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Das Siegel
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Bildbeschreibung
Was ist geistige Behinderung ?
Klassifikation von geistiger Behinderung nach ICD-10
und DSM-IV
Ursachen von geistiger Behinderung
Häufigkeit des Auftretens von geistiger Behinderung
Entwicklungsverlauf bei geistig behinderten Kindern
Verhaltensstörungen bei geistiger Behinderung
Ursachen von psychischen Störungen und Verhaltensstörungen bei geistig Behinderten
Soziale Kompetenz
Selektive Wahrnehmung
Soziale Informationsverarbeitung bei Kindern
Überprüfung der sozialen  Informations- verarbeitung bei geistig behinderten Kindern
Aufmerksamkeitsverhalten bei geistig behinderten Kindern
Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung von Emotionen und sozialer Kompetenz bei Kindern
Trainingsprogramme zur Verbesserung der sozialen Kompetenz
Literatur
pix Dr. Sven Bielski - Geistige Behinderung und soziale Kompetenz
Entdeckungen 1 Entdeckungen 2 Entdeckungen 3 Entdeckungen 4 Entdeckungen 5
 
   
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Trainingsprogramme zur Verbesserung der sozialen Kompetenz bei geistig Behinderten


Notwendig zur Durchführung von Sozialtrainingsprogrammen ist ein hinreichendes aktives und passives sprachliches Niveau der Klientel, welches es ihr ermöglicht, einfache verbale Instruktionen und Handlungsanweisungen zu verstehen und darauf verbal reagieren zu können. Weiterhin sollten die Trainingsteilnehmer vor Beginn des Programmes in der Lage sein, verbale soziale Interaktionen durchzuführen und bereits minimale soziale Fertigkeiten beherrschen. Deshalb sind Sozialtrainingsprogramme bei geistig behinderten Kindern und Jugendlichen, die in die Kategorie ‘mäßige geistige Behinderung’ ( vgl. Punkt 1.1.1) eingestuft werden können, durchführbar. Nach Wendeler (1993) besitzen mäßig geistig Behinderte

    „...alle grundlegenden Voraussetzungen zur Selbstversorgung, werden aber nicht völlig unabhängig. Ihre Sprache genügt für Verständigungszwecke, ist aber manchmal etwas unverständlich. Lesen können sie gar nicht oder nur ganz wenig, ebenso wenig können sie mit Geld umgehen. Sie können in beschützten Werkstätten produktiv arbeiten, aber nicht auf dem freien Arbeitsmarkt. Sie sind zu Freundschaften mit Menschen des eigenen und des anderen Geschlechts fähig, können aber gewöhnlich die Rolle eines Ehepartners oder die Elternrolle nicht ausfüllen" (S.13).

Kinder und Jugendliche, deren Behinderungsgrad als „schwer" oder „sehr schwer" eingestuft ist, sollten mit operanten Verfahren gefördert werden (Petermann et al., 1987).

Kadzdin, Esveldt-Dawson, French und Unis (1987) untersuchten die Effekte von Problemlösungsprogrammen (Problem-Solving-Skills Training) und Beziehungstherapie (Relationship Therapy) in der Behandlung von antisozialen Verhalten bei Kindern. Sie stellten fest, daß das Problemlösungsprogramm signifikant bessere Ergebnisse erzielte als das Beziehungstherapieprogramm. Bei einer Follow-Up-Messung nach einem Jahr waren beim Problemlösungsprogramm, im Gegensatz zum Beziehungstherapieprogramm, noch signifikante Verbesserungen im Sozialverhalten (gegenüber der Vorbehandlungsmessung) festzustellen.

Aus diesem Grunde sollen im Folgenden Trainingsprogramme zur Förderung sozial kompetenten Verhaltens bei geistig Behinderten, die auf einem mit den Problemlösungsprogrammen vergleichbaren Ansatz beruhen, näher dargestellt werden.

