem Überfall auf Polen,
unterstützt und nur in einigen die Kirche betreffenden
Teilbereichen gegen
Maßnahmen des Regimes Stellung bezogen. Dabei hatte auch die
Bekennende Kirche
(BK) ihre grundsätzliche Staatstreue ständig bekundet
und mit Ergebenheitsadressen
– bis hin zu einem freiwilligen Führereid der
Pastoren 1937 – versucht, sich
gegenüber den Deutschen Christen (DC) und staatlichen
Dienststellen zu
behaupten.“
[14]
Moltmann, Theologie der Hoffnung, 312
[15]
Moltmann, Der gekreuzigte Gott. Das Kreuz Christi als Grund und Kritik
christlicher Theologie, München 31973,314
[16]
Moltmann, Der gekreuzigte Gott, 262; Eli Wiesel, Night, 1969, 75f
[17]
AaO 266
[18]
AaO 312
[19]
AaO 315
[20]
Moltmann, Gott in der Schöpfung. Ökologische
Schöpfungslehre, Gütersloh 41993,116ff;
153ff
[21]
Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung, Frankfurt/Main (Suhrkamp) 1973,1628;
Pierre
Teilhard de Chardin, Der Mensch im Kosmos, München4
(Beck) 1959
[22]
Moltmann, Gott in der Schöpfung, 219
[23]
AaO 115
[24]
AaO 25
[25]
AaO 112f
[26]
AaO 176
[27]
AaO 190
[28]
Moltmann, Der Geist des Lebens. Eine ganzheitliche Pneumatologie,
München
1991,64
[29]
Lütge, Der Himmel als Heimat der Seele. Visionäre
Himmelfahrtspraktiken und
Konstrukte göttlicher Welten bei Schamanen, Magiern,
Täufern und Sethianern,
Saarbrücken (Südwestdeutscher Verlag für
Hochschulschriften) 2010,143ff
[30]
Moltmann, Trinität und Reich Gottes. Zur Gotteslehre,
München 1980
[31]
Nicaea 325- Konstantinopel 381 – Toledo 625 sind die Konzile,
auf denen die
Trinität ausgefochten wurde. Arius alexandrinus sah Jesus als
Mensch nicht
wesenseins mit dem Vater. Athanasius alexandrinus sah ihn o(mou/sioj,
wesenseins mit dem Vater.
Origines prägte den Begriff der Hypostasen, der
ähnliches meinte wie drei
Personen eines Wesens.
[32]
Der NDR befragte vom 8. bis 14. Juni 2023 1.930 HamburgerInnen
über Gründe für
Kirchenaustritt.: Ich habe andere Moral-
und Gesellschaftsvorstellungen als die Kirche 62%; Missbrauchsfälle in der Kirche
und deren Umgang damit 51%; Ich
nutze kirchliche Angebote (Gottesdienste, Gemeindeveranstaltungen)
nicht 37%; fraglicher
Umgang mit Kirchengeldern 35%; Ich glaube
nicht (mehr) an Gott 33%; andere Gründe 14%;
finanzielle Gründe
(Kirchensteuer) 4%
[33]
Luther, WA 39/2, 287 Thesen zur Promotion des G. Maior, 12.12.1544
[34]
WA 39/2,364f „Deus loquitur ibi, audio, esse unum deum et
tres personas. Wie
Das zugeht, nescio.“
[35]
Baruch de Spinoza, Tractatus theologico-politicus, Hamburg 1670,
übers. v.
Heinrich von Kirchmann, Heimann-Verlag (Berlin) 1870,175
„dass das ewige Wort
und Bündniss Gottes und die wahre Religion den Herzen der
Menschen, d.h. dem
menschlichen Geist von Gott eingeschrieben worden, dass sie die wahre
Handschrift Gottes ist“.