SEPTEMBER -
SEPTEMBER - SEPTEMBER
Dienstag, 17.9.2002
So, das war er also, mein
erster Tag in England, genauer gesagt Manchester. Und obwohl ich total kaputt
und am Ende und überhaupt bin, werde ich mich mal dazu aufraffen, noch
die ein oder andere Zeile zu schreiben.
Der Tag fing um 05:25 h schon mal recht gut an, nämlich mit dem Weckerklingeln.
Zitternd und bibbernd stellte ich mich dann unter die Dusche, um nachher noch
die letzten Sachen zusammen zu suchen und ein bisschen Frühstück zwischen
die Kiemen zu klemmen. Und - schwupsdiwups - ging es auch schon los. Fast hätte
ich noch die Tickets liegen lassen, aber wozu hat man schließlich besorgte
Eltern.
In Düsseldorf am Flughafen hievten Papa und ich mein Gepäck erst mal
aus Guido "Knopp runter" alias mein silberner Corsa auf einen Gepäcktrolly
und von dort aus nach einer kilometerweiten Fahrt mit dem Ding auf das Verladeband,
nur um dann gesagt zu bekommen, dass der Koffer zu schwer, der Rucksack zu groß
und die Gitarre zu sperrig sei. Also mussten wir alles wieder aufladen und zu
dem Schalter für Schwertransporte (oder war es doch Sperrgepäck?)
bringen. Natürlich hatte ich auch noch ein "klein wenig Übergewicht"
(ich meine, ich sowieso, aber in diesem Fall bezieht sich das wirklich ausschließlich
auf mein Gepäck), nämlich statt der erlaubten 23 Kilogramm satte 58
(!!!) Kilogramm (und dabei war die Gitarre nicht einmal mitgewogen worden...).
Die Dame am Schalter war jedoch so nett und berechnete und nur 30 Kilogramm,
was dann jedoch immer noch stolze € 198 Nachzahlung ausmachte... Ganz schön
happig, vor allem, wenn man bedenkt, dass der Flug hin und zurück insgesamt
€ 240 gekostet hat...
Naja, der Flug war jedenfalls echt cool. Sobald wir nämlich die Wolkendecke
über D'dorf durchbrochen hatten, kam schönster Sonnenschein zum Vorschein.
Es gab noch 'n schönes Sandwich und Wasser ohne Kohlensäure und, eh
man sich's versah, waren wir auch schon da. Wir (ach nee, ich bin ja eigentlich
ohne Begleitperson geflogen... äh, ich meine die anderen rund 40 Mitpassagiere,
die in der kleinen, nicht voll besetzten Maschine von British Airways saßen),
stiegen also alle aus und machten uns auf den Weg zum Gepäckband. Ich hatte
mich eigentlich - noch die 1 ¼ Stunden Wartezeit von Rom im Gedächtnis
- bereits darauf vorbereitet, dass das Abholen des Gepäcks ein längerer
Akt würde. Aber: Pustekuchen! Ich war kaum am Band angekommen, da ging
es auch schon los. Zuerst kam mir mein großer Rucksack entgegen gepurzelt,
aus dem mein Fön samt daran hängenden "Beautycase" halb
heraushing. Auch der Schlafsack war nicht mehr richtig befestigt und die Posterrolle
wäre auch sicherlich bald verloren gegangen. Ich war noch dabei, alles
zu sortieren und zusammen zu binden, da sah ich bereits meine Gitarre an mir
vorbei fahren. Ich genehmigte ihr noch eine weitere Runde. Voll bepackt bis
oben hin kam ich schließlich in der Halle des Flughafengebäudes an.
