Ruhr-Universität Bochum
29.1.03
Germanistisches Institut
WiSe 02/03
Seminar: „M“
Dozent: Dr. Niels Werber
Referent/innen: Ulrike Herrlich, Daniel Lymer
Ernst Jünger – Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt
- Aspekte und Textstellen -
„Der Arbeiter“ von Ernst Jünger beschreibt eine totalitäre nihilistische
Idee. Das Buch baut auf der Grundüberzeugung auf, dass die Weltgeschichte
in eine Phase von Kriegen getreten ist, von denen der 1. Weltkrieg nur der
Anfang ist.
ð der erste Weltkrieg als Wendepunkt von der bürgerlichen
Gesellschaft zum
Arbeiterstaat (S.55): „Der Weltkrieg wurde nicht nur zwischen Nationen, sondern
auch zwischen zwei Zeitaltern ausgetragen (S.57)- der Soldat des ersten Weltkrieges
als Urtypus und Vorläufer der Arbeiter: ...“unbesiegt; im Ringen um
das Gesicht der Erde, gleichermaßen als ein Wesen der Unterwelt und
als Träger eines kältesten, grausamsten Bewusstseins“, in dem sich
die Linien der Leidenschaft und der Mathematik schneiden. (S.60)
Weltkrieg bedeutet auch Weltrevolution (gleichzeitige Zerstörung von
materiellen und ideologischen Gütern). Auf dieser Grundlage ist es eine
politische Ausbildungsvorschrift, eine Gebrauchsanweisung der ideologischen
Waffe.
Das Buch gliedert sich in zwei Teile:
1. Vorbereitender Teil: Klärung der politischen Grundbegriffe
2. Analyse der bürgerlichen Welt und der Entwicklung
des Konfliktes zwischen Arbeiter und Bürger
Staat
§ Weltstaat
§ Militärstaat: organisiert wie ein Heer, soldatisch
ð „Die Härte der Welt wird nur durch Härte
gemeistert.“: KAMPF- weder ist der Idealismus der Idee gewachsen, noch der
Materialismus der Materie; beide sind bürgerliche „Taschenspiele“ (S.30)
ð Der Arbeiterstaat fordert mehr Opfer als jede Inquisition
und jeder Moloch; dieses ist
aber nichts negatives, sondern „SCHICKSAL“
und „VEREHRUNG“, die „hinter dem
Schleier von Ursache und Wirkung“ am Werke
sind. (S.48)
§ „Weltmaschine“ durch das Mittel Technik
ð Der Staat als Maschine, der Arbeiter als Antriebsmotor
des Rades im System:
1. „...ihr Blut ist der Kraftstoff, der die Räder treibt und an ihren
Achsen raucht“... (S.47)
2....“seine Kampfkraft ist kein individueller, sondern ein funktionaler Wert;
man fällt nicht mehr, sondern man fällt aus“...(S.111)
ð Aus dem EINZELNEN wird ein KRIEGSMANN, aus der MASSE
das HEER, eine neue BEFEHLSORDNUNG setzt ein: er verlässt die Sphäre
der VERHANDLUNGEN, der LITERATUR, und des MITLEIDS- alles juristische wird
militärisch (ANWALT=>FÜHRER) S.28
Freiheit
§ Fähigkeit, Notwendigkeiten zu erkennen und
deren Ablauf zu fördern
ð Freiheit kann nur an den Punkten der Tätigkeit,
der „wirkenden Verwandlung der Welt
empfunden werden (S.62): der Wille der Unvergänglichkeit
lebt in der Tätigkeit des
Arbeiters (S.63).
