Jun.-Prof. Dr. Marco Thomas Bosshard

Forschung

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Zur PerformativitÄt romanischer Versepik von der AufklÄrung bis zur Postmoderne

Der Umschlag vom Versepos hin zur romanesken Prosa und damit auch zur Aufwertung und Stilisierung des Romans als der emblematischen literarischen Gattung der Moderne schlechthin ist mit dem Zeitpunkt gleichgesetzt worden, an dem „der Gott des Christentums die Welt zu verlassen beginnt“ (Lukács). Trotz dieser neuen säkularisierten Gattungshierarchie, die den Prosaroman als neue „bürgerliche Epopöe“ (Hegel) zum Maßstab aller Dinge erhoben und dazu geführt hat, dass das Versepos fortan ein Schattendasein führte, ist dieses in sämtlichen Literaturen der Romania in der Moderne als – vermeintlich – historisch überkommene Form erhalten geblieben und selbst in der Postmoderne nicht verschwunden. Die Frage nach der Funktion bzw. dem allfälligen Funktionswandel des romanischen Versepos seit der Moderne steht somit im Zentrum des Projekts, das sich in einem ersten Schritt auf französischsprachige Autoren konzentrieren wird.
Eine mögliche Erklärung für den Mythos vom vermeintlichen Tod der Gattung bzw. für ihre immer schwieriger werdende Rezeption mag darin liegen, dass das Epos als ursprünglich oral konfigurierte Gattung im Übergang zur Schriftkultur in einer ihr unangemessenen Art und Weise verschriftlicht und so auf einen gedruckten Text reduziert worden ist, der analog zu den sogenannten Lesedramen nur noch gelesen, aber nicht mehr plurimedial erlebt werden kann. Weniger die Analyse des gedruckten ‚Epentexts‘ ist daher für das Projekt von Belang, sondern vielmehr die Analyse des performativen ,epischen Aufführungstexts‘ (verstanden als Pendant zum theatralen ‚Aufführungstext‘ im theaterwissenschaftlichen Sinn), auf deren Grundlage kollektive Rezeptionspraktiken bzw. auf eine solche kollektive Rezeptionspraktik abzielende Produktionsstrategien herauszuarbeiten sind. Insofern es hier im Kern also gerade nicht um einen textzentrierten, gattungstheoretischen Zugang geht, der unweigerlich werkimmanente Analysen generieren sowie die Regelpoetiken von der Antike bis zur Frühen Neuzeit einerseits und den Bruch mit denselben seit der durch die Aufklärung initiierten Moderne andererseits aufrollen müsste, steht hier nicht mehr länger das Epos als literarische Gattung zur Debatte, sondern das Epos als Medium, in dem sich spätestens im 20. und 21. Jahrhundert Literatur, Stimme, Ton und Bild in Form von Multimedia-Dispositiven miteinander vereinen.