Im Flughafen noch hatte ich mich erleichtert zurück gelehnt, nachdem ich
heraus gefunden hatte, dass außer mir keine junge, nach "deutscher
Studentin" aussehende Frau dort herumsaß, mit der mich meine Mitbewohner
hätten verwechseln können. Nun stand ich da und blickte mich um und
suchte mit den Augen die Menschenmenge nach Mark und Kjersti ab, die ich ja
von den Fotos aus Ingas Zimmer (sie war letztes Jahr in Manchester und wohnte
dort mit Mark und Kjersti zusammen im Studentenwohnheim) kannte. Auf einmal
erkannte ich ein Gesicht unter den vielen anderen: Mark. Er kam auf mich zu
und begrüßte mich, im Schlepptau eine nett aussehende, lächelnde
junge Frau: Kjersti. Die Beiden nahmen mir die Gitarre und einen Rucksack ab
und wir gingen raus zum Auto, das direkt vor der Tür stand. Marks Mutter,
Besitzerin des Autos, erwartete uns bereits. Jetzt kam jedoch der wirklich schwierige
Teil: die Packerei. In dem nicht gerade großen Auto mussten wir vier,
mein gesamtes Gepäck und zudem noch ein Koffer von Mark Platz (oder eben
keinen...) finden. Mark wollte nämlich noch heute Nachmittag zu seinem
Freund Damian nach Dublin fliegen. Irgendwie passte dann jedoch alles in das
Auto und wir machten uns auf den Weg zu unserem Haus.
Bereits auf dem Weg dorthin bereiteten mich Kjersti und Mark auf die etwas "ungewöhnlichen"
Farben des Hauses vor. Mark meinte, dass wir uns ob der grellen Farben wohl
oder übel daran gewöhnen müssten, im Haus Sonnenbrillen zu tragen,
und Kjersti fügte hinzu, dass das Haus wahrscheinlich einfach nur die Farbenfreude
unseres jamaikanischen 'landlords' wiederspiegele.
Und tatsächlich: im Wohnzimmer ein grünes Riesensofa und grüne
Opasessel, der Fußboden im Erdgeschoss und auf der Treppe rot, in Bad,
Toilette und im oberen Flur blau, in Kjersties, Frédérics (der
dritte Mitbewohner, der jedoch erst im Oktober einziehen wird,) und meinem Zimmer
grün, die Wände abwechselnd grell-orange bis rot, fliederfarben und
gelb. Am krassesten ist jedoch Frédérics Zimmer: nicht nur, dass
er mit Abstand das kleinste Zimmer hat, nein, neben dem noch relativ dezent
grünen Teppich sind die Wände in einem geradezu erschlagenden Neongrün
gestrichen! Ein Wunder, dass Badezimmer und Toilette einfach weiß gehalten
sind. Aber ich finde das alles eigentlich ganz nett. Ich wollte doch immer mal
in der Villa Kunterbunt wohnen. Richtig gut sind auch unsere Betten: alle neu
und 140cm breit. Echt bequem. Ich kann mich zwar nur schwer daran gewöhnen,
dass ich dieses Riesenbett nur mit meinem Hund Kuschelwuschel teile (eine Betthälfte
liegt jeweils "brach", da ich nun mal die HM-90cm- oder wahlweise
maximal 100cm-Betten gewöhnt bin), aber das wird bestimmt schon noch...
;-)
Nachdem wir im weiteren Verlaufe des Tages Großeinkauf bei Sainsbury's
(Lebensmittel, Schreibkrams, Duschzeug, Lampen, Klopapier und Co.) gemacht,
zusammen mit Patrick und Elin, Freunden von Kjersti, Mittag gegessen, Mark nach
Irland verabschiedet und anschließend Großputz im ganzen Haus gemacht
hatten, gingen Ellen, Kjersti, Patrick and myself am Abend in eines der unzähligen
Kinos in Manchester (hier sind immerhin 15% aller Kinos Großbritanniens
angesiedelt). Auch hier zeigte sich wieder einmal ein Phänomen, das typisch
für englische Einkäufe zu sein scheint: Buy one, get one free. Du
kaufst ein Shampoo und bekommst den Conditioner gratis dazu, du bekommst drei
Joghurts zum Preis von zweien oder du bekommst eben zu deiner mit £ 2,75
ohnehin schon billigen Kinokarte eine weitere dazu, mit der du das nächste
Mal kostenlos in einen Film kommst. Das ist dann schon irgendwie ziemlich cool
und praktisch. Wir sahen "Signs" mit Mel Gibson und dem Fiesling aus
"Gladiator", dessen Namen ich jedoch leider vergessen habe* (peinlich
für mich als ehemalige Filmstudentin...).
