Praktikum in Afrika



 
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Gregor Betz
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Praktikum in Afrika:
BÜHNENWECHSEL – SECHS MONATE LEBEN IN TANSANIA

Ein Erfahrungsbericht

DAS FAMILIENLEBEN

Meiner Gastfamilie, und vor allem meiner Gastmutter Mama Malenga, bin ich sehr dankbar. Für sie und ihre Familie war es sicherlich eigenartig und eine große Umstellung, ein halbes Jahr mit einem Europäer zu leben. Sie hatten am Anfang glaube ich so einige Befürchtungen und vor allem ein völlig falsches Bild von Europäern. Für uns Europäer ist die Entscheidung z.B. einen Austauschschüler für mehrere Monate aufzunehmen schon ein sehr großer Schritt, doch können wir uns eher darauf vorbereiten, über das Land lesen, Fernsehberichte anschauen oder Erfahrungsberichte von anderen hören. Oft kennen wir andere Menschen aus dem Land oder dem Kulturraum oder waren selbst schon einmal dort. Für eine tanzanische Familie gehört da noch um einiges mehr Mut dazu.

Die Familienanbindung hat mir einen Einblick in die Gesellschaft ermöglicht. Durch sie konnte ich hautnah den Alltag einer Familie und die Funktion von Nachbarschaft erleben. Durch sie habe ich die Sprache erlernt. Die Familien sind das Zentrum des gesellschaftlichen Lebens Tanzanias. Oft saß ich Abends mit Mama Malenga und den Kindern hinterm Haus und konnte keine ernste Unterhaltung führen, da alle zehn Minuten ein Nachbar, Verwandte oder Bekannte vorbei kam um hallo zu sagen, um Rat oder Hilfe zu bitten oder anzubieten, um von irgend welchen Erlebnissen zu berichten oder einfach nur um zusammen rum zu sitzen. Es wird immer sehr viel und ausführlich erzählt, mit vielen Ausschweifen wird über aktuelle Ereignisse berichtet, nie wird jemand unterbrochen. Auch wenn ich nicht immer so viel verstanden habe, so hat es mir immer unheimlich Spaß gemacht ihren Erzählungen zuzuhören da ihre Erzähl-Art durch die Stimm-Erhebungen und die Betonungen sehr melodisch klingt.

Das Familienleben habe ich vor allem während Mahlzeiten, an Abenden, Wochenenden und Feiertagen kennen gelernt. Morgens habe ich mir meistens zu Hause ein Ei gebraten und zum Brot, den Fladen oder den Donuts gegessen. Doch mittags und abends habe ich immer bei der Familie gegessen. Ich aß als Gast immer alleine, vor den Kindern und den Hausmädchen, ab und zu zusammen mit meiner Gastmutter. Als Gast darf man nie sein Essen ganz aufessen, da sonst die Köchin ein schlechtes Gewissen hat und denkt man sei nicht satt geworden.

Für mich waren die schönsten Familienabende die, wo ich bei Stromausfall von einer Spiritus-Lampe beleuchtet mit meinen Gastgeschwistern, den Hausmädchen und Nachbarn UNO gespielt habe. Das ging komischer Weise nur wirklich, wenn Mama Malenga nicht zu Hause war.

Das Eltern-Kind-Verhältnis in Tanzania, so auch in meiner Familie, ist meist ein sehr liebendes aber recht distanziertes. Meine Gast-Geschwister hatten unheimlich hohen Respekt vor ihrer Mutter, haben sie fast vergöttert und hätten sich nie getraut, ihr offen die Meinung zu sagen oder gar ihr zu widersprechen.

Als ich z.B. eines späten Nachmittags mit den Kindern hinterm Haus UNO spielte kam Mama Malenga von der Arbeit nach Hause. Sie hatte einen schlechten Tag hinter sich, war nicht so gut gelaunt und sehr müde, hat ihre Kinder herumkommandiert und grundlos rumgemeckert. Das UNO-Spiel war in dem Moment wo sie die Tür betrat ohne Frage beendet und ich, der immer Gaststatus hatte, wurde völlig alleine gelassen und ignoriert.

So wie die meisten halbwegs wohlhabenden Familien hatte auch Mama Malenga immer mindestens eine Bedienstete. Die so genannten Hausmädchen sind meistens 12- bis 18-jährige Mädchen, die von ihren Eltern für einen geringen monatlichen Geldbetrag „vermietet“ werden und den kompletten Haushalt einer fremden Familie führen müssen. Meist haben sie kaum Rechte und Freiheiten, haben meist kaum Kontakt zu Gleichaltrigen oder ihren Familien und arbeiten in der Regel ohne Ferien oder Pausen über 80 Stunden pro Woche. Zudem sind sie häufig wehrlos Belästigungen und Vergewaltigungen der Familienväter und der Söhne ausgesetzt.

Oft hatte ich das Bedürfnis mich einzumischen, nicht nur bei der Arbeit und in der Gesellschaft, doch auch in meiner Gastfamilie war ich der Armut und Ungerechtigkeiten ausgesetzt, oft musste ich mich zurückhalten und die Situation so ertragen und hinnehmen wie sie war. Jegliche Einmischung meinerseits wäre als Beleidigung verstanden worden. So hatte ich oft auch ein zwiespältiges Verhältnis zu meiner Gastmutter und meiner Familie. Doch im Großen und Ganzen habe ich mich bei ihnen sehr wohl gefühlt und bin unheimlich glücklich eine Zeit lang mit ihnen gelebt haben zu dürfen.