RAD im Pott, Ausgabe Herbst 1998:

Radfahrstreifen und Radwege: Top und Flop

Neues für Essens Radler

Der diesjährige Sommer hat für Essens Radlerinnen und Radler wieder Neuigkeiten beschert, positive wie negative:

Mit fast einem Jahr Verspätung fertig gestellt sind die Radfahrstreifen auf der Huyssenallee, die - wenn man einige Kleinigkeiten außer acht läßt - als sehr gelungen betrachtet werden können. So sind sie ausreichend breit; auch ist die Führung im Bereich der Kreuzung mit der Hohenzollernstraße bis auf die fehlenden Linksabbiegemöglichkeiten positiv zu werten. Was noch fehlt ist die Anbindung an die Cityradroute (über die "Freiheit" bzw. durch die Bahnhofsunterführung) sowie die geplante Fahrradstation im Hauptbahnhof. Illusorisch ist leider die Weiterführung der Radroute in Richtung Süden über die Rüttenscheider Straße, da hier die Umgestaltung vor zehn Jahren eindeutig Fakten zugunsten des Autoverkehrs geschaffen hat, die so schnell wohl nicht mehr revidiert werden.

Ebenfalls fertig sind die Radwege auf der Borbecker Straße (zwischen Schloßstr. und Frintroper Str.), die im Gegensatz zur Huyssenallee in der veralteten Machart als bordsteingeführte Radwege angelegt wurden (siehe auch RAD im Pott 4/97). Das gilt auch für die nagelneuen Radwege an der Bergheimer Straße zwischen Möllhoven und Reuenberg im Stadtteil Bedingrade, wobei die hier angelegten Radwege nicht notwendig gewesen wären, handelt es sich doch um eine baulich verkehrsberuhigte Tempo-30-Zone. Das Geld hätte man wesentlich sinnvoller an anderer Stelle ausgeben können. Im übrigen entsprechen beide Radwege hinsichtlich ihrer Breite nicht einmal der ab Oktober gültigen Straßenverkehrsordnung, müssen daher auch nicht benutzt werden.

Eine für Radfahrer derzeit völlig unklare Situation herrscht auf der Bottroper Straße. Diese zwischen der Kreuzung Sulterkamp und der Bottroper Stadtgrenze fast schon autobahnmäßig ausgebaute Schnellstraße weist Mehrzweckstreifen auf, die bislang auch Radfahrern zugänglich war (keine reine Kraftverkehrsstraße!). Nun wurden diese Mehrzweckstreifen kurzerhand zu Busstreifen umfunktioniert, ohne dabei abzuklären, wo der Radverkehr bleiben soll. Eine akzeptable Alternativstrecke gibt es nicht, daher sollte man den Radlern das Benutzen der Busspur grundsätzlich gestatten. Probleme können nicht auftreten, denn zum einen ist die Zahl sowohl der Busse als auch die der Radler nicht sehr hoch, zum anderen (so jedenfalls vom Autor dieser Zeilen beobachtet) benutzen ohnehin nur wenige Busse tatsächlich die besagte Busspur.

Wenig Erfreuliches gibt es über den westlichen Abschnitt der Radroute Gruga - Annental parallel zum Messeparkplatz zu berichten. Daß ein Teil dieses Weges gerade mal lächerliche 1,80 m breit ist, obgleich es sich um einen Zweirichtungsradweg inklusive regem Fußgängerverkehr handelt, wurde bereits in der letzten Rad im Pott bemängelt. Immerhin wurde auf Intervention von EFI und ADFC die Bordsteinkante zum Parkplatz hin soweit eingeebnet, daß ein Ausweichen möglich ist. Um nun auf den letzten Wegabschnitt bis zur B 224-Unterführung zu gelangen, muß man zunächst in zwei rechten Winkeln (von Kurven kann keine Rede sein!) den Parkplatz queren. Der anschließende Weg ist, obwohl nagelneu, eine einzige Huckelpiste - hier ist dringend Nachbesserung angesagt!!! Immer hin ist dieser Abschnitt wieder breit genug und - sehr positiv - mittels eines Holzzaunes wirksam gegen parkende Autos abgesichert. EFI und ADFC versuchen derzeit, eine Brückenverbindung am Ende der Radroute in Höhe der Grugahalle hinüber ins Schönleinviertel zu erreichen, was eine problemlose Verbindung durch das Mühlbachtal weiter in die Stadtteile Margarethenhöhe, Fulerum, Holsterhausen und Frohnhausen sowie zur Nachbarstadt Mülheim ermöglichen würde.