Nachher sind wir dann noch durch die Kneipen gezogen, obwohl ich echt hundemüde
war und es auch immer noch bin. Und ein Pint kann soooo groß sein... Beim
zweiten Mal bestellte ich mir extra nur ein Wodka-Mixgetränk, weil das
eben weniger war, aber Patrick, auf den die Runde ging, stellte doch tatsächlich
zwei von den Flaschen vor mich hin und meinte, die Beiden zusammen würde
gerade mal ein Pint ausmachen. Ganz schön fies!
Naja, irgendwann sind wir dann mal Richtung Heimat bzw. Elins und Patricks Haus
aufgebrochen, das sich nur zwei Straßen entfernt von unserem befindet.
Kjersti wollte dort noch schnell ihre Wäsche waschen, da die Waschmaschine
bei Elin, Patrick und deren Mitbewohnern einen integrierten Trockner besitzt
(, den unsere Waschmaschine hier leider nicht aufzuweisen hat). Eigentlich wollte
ich auch noch so lange warten. Nachdem ich jedoch zweimal in dem Sessel im Wohnzimmer
vor dem Fernseher eingeschlafen war, beschloss ich, den Rückzug und damit
den Matratzenhorchdienst anzutreten. Ich bot den Nachbarn noch schnell 'ne heiße
Peepshow, indem ich beim Duschen das Rollo für das direkt oberhalb der
Badewanne befindliche Fenster erst fand bzw. bemerkte, als ich mir bereits das
Shampoo aus den Haaren spülte, bevor ich schließlich ins Bett fiel,
Gott für diesen schönen ersten Tag dankte und jetzt eben langsam die
Knöppe zumache. Naja, eigentlich fallen die auch schon von alleine zu...
*Joaquin Phoenix (Anm. d. Red.)
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Mittwoch, 18.9.2002
Hey, hier gibt es sogar schon Coca Cola light mit Zitronengeschmack! Voll lecker!
Hoffentlich gibts die bald auch bei uns in Deutschland. Aber immerhin bekommt
man da schon Pepsi with a taste of lemon.
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Donnerstag, 19.9.2002
Heute war ganz schön viel zu erledigen. Kjersti und ich wurden bereits
um kurz vor acht geweckt. Naja, ich habe mich weiter schlafend gestellt, Kjersti
musste die Tür aufmachen... Der Klempner, der die Toilette reparieren wollte.
Da hatte er sich ja echt ne schöne Zeit ausgesucht. Als ich nämlich
eine Stunde später aufstand, um in die Uni zu gehen, fand ich an der Toilettentür
nur einen Zettel von Kjersti vor, dass die Toilette in den nächsten zwei
Stunden nicht benutzt werden dürfte, da sie versiegelt, repariert, gekleppt
oder was auch immer worden sei. Aaaahhhh!!! Naja, da musste ich eben noch was
warten. Um elf Uhr war ein Meeting von allen Erasmusstudenten zusammen mit Mr
David Olive, dem Erasmuskoordinator hier vor Ort, in der Uni. Er hat uns ein
paar Sachen erzählt und ein paar Tipps gegeben, die uns den Unieinstieg
hier ein bisschen erleichtern sollten. Total nett, wirklich. Anschließend
sind Sayeh (die andere Studentin aus Bochum), Isavella aus Griechenland und
ich dann noch in 'ne Buchhandlung gegangen, wo wir uns zumindest teilweise mit
den Büchern fuer den ersten term bis Weihnachen eingedeckt haben. Ich habe
£ 75 bezahlt für einen Riesenhaufen Bücher, von dem ich noch
nicht einmal weiß, ob ich ihn in meinem Leben jemals komplett lesen geschweige
denn durcharbeiten werde... Aber ein paar Bücher sind echt ziemlich interessant.
Die werde ich wohl nicht weiter verkaufen. Das ist nämlich ziemlich praktisch
hier, dass die Unibuchhandlungen sowohl gebrauchte als auch neue Buecher verkaufen,
aber auch gebrauchte abkaufen. Somit kannst du am Ende deines terms
deine Bücher wieder "loswerden". Ziemlich praktisch. So, ich
werde jetzt gleich mal wieder in meinen etwas ruhigeren Stadtteil zurück
fahren und mir was zum Lunch machen, auch wenn das vielleicht schon ein bisschen
spät ist. Oder ich lasse mal ein paar Klischees aufleben und mache "teatime"...