ð Ordnung als „stählerne[s] Spiegelbild der Freiheit“,
als „Bereitschaft für das Wort, die Bereitschaft für den Befehl“;
Gehorsam als „Kunst zu hören“ (S. 15)
§ In Politik ist Freiheit Dienstanspruch ® Verantwortung
gegen den Staat
§ Freiheitsgefühl des im Ganzen schwebenden und
tätigen Teils
ð Beschreibung der Gemeinschaft des Arbeiters als eine
„ameisenartig im Banne des Werkes lebende, von der aus der Anspruch auf Eigenheit
als unbefugte Äußerung der privaten Sphäre betrachtet
wird“ S.(45)
§ -Freiheit = Gehorsam = Arbeitsanspruch
Gestalt
§ höchste sinngebende Wirklichkeit
§ Ganzes, das mehr ist als die Summe seiner Teile
§ Metaphysisch
Gestalt des Arbeiters
ð Der Arbeiter besitzt zugleich zweierlei Gestalt (S.
43):
1. ...“der unter heroischen Aspekten auftretende unbekannte
Soldat, der auf den Schlachtfeldern der Arbeit vernichtet wird“...
2. ...“der Herr und Ordner der Welt, der gebietende Typus
im Besitze einer bisher nur dunkel geahnten Machtvollkommenheit“...
§ Träger der neuen Entwicklung als Vereinigung
von Krieger und Revolutionär
ð In der NEUEN ORGNUNG ist hat der Arbeiter keine wirtschaftliche
Qualität mehr (S.28): Die bürgerliche DIKTATUR DES WIRTSCHAFTLICHEN
DENKENS wird zerstört
ð Vergleich zu BRAVE NEW WORLD: „Eins der Mittel eines
neuen [...] Lebens besteht in der Vernichtung [...] des losgelösten
und selbstherrlichen Geistes, in der Zerstörung der Erziehungsarbeit,
die das bürgerliche Zeitalter am Menschen geleistet hat.[...] Es kommt
nun auf die Erziehung eines Menschenschlages an, der die [...] Gewissheit
besitzt, dass die Ansprüche der abstrakten Gerechtigkeit, der freien
Forschung, des künstlerischen Gewissens sich auszuweisen haben vor einer
höheren Instanz [...].“ (S.42/43)
ð Das tiefste Glück besteht darin, dass er geopfert
wird und die höchste Befehlskunst darin, Ziele zu zeigen, die des Opfers
würdig sind (S.76)
§ Macht als Ausdruck des Seins
ð Definition MACHT: Ausdruck eines unzweifelhaften
Seins untrennbar in Verbindung mit einer festen, bestimmten Lebenseinheit
(S.73)- ...“der Mensch entfaltet seine höchste Kraft, entfaltet Herrschaft
überall dort, wo er im Dienste steht“... (S.74)
ð Der Arbeiter hantiert nicht mit wirtschaftlichen
Freiheiten, noch mit wirtschaftlicher Macht, sondern mit MACHT an sich (S.31):
Er schafft durch sie eine „reichere, tiefere und fruchtbarere Welt“ - „HEROISCHER
REALISMUS“
ð „HEROISCHER REALISMUS“: „Die vorderste Kampf- und
Arbeitsstellung innezuhalten und dennoch nicht in ihr aufzugehen, nicht nur
Material, sondern zugleich Träger des Schicksals zu sein, das Leben
nicht nur als Feld des Notwendigen, sondern zugleich der Freiheit zu begreifen.“
(S.66)
ð Das Leben des Arbeiters ist autonom, Ausdruck seiner
selbst und damit Herrschaft (S.67)
ð Die innere Einheit des Arbeiters weist sich aus,
„indem der Wille zur totalen Diktatur sich im Spiegel einer neuen Ordnung
als der Wille zur totalen Mobilmachung erkennt“. S.(45)
ð Vergleich des Arbeiters mit dem nietzscheanischen
Übermenschen S.(45)
§ Freiheit
ð die Haltung des Arbeiters besteht darin, ihren Auftrag
und damit ihre Freiheit in der
Arbeit zu erkennen (S.44): TRIEBFEDER dazu
ist das GEFÜHL DER
VERANTWORTUNG
ð Der Arbeiter wird vom Objekt zum Subjekt der
Geschichte: ...“das Maß der Freiheit des Einzelnen entspricht dem
Maße, in dem er Arbeiter ist“ und „Anteil zu haben an einem neuen,
vom Schicksal zur Herrschaft bestimmten Menschentum“ (S.68)
§ Rasse von einheitlicher Ausstattung (nicht individuell)
Arbeit
ð Definition ARBEIT: „A. ist das Tempo der Faust, der
Gedanken, des Herzens, das Leben bei Tage und Nacht, die Wissenschaft, die
Liebe, die Kunst, der Glaube, der Kultus, der Krieg: A. ist die Schwingung
des Atoms und die Kraft, die Sterne und Sonnensysteme bewegt.“ (S.68)
§ Selbstzweck
§ Prinzip, nicht Tätigkeit ® jeder Zustand
ist Arbeit
§ Kultischer Charakter: Göttliches liegt in der
Arbeit, Arbeit als Religion
§ Ziel der Arbeit ist das Herrschen, das im Arbeitsakt
selbst liegt. Welche Art von Arbeit ist dabei unwichtig.
