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Main samples of the urkainian modern literature:

Valentyna Masterova

Frische Milch
Vati kommt einmal im Jahr. Alle fangen schon zwei Monaten vorher an sich für die Ankunft vorzubereiten. Opa schlachtet ein Schwein, Oma und Mutti machen die Wurst, backen das Fleisch und weißen das Haus. Zwei meiner älteren Schwestern Tanja und Svitlana sind wie Geburtstagskinder. Überall wird nur von Vati gesprochen. Opa nimmt seine Hose heraus, die er nur an Festtagen trägt, den ganzen Tag trocknet er sie in der Sonne und legt sie nicht mehr in den Schrank. Oma betrachtet lange Zeit ihren Rock so, als ob sie irgendwann etwas anderes anzieht, diesen Rock und die schwarze, noch in der Jugend gestrickte Schürze. Ach, wie schön sie dann aussieht, wie eine Blume im Spätsommer. Wir haben ganz viele Blumen am Fenster zu Hause, auf die meine Mutti achtgibt. Nur wirkt sie irgendwie komisch, wenn sie auf unseren Vater wartet, es ist mir sogar unheimlich. Manchmal lacht sie, als ob sie geschlagen wird, und manchmal weint sie und schlägt mich. Opa und Oma machen ihr die Vorwürfe, daß sie sich nicht benommen hat und schimpfen sie dazu noch aus. Sie sagen, daß Gott ihr so einen guten Mann geschickt hat, den sie nicht wert ist.
Das ist aber nicht wahr, meine Mutti ist sehr schön, alle im Dorf sagen es. Weil es niemanden mit solchen langen schwarzen Haaren gibt. Wenn Mutti sich kämmt, fallen sie wie Wellen bis zu den Knien. Tante Lisaveta, unsere Nachbarin, sagt, daß solche Haare nur auf den Ikonen-Bildern gemalt wurden.
Nur ist meine Mutti ängstlich, sie hat Angst vor allen: vor Oma und Opa und vor allem vor Vati, wenn er kommen soll. Einmal hat unser Opa gesagt: " Was ist das für eine Schande für mich noch zu Ende meiner Lebzeiten einen Unehelichen zu erziehen". Mutti hat angefangen zu weinen und ist aus dem Haus gelaufen. Aber wir haben doch diesen Unehelichen gar nicht, weil es nur mich und meine älteren Schwestern gibt. Und in der Nacht bin ich aufgewacht, ich weiss selbst nicht warum, vielleicht, weil Mutti sehr nah zu mir stand. Ihre Hände waren sehr heiß. Sie hat meinen Hals gegriffen, so daß ich keine Luft mehr bekommen habe und dann ist sie auf den Boden gefallen und hat mit dem Kopf auf ihn geschlagen. Opa hat es gehört, ist heraus gekommen und hat gesagt: "Deinen Mann mußt du um Gnade bitten aber nicht hier. Du läßt uns alle nicht schlafen, Verrückte".
Und wenn der Tag kommt, dann ist es zu Hause wie vor der Hochzeit. Opa zieht morgens früh seine Hose an und macht danach gar nichts mehr, spricht nur vielleicht mit dem Nachbarn und fragt Oma, ob alles in Ordnung sei. Mutti kämmt die Schwestern und zieht ihnen ihre neuen Kleider an, die sie für das Fest im Geschäft gekauft hat. So schöne Kleider, und jedes Mal neue. Mutti ist dann auch so schön, zieht etwas Neues an und schämt sich wie ein junges Mädchen, schaut Opa in die Augen und macht schnell alles, was Oma sagt. Und auch ich renne sehr oft aus dem Haus zum Ausgang, um zu schauen, ob Vati kommt. Oma ärgert sich immer: "Wenn sie doch nicht auffallen würde!" Aber ich will doch so sehr als Erste den Vati treffen, daß ich es nicht mehr aushalten kann. Ich schäme mich nur ein bißchen, daß Opa kein neues Kleid für mich gekauft hat, und Mutti keine Zeit hatte mich umzuziehen, und ich mich selbst früher nicht kämmen konnte. Ich habe auch sehr lange Haare, genau wie meine Mutti, nur sehr blond. Meine Schwestern nennen mich Bleichmittel deswegen.
Vati wird immer mit irgendeinem Auto nach Hause gebracht. Er steigt aus, ist sehr groß, und wenn er die Schwestern auf den Arm nimmt, scheint es mir, als ob sie weit in den Himmel fliegen. Die Militäruniform ist ganz neu und zwei kleinen Sternchen auf den Schulterstücken blitzen in der Sonne, und der neue Hut, den er nie absetzt, vielleicht schämt er sich, daß er kahlköpfig ist.
Dann grüßt er alle, während mich Oma kneift, so eben lächelt sie Vati an, kneift mich und schiebt mich allmählich beiseite. Aber ich sage nichts, ich komme sowieso zu Vati. Und Oma dann: "Wohin gehst du? Bleib hier. Du wirst ihn beschmutzen". Aber ich beschmutze ihn doch gar nicht, er nimmt mich sowieso nicht auf den Arm. Er hockt sich nur nieder und guckt. Sein Blick ist dann so scharf, es scheint, als ob ich von ganz vielen kleinen Nadeln durchgestochen werde. Und ich lächele ihn an. Vati steht dann auf und sagt zu Mutti: "Du könntest wenigstens ihr Gesicht waschen. Es ist widerlich!" Ich weine und Mutti sagt: "Geh doch draußen spielen". Und wieso soll ich denn nach draußen gehen? Vati ist doch gekommen und hat Geschenke mitgebracht. Sie denken, daß nur sie Vati vermissen, und ich vermisse ihn vielleicht am meisten. Wir