P.S.: Ach ja, das hätte ich fast vergessen. Wir haben heute erfahren, dass
die Kurse doch erst übernächste Woche starten, was uns noch ein bisschen
Zeit lässt, alles ein bisschen besser kennen zu lernen und uns zurecht
zu finden.
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Freitag, 20.9.2002
Irgendwie scheine ich die Einzige im Haus zu sein, die zu weitestgehend normalen
Uhrzeiten aufsteht. OK, im Moment bewohnen bloß Kjersti und ich das Terrain
(unsere männlichen Mitbewohner haben es ja vorgezogen, erst einzuziehen,
wenn alles "schön hergerichtet" ist...), aber Kjersti hält
nicht so
viel vom Aufstehen vor 12. Gestern hat sie es irgendwie sogar bis 2 p.m. im
Bett ausgehalten! Hat sie zumindest erzählt. Ich war da ja schon etwas
länger unterwegs. Nach meinem wieder einmal vorbildlich gesunden Frühstück
(ich habe es mir hier irgendwie angewöhnt, Ovomaltine zu trinken, das Zeug,
das ich als Kind gehasst habe und das bei uns immer so lange im Schranke stand,
bis mein Vater sich erbarmte und es wahlweise trank oder wegschüttete)
setzte ich mich an den Laptop (DANKE nochmal an Ulle!!!) und tippelte ein bisschen
über die Kelten. Die Hausarbeit muss ich nämlich noch für ein
Seminar in Bochum fertig stellen. *verlegenes-raeuspern* Gegen
Mittag bin ich dann mal Richtung Zentrum bzw. Uni aufgebrochen. Ich muss für
den Weg doch tatsächlich fast eine dreiviertel Stunde einplanen! Vorbei
die guten alten Haus-Michael-Zeiten, in denen man mal so eben in fünf bis
zehn Minuten zur Uni kam... Dafür wohnen wir aber auch wirklich in einer
schönen ruhigen Gegend. Das weiß man erst so richtig zu schätzen,
wenn man aus dem staubigen dreckigen lauten verkehrsreichen [...] Zentrum hier
rauskommt. In Manchester ist nämlich die Hauptstraße (Oxford Street)
die meist befahrene Straße Europas. (Das erzählt zumindest Elin,
Kjerstis Freundin, die mir auch die Sache mit den 15% aller englischen Kinos
hier verraten hat.)
Und das bedeutet: es ist unglaublich laut hier. Mittlerweile glaube ich auch,
dass hier mehrere Millionen Menschen leben. Die Ausmaße von Manchester
sind einfach gigantisch! Und einkaufen kann man
hier!!! Davon konnte ich mich heute überzeugen. Oder eben eher nicht. Keine
Angst, Mama und Papa, ich habe kaum Geld ausgegeben heute. Naja, ein bisschen
schon, aber das war hauptsächlich für Lebensmittel. Keine Klamotten
oder Schuhe oder Kosmetika oder so. (Das kommt noch, hehe; nee, ist doch bloß
Spaß). Heute Abend werden wir alle dann wohl mal etwas um die Häuser
ziehen, denke
ich. Naja, eigentlich weiß ich es auch. Ich hoffe nur, das es nicht wieder
zu spät wird, aber ich fürchte fast, dass doch. Naja, dann ist Kjersti
immerhin nicht die Einzige, die morgen früh (oder auch Mittag) "a
little bit hung over" sein wird...
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Samstag, 21.9.2002 (früher
Abend)
Tata-tusch! Hier bin ich: das neue "Braveheart"!
I'm so brave. Gestern Abend nämlich war ich noch mit Sayeh unterwegs im
Zentrum. Erst in 'nem Irish Pub. Dann waren wir in 'nem Supermarkt. Die haben
hier doch tatsächlich 24 Stunden geöffnet! Unglaublich. Es gibt Leute,
die ihren Wochenendeinkauf samstags um 11 p.m. erledigen!
Anschließend waren wir noch in der Mitternachtsvorstellung von "The
Bourne Identity" mit Matt Damon und Franka Potente. Wirklich ein ziemlich
guter Film. Naja, jedenfalls war es 2 a.m. vorbei, als wir aus dem Kino kamen.
