Diese Seite ist für Leute gedacht, die bisher noch nicht viel mit Pilzen zu tun hatten (abgesehen vielleicht von einigen Champignons auf der Pizza...) und die gerne einen Einblick darüber erhalten möchten, wo Pilze vorkommen, was sie leisten und warum Forscher an ihnen interessiert sind. Die folgende Liste ist keineswegs vollständig, sie soll nur dazu dienen, Interesse zu erwecken und zu weiteren Ausflügen in die Welt der Pilze zu animieren. Einige Links zu Webseiten mit mehr Informationen und/oder Bildern zu Pilzen gibt es unter links.
Pilze sind eine Gruppe der Eukaryoten (Lebewesen mit Zellkernen), und sie sind in der Evolution parallel zu Tieren entstanden. Es gibt einzellige Pilze (sie werden meist als 'Hefen' bezeichnet) und mehrzellige Pilze. Im letzteren Fall wachsen sie schlauchartig als 'Hyphen', die ein 'Myzel' bilden. Pilze kommen in nahezu allen Lebensräumen vor, und die folgende Liste beschreibt einige ökologisch oder wirtschaftlich wichtige oder einfach interessante Aspekte der Pilzbiologie.
Eine Übersicht der Pilzgruppen und ihrer Verwandten gibt es bei Klick auf das Bild links.
Pilze als Nahrungsmittel oder zur Nahrungsmittelproduktion
Lebensmittelkontamination durch Pilze
- Schimmelpilze, oft Penicillium-, Aspergillus- oder Rhizopus-Arten, sieht man oft als graue oder grüne Flecken auf angebrochenen Lebensmitteln, die im Kühlschrank vergessen wurden. Abgesehen von dem eher unappetitlichen Aussehen können einige dieser Pilze Mykotoxine produzieren, die mutagen wirken können. Aflatoxin, das Mykotoxin, das von Aspergillus flavus synthetisiert wird, ist langfristig krebserregend und kann bei hohen Dosen tödlich wirken.
- Einige Pilze befallen Pflanzensamen und verursachen dadurch Verluste von gelagertem Getreide oder Früchten und können die Samenkeimung reduzieren.
- Der Ascomycet Claviceps purpurea infiziert Roggen und verhindert die normale Entwicklung des Roggenkorns. Anstelle eines Korns entsteht eine schwarze, kornartige Struktur, die aus zusammenhaftenden Pilzhzphen besteht und das Winter-Überdauerungsorgan des Pilzes darstellt. Im Frühjahr entwickeln sich Fruchtkörper aus diesem 'Korn', in welchen Sporen entstehen, die neue Pflanzen infizieren. Wenn Menschen diese 'Körner' essen, kommt es zu Vergiftungssymptomen, die bereits in alten Dokumenten als 'Antonius-Feuer' beschrieben sind. Andererseits kann das sogenannte Mutterkornalkaloid, das diese Symptome verursacht, in der richtigen Dosis auch zur Behandlung von Migräne verwendet werden.
Pilze als Arzneitmittelproduzenten
- Das erste von einem Pilz produzierte Antibiotikum, das entdeckt wurde, war das Penicillin. Es ist nach einem der Pilze benannt, die es produzieren: Penicillium chrysogenum. Alexander Fleming entdeckte es eher zufällig im Jahr 1928, als ihm auffiel, dass ein Pilz, der seine Bakterienkulturen infizierte, in der Lage war, das Bakterienwachstum zu hemmen. Seither sind viele pilzliche Antibiotika entdeckt worden, die gegen verschiedene Bakterienarten wirken. Eines der wirksamsten ist das Cephalosporin C, das von Acremonium chrysogenum produziert wird.
- Antibiotika wirken gegen Bakterien (nicht gegen Viren!) viel effizienter als alle anderen bisher bekannten Behandlungsmethoden. Die Pilze, die diese Antibiotika produzieren, leben meist im Boden, wo sie mit Bakterien um Nahrungsreserven konkurrieren. Indem sie Bakterien loswerden, sichern sie sich wahrscheinlich einen Vorteil in ihrer natürlichen Umgebung.