Ständigen Zuwachs gibt es zum Schluß noch bei den Fahrradboxen zu vermelden. So stehen am neugestalteten Bahnhof Dellwig-Ost (an der S 9) jetzt 12 Boxen. Und am Hauptbahnhof hat man endlich der hohen Nachfrage Rechnung getragen und einige zusätzliche Boxen aufgestellt. Diese bilden an dieser Stelle allerdings nur einen Tropfen auf dem heißen Stein, von der dringend benötigten Fahrradstation ist derzeit jedoch weit und breit nichts zu sehen!

Erster tödlicher Unfall seit drei Jahren

Radfahrunfälle in Essen

Anfang August veröffentlichte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden die Zahlen der 1997 in Deutschland verunglückten Radfahrer. Hierbei war gegenüber dem Vorjahr eine insgesamt zehnprozentige Steigerung festzustellen, wobei die Zahl der getöteten Radfahrer sogar um 14 Prozent stieg! In Essen war ein derartiger Anstieg der Unfallzahlen beim Radverkehr nicht feststellbar. Zwar wird seit 1994 die Gesamtzahl der gemeldeten Radverkehrsunfälle in Essen nicht mehr offiziell erfaßt, aber die leicht gesunkene Zahl verletzter Radler läßt darauf schließen, daß auch die Gesamtzahl 1997 leicht rückläufig war. Ein Trend läßt sich daraus allerdings nicht ablesen, zu groß sind die Schwankungen in Essen. So wurden z.B. 1989 insgesamt 338 Radler verletzt, 1994 waren es da gegen 258, die anderen Jahre lagen irgendwo dazwischen. Im ersten Halbjahr 1998 waren 110 verletzte Radler zu verzeichnen. Unfallbrennpunkt ist - wie in jedem Jahr - der Rundkurs um den Baldeneysee, wo dann vor allem mit Beginn der Schönwetterperiode ein sprunghafter Anstieg der Unfälle zu verzeichnen ist. Nicht geändert hat sich - entgegen den Erwartungen von Verwaltung und Polizei - die Situation vor Ort, nachdem auf der Südseite des Sees am Hardenbergufer der Trennungsstrich entfernt worden war. Ein wesentlicher Grund sind die immer zahlreicher (und z.T. immer rücksichtsloser) auftretenden Inlineskater, aber auch etliche Radfahrer sollten sich bezüglich ihres Verhaltens einmal an die eigene Nase packen. Die Polizei jedenfalls registrierte bis Mitte August dort 10 Unfälle, an denen 6 Skater, 5 Radler sowie 1 Fußgänger beteiligt waren, wobei sieben Menschen leicht sowie drei schwer verletzt wurden. Wenn auch nicht am Baldeneysee - son dern auf dem Ruhrradwanderweg in Steele - ist in diesem Jahr leider auch eine tödlich verunglückte Radlerin zu beklagen - übrigens der erste tödlich verlaufene Radfahrunfall seit immerhin fast drei Jahren! Bezeichnend ist hier allerdings der Umstand, unter dem die 65jährige Radlerin zu Tode kam. Sie wurde bei Aufbauarbeiten im Vorfeld eines SPD-Festes von einem Lkw erfaßt, der auf dem Ruhrradwanderweg (ohne Einweisung?) rangierte. Da muß man sich schon mal die Frage stellen, ob Radfahrer sich noch nicht einmal mehr auf den weitab vom Autoverkehr liegenden Radrouten sicher fühlen können.

Jörg Brinkmann


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