Wir mussten noch zu Piccadilly Gardens laufen, von wo aus ich 'nen Bus nahm.
Da saßen vielleicht Prollos drin! Und den Rest (was heißt eigentlich
"Rest"? Als ob die nicht auch ziemlich seltsam und prollig aufgetreten
wären...) bildeten Deutsche. Da der Bus ein ganzes Stück entfernt
von unserem Haus hält, musste ich um 3 a.m. mutterseelenallein knapp eine
halbe Stunde durch unser Viertel laufen (ganz mutterseelenallein war ich jedoch
nun auch wieder nicht; ein Pärchen lief nicht weit hinter mir die gleiche
Strecke entlang). Mann, das war trotzdem ein bisschen gruselig. Vor allem als
da plötzlich ein junger Kerl in einem Hauseingang stand und "Hey"
rief. Den hatte ich vorher gar nicht gesehen. Ich dachte echt schon, ich müsste
den gleich verprügeln. Puh, heute Abend stecke ich mir echt ein Küchenmesser
in die Tasche. Nicht dass ich das bräuchte, aber es verleiht doch ein bisschen
mehr Sicherheit.
Heute Abend ist nämlich Party in der Students' Union. Dabei habe ich eigentlich
gar keine Lust, dahin zu gehen... Aber na ja, vielleicht wird's ja doch ganz
OK.
Ach ja, mein Tag heute war bis jetzt übrigens nicht so lang. Ich habe nämlich
bis fast halb zwei geschlafen (unbelievable!!!) und den Rest des Tages mit den
Kelten verbracht. Was für ein Spaß!
P.S. (später am Abend): Die Party im Zentrum war echt schrecklich. Alles
nur so 17-, 18-Jährige, die Musik war viel zu laut und an der Bar war ein
solches Gedrängel, dass wir es erst gar nicht versucht haben, was zu trinken
zu bekommen. Wir sind ziemlich schnell wieder geflüchtet und so ein bisschen
durch die Stadt gezogen. Aber Samstags Abends ist es hier einfach schrecklich,
schrecklich voll! Es ist kaum ein Vorankommen in der Stadt möglich. Alles
und Jede/r scheint sich besonders hübsch heraus geputzt zu haben und aus
seinem Loch gekrochen zu sein. Ich glaube, ich werde nur noch unter der Woche
los ziehen, auch wenn die Bars dann früher schließen.
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Sonntag, 22. 9.2002
Heute bin ich mal etwas früher aufgestanden, d.h. zu einer Zeit, die man
durchaus noch als "Morgen" bezeichnen könnte. Das erleichtert
die Begrüßung hier auch ungemein. Ich habe schon irgendwie ein schlechtes
Gewissen, wenn ich um 3 p.m. noch mit "good morning" grüße,
aber "good day" ist irgendwie nicht drin (man merkt an meinem Akzent
auch so schon, dass ich nicht von hier bin, also muss ich nicht auch noch solche
Fantasievokabeln aus dem Deutschen ins Englische übertragen). Nach dem
Aufstehen habe ich mich erst mal vor den Laptop geschmissen, mindestens 4 Riesentassen
Tee getrunken (ich werde hier wirklich noch zur Teefanatikerin; das wird vor
allem Micha freuen, wenn ich wieder nach Deutschland zurück komme) und
mich dann wieder einmal ausgiebigst mit den alten und neuen Kelten beschäftigt.
Mittlerweile bin ich mit meiner Hausarbeit auf Seite 12 angekommen und werde
den Teil, den ich hier in Manchester erledigen wollte, bald abgeschlossen haben.
Den Rest muss ich dann wohl oder übel in den Weihnachtsferien in Gummersbach
erledigen.
Irgendwie hat mich am frühen Nachmittag der Fitnesswahn gepackt und ich
verspürte das ebenso dringende wie unverständliche Bedürfnis,
joggen zu gehen. Also habe ich mir meine Sportklamotten angezogen, bin in die
Sneakers gesprungen und ab ging's. Ich als Geografin (insbesondere Kartografin,
haha) und Naturtalent im Orientierungslauf dachte natürlich noch nicht
einmal daran, eine Straßenkarte mitzunehmen. Den Weg werde ich mir ja
wohl gerade noch so merken können, dachte ich. Naja, wohl etwas falsch
gedacht. Aus meinem "Mmh, ich werd' mal eben so ein bisschen um den Block
laufen" wurde ein Gewalt-run von einer Stunde, bei dem ich immer wieder
an dem gleichen blöden, neongrünen Gartentor vorbeikam (in der Saltney
Avenue). Jaja, Theresa, haben wir wieder einmal eine Lektion gelernt: wenn man
viermal um eine Rechtskurve läuft, kommt man nacher... na, wo wohl raus?
