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Dr. Sven Bielski - Geistige
Behinderung und soziale Kompetenz
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Soziale Informationsverarbeitung
bei leicht geistig behinderten Kindern
Leffert und Siperstein (1996) untersuchten den Zusammenhang
von sozial-kognitiven Prozessen und Verhaltensauffälligkeiten bei
geistig behinderten Kindern der Einstufung mild mental retardation (siehe
Punkt 1.1.2). Die Kinder befanden sich im Alter zwischen 10 und 13,1 Jahren.
Sie besaßen IQ-Werte zwischen 55 und 75 (Mittelwert 66,8).
Anhand des Modells des sozialen Austausches bei Kindern
von Dodge (1986) beschreiben sie vier kognitive Prozesse, die sie für
die Ausbildung und Ausführung sozial kompetenten Verhaltens für
grundlegend halten:
· Wahrnehmung der sozialen Situation
· Interpretation der sozialen Situation
· Entwicklung einer Verhaltensstrategie
· Überprüfung der Verhaltenskonsequenzen
dieser Strategie.
Um diese kognitiven Prozesse des Dodge-Modells überprüfen
zu können, wurden den leicht geistig behinderten Kindern von
Leffert und Siperstein (1996) verschiedene Videoaufnahmen zu zwei sozialen
Situationen vorgeführt:
1. Aggressive und freundliche Reaktionen von Gleichaltrigen,
als Antwort auf einen Kontaktaufnahmeversuch
2. Provozierendes soziales Verhalten von Gleichaltrigen
in Spielsituationen.
Zur Untersuchung der 4 kognitiven Prozesse benutzten sie
ein strukturiertes Interview. Den Kindern wurden zu allen vier Prozessen
Fragen wie:
- Was passiert in der sozialen Situation (Wahrnehmung),
- war der Charakter des Gleichaltrigen in der sozialen
Situation gut oder schlecht (Interpretation),
- was würdest du tun, wenn Dir so etwas passieren
würde (Entwicklung einer Verhaltensstrategie),
gestellt. Nach der Herausarbeitung einer eigenen Strategie
durch das Kind, wurden ihm vom Versuchsleiter drei verschiedene Reaktionen,
mit der entsprechenden Gegenreaktion des Interaktionspartners, als Videoaufnahme
vorgestellt. Dieses waren jeweils eine situationsangemessen freundliche
Reaktion (friendly assertive), eine aggressive und eine nichtaggressive
inkompetente Reaktion (in der Regel Vermeidungsverhalten). Nach jeder Videovorführung
wurde das Kind mit folgender Frage konfrontiert:
- Findest du, daß dieses eine gute oder schlechte
Reaktion war?
Gleichzeitig wurde der Klassenlehrer gebeten, anhand einer
aus 40 Items bestehenden Verhaltensbeobachtungsliste das Sozialverhalten
der Kinder zu beschreiben. Mit der Befragung des Klassenlehrers sollten
die Defizite im Sozialverhalten der Kinder herausgefunden werden. Diese
wurden abschließend mit den kognitiven Prozessen der Kinder verglichen.
Leffert und Siperstein (1996) stellten weniger Defizite
in der Wahrnehmung der sozialen Situation fest, als bei deren Interpretation
und der folgenden Suche nach einer adäquaten Verhaltensantwort. Sie
ziehen daraus den Schluß, daß „...individuals with mental
retardation often arise not from failure to encode cues but, rather, from
the failure to draw accurate inferences from them" (S. 450). Sie fanden
heraus, daß Kinder, die extreme Verhaltensmuster zeigen, verstärkt
Probleme im sozial-kognitiven Prozeß aufweisen: „...Children,
who were rated high in behavior problems were three times as likely as
other children to have difficulty in two or more social-cognitive processes"
(S. 451). Mit dieser Untersuchung ist es Leffert und Siperstein gelungen
einen Zusammenhang zwischen auffälligen Sozialverhalten und Problemen
in der kognitiven Verarbeitung sozialer Situationen bei geistig behinderten
Kindern nachzuweisen.
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