Praktikum in Afrika



 
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Gregor Betz
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Praktikum in Afrika:
BÜHNENWECHSEL – SECHS MONATE LEBEN IN TANSANIA

Ein Erfahrungsbericht

DER PRAKTIKANT – MEINE ARBEIT

Meine Arbeit für MANGONET war auch nicht immer sehr einfach. Ich hatte keine Kollegen, war meist auf mich alleine gestellt und musste mir meine Aufgaben selber suchen. Vor allem am Anfang, wo noch alles neu war und ich wenig von der Organisation, der Stadt und dem Land verstand, habe ich mich manchmal gefragt was ich dort sollte. Der Vorstand hat sich zwar bemüht mich anzuleiten, doch hatten die drei auch ihre Arbeit und waren meist zusätzlich im Vorstand ihrer eigenen Organisation aktiv und hatten somit nicht ganz so viel Zeit.

Bis auf Kapazitäts-Schwierigkeiten mangelt es vielen Organisationen vor allem an Konsequenz und Kritisierungsfähigkeit. Es gab sehr viele gute Ideen, doch wurden diese meist nicht realisiert, da die Menschen gut reden können aber oft recht handlungs-faul sind, oder sie überfordern sich maßlos. Oft können sie ihre eigenen Kapazitäten nicht gut einschätzen und wollen gleich alle Probleme auf einmal lösen, so dass sie am Ende gar nichts schaffen. Auch tun sie sich oft schwer ihre Mitmenschen zu kritisieren und ihre Meinung offen zu sagen. Dadurch werden Ideen selten Ausdiskutiert und durchlaufen dadurch oft keinen wirklichen Reifungs-Prozess. So konnten die Menschen auch mich nicht so kritisch begleiten und mir nicht die Rückmeldung geben, die ich gebraucht hätte.

MANGONET ist aber meiner Einschätzung nach eine für Tanzania sehr fortgeschrittene Organisation. Sie steht zwar noch in den Kinderschuhen, aber die Organisation hat in den drei Jahren seit ihrer Gründung bereits einige wichtige Erfahrungen sammeln können. Sie wird von einheimischen Tanzaniern getragen, ist in der Bevölkerung bekannt und in der lokalen Politik respektiert. Die Mitgliedschaft der 20 Mitglieder-Organisationen beträgt zwischen 10 und 1.200 Leute und addiert sich zu über 2.500 im gesamten Kreis Masasi.

Der Haupt-Effekt von MANGONET für Masasi ist die Emanzipation der Bevölkerung und ihre Sensibilisierung für die regionalen Probleme und ihre Lösungsmöglichkeiten. Die Menschen fangen an zu begreifen, dass sie für die Lösung ihrer Probleme und die Bekämpfung der Armut nicht auf die nationale oder regionale Politik warten dürfen, sondern selber aktiv werden müssen. NGOs zu gründen ist in Masasi zu einer richtigen Mode geworden, was auf Grund der Gefahr, dass dieser Status ausgenutzt wird auch kritisch zu betrachten ist. Durch die Organisationen erhalten die Menschen ein ganz neues Demokratie-Verständnis, ihre Diskussions-Fähigkeiten und ihre Erfahrungen in Entscheidungs-Findung und Gruppen-Dynamik werden deutlich ausgebaut, wodurch eine motivierte, aufgeklärte und demokratie-erfahrene Gesellschaftsschicht heranwächst. Tabuthemen wie der Generationen- und Geschlechter-Konflikt, die Sexualität so wie Korruption werden offen angesprochen und diskutiert. Durch MANGONET wird allmählich auch die lokale Politik zu mehr Transparenz und Konsequenz gezwungen. So wird MANGONET mit ihren Mitglieder-Organisationen in einigen Jahren eine ähnliche Rolle für Masasi einnehmen wie unsere freie und kritische Medienkultur in Europa.

Es war mir wichtig, dass ich nicht die Arbeit der NGOs übernehme um ihnen dadurch die Möglichkeit der eigenen Erfahrung nicht zu entziehen. Ich wollte ihren Erfahrungs-Prozess begleiten, ihnen zuhören und bei Bedarf mit Ideen und Hilfestellungen beistehen. Ich merkte schnell, dass meine Anwesenheit und mein Interesse an ihrer Arbeit sie sehr motivierte.

Da MANGONET noch keine Angestellten hatte war es schwierig dem Netzwerk als Ganzem zu helfen. Natürlich habe ich am täglichen Geschehen teilgenommen, an Sitzungen und Veranstaltungen partizipiert und aktiv zur Entscheidungsfindung beigetragen. Mein größtes Projekt für MANGONET als ganzes war die Erstellung einer Homepage (www.mangonet.org) wobei ich nicht sicher bin, wie diese in Zukunft gehalten wird. Es hat sich leider kein Mitglied gefunden, das genug Computer-Kenntnisse hatte um von mir eingewiesen und unterrichtet zu werden, so hat Cris die Verantwortung vorerst übernommen.

Außer diesem Projekt und der täglichen Arbeit bei MANGONET habe ich vor allem den einzelnen Mitglieder-Organisationen geholfen. Täglich kamen Mitglieder mit formulierten Anträgen und Projekt-Konzepten oder mit vielen Fragen und Sorgen in das Büro und baten um meine Unterstützung und meine Kommentare zu ihren Ideen und Projekten, die wir meist sofort ausdiskutierten.

