Ursachen von geistiger Behinderung
Oligophrenie und Demenz sind die zwei vorkommenden Formen
der Intelligenzminderung. Bei der Oligophrenie geht man von einem angeborenen
Intelligenzdefizit aus. Bei der Demenz war beim Patienten vor der Erkrankung
ein höheres Intelligenzniveau vorhanden, das durch die Erkrankung
verringert wird. Es wird davon ausgegangen, daß das Intelligenzniveau
der Oligophrenen weitgehend stabil bleibt, während es bei Demenz-erkrankungen
in der Regel fortlaufend abnimmt. Kinder und Jugendliche sind in der Regel
von Demenz nicht betroffen, da die hierzu führenden Erkrankungen normalerweise
erst in späteren Lebensphasen auftreten. Streng betrachtet wäre
eine in den ersten Lebensjahren nach der Geburt erworbene Intelligenzminderung
eine Demenz. Es werden gewöhnlich aber die in den ersten drei Lebensjahren
als Folge erbbedingter Krankheiten oder exogener Hirnschäden entstandenen
Schwachsinnszustände zu den Oligophrenien gerechnet, da es ist nicht
möglich ist, die in den ersten drei Lebensjahren postnatal entstandenen
Intelligenzminderungen in der Praxis von den angeborenen Oligophrenien
zu unterscheiden (Huber, 1994; Martin, 1987). Es wird häufig jedoch
davon ausgegangen, „...daß sich eine Demenz nur ausgehend vom
Normbereich der Intelligenz bzw. von ihren Normvarianten entwickeln könne.
Bei genauer Betrachtung genügt aber die (progrediente) Verminderung
der intellektuellen Fähigkeiten unabhängig vom Ausgangsniveau
für die Diagnose eines Demenzprozesses" (Harbauer & Schmidt,
1979, S. 449).
Für geistige Behinderungen finden sich in der Regel
organische Ursachen. Diese können genetisch-metabolisch ( in der Regel
Stoffwechselerkrankungen, wie Phenylketonurie), chromosomal ( z.B. Trisomie
21) oder durch exogene Krankheiten und Schädigungen bedingt sein (
Huber, 1994; Martin, 1987; Meyer, 1977).
Oligophrenien können auch als „Variationen der Verstandesanlage"
auftreten. Hier wird von einer erblichen Veranlagung ausgegangen. Diese
dürfen aber keinesfalls mit den erblich bedingten und auf einen organischen
Defekt zurückführbaren Oligophrenien verwechselt werden. Huber
(1994) begründet die Vererbungstheorie damit, daß unter den
Verwandten von Menschen mit Intelligenzminderungen leichten Grades (Debilität)
ebenfalls Oligophrenie gehäuft vorkommt. Dieses trifft auch für
gering ausgeprägte Minderbegabungen ( IQ Bereich zwischen 70 und 90)
zu. Im Definitionsbereich der geistigen Behinderungen spielen Oligophrenien,
die ätiologisch als ‘Minusvariante der Verstandesanlage’ eingestuft
werden können, keine Rolle. Die ‘Minusvariante der Verstandesanlage’
wird auch als ‘familiare Retardierung’ bezeichnet. Zigler und Hodapp (1986)
definieren sie folgendermaßen: „Familial retarded persons typically
have IQs between 50 and 70 and at least one parent who is below average
in intelligence. It is thought that the majority of the retarded people
are of the family type..." (S. 51). Diese Gruppe soll in den USA einen
Anteil von 75% an der Gesamtpopulation der geistig Behinderten haben (Holtz,
1994; McDermott, 1994). Es muß allerdings angemerkt werden, daß
Zigler und Hodapp von der amerikanischen Definition ‘mentally retarded’
ausgehen, die, wie bereits angemerkt, nicht unbedingt mit dem deutschen
Begriff der ‘Geistigen Behinderung’ identisch ist.
|