ð Die Maschinentechnik ist das Symbol der Gestalt des
Arbeiters. (S.76)
ð Bewegung, Geschwindigkeit, Effizienz bestimmen den
Arbeitsprozess
Arbeiter und Bürger
ð Der Bürger definiert sich durch das „kunstvolle
Spiel seiner Begriffe“, die „Prägung des Wortes“ und seine „Wörterbücher“
(S. 22): er ist aber zum „Tode verurteilt“, weil man in jenen Begriffen und
Wörtern zu denken aufhört, und nicht mehr in ihnen tätig
ist (S.23).
ð Der Arbeiter definiert sich nicht durch seine Gegensätzlichkeit
gegenüber der bürgerlichen Gesellschaft, sondern durch seine ANDERSARTIGKEIT
(S.23): Sobald der Arbeiter dieses versteht, wird er zum wahren „TODFEIND“
der Gesellschaft, weil er es ablehnt, in ihren Formen zu fühlen, zu
denken, zu SEIN- so ERHEBT er sich ÜBER DEN BÜRGER und erklärt
ihm den Kampf auf Leben und Tod
ð Unterschied zwischen ARBEITER und BÜRGER: der
Rang des Arbeiters, der im Verhältnis zu dem Bürger unbekannten
„ELEMENTAREN MÄCHTEN“ steht (S.19)
ð „Der Mensch lebt elementar, ebensowohl insofern er
ein natürliches als auch insofern
er ein dämonisches Wesen ist.“ (S.52)
ð Das menschliche Herz sehnt sich nach Spielen und
Abenteuern, nach Hass und Liebe,
nach Triumphen und Abstürzen; es fühlt
sich der Gefahr ebenso bedürftig wie der
Sicherheit (S.53): ein von Grund auf gesicherter
(der bürgerliche) widerspricht seiner
elementaren Natur (S.53)
Arbeiter Bürger
Vereinigung von Krieger und Revolutionär: Träger der neuen Entwicklung
Träger der veralteten Welt
Freiheit = Notwendigkeiten erkennen Freiheit für Individuum
® Freiheit wovon, nicht wofür
TypusAlle Fähigkeiten im Dienst des Lebens Individuum
Herr über Wirtschaft, da sie Kampf ist, also den Gesetzen des Kampfes
unterworfen Materielle Befriedigung, „economic man“, Sklave
der Wirtschaft
Arbeit als Selbstzweck Wichtig ist Ergebnis der Arbeit
Macht als Prinzip des LebensElementarLebt für den Kampf
Am Leben vorbei kein Verhältnis zum Bösen/ElementarenSicherheitsbedürfnis
Will neuen Staat Lehnt Staat als höchstes Machtmittel
ab
Götzendiener der Vernunft
Keine Werte, keine Qualität, nur kriegerische Energie
Selbstverwirklichung = totale Mobilmachung
kampfbereit verhandlungsbereit
Vernunft/Moral
Tugend und Gerechtigkeit
handelt verhandelt
das „ELEMENTARE/ mächtige, gestaltlose Kraft aus den „Urkräften
des Sumpfes“