Da die 20 Mitglieder alle sehr unterschiedlich arbeiteten und ich mit fast allen direkt zu tun hatte, habe ich einen sehr weiten Einblick in die Arbeit der Zivilgesellschaft Tanzanias erhalten. Die meisten Organisationen können große Erfolge nachweisen. So hat MEF in den letzten zwölf Jahren acht weiterführende Schulen gebaut. Die neu gegründete Rentner-Organisation EPA-Ukimwi, die sich zum Ziel gesetzt hat, durch Ansprechung von Tabuthemen bei Dorfversammlungen gegen HIV/Aids anzukämpfen, veranstaltet zwei Mal wöchentlich Dorf-Diskussionen zum Thema HIV/Aids und Generationen-Konflikte. MECAA verwaltet in Kooperation mit einer Gemeinde seit mehreren Jahren höchst erfolgreich und effektiv ein Wiederaufforstungs-Projekt.

Am meisten Erfahrung zu meiner Rolle als Europäer bei MANGONET habe ich bei MOC-VTC, einem kleinen Waisenkinder-Projekt, sammeln können. Die Organisation brachte 6 Waisenkindern im Alter von 12 bis 16 Jahren Schustern, Schneidern, Maurern und andere Fähigkeiten bei und war eher eine Familien-Organisation, was dazu führte, dass internationale Geber Schwierigkeiten hatten MOC-VTC finanziell zu unterstützen. Ich sah sehr schnell, dass MOC-VTC sich für neue Mitglieder öffnen müsse um ihre eigenen Pläne durchführen zu können und von einer breiten Mitgliedschaft getragen zu werden. Doch hatten sie sehr viele Vorbehalte gegenüber einer Öffnung der Strukturen. Vor allem der Gründer und Direktor hatte Angst die Kontrolle zu verlieren und dadurch das Projekt zum Scheitern zu bringen. So habe ich in vielen Diskussionen mit Händen, Füßen, wenigen Englischen Wörtern und meinem Kiswahili-Wörterbuch versucht sie zu überzeugen, Mitglieder zu werben und ihre Satzung und ihre Strukturen etwas zu ändern. Doch ich musste einsehen, dass die Gruppe noch nicht bereit dafür war und ihre Erfahrungen selber machen müssten. Ich wollte ihnen neue Strukturen aufzwängen die erst recht gescheitert wären, hätte ich mich durchgesetzt.

Sehr viel habe ich auch mit MAFAMA gearbeitet, einer Organisation von Cashewnuss-Bauern. Sie hatten Kontakte zu Cashewnuss-Käufern in Indien und wollten sie erneut für Verhandlungen kontaktieren, was durch die unterentwickelte Kommunikations-Infrastruktur äußerst schwierig war. So habe ich sie unterstützt einen Antrag auf Finanzhilfe (ein langer und komplizierter Prozess) für eine Reise nach Indien für Vertrags-Verhandlungen auszuarbeiten. Für das Jahr 2004 hatten sie sich vorgenommen in jeder der knapp 30 Gemeinden des Kreises Mitgliedergruppen zu gründen um breiter arbeiten zu können. Ihr langfristiges Ziel war es den kompletten Cashewnuss-Handel und dessen Verarbeitung des Kreises Masasi in tanzanischen Händen zu halten. Auch bei der Konzeptualisierung für die dafür nötigen Umstrukturierungen der Organisation habe ich sie unterstützt und ihnen des Weiteren das Caramelisieren von Cashewnüssen beigebracht.

Ein Querschnittsthema ist natürlich das HIV/Aids-Problem. Jede Organisation hat sich dazu verpflichtet, neben ihren individuellen Schwerpunkten zu diesem Thema zu arbeiten. In Masasi gibt es noch nicht einmal offizielle Zahlen und Statistiken zur Epidemie, doch jeder ist irgendwie davon betroffen, hat schon Verwandte und Freunde verloren. Komplette Generationen sterben aus, Menschen in wichtigen Führungspositionen der Gesellschaft – auch der Organisationen – sterben und hinterlassen überall Vakuums.

Die zahlreichen Aufklärungs- und Bekämpfungsversuche werden durch Aberglauben und unterschiedliche Aufklärungsansätze erschwert. Wenn eine Organisation in einem Dorf das Kondom preist und die Menschen zu seiner Benutzung auffordert, diese aber am nächsten Sonntag in der katholischen Kirche hören Sex mit Kondomen sei Mord, glauben die Menschen bald gar nichts mehr.

In diesem halben Jahr habe ich an der Entwicklung einer Stadt teilgenommen, ich war ein Teil dieser Stadt und seiner Entwicklung. Ich freue mich schon jetzt darauf Masasi erneut zu besuchen und zu sehen, was aus den vielen Initiativen geworden sind, was für neue Ideen entstanden sind und was für Erfahrungen gesammelt wurden. Auch möchte ich im Rahmen meiner Möglichkeiten die Entwicklung MANGONETS auch aus Deutschland unterstützen und würde mich über breite Unterstützung dabei freuen.