- Pilze produzieren nicht nur Antibiotika, sondern noch viele andere sogenannte Sekundärmetaboliten. Die chemische Struktur und die Eigenschaften vieler dieser Substanzen sind noch unbekannt, aber einige sind wertvolle Arzneimittel. Zu diesen gehört z.B. das Cyclosporin. Es wird von Tolypocladium inflatum produziert und wirkt stark hemmend auf das Immunsystem. Solche immunsuprimierenden Substanzen sind in der Transplantationsmedizin extrem wichtig, denn sie verhindern ein Abstossen der transplantierten Organe durch das Immunsystem des Empfängers.
Pathogene Pilze
Mykorrhiza, Flechten und Endophyten
- Viele Pilze wachsen nicht allein, sondern als Symbionten. Das bedeutet, dass sie mit einem anderen Organismus assoziiert sind und beide Organismen von dieser Partnerschaft profitieren. In vielen Fällen ermöglicht die symbiontische Lebensweise ihnen, in einer Umgebung zu wachsen, in der keiner der Partner allein überleben könnte.
- Mykorrhiza ist die Symbiose eines Pilzes mit den Wurzeln einer höheren Pflanze. Mehr als 90 % aller Landpflanzen bilden in ihrem Wurzelbereich eine Mykorrhiza aus. Einige Pflanzen sind sogar von dieser Mykorrhiza abhängig und können ohne sie überhaupt nicht wachsen. Von der Mykorrhiza profitieren sowohl die Pflanze als auch der Pilz, da die Pflanze den Pilz mit Kohlenhydraten versorgt, die ein Produkt der pflanzlichen Photosynthese sind (Pilze sind nicht in der Lage, Photosynthese durchzuführen), wohingegen der Pilz notwendige Nährstoffe wie Stickstoff- und Phosphat-Komponenten aus dem Boden aufnimmt und an die Pflanze weitergibt.
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- Flechten sind Symbiosen aus einem Pilz und einer Alge. Oft ähneln die Flechten weder dem Pilz noch der Alge allein, sondern nehmen eine vollständig neue Form an. Flechten können als Flecken auf Oberflächen wie Stein (z.B. im Bild unten) wachsen, oder buschig wie die Rentierflechten (Cladonia spp.). Sie kommen oft unter Extrembedingungen vor (extreme Kälte, Hitze, Trockenheit etc.), unter denen keiner der Partner allein überleben könnte.
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- Einige Pilze wachsen sogar in höheren Pflanzen, ohne für die Pflanze pathogen zu sein. Diese Pilze werden 'Endophyten' genannt. Viele von ihnen wachsen in Gräsern, und einige verbessern das Wachstum der Pflanze. Manche synthetisieren sogar Mykotoxine (Pilzgifte), die giftig für grasende Tiere sind. Das ist vorteilhaft für die Pflanze, weil es einen Fraßschutz darstellt, aber unerwünscht, wenn eine Wiese als Weide oder zur Heuernte genutzt wird.
Lignin-abbauende Pilze
- Lignin ist ein komplexes Molekül, das einen großen Anteil der pflanzlichen Zellwand darstellt. Lignin ist die Substanz, die dem Holz seine Stabilität und seine bräunliche Farbe verleiht. Aber da es so komplex ist, ist es auch schwer abzubauen, und nur einige Pilze aus der Klasse der Basidiomyceten können Lignin effizient abbauen. Manchmal kann man ihre Fruchtkörper auf der Oberfläche von entwurzelten Bäumen sehen. Diese Fruchtkörper können sehr groß sein und sehen oft aus wie halbierte Regenschirme.
- Diese Basidiomyceten werden 'Weißfäulepilze' genannt, da sie das bräunliche Lignin abbauen und die weiße Cellulose zurücklassen. Dies ist eine wichtige ökologische Funktion, denn wenn es diese Pilze nicht gäbe, würden sich sehr schnell große Mengen Holzabfall ansammeln. Dies würde auch das Pflanzenwachstum zum Erliegen bringen, denn nur durch denn Abbau von Biomasse (nicht nur Lignin, sondern auch andere Substanzen, von denen viele ebenfalls durch Pilze abgebaut werden) und die Rückführung der Nährstoffe in den Boden wird neues Pflanzenwachstum ermöglicht. Um den Zyklus von Pflanzenwachstum, -absterben und neuem Wachstum aufrecht zu erhalten, sind Pilze absolut notwendig.
