Raum hören

Akustischer Raum wird nur selten bewußt wahrgenommen. Ein geübter Musikhörer wird, beschreibt er was er hört, meist Melodien wiedergeben, harmonische Strukturen beschreiben, die Instrumentation angeben können; der Raumeindruck wird nur selten zur Sprache kommen.[1] Diese Erfahrung sollte nicht dazu verleiten, die Raumwahrnehmung als nebensächlich einzustufen. Hören ist ein äußerst komplexer aktiver Vorgang und ist sehr wichtig für die Orientierung in der Umgebung. Nicht nur Größe und Form eines Raumes, auch das Material aus dem er besteht und was sich in ihm befindet haben wir gelernt zu hören. Richtung und Entfernung eines Geräusches lassen sich bestimmen, Bewegung nachvollziehen. Hörerfahrung erweitert ständig diese Fähigkeiten. Ist unsere bewußte Wahrnehmung auch stark am Sehen orientiert, beim Hören einer Musikaufnahme liegt alle Information im Klang. Dabei bleibt es irrelevant, ob diese Information bewußt erkannt wird. Der Musikexperte mag die Details beschreiben können, aber auch jeder andere Hörer nimmt den Raum wahr.
Im Bereich der Musik wird "Raum" als Metapher für sehr unterschiedliche Dinge verwendet. Man beschreibt damit u.a. den Zeitraum zwischen Klangereignissen, den Tonhöhenbereich,[2] aber auch Konzepte von "sozialen Räumen" unterschiedlicher Musik wurden entwickelt. Von diesen metaphorischen Verwendungen des Begriffs, insbesondere von einer soziologischen Perspektive, wie ihn die traditionelle Musikforschung regelmäßig gegenüber Popmusik einnimmt, werde ich Abstand nehmen.Weder Tonbeziehungen noch Hörersoziogramme sollen Thema sein, sondern allein der akustische Raum und seine sinnliche Wahrnehmung. Der Schwerpunkt wird auf der Betrachtung der Musikproduktion liegen, einen ebenso wichtigen Bereich, Hörräume, werde ich in dieser Arbeit weitgehend ausklammern. Auch Bereiche wie die Erzeugung eines Raumeindrucks durch motivische Klischees oder programmatische Aussagen von Musikern ("space music") werde ich nur soweit berücksichtigen, wie sie direkt mit dem Kern meines Themas verknüpft sind. Aufgrund der Komplexität des Themas kann und will diese kurze Arbeit keine detaillierten Untersuchungen von Einzelaspekten liefern, sondern einen allgemeinen Einblick in Geschichte, Technologie und Ästhetik von Raum in der Popmusik geben. Den Schwerpunkt auf die Aufnahmepraxis zu legen soll andererseits nicht dazu führen, die physikalische Akustik in den Vordergrund zu stellen.[3] Vielmehr möchte ich, in "lesbarer" Form, die gegenseitige Beeinflussung dieser Techniken und ihrer kreativen Anwendung im Popbereich beschreiben. Gerade hier befindet sich m.E. das Experimentierfeld des Klangs. Auch wenn gerne angeführt wird, daß z.B. Mozart größtenteils Popmusik geschrieben habe, entsteht das, was wir heute darunter verstehen, erst mit den technischen Aufnahme- und Übertragungsmedien als wechselseitiger Prozeß. Rundfunk und Schallplatten verlangten nach Popmusik, wie Musiker und Produzenten nach elektrischem Spielzeug und technischer Verbreitung ihrer Musik. Musiker finden im Tonstudio ein neues Instrument, Techniker konstruieren Musik. Während die Kunstmusik eher das Ideal eines tranparenten Mediums verfolgt, wird die Produktionstechnologie in der Popmusik zum Instrument.

 

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