essen zu Abend am großen Tisch, der mit einem frischen Tischtuch gedeckt ist. Opa schenkt Wein in die schönen Gläser ein, die für das Fest gekauft wurden. Mutti holt das Fleisch aus dem Ofen. Wenn sie es zum Tisch trägt, hält sie den Kopf hoch, guckt auf den Vater mit den dunklen Augen, als ob sie keine Angst mehr habe. Unser Vater verschließt halb die Augen und wirkt sogar kleiner. Er bittet Opa dann, den Wein einzuschenken. Die Mädels, die der Reihe nach auf dem Schoß sitzen, dürfen seinen Teller mit Essen auffüllen. Meine Schwestern sind sehr gut. Die ältere, Tanja, ist sehr ruhig und geht schon in die 6. Klasse. Sie setzt sich immer vor Opa für mich ein. Opa hat etwa Angst vor Tanja und liebt sie sehr, weil sie Vati ähnelt, nur die Augen hat sie von Mutti. Und Svitlana ist Omas Liebling. Oma schont sie. Oma und Opa streiten sich öfters wegen der Mädels, wenn irgendeine von ihnen Mist baut.
Wenn Vati schlafen geht, wird es im Haus sehr ruhig und man kann hören, wie die Fliege gegen das Fenster schlägt. Alle gehen dann raus, und sogar auf dem Hof wird geflüstert. Und ich schleiche mich heran und schaue mir Vati an. Er sieht anders aus als unsere Männer aus dem Dorf, und wenn er schläft, kann ich ihn stundenlang anschauen. Manchmal wacht er aber auf und wir schauen einander schweigend an. Einmal hat er mich herbeigewinkt, ich kam nähe und er hat mich am Kopf gestreichelt. Ich fühlte mich dann so elend schön. Dann hat Vati sofort zur Wand umgedreht.
Ich habe danach allen erzählt, wie sehr mich mein Vati liebt. Tante Lisaveta hat es aber nicht geglaubt, als ich es ihr erzählte. Bei ihr war gerade Tante Zharyha zu Besuch. Man sagt, sie sei sehr klug. Vom Aussehen ist sie bedeutend, weil sie immer schwarz trägt. Tante Lisaveta hat sie zu Tisch gebeten: "Setzen Sie sich bitte hin, ich werde Ihnen frische Milch einschenken". Tante Zharyha hat sich bedankt, aber die Milch nicht angenommen. Weil sie sagt, sie möge keine frische Milch, sondern nur konservierte.
Zu Hause und in Vatis Anwesenheit nennt mich Oma öfters "Dummchen". Aber ich will nicht, daß auch Vati so denkt. Als ich von Tante Lisaveta zurückkam, hat er gerade zu Abend gegessen. Ich stand neben der Tür und habe geguckt, wie schön mein Vati essen kann. Mutti fragt ihn: "Möchtest du vielleicht frische Milch?" Ich wollte Vati so gerne gefallen, daß ich sagte: "Pfui, wie stinkig diese frische Milch ist. Ich mag übrigens keine frische Milch". Vati hat sich geärgert und hat den Teller mit der Suppe auf mich geworfen. Er ist runter gefallen und ist in mehrere Stücke zerbrochen. Und die Suppe hat die Wand und mich getroffen. Mutti griff meine Hand und fing an mich zu schlagen. Als sie aber das Blut gesehen hat, hat sie sich erschrocken und angefangen zu weinen. Und Vati ist aus dem Haus gerannt. Mutti hat mich auf das Bett neben dem Ofen gelegt und hat Opa gebeten die Ärzte anzurufen. Und Opa fing an zu schreien, daß Mutti den Vati ins Gefängnis stecken will. Und Oma sagte, daß ich sowieso nicht sterben werde.
Am nächsten Tag ist Tante Lisaveta gekommen und sagte, sie wird alle anzeigen wegen der schlechten Behandlung des Kindes in diesem Haus. Und sie hat alle angezeigt. Drei Männer sind gekommen, zwei in Uniform und einer ohne, und eine Tante war mit ihnen, sie war sehr nett, nur klein wie meine ältere Schwester und hatte graue Haare. Ich wurde zuerst ins Krankenhaus gebracht. Mutti hat nicht geweint, nur meine Klamotten gesucht, aber konnte nichts finden. Und Oma hat mit mir geschimpft und gewollt, daß ich bis morgen nicht überlebe. Und Vati war irgendwo, ich habe ihn nicht gesehen.
Nach dem Krankenhaus wurde ich nicht nach Hause gebracht, sondern in dieses Haus. Hier gibt es viele Kinder und keine einzige Mutter. Meine Mutti kommt auch nicht. Das ist bestimmt Opa, der ihr verbietet, hierhin zu kommen. Ich will aber so sehr, daß mein Vati mich sieht! Ich bin jetzt nicht so wie früher, ich habe ein sauberes Kleid und kann die Haare schon selber kämmen. Sie wollten zuerst meine Haare abschneiden, aber dann haben sie es gelassen. Grigorij Fedorovych, der Älteste hier, sagt, daß sie so etwas hier noch nicht gesehen haben. Mein Zopf ist immer noch nicht dunkler geworden, aber die Augenbrauen sind genauso schwarz wie von meiner Mutti. Nur die Augen sind, keine Ahnung warum, blau. Solche Augen haben weder Mutti noch Vati.
Bald werden die Äpfel reif, das heißt, daß Vati nach Hause kommt. Er kommt immer um diese Zeit. Ach, wenn jemand ihm nur sagen könnte, wie sehr ich frische Milch liebe, aber hier gibt es keine Kühe und ich habe schon vergessen, wie die Milch von unserer Liska schmeckt...
(Übersetzung ins Deutsch: Anna Martynovych)
 
 

Copyright © Anna.Martynovych