Pilze als Modellorganismen für die biologische Grundlagenforschung
- Viele Pilze können leicht im Labor angezogen werden, und genetische und biochemische Experimente lassen sich oft wesentlich einfacher durchführen als mit Tieren oder Pflanzen. Daher werden Pilze schon seit Jahrzehnten als Modellorganismen für die Grundlagenforschung verwendet und viele Erkenntnisse über die Biologie der Eukaryotenzelle wurden durch Experimente mit Pilzen gewonnen.
- Ein Beispiel hierfür ist die 'Ein Gen - ein Enzym'-Hypothese, die von Beadle und Tatum im Jahre 1941 aufgestellt wurde. Die beiden Forscher untersuchten Mutanten des Pilzes Neurospora crassa, bei denen genau ein Gen nicht funktionsfähig war. Sie fanden, dass jede dieser Mutanten genau eine biochemische Reaktion nicht mehr durchführen konnte, die von genau einem Enzym katalysiert wurde. Daher schlossen sie, dass jedes Gen die Information enthält, die zur Synthese von jeweils einem bestimmten Enzym nötig ist.
- Die Mitose ist die Teilung einer einzelnen Zelle, wobei zwei identische Tochterzellen entstehen. Der Ablauf der Mitose ist eines der grundlegenden Prinzipien für Wachstum und Fortpflanzung von Organismen. Informationen über die genetische Kontrolle dieses Prozesses wurden durch viele Experimente mit der Hefe Saccharomyces cerevisiae (Bäckerhefe) und dem Hyphenpilz Aspergillus nidulans gewonnen.
- Viele Organismen haben eine sogenannte innere Uhr, die so eine Art eingebauten Wecker darstellt, der dem Körper nicht nur mitteilt, wieviel Uhr es ist, sondern manchmal auch, was zu einer bestimmten Uhrzeit getan werden soll. Bei Tieren werden z.B. die Körpertemperatur, Hormonlevel, Schlaf-Wach-Rhythmen etc. durch diese circadiane Uhr reguliert und pulsieren regelmäßig mit einem Rhythmus von ca. 24 Stunden. Viele Erkenntnisse über die genetische Kontrolle der inneren Uhr wurden durch Arbeiten mit dem Pilz Neurospora crassa (oranger Brotschimmel) gewonnen. Bei diesem Pilz werden die Sporen alle 22 Stunden produziert, und dies wird durch die innere Uhr kontrolliert.
- Wie wir mittlerweile wissen, sind die meisten Eukaryoten einzellig, aber verschiedene Gruppen haben im Laufe der Evolution die Fähigkeit erworben, komplexe vielzellige Strukturen zu bilden. Das bedeutet, dass ihr Körper aus einer grossen Anzahl einzelner Zellen besteht. Zu den Gruppen, die vielzellige Strukturen bilden können, gehören Tiere, Pflanzen, Pilze und einige Algen (z.B. Tange), diese Gruppen sind im unten dargestellten Stammbaum rot markiert. Die Evolution von Vielzelligkeit erfolgte in diesen Gruppen unabhängig voneinander, da der jeweils letzte gemeinsame Vorfahr der verschiedenen Gruppen wahrscheinlich noch einzellig war. Um einen funktionsfähigen mehrzelligen Körper zu bilden, müssen die Zellen unterschiedliche Funktionen übernehmen, abhängig davon, zu welchem Organ oder Körperteil sie gehören. Wie Zellen diese Fähigkeiten erlangen und komplexe dreidimensionale Strukturen ausbilden (z.B. die Beine von Tieren, Blätter von Pflanzen oder Fruchtkörper von Pilzen wie im Bild unten gezeigt), wird von Entwicklungsbiologen erforscht. Pilze sind ideale Modellorganismen für die Entwicklungsbiologie, weil sie Organe wie z.B. Fruchtkörper in sehr kurzer Zeit, teilweise in weniger als einer Woche, ausbilden können, und weil man sie auf genetischer Ebene untersuchen kann. Mehr Informationen hierzu gibt es auf der Seite Projekte.