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+++ Artikel aus der bsz - bochumer stadt- und studierendenzeitschrift

 

Mit DVB-T und Hartz IV in die Röhre gucken
Digital ist besser

bsz 641, 03. November 2004

Am kommenden Montag wird auch in Bochum der Fernsehempfang über Antenne von analog auf digital umgestellt. Darüber freuen sich alle, die ihren Kabelanschluss kündigen wollen: Sie haben in Zukunft die Möglichkeit, 19 Programme zu empfangen, ohne monatliche Gebühren zu bezahlen. Wenn es nach dem Willen der Bochumer Sozialämter geht, schauen Sozialhilfe-EmpfängerInnen dagegen in die Röhre.

Weil Informationsfreiheit ein Grundrecht ist, haben EmpfängerInnen der Sozialhilfe einen Anspruch auf ein Fernsehgerät. Nach der Einführung des digitalen Antennenfernsehens (DVB-T) reicht das aber nicht mehr aus: In Bochum werden am 8. November mit RTL, SAT.1 und VOX die ersten drei Analog-Sender abschaltet. Ab Mai 2005 bleibt der Bildschirm über Antenne ganz schwarz, wenn keine Set-Top-Box (ab knapp 80 Euro) angeschlossen ist. Alle, die bisher noch über Haus- oder Zimmerantenne ferngesehen haben, müssen in die neue Technik investieren, wenn sie in Zukunft überhaupt noch Fernsehen empfangen wollen. In Bochum und Wattenscheid betrifft das etwa 10.000 Haushalte. Sowohl in Berlin-Brandenburg als auch in Bremen, wo die endgültige Umstellung schon stattgefunden hat, haben die Sozialämter die Kosten für das Zusatzgerät als „einmalige Leistung“ im Rahmen der Sozialhilfe übernommen. „Sozialhilfeempfänger haben die gleichen Rechte auf freien Zugang zu Fernsehprogrammen“, brüstete sich die medienpolitische Sprecherin der Bremer Grünen damals.

Auf den Hund gekommen

In Bochum soll das anders sein. Die Begründung der Behörden nutzt geschickt die Terminierung der Hartz-IV-Pläne aus: Zwar werden sich am vergangenen Montag die Programme, die in Bochum mit Antenne noch analog zu empfangen sind, von sechs auf drei halbieren. Weil ARD, ZDF und WDR aber erst im Mai analog abgeschaltet werden, sei das Grundrecht auf Informationsfreiheit bis dahin gesichert. Und dann, so hoffen die Behörden, gelten schon die neuen Hartz-Gesetze – „einmalige Zahlungen“ gibt es in den neuen Regelungen nicht mehr. Die EmpfängerInnen des neuen „Arbeitslosengeldes II“ müssen nicht nur wie bisher die Ausgaben des „täglichen Bedarfs“, sondern alle Anschaffungen von ihrer Regelleistung (345 Euro pro Monat in Westdeutschland) bezahlen. Was den Fernesehempfang angeht, hat nur eine kleine Gruppe der ALG II-Opfer Glück: Wenn ein Kabelanschluss im Mietvertrag vereinbart und damit nicht seperat kündbar ist, dann gilt er als Teil der Nebenkosten und muss auch in Zukunft von den Arbeitsagenturen bezahlt werden.

Jackpot

Fast die gesamten Kosten für die Umstellung auf DVB-T wird aus den GEZ-Gebühren und Steuern bezahlt. Die Summe für die Umrüstung und den Betrieb der digitalen Sendeanlagen in NRW kalkulierte die Landesmedienanstalt insgesamt auf 20 bis 25 Millionen Euro in den ersten vier Jahren. Während SozialhilfeempfängerInnen dank Hartz IV leer ausgehen sollen, erhalten die großen privaten Sendergruppen wie ProSiebenSat1 und RTL zusätzlich jeweils eine halbe Million Euro aus der öffentlichen Hand, um die Härten der Umrüstung auf die neue Technik abzufedern. Dabei profitieren die großen Medienkonzerne am meisten von der Umstellung, weil sie nun zwölf anstatt bisher drei kommerzielle Programme terrestrisch ausstrahlen können. Damit vervierfachen sich auch die Sendezeiten über Antenne, in denen mit Werbung Geld verdient werden kann. Dass die Medienriesen dennoch mit zusätzlichen Mitteln unterstützt werden, SozialhilfeempfängerInnen dagegen leer ausgehen, ist ein weiteres beeindruckendes Beispiel rot-grüner Sozialpolitik.

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Die Bochumer Verbraucher-Zentrale bietet umfangreiche Beratung zum digitalen Antennenfernsehen an. Unter anderem gibt es dort eine Liste der Geschäfte, die zum Testen erst einmal ein Leihgerät zur Verfügung stellen. Das ist wichtig, weil individuell ausprobiert werden muss, ob eine Zimmerantenne zum Empfang ausreicht. Verbraucher-Zentrale Bochum, Große Beckstraße 15, Telefon 0234/6 60 44, bochum@vz-nrw.de.

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