Praktikum in Afrika



 
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Gregor Betz
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Praktikum in Afrika:
BÜHNENWECHSEL – SECHS MONATE LEBEN IN TANSANIA

Ein Erfahrungsbericht

EIN NEUES LAND: EINGEWÖHNUNG, UMSTELLUNG, LERNEN

Zu einem fremden Land gehören neben einer neuen Sprache natürlich auch eine fremde Kultur, andere Traditionen, Lebensweisen, Verhalten, Sitten, Bräuche, Tabus und Selbstverständlichkeiten. Diese neuen Lebensbedingungen kennen zu lernen und sich drauf einzulassen ist einer der spannendsten Aspekte eines Auslandaufenthaltes. Die Sicht für unsere Welt und ihre Probleme wird dadurch erweitert und man bekommt ein völlig anderes Verhältnis zu und Verständnis von unserer eigenen Gesellschaft. Die Umstellung ist auch mit vielen schwierigen Momenten verbunden, alles ist neu und kann einen ganz schön erschlagen. Immer wieder kann man – oft unbemerkt – in Fettnäpfchen treten oder selber die Menschen vor Ort missverstehen.

Anpassen musste ich mich unter anderem an die Lebensweisen meiner neuen Familie; an meinen unorganisierten Arbeitsplatz; an die neue Sprache; an die vielen Blicke und Reaktionen der Menschen auf den „Mzungu“, den Weißen; an die Malaria-Bringenden Mücken; an die vielen Bettler; an den völlig befremdlichen Glauben der Menschen.

Als erstes bekam ich die Unorganisiertheit, Gelassenheit und Spontanität der Tanzanier zu spüren. Drei Tage vor meiner Ankunft in Masasi erfuhren die Leute von MANGONET erst, dass ich zu ihnen kommen würde. Natürlich war als ich ankam noch nichts organisiert. Es kam oft vor, dass Menschen erst dann anfingen etwas zu planen, wenn es ernst wurde bzw. wenn sie sicher waren, dass es nötig war, so wie bei meiner Ankunft. So musste ich die ersten Nächte in einem kleinen Hotel übernachten bis alles organisiert war. Die größere Herausforderung war aber dann bei MANGONET, wo ich weder Kollegen noch feste Aufgaben hatte. Sie haben noch nicht einmal erwartet, dass ich arbeite und waren völlig überrascht als ich bei dem ersten Treffen des Exekutiven Komitees mit fertigen Konzepten ankam und total motiviert war! Doch sehr schnell ging die Lockerheit der Menschen auch auf mich über und ich ließ alles auf mich zu kommen.

Viel schwieriger war aber akzeptieren zu müssen, dass unsere Welt so ist wie sie ist. Der Umgang mit Armut auf den ich später eingehen werde, war am schwierigsten.

Für mich als Europäer über die ganzen 6 Monate ungewohnt war der Stellenwert von Freundschaft und das Verhältnis der Menschen untereinander. Der Aufbau einer Freundschaft war für die Menschen kein Prozess sondern oft eher eine Abmachung oder ein Status. Oft kamen wildfremde Menschen zu mir und fragten mich, ob ich nicht ihr Freund oder ihr Bruder sein wolle. Freundschaften sind viel lockerer, viel unpersönlicher, unverbindlicher und distanzierter. Es wird sehr wenig über persönliche Dinge gesprochen, fast nie über persönliche Probleme und immer nur in der Gegenwart. Es wird wenig vorausgedacht oder über die Vergangenheit gesprochen, alles spielt sich im Hier und Jetzt ab. Auch schienen mir Geschlechter und Generationen untereinander nicht zu reden. So fühlte ich mich zwar von Anfang an gut aufgenommen, viele Menschen (80% Männer, da Frauen vor allem in meinem Alter entweder nicht den Mut hatten oder für den Haushalt zuständig waren und kein Recht zum Quatschen hatten) kamen auf mich zu und wollten mit mirzu tun haben, aber meistens ging es nie über zwei Treffen hinaus. Wenn ich jemanden zum Reden brauchte musste ich mich oft an das holländische Ehepaar wenden, dass auch in Masasi gearbeitet hat. Meine Gastmutter und Anna, mein „Hausmädchen“, waren einer der einzigen Tanzanier, mit denen ich richtig intensive und persönliche Gespräche führen konnte.

Auch das Essen war sehr gewöhnungsbedürftig. Es wurde zwar meist separat für mich gekocht, doch Ugali ya Mahindi (Maisbrei, der am Anfang nach gar nichts geschmeckt hat) gab es trotzdem fast jeden Tag. Aber was die Menschen mögen, darauf kann man sich auch ein halbes Jahr lang einlassen und jetzt vermisse ich das tanzanische Essen, sogar Ugali!

Viele Gedanken habe ich mir auch über den Glauben der Tanzanier gemacht. Ich bin mir immer noch nicht ganz sicher ob es am Glauben der traditionellen Naturreligionen oder an der Art der kolonialen Missionare liegt, aber die Menschen haben Angst vor Gott! Es schien mir immer als säßen die Sonntags um sieben Uhr morgens zwei ganze Stunden in der Kirche und flehten Gott regelrecht an sie nicht zu bestrafen. Es war so ruhig, kaum ein mucks, kaum eine Bewegung, eine autoritäre Predigt und vor Anfang des Gottesdienstes wurde vor der Kirche gewartet und nicht drinnen. Auch hatte ich mich auf Gospel-ähnliche Gesänge gefreut, die mit dem leisen Daher-Singen der Kirchenbesucher nicht vergleichbar waren.

Die neue Sprache, das Kiswahili, stellte sich vor allem am Anfang als ein Problem dar. Viele Tanzanier sprechen kein oder kaum Englisch, so war es sehr wichtig ihre Sprache zu lernen. Am wichtigsten ist es, die Begrüßung zu beherrschen, die manchmal mehrere Minuten dauern kann. Menschen begrüßen zu können und auf ihre Begrüßungen richtig antworten zu können zeigt ob man sich bemüht oder nicht. Bei der Begrüßung wird vor allem über Neuigkeiten gefragt, wobei die Antwort immer positiv sein muss. Wenn man also gefragt wurde: „Wie ist die Neuigkeit deines Bruders?“ so musste man antworten: „Gut, aber er liegt gerade im Krankenhaus.“ Und wenn man gefragt wird: „Wie geht es deinen Kindern?“ hieß die Antwort: „Gut, aber ich habe keine!“ Die Kiswahili-Begrüßung hat mir unheimlich Spaß gemacht, sie ist sehr dynamisch und eine Wissenschaft für sich!

Bei der Sprache sehr geholfen hat mir die Familienanbindung. Imani, mein Gastbruder, und Zainabu, das Hausmädchen der Familie, sprachen beide kaum oder gar kein Englisch, so musste ich mich mit ihnen von Anfang an mit Händen, Füßen und den wenigen Kiswahili-Worten verständigen, die ich kannte. Natürlich sprach die Familie untereinander nur Kiswahili, so schnappte ich bei Konservationen dauernd neue Wörter auf und hatte die Sprache ständig im Ohr, was sehr geholfen hat.