Richtig, an genau der Stelle, an der man gestartet ist. Nachdem ich dieses lustige
Spielchen dreimal wiederholt hatte, langte es mir dann auch und ich lief Richtung
Hauptstraße und ein Stück dort entlang, bis ich schließlich
wieder einigermaßen wusste, wo ich mich befand.
Zu Hause angekommen (es war so gegen drei) war Kjersti gerade aufgestanden ("Morning!")
und beschäftigte sich ausgiebig mit Paul Austers "City of glass".
Auf deutsch natürlich, da es sich dabei schließlich um das Buch handelt,
über das ich eigentlich auch noch eine Hausarbeit schreiben soll (aber
voraussichtlich nicht tun werde). Ihre Langeweile muss ganz schön groß
sein, wenn sie anfängt Paul Auster-Bücher auf deutsch zu lesen. Ich
beschäftigte mich derweil noch eine Weile mit meinen Freunden aus dem Norden
(Irland, Wales, Cornwall, Schottland...). Irgendwann am frühen Abend, nachdem
ich per Telefon bereits die ersten Infos über dieses verdammt knappe Wahlergebnis
bei euch in Deutschland erhalten hatte, kam Patrick, Kjerstis Ex- und nun bester
Freund, vorbei, um uns zu seinem selbst gekochten Abendessen einzuladen. Die
Zutaten dafür hatte er gerade gekauft. Da ohnehin nichts Besonderes mehr
auf dem Plan stand, sagten wir zu und machten uns knapp eine Stunde später
auf den Weg.
Mann, der kann echt super kochen, der Patrick! Er hat so was Afrikanisches gemacht.
Während er am Herd stand, erzählte er mir, dass er 14 Jahre auf der
Insel La Réunion vor der afrikanischen Ostküste gelebt hat. Anschließend
haben wir noch "Casino" geschaut. Ganz schön brutal... Hoffentlich
kann ich da noch gut schlafen.
P.S.: Elin hat erzählt, dass die Sterberate unter Säuglingen wegen
Lungenentzündung in Großbritannien die höchste in ganz Europa
sei. Die Mütter ziehen ihre Kinder einfach nicht warm genug an. Die Briten
scheinen aber so oder so nicht zimperlich zu sein, was ihre Klamotten besonders
am Abend zu betreffen scheint. Da werden ohne mit der Wimper zu zucken die ganze
Nacht hindurch schulterfreie Tops und Miniröcke getragen. Jacken scheint
hier kaum einer zu besitzen. Und das alles Ende September! Brrrrr...
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Montag, 23.9.2002
Heute ist Mark wieder aus Irland zurück gekommen. Oh Mann, hat der vielleicht
einen harten Slang drauf! Manche Sachen muss ich dreimal nachfragen, bis ich
sie irgendwann einmal verstehe... Ansonsten ist heute nicht wirklich viel passiert.
Ich bin ins Zentrum gefahren, habe meine Mails gecheckt, war kurz an der Uni
und bin dann aber auch schon ganz schnell wieder geflüchtet, weil es überall
schrecklich voll war. Es ist nämlich ab heute freshers week, d.h. es kommen
ale Studenten wieder zurück in die Stadt, melden sich zurück etc.
Und es gibt wahrlich nicht wenige Studenten hier in der Stadt... Auf dem Rückweg
habe ich noch schnell bei Sainsbury's eingekauft, wo ich auch Mark traf, mit
dem ich zu Fuß nach Hause lief. Heute Abend waren wir drei (Mark, Kjersti
und ich) mit ein paar Leuten im "Revolution", einem Pub in Fallowfield.
Aber auch dort war es unglaublich laut und voll. Freshers week eben, ihr wisst
schon...