Park und Gaylord-Ross (1989) führten ein auf einem Problemlöseansatz beruhendes Trainingsprogramm zur Verbesserung des Sozialverhaltens bei drei im Arbeitsprozeß stehenden geistig behinderten Jugendlichen durch. „For the 3 participants, problem-solving training led to substantial generalization and maintenance of social behaviors in natural work settings" (S. 378).

Collet-Klingenberg und Chadsey-Rush (1991) führten ein kognitives Verfahren zur Förderung des Sozialverhaltens bei drei geistig behinderten weiblichen Jugendlichen mit IQ-Werten zwischen 36 und 52 durch. Die drei Jugendlichen standen ebenfalls im Arbeitsprozeß. Zwei der drei Mädchen waren in einem Fast Food Restaurant beschäftigt, eines führte einfache Hilfsarbeiten in einem Krankenhaus durch. Ziel des Trainingsprogrammes war es, angemessen mit Kritik in der Arbeitsumgebung umgehen zu lernen. Den Probanden wurden Bilder mit Situationen aus der Arbeitswelt, auf denen ein Vorgesetzter oder Kollege Kritik an einem Mitarbeiter übt, präsentiert. Gleichzeitig wurde das Verhalten, das diese Kritik ausgelöst hat, verbal dargestellt. Mit den Probanden wurden vier Verhaltensschritte eingeübt:

    1. Decodieren der sozialen Situation
    2. Entscheidungsregeln zur Auswahl der adäquaten Reaktion
    3. Ausführungsverhalten
    4. Evaluationsverhalten.
Am Ende jeder Trainingssitzung wurde den Probanden ein neues Bild und eine entsprechende Beschreibung präsentiert. Die Probanden sollten nun ohne Unterstützung durch den Trainer diese Schritte eigenständig durchführen. Damit sollte überprüft werden, ob die eingeübten Verhaltensschritte bei neuen Situationen angewendet werden können. Zwei der drei Mädchen waren am Ende des Trainings in der Lage, annähernd 100% der präsentierten neuen Bilder ohne Unterstützung des Trainers adäquat zu lösen. Ein Mädchen war nicht in der Lage, diese Überprüfungsaufgaben zu bearbeiten.
In der natürlichen Lebensumgebung zeigten sich kleine Ansätze für eine Generalisierung des neu gelernten Verhaltens. Am Ende der Studie zeigten die beiden Mädchen, die die Überprüfungsaufgaben lösen konnten, erstmals in einigen Fällen angemessenes Verhalten auf Kritik in der realen Arbeitsumgebung.

Das Training von Collet-Klingenberg und Chadsey-Rush (1991) weist mit seinen metakognitiven Elementen Ähnlichkeiten zu dem Trainingsprogramm zur Entwicklungsförderung bei sozial-kognitiver Retardierung (Lauth, 1991) auf.
Das Programm von Lauth besitzt vier Ziele:

    1. Vermittlung einer allgemeinen Problemlösestrategie
    2. Erwerb von Steuerungs- und Kontrollfertigkeiten
    3. Förderung von Reflexivität und Flexibilität als metakognitive Regulationsmechanismen
    4. Vermittlung affektiver Bewältigungsaussagen.
Die Ziele sollen über die Methode der verbalen Selbstinstruktion erreicht werden (Hager & Hasselhorn, 1995). Lauth (1992) weist in einer Studie die Wirksamkeit seines metakognitiven Förderprogrammes nach. Diese Ergebnisse konnten Hager, Hasselhorn und Elsner (1995) allerdings in einer erneuten Evaluation des metakognitiven Trainings nicht bestätigen.

