Aufmerksamkeitsverhalten von geistig behinderen Kindern
Spreen (1978) stellt dar, daß die Lernschwierigkeiten
des geistigen Behinderten nicht nur im Bereich des Lernens selber zu suchen
sind, sondern auch auf dem Gebiet der Aufmerksamkeit. Er beschreibt, daß
es dem geistig behinderten Menschen häufig nicht gelingt die Aufmerksamkeit
auf die relevante Reizdimension zu richten.
Meyer (1977) gibt an, daß geistig behinderte Kinder
häufig viel Zeit für die Lösung einer Aufgabe benötigen.
Sie sind häufig während der Lösungszeit abgelenkt. Ihre
Aufmerksamkeit ist also auf andere Reize gerichtet.
Meyer (1981) beschäftigte sich mit dem Aufmerksamkeitsverhalten
von geistig behinderten Kindern. Er untersuchte das Impulsivitäts-/Reflektivitätsverhalten
sowohl bei geistig behinderten als auch bei nicht geistig behinderten Kindern.
Dabei ging er von der Annahme aus, daß längeres, reflektierendes
Bearbeiten einer Aufgabe bessere Ergebnisse bringt als eine kurze und impulsive
Vorgehensweise. Bei der Gruppe der nicht geistig behinderten Kindern traf
dieses auch zu. Geistig behinderte Kinder zeigten sowohl bei reflektierender
als auch bei impulsiver Bearbeitung gleich schlechte Ergebnisse. Er stellt
fest, „...daß die Dauer der Lösungszeit keinen Einfluß
auf die Leistungsgüte..." (S.170) der geistig behinderten Kinder
hat. Daraus schlußfolgert er, daß geistig Behinderte häufiger
Schwankungen der Aufmerksamkeit unterliegen. Er geht davon aus, daß
ihre Konzentration nicht durchgehend auf die Aufgaben fixiert bleibt. Meyer
(1981) nimmt an, daß sogar die Reizaufnahme, und nicht nur die weitergehende
Verarbeitung, von diesen Aufmerksamkeitsschwankungen beeinträchtigt
wird.
Er unterzog eine Gruppe von 7-13jährigen geistig
behinderten Kindern (n=50) einer Untersuchung mit dem PPVT-Test. Diese
Gruppe wurde geteilt (2´ n=25). Bei einer Hälfte wurde der Test
nur anhand der Standardinstruktionen durchgeführt. Der anderen Hälfte
wurden zusätzlich ‘aufmerksamkeitsfixierende Instruktionen’ gegeben.
Es zeigte sich, daß die Gruppe, der ‘aufmerksamkeitsfixierende’ Instruktionen
gegeben wurden, eine deutlich höhere Lösungsquote aufwies als
die Kontrollgruppe. Meyer (1981) zieht daraus den Schluß, „...daß
das Aufmerksamkeitsverhalten geistigbehinderter Kinder durchaus pädagogischen
Einflüssen zugänglich ist und somit entsprechend ausgerichtete
Förderprogramme sinnvoll erscheinen..." (S. 177) läßt.
Schmidt (1993) beschäftigte sich mit der Belastbarkeit
von intellektuell behinderten Kindern. Sie untersuchte die Zunahme von
motorischer Unruhe und Ermüdungserscheinungen in Unterrichtssituationen.
Sie zeigt auf, daß motorische Unruhe und Ermüdungserscheinungen
der Schüler im Verlaufe der Unterrichtsstunde stetig zunehmen. Sie
leitet daraus die These ab, daß im von ihr beobachteten Unterricht
den behinderten Kindern nicht ausreichend Entspannungs- und Regenerationsmöglichkeiten
angeboten wurden.
Im Laborexperiment verglich sie weiterhin intellektuell
beeinträchtigte und intellektuell nicht beeinträchtigte Kinder.
Sie beschreibt, daß die intellektuell beeinträchtigten Probanden
maximal 10 bis 15 Minuten einseitig kognitiv belastbar waren. Die nach
dieser Belastung notwendige Erholungszeit lag deutlich über der der
nicht beeinträchtigten Kinder. Die Länge der Belastbarkeit korrelierte
positiv mit der Höhe des IQ. Stärker intelligenzgeminderte Kinder
sind demnach weniger kognitiv belastbar als weniger stark intelligenzgeminderte
Kinder.
Wenn die maximale Belastbarkeit bei geistig behinderten
Kindern 10 bis 15 Minuten beträgt, ist davon auszugehen, daß
beim Überschreiten dieser Zeit die Aufmerksamkeit und Konzentration
dieser Kinder deutlich nachläßt.