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Dienstag, 24.9.2002
Heute war echt ein voll ruhiger Tag. Ich bin aufgestanden, habe geduscht, gefrühstückt,
gelesen ("Hedda Gabler" auf englisch; es passiert wirklich nicht viel
hier im Moment; ich fange schon an, die Lektüre fürs Semester vorzubereiten...),
die neue Digitalkamera ausprobiert, mit Mark gewaschen (blöd war nur, dass
er ein Taschentuch in einer seiner back pockets vergessen hatte...), geputzt,
noch mehr gelesen, die geschossenen Fotos am Rechner bearbeitet (das ist echt
DER HAMMER!!! Ich hätte nie gedacht, dass das so einen Spaß macht!
Ich glaube, mein zweites Praxisteilmodul muss ich unbedingt im Bereich der digitalen
Bildbearbeitung absolvieren!), zwischendurch immer mal wieder gefuttert und
mit Mark und Kjersti gequatscht.
P.S.: In England lautet der Slogan für HARIBO "Kids and grown-ups
love it so the happy world of HARIBO". Wollte ich nur mal so am Rande erwähnen.
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Mittwoch, 25.9.2002
Ich glaube, so langsam drehe ich völlig ab. Jetzt bin ich sogar schon im
Women's Rugby Team der MMU (Manchester Metropolitan University). Ich dachte,
es wäre mal ganz cool, was Neues auszuprobieren und bei den Ladies vorbei
zu schauen. Naja, bei näherer Betrachtung entpuppte sich der Verein jedoch
als dem Alkohol sehr zugeneigt. Versucht mal, Regeln für einen "drinking
circle" auf englisch zu verstehen! Das ist echt schwierig (das wäre
es sogar auf deutsch!). Gleichzeitig habe ich den Studentenpräsidenten
(meint so eine Art Studentensprecher; lustigerweise weist dieser einige verblüffende
Ähnlichkeiten mit dem Bochumer AStA-Mitglied Jako Heinsen* auf)** und dessen
Vertreter kennen gelernt. Sie sind beide im Männerrugbyteam. Der Präsident
trug so einen Wikingerhut (ihr wisst schon, so einen mit Hörnern an den
Seiten) auf seinem Kopf und exte ein Bier nach dem anderen. Eben hab' ich noch
ein bisschen in "Pulp", der Unizeitung, die von Studenten heraus gegeben
wird, geblättert und schlage beliebig eine Seite auf und - zack - da sind
die beiden Kerle doch tatsächlich total seriös abgebildet... Ich hätte
sie fast nicht wieder erkannt.
Jedenfalls sind die Trinkregeln echt strikt in beiden Teams. Für alles
mögliche gibt es Strafen (fines), die du dann in Form von Trinken abbüßen
musst. Ich bekam beispielsweise eine fine dafür, dass ich aus Deutschland
komme. Die anderen drei Neuen im Team mussten trinken, weil sie neu waren. Der
armen Kleinen neben mir, Abbey aus Dublin, kam dabei die Suppe schon fast wieder
aus der Nase und sie hatte Tränen in den Augen stehen. Ich würde sie
höchstens mal auf 18 schätzen und auch wenn sie aus Irland kommt,
scheint sie mit Alkohol bis jetzt nicht viel am Hut gehabt zu haben. Dennoch
blieb es nicht bei dem O-Saft, den sie sich anfangs bestellt hatte...
Ich bin echt mal gespannt, ob das Team auch wirklich trainiert oder bloß
trinkt und feiert...
* Name von der Verfasserin geändert
** Anmerkung der Redaktion: Jako Heinsen ist mittlerweile Sprecher des Bochumer
Studierendenparlaments und hat seinen AStA- Posten niedergelegt.
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Samstag, 28.9.2002
Jetzt hab' ich einige Tage nichts geschrieben, aber ich hatte abends einfach
keine Lust, noch etwas hier einzutragen.