Bandelt und Mayer entwickelten im Jahre 1983 ein Trainingsprogramm zur Verbesserung der sozialen Kompetenz bei geistig behinderten Jugendlichen. In diesem wird mit Verfahren gearbeitet, die auf der sozialen Lerntheorie beruhen. Inhalte des Trainingsprogrammes sind Wahrnehmungsübungen und Rollenspiele. Petermann et al. (1987) beschreiben eine Evaluation des Trainingsprogrammes anhand von sechs geistig behinderten Jugendlichen. Sie geben an, daß sich bei allen Teilnehmern des Trainingsprogrammes das Kontaktverhalten signifikant erhöhte und unsicheres Verhalten bei der Kontaktaufnahme abnahm. Auch bei einer Follow-up-Messung drei Monate nach Ende des Programmes erwiesen sich die Ergebnisse als stabil. Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß dem aktiven, selbst initiierten Einsatz von Sprache erhebliche Bedeutung zukommt. Besitzen geistig Behinderte diese Fähigkeit nicht, ist nicht von einer erfolgreichen Durchführung des Programmes auszugehen.

Garries, Hazinski und Hollenweger (1992) untersuchten die Generalisierung der Effekte von sozialen Trainingsprogrammen bei geistig behinderten Erwachsenen. Dafür entwickelten sie ein eigenes Trainingsprogramm, das zum Ziel hatte, das Initiieren von Kontakten und die Aufrechterhaltung eines Gespräches zu verbessern. Sie interessierte die „...Frage nach der zeitlichen und kontextuellen Überdauerung und Stabilität des trainierten Verhaltens..." (S. 143). „Ziel dieser Studie war es zu untersuchen, in welchem Maße soziale Kompetenzen, die in einem Training erworben wurden, tatsächlich später in sozialen Situationen angewandt werden können" (S. 144).

Sie teilten ihre Untersuchungsgruppe in drei Teilgruppen auf. Eine Gruppe erhielt ein soziales Trainingsprogramm, bei einer anderen Gruppe wurde das soziale Trainingsprogramm mit Videounterstützung durchgeführt, die dritte Gruppe erhielt keine Intervention. Mit der Videounterstützung sollte eine „...Selbsteinschätzung des Verhaltens (...), bei welcher die Versuchsperson das eigene Verhalten aktiv beobachtet und protokolliert..." (S.144) erreicht werden.
Trainingsinhalte waren:
· Verbales Verhalten (die Probanden sollten lernen, gesprächsinitiierende Fragen zu stellen)
· Nonverbales Verhalten (hier wurde eine angemessene soziale Ausdrucksweise, Lautstärke und Frequenz der Stimme und die Mimik trainiert).
Die Autoren führten Prätest-, Posttest- und Follow-up-Messungen durch. Sie kamen zu dem Ergebnis, daß sich zwar alle Versuchspersonen die trainierten Aspekte sozialen Verhaltens aneigneten, eine Generalisierung dieser Verhaltensweisen und eine Anwendung im realen sozialen Kontext allerdings nicht stattfand. Die Autoren konnten auch keine Verbesserung der Effekte des Trainings durch die Unterstützung mit Videoaufnahmen feststellen. „Die Resultate dieser Untersuchung (...) legen es nahe, daß soziale Trainingsverfahren nicht effizient sind für das Vermitteln angepaßter sozialer Verhaltensweisen im täglichen Leben von geistig Behinderten" (S. 150).

Aufgrund der Resultate der im vorhergehenden dargestellten Studien ist die Schlußfolgerung von Garries et al. (1992) anzuzweifeln. Die Resultate ihrer Untersuchung generell auf alle Förderprogramme zu übertragen erscheint unstatthaft. Vielmehr scheint der inhaltliche Aufbau des Trainingsprogrammes den Hauptanteil am Mißerfolg zu haben. Der entscheidende Punkt , der zum Mißerfolg dieses Programmes geführt haben könnte, scheint das Fehlen von kognitiven Elementen zu sein. Die Fähigkeit der Programmteilnehmer zur Diskriminierung von sozialen Reizen, zur Interpretation der Reize, zur Suche nach Verhaltensantworten und zur Bewertung der entsprechenden Reaktionsmöglichkeiten des Handlungspartners wurde weder überprüft, noch gefördert.