Mmh, ist 'was Besonderes passiert? Nö, nicht wirklich. Ich war zweimal
mit Mark und Kjersti im Kino (Donnerstag: "O"; Freitag: "My big
fat Greek wedding"), was auch beide Male sehr cool war (v.a. der zweite
Film war echt superlustig). Außerdem war ich shoppen. Oh Mann, hier kann
bzw. könnte man echt Geld ausgeben bis zum Umfallen! Ich habe es erst einmal
bei drei Oberteilen belassen, die zusammen gerechnet mein Budget noch nicht
überschritten haben. Aber diese eine Hose... die MUSS ich mir echt noch
kaufen. Mal schauen, wann ich das machen werde. Wie gesagt, Manchester ist echt
ein Ort für Shopaholics.
Des weiteren habe ich Kirsten einen Brief geschrieben. Sie hat noch immer nichts
von sich hören lassen und ich weiß noch nicht einmal, ob sie gut
angekommen ist geschweige denn, wie es ihr geht.
Heute Abend habe ich mit Mark Möbel im Wohnzimmer hin- und hergeräumt
und den IKEA-Katalog durchforstet. Dabei haben wir auch ein bisschen über
Irland gequatscht. Er erzählte von dem nationalen Radiosender dort, der
in den etwa drei(!)minütigen nationalen (!!!) News sogar davon berichten
würde, wenn fälschlicher- bzw. verbotenerweise zwei Autos in einer
Dubliner Bushaltestelle parken würden (detaillierte Beschreibung der Autos
inklusive). Es würde nur noch fehlen, dass der Radiosprecher sagen würde:
"Hey, Peter, move your car!" Wir kamen auch auf das Musikprogramm
dieses Senders zu sprechen. Mark meinte, als er am St. Patricks Day da gewesen
sei, hätte man die ganze Zeit so furchtbare Musik mit diesem einen seltsamen
Instrument im Radio gebracht, Mann, wie hieß doch gleich nochmal dieses
Ding? - "Akkordeon?" - "Ja, genau." - "Mmh, Mark, ich
spiele Akkordeon." - "Oh, äh... ja, nichts gegen das Instrument.
Man kann ja auch ganz gute Musik damit machen, ne. Aber diese schreckliche Irish
Folk Music..." Sein Gesichtsausdruck war echt unbeschreiblich, als ich
ihm mitteilte, welche Musikrichtung wir mit unserer Band eingeschlagen haben...
Kjersti hat ein paar Plakate und Poster im Haus aufgehangen und langsam sieht
es echt immer besser aus. Jetzt kann ich auch bald mal Fotos schicken, denke
ich. Aber mir hat es eigentlich ja von Anfang an gefallen...
P.S.: Habe ich eigentlich schon geschrieben, dass Montag Morgen ein ziemlich
heftiges Erdbeben hier in England war? Heute habe ich gelesen, dass es 4,8 auf
der "Richter Scale" erreicht haben soll. Ich bin davon zwar wach geworden,
weil es wirklich ziemlich gerüttelt hat, dachte jedoch, dass sei bloß
ein Traum, habe mich umgedreht und weiter geschlafen. Mark und Kjersti sind
noch nicht einmal davon wach geworden.
P.P.S.: Eines muss ich noch schreiben: Vorgestern Abend war in der Stadt eine
Pyjamaparty. Cool wie die Engländer sind haben sich natürlich zig
Leute richtig in (Schlaf-)Schale bzw. Schlafanzug geworfen und sind so wie sie
waren über die Straßen gelaufen. Teilweise sogar in lila Plüschpuschen.
Natürlich ohne Jacken. Das Einzige, was einige Jungs sich übergezogen
hatten, waren Bademäntel. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie das
alles aussah: Manchester schlafwandelt...
P.P.P.S.: Ich habe eine Manchesterrundfahrt für die neuen Studenten mitgemacht.
War echt nett, wenn auch ein bisschen kühl und windig im Open-air-bus.
Der Studentenpräsident war natürlich auch mit dabei.
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Montag, 30.9.2002
Heute war also zum ersten Mal Rugbytraining. Das ist richtig anstrengend, macht
aber auch jede Menge Spaß. Bei einer Übung hab ich mir allerdings
heftig an meinem Piercing weh getan. Das muss ich das nächste Mal unbedingt
abtapen. Ausserdem habe ich nach dem Training bestimmt fünf Minuten an
meinen Knien rumgeschrubbt, um die wieder einigermaßen von den Grasflecken
zu befreien... Naja, aber ansonsten muss ich wirklich sagen, dass das 'ne recht
coole Sportart ist.
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